Nürnberg

Mormon Deutsch Asnath Berthilde FrenzelMein Name ist Asnath Berthilde Frenzel. Geboren bin ich in Nürnberg. Mein Vater heißt Hans Albert Frenzel und meine Mutter Frieda Babette Frenzel. Im Jahr 1919 wurde mein Vater als Zwölfjähriger von einer Nachbarfamilie in Nürnberg eingeladen, in die Sonntagsschule der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage mitzukommen. Mit zwanzig Jahren ließ sich mein Vater am 21. September 1927 in der Pegnitz, am Rande der Stadt Nürnberg, taufen. Die Pegnitz fließt durch die Mitte der Stadt. Dieser Tag war für ihn ein ganz besonderer Tag. Es wurde ein Foto von ihm gemacht, als er das Buch Mormon in der Hand hielt. Mein Vater hat uns viele Male an seinen Tauftag erinnert und besonders Wert darauf gelegt, dass sein Tauftag nie in Vergessenheit gerät. Einige Jahre später erfüllte mein Vater eine Stadtmission, obwohl er noch kein Ältester war. Zu dieser Zeit musste jeder Mann lange warten und sich bewähren, um Ältester zu werden. Er ist von Haus zu Haus gelaufen, abends nach der Arbeit und an Samstagen, um das wahre Evangelium zu lehren.

Mein Vater hatte ein sehr starkes Zeugnis, das er sein ganzes Leben lang behalten hat. Nachdem er das Evangelium lehrte, ließen sich mehrere Personen und Familien taufen. Darunter auch eine Familie, dessen Tochter, Frieda Babette, mein Vater nach einigen Jahren, am 3. März 1934, geheiratet hat. So hat mein Papa meine Mama kennengelernt. Meine Mutter wurde am 3. Januar 1932 getauft, mit mehreren anderen Personen und auch mit den zwei Brüdern meines Vaters. In diesen Jahren forschte mein Vater nach seinen Ahnen. Seine beiden Brüder haben anfangs mitgeholfen und Ahnenlisten geschrieben. Später hat mein Vater mit meiner Mutter weitergesucht. Er hat viele Briefe an Pfarrämter geschrieben, um Daten zu bekommen. Auch hat er seinen ganzen Urlaub jedes Jahr nur für die Forschung verwendet, bis der Krieg anfing. Dann war es nicht mehr möglich zu forschen. Zu dieser Zeit hatte mein Vater das Gefühl, das Ergebnis seiner Forschungen zu sichern und verwahrte es mit anderen Sachen in Burgthann, einem kleinen Ort, ungefähr 20 km von Nürnberg, im Haus seines Bruders auf. Die Forschungen mit dem ganzen Briefwechsel und allen anderen Sachen sind erhalten geblieben.

In der April-Konferenz 1936 wurde das Ziel des Sicherheitsplans bekanntgegeben von Präsident Joshua Reuben Clark Jr. (1871-1961), Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft der Kirche (1918-1945). Erst war er das bei Präsident Heber J. Grant (1856-1945) und zuletzt bei Präsident David O. McKay (1873-1970). Es wurde gesagt, dass der Sicherheitsplan, den die Kirche einsetzen wird, das Ziel hat, dass niemand verhungern soll oder unerfüllte Bedürfnisse habe. Dieser Sicherheitsplan wurde später umbenannt zum Wohlfahrtsplan der Kirche. Präsident J. Reuben Clark hat allen Mitgliedern Anweisungen gegeben, Lebensmittel zu sammeln und mehrere Monate aufzubewahren. Meine Eltern hörten das und gehorchten. Wir wohnten im ersten Stock eines vierstöckigen Mietshauses in der Mitte von Nürnberg, Tucherstrasse 2. Jeder Mieter hatte einen Kellerraum. In unserem Kellerraum waren Kartoffeln in einer großen Kartoffelkiste aufbewahrt sowie Olivenöl und andere Lebensmittel, auch Holz und viele Kohlen zum Kochen und Heizen. Neben der Küche gab es einen kleinen Abstellraum, in dem kein Fenster war und keine Heizung. Dort waren Weizen, Weizenflocken, Haferflocken, Mehl, Zucker, Linsen, Zwiebeln, usw. gelagert. Im Abstellraum war auch eine Zinkbadewanne, die Samstagnachmittags in die Mitte der Küche gestellt und mit warmem Wasser aus einem großen Topf, der auf dem Herd stand, gefüllt wurde.

