Linz, Österreich
Mein Name ist Eleonora Ingeborg Fuchshofer, geborene Kienzl. Als meine Mutter mir den Namen geben wollte, da wollte sie eine Ingeborg haben, aber da das kein katholischer Name war, wurde ihr das verweigert und so hatte ich dann als ersten Namen Eleonora und als zweiten Namen Ingeborg. In der Kirche gibt es für mich nur die Inge, so werde ich von allen gerufen und ich bin mit diesem Namen glücklich.
Ich bin in einer geschiedenen Ehe aufgewachsen. Wir sind insgesamt sechs Mädchen gewesen. Ich war das dritte Mädchen und war noch sehr klein, als meine Mutter sich entschlossen hatte, sich von meinem Vater zu trennen, weil es so eine schwierige Zeit war und er als Handelsreisender unterwegs war und statt das Geld nach Hause zu bringen im Kartenspiel verloren hatte. Ich konnte nie verstehen, dass meine Mutter vom lieben Gott nicht mehr geliebt wird, weil sie sich von meinem Vater getrennt hatte und eigentlich nur das Beste wollte für uns Kinder.
Meine Mutter hat sehr, sehr viel gearbeitet. Sie hat aus Schafwolle die herrlichsten Pullover und Socken gestrickt und mit wunderbarem Norwegermuster, dafür hat sie von den Bauern wieder Butter und Essen bekommen für uns und ihre Hände waren oft geschwollen. Ich hab mir gedacht, das gibt es nicht, dass der liebe Gott meine Mutter nicht will. Sie konnte wohl in die Kirche gehen, aber kein Abendmahl mehr nehmen. So sind wir groß geworden. Meine Mutter lernte dann Jahre später meinen Stiefvater kennen.
Es gab dann einen großen Segen, und das kam dadurch, dass Hitler Religion, Kirchensteuer und Steuer trennte. Religion war Religion und Staat war Staat. Dadurch wurde der staatlich anerkannte Ehevollzug eingeführt, sodass meine Mutter und mein Stiefvater vor dem Gesetz heiraten konnten. Es kamen noch weitere drei Mädchen dazu, insgesamt waren wir sechs Mädchen. Ich bin in einer Zeit groß geworden, wo große Arbeitslosigkeit war und wo wir bescheiden aufgewachsen sind, aber doch immer so viel zu essen hatten, was wir brauchten. Es gab den Garten. Aus dem wenigsten hat meine Mutter etwas zum Essen gezaubert.
So vergingen die Jahre, ich kam in die Schule, in die Hauptschule. Man musste nicht in die Religionsstunde gehen. Nachdem ich sowieso mit Religion auf Kriegsfuß war, weil der liebe Gott meine Mutter nicht lieb hatte, habe ich das verdrängt und bin nicht in die Kirche und in die Religionsstunde gegangen. Während meiner Mädchenzeit gab es viele Veranstaltungen. Hitler war einmarschiert und auch mein Vater hatte Arbeit bekommen. Es gab viele Möglichkeiten. Ich habe viel Sport betrieben, wir haben eine schöne Singgruppe gehabt und konnten zum Jugendlager fahren, das war für meine Entwicklung sehr, sehr schön. Es gab keine Disko oder Drogen.
Dann kam der Krieg. Mein Wunsch wäre immer gewesen in eine Lehrerbildungsanstalt zu gehen denn ich wollte immer Lehrerin werden. Dazu habe ich mich schon heimlich angemeldet. Aber das war eine Privatschule und mein Vater konnte das nicht bezahlen. Letztendlich bin ich in der Kirche gelandet und da war ich oft genug Lehrerin. Während des Krieges gab es noch ein großes Erlebnis für mich und das war 1944 um die Weihnachtszeit. Ich war kaufmännischer Lehrling. Das Geschäft war nicht so weit weg von zu Hause. Wenn die Sirenen heulten und Fliegeralarm war, bin ich nach Hause gelaufen, um bei meiner Familie zu sein. Wir waren nur in einem normalen Keller, trotzdem war es ein Gefühl des Schutzes. Es war Weihnachten 1944. Es war Vorentwarnung und meine Mutter sagte, ich solle meinen Rock, der noch schmutzig war im Vorraum ausbürsten, An diesem Tag gab es ein Flugzeug, das die Bomben noch an Bord hatte und dieses Flugzeug ließ in Waidhofen an der Ybbs noch Bomben fallen. Es war ein riesiger Garten vor uns und ein riesiges Eisentor und dort war der Vorraum, wo ich meinen Rock hätte ausputzen sollen. Ich habe das gemacht, bin gerade zur Türe hereingegangen und es gab einen fürchterlichen Krach, meine Mutter hat uns Kinder auf den Boden niedergeworfen, die Eingangstüre ist über uns gefallen und wir haben Schmutz im Mund gespürt. Dann hat es diese große Eisentür durchgeschlagen. Im Vorderhaus wurde eine Frau verletzt. Wir mussten aus der Wohnung ausziehen.
