Chemnitz, Sachsen

Mormon Deutsch Margarete Annemarie KleinIch heiße Margarete Annemarie Klein, geborene Förster. Ich bin am 16. November 1934 in Chemnitz geboren, mein Vater war Hans Otto Förster, meine Mutter Ilse Margarethe Vettermann. Wir waren drei Mädchen zu Hause, die Brigitte, die Christine und ich. Ich war die älteste. Meine Schwester Brigitte ist leider schon verstorben. Christine lebt noch in Dresden. Als Kinder wohnten wir mit meiner Oma zusammen, Margarete Vettermann, geborne Fleischmann. Ich bin schon in der vierten Generation Mitglied der Kirche.

Meine Urgroßmutter die kommt aus Oberwiesental, die hat sich damals der Kirche angeschlossen. Wir sind ziemlich behütet aufgewachsen, indem viele meiner Verwandten Mitglieder der Kirche waren. Mein Vater wurde 1939 eingezogen in den Krieg, kam leider erst 1947 aus russischer Gefangenschaft zurück. Meine Mutti hat uns mehr oder weniger alleine erziehen müssen.

Wir sind 1942 in eine eigene Wohnung gekommen, wo wir leider ausgebombt wurden. Meine Oma wurde 1944 ausgebombt und ist in einen kleinen Ort bei Chemnitz gekommen. Die Zeit nach dem Krieg war sehr, sehr hart. Von meinem Vater die Eltern blieben in Chemnitz, die waren auch ausgebombt. Ich war mit meiner Mutti dabei. als im Nachbarhaus eine Bombe gefallen war. Der Keller hat sich geteilt. Es war ganz schlimm. Für mich war es ganz schlimm. Ich habe gesehen, dass viele Menschen durch die Bomben verletzt waren, blutig und schwarz waren, von Russ, weil die Bomben die Schornsteine kaputt gemacht hatten. Die Leute hatten Hunger, hatten Durst. Es war sehr traurig. Wir hatten keine Nacht, wo man richtig schlafen konnte, weil immer Fliegeralarm war. Jede Nacht mussten wir in den Keller gehen.

Weil meine Mutti einen sehr starken Glauben hatte, haben wir alles ganz gut überwunden. Dann fuhren keine Züge mehr. Oft sind wir nach Chemnitz gelaufen, wo die Versammlungen waren. Unser Gemeindehaus war auch kaputt gegangen. Dann war eine zweite Gemeinde in Chemnitz, das war in der Leipziger-Straße. Dann hatten wir immer andere gemietete Räume. Es war ungefähr 20 Kilometer, die wir zu den Versammlungen laufen mussten. Aber wir haben uns oft getroffen, haben Ausflüge gemacht in dem Ort Augustusburg, das war ein Kurort. Zwischen Chemnitz und diesem Ort waren viele Möglichkeiten, wo man sich treffen konnte. Unsere Schule war als Lazarett eingerichtet. Wir sind kurz einmal hin, wenn gerade kein Fliegeralarm war, haben dort Aufgaben bekommen, die wir dann zu Hause machen konnten.

Nach dem Krieg bin ich dann in Augustusburg zur Schule gegangen. Das war eigentlich eine sehr schöne Zeit. Aber es war weit bis wir zur Kirche gekommen sind. Eigentlich später sind wir dann wieder nach Chemnitz gezogen. Wir haben aus dem Wohlfahrtsprogramm viele Sachen bekommen. Ich kann mich an Dosen, Büchsen noch erinnern. Wir haben Kleidung bekommen. Ich hatte einmal einen Mantel bekommen, der war auf einer Seite rot, auf einer Seite hell. Das war für mich etwas ganz Besonderes, den habe ich über alles geliebt. Ich habe Schuhe bekommen mit vier Zentimeter hohen Absätzen, aber ich war froh, dass ich Schuhe hatte, sonst hätte ich barfuß gehen müssen. Damit bin ich 18 Kilometer gelaufen mit diesen Schuhen.