In den Jahren 1936 und 1937 hat mein Vater bei einer Großhandlung Lindenberg B. Koehler, Lebensmittel Import in Berlin, mehrere Bestellungen für Kisten mit Olivenöl aufgegeben. Diese wurden weiter nach Nürnberg geschickt, zur Bezirksvertretung der Firma Sasso Figli, Oneglia. Eine Kiste Olivenöl mit 5 x 10 kg-Kannen kostete Reichs Mark 135,00, minus 2% Ermäßigung = RM 132,30. Dadurch war das Olivenöl billiger. Mein Vater hat das Öl zu dem Preis an Mitglieder weiterverkauft.

Einige Jahre vor Kriegsanfang mieteten meine Eltern einen kleinen Garten in einer Gartensiedlung in Nürnberg. Mein Vater ist jeden Tag nach der Arbeit mit dem Fahrrad hingefahren, um den Garten in Ordnung zu halten. Er hat die Hühner gefüttert und Eier und Gemüse mit nach Hause gebracht. Während des Krieges bekam jede Person wöchentlich oder monatlich Lebensmittel-Marken, mehr konnte man nicht einkaufen. Für viele Monate hatten wir vom Vorrat zu essen. Auch hatte mein Vater, neben seiner Vollzeitbeschäftigung im Büro, abends und samstags eine Nebenbeschäftigung. Er erledigte die ganze Buchhaltung für eine Bäckerei. Dadurch bekamen wir Extra-Brot ohne Lebensmittel-Marken.

Mein Vater hat seinen vollen Zehnten bezahlt und wir erhielten die verheißenen Segnungen. Mehrere Male bekam mein Vater Telegramme und musste sich an einem bestimmten Tag für den Soldatendienst melden. Jedes Mal hat mein Vater gefastet und gebetet. Dadurch war er sehr geschwächt und wurde nach der Vorstellung wieder nach Hause geschickt. Er arbeitete auch für die Firma Vereinigte Papierwerke, die notwendige Gebrauchsartikel herstellten, und so wurde er vom Kriegsdienst befreit.

Während des Krieges bekam mein Vater einmal ein Telegramm mit dem Befehl, sich an einem bestimmten Tag zur Militärausbildung für drei Wochen in der Kaserne in Schwabach zu melden. Er hatte keine Wahl, er musste sich melden. Ich erinnere mich noch, dass Mama und ich Papa in Schwabach besuchten. Leider war es nur für eine sehr kurze Zeit und im Hof vor der Kaserne. Nach der Ausbildung wurde mein Vater für einige Tage nach Hause beurlaubt und er hatte den Befehl, sich am Bahnhof in Nürnberg an einem bestimmten Tag, Zeit und Zug zu melden. Als er Urlaub vom Militär hatte, hat mein Vater gefastet und gebetet. Er hatte einen starken Glauben. Mein Vater musste sich melden, aber er meldete sich erst Stunden später nach Abfahrt des Zuges, auf die Gefahr hin, dass er ins Gefängnis kommt oder erschossen wird oder sonstige Bestrafung bekommt. Seine Entschuldigung war, dass er zu schwach war, sich am Bahnhof zu der bestimmten Zeit zu melden. Mein Vater wurde ausgeschimpft und schlecht behandelt. Aber nachdem der Arzt ihn untersuchte sagte er: „Der Mann kann nicht helfen den Krieg zu gewinnen.“ Mein Vater wurde für einige Zeit vom Soldatendienst befreit. Der Soldaten-Transportzug ging nach Prag und die Soldaten hatten den Befehl, dort zu kämpfen. Aber an der Grenze wurde der Zug gesprengt und die meisten oder alle Soldaten wurden getötet.