Da habe ich gemerkt, dass es Menschen gab, die wirklich Nächstenliebe hatten. Wir wurden aufgeteilt auf Familien und durften dort einige Wochen wohnen. Das Haus konnte nicht mehr repariert werden, meine Eltern mussten ausziehen. Ich ging dann meinen eigenen Weg. Es war für mich ein schönes Erlebnis bei dieser Familie, die hatten eine Fleischhauerei und ein Schmalzbrot zu bekommen, als Jause, wenn ich zur Arbeit ging, das war das allerhöchste.
So dankbar bin ich eigentlich aufgewachsen und, dass ich das heute noch spüre und mich daran erinnern kann. Ich war siebzehneinhalb Jahre alt und durfte die Tanzschule besuchen. Die Russen waren bei uns. Zuerst zogen die Amerikaner durch und dann kamen die Russen nach. Dann wurde die ganze Stadt besetzt. Die Geschäfte wurden alle geschlossen und es gab drei Tage Plünderungszeit für die Russen. Das war eine ganz schlimme Zeit. Viele Bäuerinnen und junge Mädchen wurden vergewaltigt. Leider gab es auch solche, die sich freiwillig hingegeben haben. Sie mussten sich beim Krankenhaus anstellen, um sich eine Spritze abzuholen, weil sie angesteckt waren. Unsere Mama hat uns am Dachboden drei Tage versteckt, damit uns niemand erwischen konnte von den Soldaten, die da herumgeirrt sind. Sie haben alles gestohlen. Uhren und Fotoapparate, da waren sie ganz verrückt. Bei uns in der Nähe gab es einen Fotograf und meine Mutter hatte Angst, dass uns was passieren könnte.
Dann war ich in der Tanzschule, das war auch schön. Mit siebzehneinhalb Jahren habe ich meinen Mann beim Tanzen kennengelernt. Er hat mir erzählt, dass er meine lockere, fröhliche Art sehr geliebt hat an mir, dann haben wir ausgemacht, dass wir uns am Faschingsdienstag noch einmal treffen. Ich bin dann krank geworden, habe eine Lungenentzündung gehabt, und musste zu Hause liegen. Mein Mann wusste nichts von mir und ich nichts von ihm. Nachdem ich nach drei Wochen zum ersten Mal fortgehen durfte, bat mich meine Mutter ins Krankenhaus zu gehen und jemandem etwas zu bringen. Ich ging bei der Haustür hinaus und mein Mann ging bei dem Durchhaus durch und wir haben uns getroffen. Das war sicher eine Fügung, ganz sicher. Von da an haben wir uns besser kennengelernt. Meine Mutti war sehr wachsam, wenn ihre Tochter da am Abend öfter einmal weggeht. Sie ist uns nachgeschlichen, ganz leise, dann hat sie sich versteckt, dass ich glaube, ich hab sie nicht gesehen.
Das ist die Fürsorge einer Mutter mit sechs Mädchen. Das ist nicht so einfach gewesen. So haben wir uns kennen und lieben gelernt und mein Mann hat erzählt, dass er das Nesterl gebaut hat. Ich habe auch fleißig mitgespart. Mein Vertrauen zu ihm war schon so groß, dass ich ihm einfach mein Geld gegeben habe. Und dass er das Material für die Möbel kaufen konnte. So haben wir am 16. Juli 1949 geheiratet und in einem Jahr feiern wir unseren sechzigsten Hochzeitstag, das ist auch ein Geschenk für uns.
Aber das Wesentliche, das in unserem Leben sehr ausschlaggebend war, das war, dass wir nach eineinhalb Jahren Ehe unser erstes Kind bekommen haben, eine Judit, ein ganz süßes Mädchen. Ich habe eine Schauspielerin geliebt, die hat Judith Holmeister geheißen und ich wollte deshalb eine Judith haben. Dann wechselte mein Mann beruflich nach Linz zu einer andern Firma und wir waren schon zehn Jahre da, Judith kam gerade in die Schule, sie ist ein Dezemberkind und dadurch wurde sie fast sieben bis sie in die Schule ging.