Dann kam die schlechte Zeit, wo es nichts zu essen gab. Das habe ich manchmal meinen Kindern erzählt, das konnten die kaum noch fassen. Wir haben dann, mehrere Schulen geschwänzt und sind dann auf Tour gegangen. Sechs oder acht Kilometer, bis zur nächsten Kleinbahn und sind dann den ganzen Tag gelaufen und sind von einem Bauern zum andern gelaufen, um Kartoffeln oder eine Hand voll Weizen oder ein Ei zu bekommen. Viele haben uns auch vom Hof gejagt. Es war eine sehr, sehr schwere Zeit. Meine Tante wohnte auch noch in Chemnitz, die war nicht ausgebombt. Mein Onkel ist einmal schwer von den Russen zusammengeschlagen worden, wir haben gedacht er stirbt. Der hatte auf der Straße gelegen. Die ganze Schädeldecke war kaputt. Er arbeitete bis spät als Pförtner. Wie die Russen einzogen, kamen sie mit Pferd und Wagen in großen Massen.

Ein Ereignis werde ich nie vergessen. Meine Mutter, die stand mit uns drei Kindern. Da kamen Russen und einer zeigt immer auf meine Schwester. Wir waren schon sehr verängstigt und er hat uns zu verstehen gegeben, dass seine Tochter in Russland von den Deutschen umgebracht wurde, die wäre ungefähr in dem Alter gewesen, wie meine Schwester und er wäre nicht so gemein und würde das jetzt wiederholen wollen. Es ist zwar viel Schlimmes passiert, aber sie haben uns doch in Ruhe gelassen.

Die zweite Gemeinde war in Chemnitz auf der Winklerstraße. Wir wohnten dann in Augustusburg die ganze Zeit. Ich habe Industriekaufmann gelernt und habe dann im Landamt Augustusburg in der Verwaltung gearbeitet. Dann sind wir wieder nach Chemnitz gezogen. Die Mitglieder haben in besonderem Maße zusammengehalten. Wir waren eine ganz besondere Gemeinschaft. Wir haben uns gegenseitig besucht, wir haben viel gemeinsam unternommen. Wir haben uns gegen die Einflüsse von außen verteidigt. Meine Tochter wurde vor die Klasse gestellt, als einzige die an Gott glaubt und die Lehrerin sagte, nun können wir die Heidi einmal alle auslachen, die glaubt noch, dass es einen Gott gibt. Sie war natürlich sehr traurig da drüber, so dass sie nach Hause kam und geweint hat. Wir haben sie alle getröstet, dass sie das nicht so ernst nehmen soll und dass wir alle wissen, dass es einen Gott gibt und sie sich nicht abbringen lassen soll. Sie ist bis heute ein Mitglied.

Mein Mann war, als wir uns kennenlernten, kein Mitglied. Als mein Vater von der Gefangenschaft kam, wurde er in den Uranbergbau geschickt. Da hat auch mein Mann damals gearbeitet. Ich habe meinen Vater öfter in Johanngeorgenstadt besucht und da habe ich auch meinen Mann kennengelernt. Als wir uns verlobt hatten wurde er zwei Jahre zur Volksarmee eingezogen. Danach haben wir geheiratet. Mein Vater hat, als er im Uranbergwerk gearbeitet hatte, die Staublunge bekommen und ihn haben sie viele Jahre von einer Heilstätte in die andere geschickt und haben immer gesagt er hätte TB. Einmal war er ein halbes Jahr weg, dann dreiviertel Jahr weg. Er war fast nur in Heilstätten. Ich musste mit meinen Kindern immer in diese Heilstätten gehen. Wir hatten fünf Kinder und ich bin sehr ungern hingegangen. Weil wir fünf Kinder hatten, bekamen wir eine Neubauwohnung und in diesem Haus waren Leute von der Stasi oder Betriebsgewerkschaft oder Polizei. Wir waren die Einzigen, die anders waren.