Mein Vater ist vom Himmlischen Vater beschützt worden, damit er weiter auf dieser Erde leben konnte. Dadurch sind und werden für viele tausende verstorbene Menschen die Tempel-Verordnungen gemacht.

Der Traum meiner Großtante Anna war, einhundert Jahre alt zu werden. Sie hatte keine großen gesundheitlichen Beschwerden. Eines Tages ging sie mit einer Erkältung ins Krankenhaus und starb mit achtzigeinhalb Jahren. Damals wurde wenig für alte Menschen getan, sie waren nicht willkommen, so mussten sie sterben.

Nürnberg war auch eine der Städte, in der es große Soldatenaufmärsche gab und lange, laute Propagandareden von den politischen Führern gesprochen wurden. Diese Zusammenkünfte waren am Hauptmarkt in der Mitte der Stadt Nürnberg. Wir wohnten gleich daneben. Wenn eine Zusammenkunft stattfand, sind Soldaten durch die Straße zum Hauptmarkt marschiert und die Menschen mussten teilnehmen. Die Soldaten-Polizei ging in die Häuser und man konnte die schweren Stiefel hören, wenn die Soldaten die Treppen auf und ab gingen und an alle Türen klopften. Unsere Tür war abgesperrt, aber die Soldaten haben sie nicht aufgebrochen. Angsterfüllt versteckten wir uns in der Wohnung, damit wir nicht gehen mussten, es musste ganz still sein, keinen Laut durften wir machen. Wenn die Soldaten vermutet hätten, dass wir in der Wohnung sind, hätten sie die Tür aufgebrochen.

Gleich zu Beginn des Krieges mussten alle Fenster total verdunkelt sein in der Nacht. Es durfte nicht einmal ein ganz kleines Licht durchscheinen und es gab auch keine Straßenbeleuchtung. Zu bestimmten Zeiten durfte niemand auf der Straße sein, außer es ertönten die Sirenen, dann mussten die Leute in der finsteren Nacht in den Bunker gehen. Der Hauptmarkt war zu klein, deshalb wurde ungefähr im Jahr 1940 begonnen, am Rande der Stadt ein großes Stadium zu bauen. Dort war Platz für tausende Menschen und für die Soldaten zum Aufmarschieren.

Um einen Führerschein zu erhalten, musste man eine Fahrschule absolvieren. Der Fahrlehrer hat mir in dem großen Stadium das Autofahren gelernt.

Mein erster Schultag im August in der ersten Klasse war ein besonderer, erlebnisreicher Tag. Mama hat meine Hand gehalten und wir sind ungefähr fünfzehn Minuten zum Schulhaus gelaufen. Die Bekanntmachungen wurden im Hof vor dem Schulhaus abgehalten. Die Schullehrerin und der Schulleiter haben gesprochen, die politische Fahne wurde hochgezogen und der politische Gruß wurde gesprochen. Das alles war neu für mich. Meine Eltern hatten uns vor der Welt beschützt. TV war noch nicht erfunden. Wir hatten nur ein Radio, das mein Vater gewonnen hatte, als er der tausendste Besucher bei der Weltausstellung in Berlin vor dem zweiten Weltkrieg war. Das Schulhaus hatte einen großen Bunker im Keller ausgebaut. Wenn während der Schulzeit Sirenen ertönten, mussten wir alle der Reihe nach schnell und ordentlich die tiefe schmale Treppe hinab gehen und auf Holzbänken ohne Lehne sitzen, bis die Gefahr vorüber war. In dem Mietshaus, in dem wir wohnten, wurde im Keller ein Raum mit Backsteinen gemauert und eine schwere Metalltür angebracht für die Hausbewohner.

