Hildesheim, Niedersachsen
Mein Name ist Fritz Hermann August Gittermann. Ich bin am 19. Juli 1924 in Hildesheim geboren. Meine Eltern sind Hermann Johanne Gittermann und Marie, geborene Stoffregen. Ich habe noch zwei Brüder, Karl-Heinz und Kurt, die inzwischen leider beide verstorben sind. Wir hatten eine gute Jugend.
Mit nicht ganz achtzehn Jahren wurde ich Soldat und habe bis Ende des Krieges meine Pflicht getan. 1943 war ich in Erfurt auf der Nachrichtenschule und habe zu der Zeit meine Frau kennen gelernt. 1950 haben wir geheiratet. Wir haben vier Kinder, zwei Mädchen, Heidi und Gabriela und zwei Jungen, Lutz und Dirk.
Jetzt soll ich erzählen, was geschehen ist. Ich war in Erfurt gewesen und musste auf der Rückfahrt wieder über die Grenze gehen. Meine zukünftige Schwiegermutter hatte gesagt: „Junge, wir werden für Dich fasten und beten”. Darauf hatte ich erwidert: „Wenn das hilft, dann hat es schon geholfen.“ Ich konnte ohne weiteres den Zug verlassen. Man musste vor der Grenze eine sehr lange Strecke zu Fuß gehen. Als die anderen Leute aus dem Zug und ich an die Grenze herankamen, wurden wir alle festgenommen. Der ganze Zug wurde geteilt, die Frauen für sich, die Kinder für sich, die Männer für sich. Alle Männer wurden von einem russischen Offizier und einem deutschen Beamten verhört. Sie fragten mich, wo ich herkam. Da sagte ich: „Ich war in Dresden bei einer Konferenz von der Kirche Jesu Christi.“ „Ach“, sagte der Deutsche. „Sie sind Mormone?“ „Ja“, habe ich gesagt. Ich war gar kein Mitglied. „Dann sind Sie das Opfer einer falschen Erziehung!“ „Das können Sie nicht beurteilen.“ „Zeigen Sie mir Ihre Hände!“ Ich zeigte ihm meine Hände. Er suchte nach Nikotinspuren. Ich habe damals nicht mehr geraucht. Dann wusste er nicht, was er machen sollte. So hat er mir einen Schnaps angeboten. Den habe ich abgelehnt. Er wusste nicht, was er noch sagen sollte, deshalb befahl er: „Den Koffer aufmachen!“ Da fand er das Buch Mormon und Lehre und Bündnisse und einige Zeichnungen und mehrere Karten. Wieder wusste er nicht, was er sagen sollte. So sagte er: „Was sollen wir mit Ihnen machen?“ Ich antwortete: „Das müssen Sie selbst entscheiden.“ „Ja“, sagte er, „zahlen Sie so und so viele Mark und dann hauen Sie ab.“ Von den vielen, vielen Männern war ich der Einzige, der gehen konnte. Die anderen mussten alle Holz hacken. Nur ich konnte gehen. Als ich auf unserer Seite im Westen im Wald war, habe ich mich hingekniet und habe gebetet. Das war der Anfang meiner Mitgliedschaft.
Als wir in Hildesheim eine Gemeinde gegründet haben, gab es nur zwei Mitglieder, meine Frau und mich. Dann haben wir noch eine alte Schwester gefunden, die schon vorher Mitglied war und noch eine junge Schwester, die dann ausgewandert ist. Wir trafen uns in der Moltke-Schule in einem Klassenzimmer. Später kamen wir in den Freiherrn-vom-Stein-Schule in der Aula zusammen. Dann fanden die Versammlungen in der Marienstraße statt. Dort hatten wir einige Räume bekommen. Später wohnten meine Familie und ich auch in diesem Haus. Unten war die Gemeinde, oben wohnten wir. Von dort ist die Gemeinde in die Bahnhofsallee gezogen. Da hatten wir eine ganze Etage zur Verfügung. Die wurde aber auch zu klein. Wir sind dann in das Haus der Buhmann-Schule gezogen. Da hatten wir eine große, sehr schöne Etage mit vielen Klassenräumen. Dort waren wir noch viele Jahre. Jetzt ist die Gemeinde seit neun Jahren in unserem neuen Gemeindeheim, wo wir uns sehr wohl fühlen. Wir sind dort froh und glücklich.
Ich habe in der Kirche viele Ämter gehabt. Ich war zehn Jahre Gemeindepräsident. Ich war Distriktskollegiumspräsident vom Ältestenkollegium, Distriktsrat, Distriktsmissionspräsident und Verschiedenes, das ich vergessen habe. Aber das ist nicht so schlimm. Jetzt kann ich nichts mehr tun, weil ich zu sehr sehbehindert bin.
Am 8. Juni 1942 wurde ich in Werneck Soldat. Ein Jahr später wurde ich dort als Gefreiter entlassen und kam nach Erfurt auf die Nachrichtenschule. Dort wurde ich als Nachrichten-Unteroffizier ausgebildet. Nach drei Monaten kam ich nach Russland zu einer Feld-Fernkabel-Baukompanie. Da habe ich den Winter erlebt. Im Frühjahr wurde unsere Kompanie nach Frankreich verlegt. Ich war einige Monate in Frankreich. Als dort die Invasion durch die Engländer und Amis stattfand und sie in Frankreich gelandet waren, kam unsere Kompanie nach Deutschland an die Mosel. Da hatten wir eine recht unbeschwerte Zeit. Die Soldaten mussten alle bei ihren Wirtsleuten arbeiten. Das musste ich nicht. Eines Tages kam der Kompaniechef und fragte: „Warum arbeiten Sie nicht bei Ihren Leuten?“ „Das kann ich nicht.“ „Wo wohnen Sie denn?“ „Bei einer Hebamme.“ Dann hat er geguckt und mich stehen lassen. Er kam dann wieder zurück und sagte: „An die Front!“ So war ich ein halbes Jahr da vorne. Dann kam ich wieder zurück, bis der Krieg zu Ende war. Zum Glück habe ich keine großen Verletzungen gehabt, keine schwere Verwundung. Als ich nach Hause kam, waren meine zwei Brüder schon dort. Mein Vater kam erst viel, viel später, obwohl er gar nicht im Krieg gewesen, sondern nur als Sanitäter in der Nähe von Hildesheim eingesetzt war.
Arbeit gab es damals keine. Ich habe dann mit Pferd und Wagen Schutt geräumt und hatte verschiedene Stellen als Kraftfahrer. Dann habe ich einen Leichenwagen gefahren. Später fand ich eine Stelle in einer Autolackiererei und dann für ein paar Jahre in einer Autowerkstatt. Von da aus ging ich dann in eine Großhandlung für Fahrzeugteile. Dort war ich bis zu meiner Pension.