Da läutete es draußen, wir wohnten damals auf der Landstraße in der Stadt und plötzlich kamen zwei riesige Männer herein. Ich hatte doch immer zugesperrt, aber die drückten die Türe auf und standen da. Sie haben gesagt, sie hätten eine schöne Botschaft für mich. Und ich hab gesagt. Was gestimmt hat war, dass ich gerade meine Tochter von der Schule abholen musste. Was ich geschwindelt habe das war, dass ich gesagt, dass ich sie eigentlich weg haben wollte. Das habe ich meinem Mann erzählt und mein Mann, nachdem er jetzt in der Bibel gelesen hatte, hat gesagt, ja, die sollen nur kommen, ich möchte mit ihnen gerne diskutieren. Das war für die Missionare selbstverständlich, dass sie wieder kommen. So gab es Woche für Woche Belehrungen und er erzählte dann schon wie innig er sich hineingelegt hat in die Schrift und in die Versammlungen. Mein Mann hatte schon ein Gottesbild. Ich hatte das nicht. Wir haben ausgemacht, als wir heirateten, Religion ist für uns nicht wichtig, weder dieses noch jenes. Die Missionare haben sich sehr gefreut, dass mein Mann so einen riesigen Fortschritt gemacht hat und sie haben einen Vorschlag gemacht, dass er sich taufen lassen soll, er könnte ja dann schon Priester sein und seine Frau selber taufen. Aber die Missionare haben nicht gewusst, was in unserer Ehe vor sich ging. Dort arbeitet Jesus, aber Satan hat mit mir gearbeitet, ich war für ihn freies Wildbret. Die Missionare haben gespürt, dass da etwas los ist mit uns.
Mein Mann hat mir erzählt, im Büro ist er oft gekniet und hat gebetet, dass das wieder in Ordnung ist mit uns. Als die Missionare meinen Mann aufgefordert hatten, sich taufen zu lassen. Und mein Mann hat gesagt, wenn das Evangelium wahr ist, dann kann es eine Familie nicht trennen und das hat den Missionaren sehr zu denken gegeben. Auch sie haben gefastet und gebetet für mich. Mein Mann sagte dann zu mir: „Weißt Du, ich werde auf etwas verzichten, was mir sehr viel bedeutet, weil ich dich liebe”! Da habe ich zum ersten Mal gespürt, dass er mich liebt. Er hatte ja keine Zeit, er ging lesen, ging in die Kirche und die Missionare kamen und ich war eifersüchtig. Und das hat mir zu denken gegeben. Ich dachte mein Mann liebt mich doch und ich liebe auch meinen Mann. Und wenn er auf etwas verzichten möchte, weil er mich liebt, dann muss ich auch einmal nachdenken: “Was kann ich tun dafür”? Das war der Wendepunkt, dass ich den Wunsch hatte.
Dann habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben niedergekniet. Ich hatte einen sehr schweren Rucksack auf meinem Rücken und ich habe gesagt: „Herr, wenn es Dich gibt, so lass es mich jetzt spüren, welchen Weg ich gehen soll”! Ich weiß nicht, wie lange ich gekniet bin. Plötzlich bin ich ganz ruhig geworden und habe gewusst, dass es ihn gibt und dass er mir helfen wird und dass ich den Wunsch habe auch zu studieren und zu beten anzufangen und so sind wir wieder zusammengewachsen miteinander und unsere Liebe ist noch viel stärker geworden, weil wir gegenseitig ein Opfer gebracht haben aus Liebe zueinander. Und der Herr hat uns in den trübsten Stunden geholfen und ist uns beigestanden.
Ich liebe das Evangelium sehr, bin dankbar für das Zeugnis, das ich habe von der Existenz der wahren Kirche, und dass das Priestertum wieder auf der Erde ist. Dass es mir eine große Freude ist in all den Jahren, wo mein Mann Berufungen gehabt hat und wo auch ich Berufungen hatte und wir uns gegenseitig unterstützt haben, dass ich immer habe vertrauen und zu ihm aufschauen können, und dass der Herr uns jetzt noch immer Jahre des Zusammenseins schenkt ,in unserem Alter und das ist etwas Wunderbares, für diese Dinge bin ich sehr dankbar. Und was noch ein ganz schönes Erlebnis war, wir hatten uns immer Kinder gewünscht, aber sie nicht bekommen. Aber einmal , es war drei Monate bevor ich 40 wurde, hab ich gedacht, es wird nichts mehr, ich hatte alles Mögliche unternommen und siehe, dann war ich schwanger .Wir haben uns darüber unendlich gefreut und ich weiß heute, dass ich es mir zu sehr gewünscht habe, dass es mir so lange Jahre versagt geblieben ist. Das glaube ich ganz fest, denn wenn ich nicht gesund gewesen wäre, hätte ich kein Kind mehr bekommen. Dann hat uns der Herr noch einen Sohn geschenkt. Ich habe keine Minute daran gedacht, dass das Kind behindert sein könnte, weil ich eben schon vierzig Jahre alt war, es war nur Freude da und so sind wir heute noch glücklich. Inzwischen haben wir vier Enkelkinder und fünf Urenkelkinder. Das Evangelium ist die größte Kraft in meinem Leben, im Namen Jesu Christi, amen