Zu Anfang des Krieges wurde ein großer Bunker unter dem Obstmarkt gebaut. Nur Personen, die in der Nähe wohnten, bekamen einen Ausweis. Mama bekam einen Ausweis und die Namen von uns Kindern waren auf der Rückseite darauf geschrieben. Jedes Mal mussten wir uns am Eingang des Bunkers anstellen und den Ausweis vorzeigen, bevor wir hineingehen durften. Der Bunker war hauptsächlich nur für Frauen und Kinder. Papa hatte keine Genehmigung in den Bunker zu gehen. Die Sirenen ertönten, wenn Bomben-Flugzeuge in die Nähe kamen. Oft sind diese drüber geflogen, ohne Bomben abzuwerfen, wahrscheinlich war das Ziel woanders. An manchen Tagen wurden aber auch einige Bomben abgeworfen. Wenn die Gefahr vorüber war, ertönte wieder die Sirene, und das war ein langer Ton. Wenn Sirenen am Tag ertönten, mussten wir schnell rennen. Wenn die Sirenen nachts ertönten, mussten wir schnell aus dem Bett raus und uns anziehen. Die Kleidung lag auf einem Stuhl neben dem Bett und die Schuhe standen unter dem Stuhl bereit, damit alles gleich erreichbar war. Als es schlimmer wurde und die Sirenen öfters ertönten, haben wir oft mit der Kleidung geschlafen, damit wir schneller in den Bunker kamen. Im Bunker waren mehrere Räume mit Etagenbetten und Stühlen. Es gab nichts zu trinken oder zu essen.

Als wir einmal wieder im Bunker waren, gab es einen Krach, der wie ein Erdbeben war. Es wurde bekannt gegeben, dass das große vierstöckige Mietshaus, mit einem Pelzmantel-Geschäft darin, total zusammen gefallen sei. Eine Sprengbombe hat das ganze Haus zerstört. Das Haus war nur einige Meter vom Bunker entfernt. Wir sind beschützt worden, indem die Sprengbombe nicht in Richtung Bunker gefallen ist. Trotz totaler Dunkelheit und schlechtem Wetter haben die Piloten durch die neue Erfindung Radar-Navigation das Ziel genau gefunden. Nürnberg war bereits seit dem Jahre 1941 Ziel von Luftangriffen. Es begann mit kleinen Gelegenheitstreffern auf verschiedene Häuser und endete mit planmäßiger Flächenzerstörung. Am Dienstag, 2. Januar 1945, sank Nürnberg in Schutt und Asche. Es war 19:00 Uhr, als rund 900 Flugzeuge über Nürnberg flogen und über eine Million Brandbomben, 100 Minen und 6000 Sprengbomben auf die Mitte der Stadt fallen ließen. Innerhalb einer Stunde sind über 100 000 Personen obdachlos geworden. Über 1800 Personen sind umgekommen. Jedes Haus brannte und in dem Haus uns gegenüber, in dem meine Tante wohnte, brannte es auch, obwohl keine Brandbombe in das Haus gefallen war.

Das vierstöckige Backsteinhaus, in dem wir im ersten Stock wohnten, ist total verbrannt. Vier Brandbomben sind durch das Dach gefallen. Papa war im Haus und hat schnell Matratzen auf die Bomben geworfen und versuchte, das Feuer zu löschen, aber es war unmöglich. Mama ging zurück zum brennenden Haus, um ihren Mann zu finden. Wir Kinder blieben im Bunker. Bald danach musste der Bunker geräumt werden, denn wegen dem starken Rauch wurde das Atmen sehr schwierig. Ich stand vor dem Bunker mit meinen zwei jüngeren Brüdern Zenos und Peter, umhüllt mit Rauch und schwarzen Rauchwolken über uns. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Wir mussten die Rauchluft einatmen. Zum Glück kamen bald danach meine Eltern. Sie haben uns gefunden und meine Sorge war vorüber, denn ich fühlte mich bei meinen Eltern geborgen. Bevor meine Eltern das brennende Haus verließen, haben sie schnell fünf Handtücher nass gemacht, die wir über Nase und Gesicht hielten, um zu atmen. Es war eine bitterkalte Nacht und die feuchten Handtücher sind gefroren.

Ich erinnere mich, dass Mama große Sorge um meinen kleinen Bruder Peter hatte. Er hatte große Schwierigkeiten zu atmen. Man kann das Gefühl nicht beschreiben, auch nicht die Angst, die man fühlte. Wir sind in der Mitte der Straße gelaufen, brennende Häuser auf beiden Seiten, durch die rauchige Luft und mit brennenden Funken in der Luft. So sind wir von den brennenden Häusern weggelaufen. Wir fanden Unterkunft im Haus der Zeitungsdruckerei. Der Speisesaal dieses Hauses und die Nebenhäuser haben nicht gebrannt. Auf Holzstühlen und Tischen sitzend und liegend warteten wir, bis das Tageslicht anbrach. Soweit ich mich erinnern kann, hatten wir nichts zu trinken und zu essen. Wir hatten nur die Kleidung, die wir getragen hatten, das war alles.

Am Morgen ist mein Vater zu seiner Arbeit gelaufen. Die Vereinigten Papierwerke waren in Nürnberg, aber die Fabrik, in der die Gebrauchsartikel hergestellt wurden, war in Heroldsberg, 10 Kilometer von Nürnberg entfernt. Die Firma hat in Heroldsberg Behelfsheime mit Toilette im Freien für ihre Angestellten gebaut, für den Fall, dass jemand durch Bombenangriffe obdachlos würde. Wir wurden in einem Lastkraftwagen nach Heroldsberg zu der Fabrik gefahren. In der Cafeteria konnten wir uns aufwärmen und warme Suppe essen.

In der Zwischenzeit haben Männer Holzbetten aufgestellt und mit Strohsäcken und Decken belegt. Das war unser Bett für lange Zeit. Es gab einen Holztisch, zwei Holzbänke, Holzstühle, einen Kleiderschrank und einen Geschirrschrank. Alle Fichtenholzmöbel waren ohne Farbe. Der Kleiderschrank und Geschirrschrank waren eine Zeitlang leer, denn wir hatten nichts hinein zu tun. Jedenfalls hatten wir ein Dach über uns, zwei Zimmer, Wasser, Kohlenofen zum Heizen und Kochen. Wir sind jeden Tag zu der Fabrik gelaufen, um warme Suppe zu essen. Dann haben wir Geschirr von der Cafeteria geliehen und konnten selber kochen.

Am nächsten Tag ging mein Vater zurück zum zusammengefallenen Haus. Der Keller war ein heißes glühendes Loch mit brennenden heißen Kohlen. Ein weiter weg stehender Mann hat meinem Vater zugerufen: „Gehen sie keinen Schritt weiter.“ Mein Vater hörte auf den Befehl. Der Mann war vielleicht ein Schutzengel. Wenn mein Vater einen Schritt weiter gegangen wäre, wäre er in das Loch gefallen und verbrannt. Meine Mama und wir Kinder hätten niemals erfahren, was mit unserem Vater geschehen ist. Der Mann hat meinem Papa das Leben gerettet. Als der Schutt kalt war, suchten viele Leute dort, wo Verkaufsläden waren, um brauchbare Sachen und Geschirr zu finden. Mein Vater hat Töpfe, eine Puddingform, einen Herrenschuh und andere Sachen mit nach Hause gebracht und wir freuten uns sehr darüber.

Der Krieg war noch nicht vorbei, aber es ging dem Ende zu. Jeder Mann, ob jung oder alt, sollte helfen, den Krieg zu gewinnen. Mein Vater hat uns für einige Wochen alleine gelassen und ist über zwanzig km zu seinem Bruder in Burgthann gelaufen. Das Haus stand am Berg neben dem Wald. Da die Familie seines Bruders Angst hatte, sind sie ins nächste Dorf gegangen, wo sie Unterkunft gefunden haben. Ein Telefongespräch war nicht möglich. Mein Vater war allein im Haus mit dem Hund. Die amerikanischen Soldaten waren im Wald und die Kugeln flogen über das Haus. Auf der anderen Seite ist eine Burg, dort waren die deutschen Soldaten und haben zurückgeschossen. Als mein Vater in der Außentoilette war, kam eine Kugel ganz nahe an ihm vorbei. Im April 1945, als der Krieg sehr schlimm war, schrieb mein Vater seinen letzten Willen. Sein Wunsch war, wenn er sterben sollte, dass meine Mama einen Weg finde, in den Tempel des Herrn zu gehen und dass wir alle zusammen gesiegelt werden. Es gab keinen Tempel in Europa zu dieser Zeit. Mein Vater überlebte und meine Eltern wurden 1956 im Schweizer Tempel gesiegelt und wir Kinder an unsere Eltern.

Meine Mama und wir versteckten uns für mehrere Stunden bei einer Nachbarfamilie, die einen großen Kartoffel- und Gemüsekeller hatte, während die US-Soldaten vom Wald her einmarschierten. Kein Soldat hat geschossen, sie sind friedlich gewesen. Neben unserem Haus stellten die Soldaten ihre Kanonen, Maschinengewehre und Zelte auf und sind mehrere Tage geblieben. Die Soldaten schossen Richtung Nürnberg, um die Stadt zu übernehmen. Wir hatten große Angst, mussten aber vom Kartoffelkeller zurück zu unserem Haus gehen. Die Soldaten waren gut zu uns, haben uns kein Leid angetan. Ein Soldat gab uns eine lange Stange Salami. Wir konnten nicht so viel essen und wir hatten keinen Eisschrank, nur kaltes Wasser. Das Abwasser floss in einem Rohr durch die Wand nach draußen. Dort war es etwas kühler und da haben wir die Salami aufgehoben. Eine Maus knabberte daran, das wurde abgeschnitten und die Salami wurde gegessen. Nachdem die Soldaten weg waren, fanden wir auf dem Boden einen Berg mit verschiedenen Dosen. Wir haben alles gegessen, das war ein gutes Geschenk für uns. Der Krieg ging im Mai 1945 zu Ende.

Mit Glauben, Fasten und Gebeten haben meine Eltern uns Kinder beschützt. Unsere Familie und unsere Verwandtschaft sind alle am Leben geblieben. Es dauerte noch Jahre, bis wir alles kaufen konnten. Nach einiger Zeit wurden zwei Zimmer angebaut und darunter ein Kartoffelkeller. Dadurch hatte ich mein eigenes Zimmer. Wir hatten abgefallene Zweige aus dem Wald gesammelt und kleine Bäume abgehauen, weil wir jeden Tag den kleinen Herd zum Kochen und für Wärme heizen mussten.

Nach über einem Jahr ging ich wieder in die Schule, allerdings nur an Tagen mit schönem Wetter, weil ich keine Winterschuhe und Winterkleidung hatte. Für die Pause in der Schule hatte ich zwei Scheiben trockenes Brot, sonst nichts. Wenn wir zuhause Milch warm machten, bildet sich darauf eine Milchhaut, die haben wir auf das Brot gelegt. Im Wald sammelten wir Himbeeren, Blaubeeren, Pilze und manche Kräuter. Wir mussten durch eine große Wiese laufen bis wir zum Wald kamen. Auf dieser Wiese habe ich viel Löwenzahnblätter und Gänseblümchenblätter gesammelt, das war unser Salat. Gleich im ersten Sommer hat meine Mama einen Garten angelegt und auch einen Pfirsichbaum gepflanzt. Als der Baum die ersten Pfirsiche trug, durften wir sie nicht pflücken und essen. Sie sagte, dass in der Bibel stehe, dass die erste Frucht eines Baumes dem Herrn gehöre. Aber nach einiger Zeit waren die Pfirsiche verschwunden. Die Nachbarkinder haben sich daran erfreut. Meine Mama liebte Blumen. Vor dem Eingang war ein Blumengarten mit Stiefmütterchen, Löwenmaul, Margeriten, Sonnenblumen, Ringelblumen, Studentenblumen und Nelken, das waren ihre Lieblingsblumen und sind auch meine Lieblingsblumen. Wir hatten dann auch Hühner und somit Eier.

Die Haus- und Gartenarbeit war schwer und schwierig zu dieser Zeit, ohne elektrische Küchenmaschine und Waschmaschine. Fünf Jahre wohnten wir im Behelfsheim. Es wurden dann wieder Häuser gebaut und wir sind nach Nürnberg, Mathildenstraße 32, in den zweiten Stock gezogen.

Mehrere Jahre nach dem Krieg wurden noch scharfe Bomben bei der Schuttbeseitigung gefunden, die entschärft werden mussten. Auch das Haus, in dem ein Saal für die Kirchenversammlungen gemietet war, war zerstört. Nach Monaten wurde ein Haus in der Guntherstraße 56 in Nürnberg gemietet, dort wurden dann die Kirchenversammlungen abgehalten. Ich wurde in der Pegnitz getauft, an derselben Stelle, wo mein Papa getauft wurde. Es war schwierig, zu diesem Taufplatz zu kommen. Viele Brücken waren gesprengt und es lagen nur 15 x 15 cm Balken über dem Fluss. Der Gemeindevorsteher und die Ratgeber haben meinen Eltern geholfen, auf den Balken über den Fluss zu laufen. Meine zwei Brüder und mich hat man über den Fluss getragen. Es war Sonntag, 25. Mai, sehr früh am Morgen, als ich von meinem Vater getauft und dann am Ufer von ihm konfirmiert wurde. Ich war die Einzige, die an diesem Tag getauft wurde, und es waren nur meine Eltern, Brüder, Gemeindevorsteher und Ratgeber anwesend.

Das gemietete Gemeindehaus hatte einen Hinterhof, dort wurden Taufbilder gemacht. Die Soldaten, die Mitglieder waren, hatten auch Versammlungen dort. Weihnachten, ungefähr im Jahr 1947, haben die Soldaten uns zur Weihnachtsfeier in die Kaserne eingeladen. Nach dem sehr guten Essen und Trinken hat Santa Claus jedem Kind ein Geschenk gegeben. Mein Geschenk war ein Teddybär. Zu dieser Zeit war es die einzige, sehr schöne, unvergessliche Weihnachtsfeier meiner Jugend. Ich habe nicht vergessen, was die guten LDS-Soldaten für uns getan haben.

Weihnachten, ungefähr 1942, bekam ich von Knecht Ruprecht eine Puppenstube mit drei Wänden, Boden, kein Dach und keine Wand vorne. Meine Mama hat lange daran gearbeitet um mir eine große Freude zu bereiten. Sie ging zum Zigarren-Geschäft und kaufte kleine Zigarren-Holzkästchen. Sie hat das Holz gesägt, zusammengeklebt und hat alle Puppenmöbel angefertigt. Ich wünschte mir auch einen Puppenwagen mit einer Puppe, aber das konnte man während des Krieges nicht kaufen.

Es war schwierig, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen, weil nur zwei Züge am Sonntag gefahren sind. An einem Sonntag ist mein Vater mit mir von Heroldsberg nach Nürnberg 10 km bis zur Straßenbahn gelaufen, um in die Kirchenversammlungen zu gehen. Wir sind die Straße entlang gelaufen und dort in der Nähe hatten die US-Soldaten ihre Zelte aufgestellt. Mit Angst sind wir vorbeigelaufen. Ein schwarzer Soldat hat mir eine Orange zugeworfen. Das war das erste Mal, dass ich eine Orange sah. Mein Papa hat die Orange geschält und wir haben sie gegessen.

Wir lebten in großer Armut. Zu unserer großen Überraschung wurden viele Kartons aus Amerika im Gemeindehaus angeliefert. Lebensmittel, Büchsen, Kleidung, Decken, und andere Gebrauchswaren, kamen aus dem Wohlfahrtsprogramm der Kirche aus Salt Lake City, Utah. Ich habe noch Kleider aufbewahrt, zur Erinnerung an die großen Spenden und Segnungen, die uns zuteilwurden. Reis war in Stoffsäckchen. Mama hat diese Säckchen aufbewahrt und verwendet. Ich habe auch einige Säckchen aufbewahrt. Mama mischte Maiscremesuppe mit Rindfleisch und Wasser, und das hat sehr gut geschmeckt. Manchmal kochte ich dasselbe. Auch die sehr guten in Büchsen eingemachten Pfirsiche und Birnen, Gemüse, Suppen, Eintöpfe Fleisch, auch die guten Tomaten, usw. haben uns sehr geholfen. Bevor wir eine Büchse aufmachten, habe ich das Papier abgemacht und aufgehoben. Das habe ich als Lesezeichen verwendet. Es war eine sehr große Auswahl und vieles war neu für uns. Wir freuten uns darüber und waren sehr dankbar für die großen Gaben und Segnungen, die uns zuteilwurden. Das Leben wurde besser für uns, denn wir hatten nach langer Zeit Verschiedenes und Gutes zu essen. Auch die Decken waren willkommen, und ich hatte mehr Kleider zum Anziehen, als vorher. Vorher hatten wir meisten nur Kartoffeln und was wir über die Lebensmittelmarken bekamen, auch etwas Brot, und im Sommer Gemüse vom Garten.

Viele arbeiten freiwillig und ohne Gehalt im Wohlfahrtsprogramm. Denen möchte ich „Dankeschön“ sagen, für alles, was sie tun, für Leute, die sie nicht kennen. Das ist Nächstenliebe. Die Schwestern des Frauenhilfsvereins haben sehr sorgfältig alles an die Mitglieder ausgeteilt. Ich erinnere mich noch daran, dass alle Sachen in Zimmern verteilt waren. Mein Vater bekam einen Anzug. In der Tasche war der Name Beutler und eine Adresse in Logan, Utah. Mein Vater schrieb einen Dankesbrief dorthin und hat die Adresse aufgehoben.

1968 kamen meine Eltern zum ersten Mal zu Besuch nach Amerika. Wir haben Familie Beutler geschrieben und wurden eingeladen, nach Logan zu kommen. Meine Eltern und meine Familie besuchten die Familie Beutler in Logan. Wir haben uns kennengelernt, hatten eine sehr gute Zeit und bekamen Rootbeer float zu trinken.

Nachdem die Ahnenforschung wieder möglich war, haben meine Eltern weiter daran der gearbeitet. Sie waren in vielen Orten und auf Pfarrämtern, oft in kalten Zimmern. Auch waren viele Kosten damit verbunden, denn Pfarrämter verlangen Geld dafür und sie hatten auch Fahrtkosten. Obwohl vor 1956 kein Tempel in Europa war, sahen es meine Eltern als Notwendigkeit an, an der Forschung zu arbeiten. Mein Vater war Mitglied beim Landeskirchlichen Archiv und hatte einen Ausweis als Genealoge. Diesen Ausweis zeigte er in den Pfarrämtern vor. Nachdem der Schweizer Tempel offen war, waren meine Eltern viele Male im Tempel, und der Wunsch, den meine Eltern hatten, in das Haus des Herrn zu gehen, ging in Erfüllung. Meine Eltern waren auch in den Tempeln in London, Frankfurt, Freiberg, Salt Lake, Ogden und Mesa. Wir sind von unserem Himmlischen Vater beschützt worden, damit wir unsere Mission auf dieser Erde erfüllen können. Meine Eltern haben ihre Mission auf dieser Erde schon vollendet.