Dann ist mein Mann sehr krank geworden, auf Grund vom Uranbergwerk und wurde Rentner. Rentner durften damals in die Bundesrepublik einreisen. Mein Mann hatte seine Cousine hier. Dann ist er in den Westen gefahren und wollte seine Cousine besuchen und er ist dann nicht mehr wieder zurückgekommen. Ich war zu der Zeit gerade über eine schwere Krankheit, Nierenkrebs hinweggekommen, mir ist eine Niere entfernt worden, ich habe Bestrahlungen gekriegt, da ist mein Mann weggefahren. Ich war noch nicht richtig wieder auf den Beinen und war sehr verärgert, dass er uns so alleine gelassen hat. Die ganzen Behördengänge. Das war für uns eine ganz, ganz, schwere Zeit. Die Kinder wurden vorgeladen, ich wurde vorgeladen von der Gewerkschaft und der Partei, ich habe bei Rentenrechnungen gearbeitet. Dann haben sie uns ins Rathaus vorgeladen. Dann haben sie mir angeboten, mich innerhalb von zwei Tagen scheiden zu lassen. Wir hatten damals schon unsere Silberhochzeit gehabt. Ich wollte das nicht. So ohne weiteres lässt man sich doch nicht scheiden. Das war eine ganz, ganz, harte Zeit. Mein Mann hat mich zu trösten versucht, es wird schon.

Eines Tages kam von der Behörde ein Mann und eine Frau, es wurde alles, mein Geschirr, meine Wäsche, Möbel usw. aufgeschrieben und was es an Wert hat. Alles wurde geschätzt und ich musste die Hälfte an den Staat bezahlen. Wie soll ich das machen, ich habe damals eine Rente von 340 Mark gekriegt, Da habe ich schon 100 Mark Miete bezahlt, fünf Kinder, wie soll ich das machen? Meine beiden großen Tochter hat schon gearbeitet, aber nicht so verdient. Innerhalb von zwei Wochen sollte ich das bezahlen. Dann habe ich begonnen die Möbel zu verkaufen, damit ich zu diesem Geld gekommen bin. Zuletzt, bis wir hierhergekommen sind, sind wir nur noch auf Kissen gesessen, eine Matratze hatten wir noch. Die Möbel waren so weit alle weg. Eine leere Wohnung. Im Januar 1984 haben wir dann die Ausreisegenehmigung erhalten.

Als ich meinen Mann kennenlernte, war er kein Mitglied der Kirche. Aber ich ihn geheiratet hatte, wurde er von Missionaren belehrt, und hat sich taufen lassen, ist Ältester geworden und Hoher Priester. Er hat zeitweise ein sehr starkes Zeugnis gehabt. Manches Mal war es nicht so. Es gab Unstimmigkeiten. Er hat zwei Jahre gehabt, wo er gar nicht mitgegangen ist und ich mit den Kinder alleine zur Kirche gegangen. Wir haben den Heimabend durchgeführt und gebetet und Schriftstudium gemacht. Irgendwann hat er sich wieder besonnen und ist mitgegangen und ist, bis er verstorben ist, treu geblieben.

Viele Jahre hatten wir einen Gemeindepräsident das war der Bruder Donitz. Wir hatten einen wunderschönen Chor in Chemnitz, wo wir alle mitgesungen haben. Dann Bruder Kleinert, Bruder Selber und Bruder Jentsch, wir waren 180 bis 200 Mitglieder. wir waren noch Distrikt und kein Pfahl.

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf die Zeit der DDR, als der Bruder Henry Burkhart unser Missionspräsident war, weil er wirklich der Bruder war, der uns geführt hat. Er war auch einer der wenigen, die damals nach Amerika durften. Er war wirklich der Führer für uns und wenn er gesagt hat, Geschwister so machen wir das, dann wurde das gemacht. Immer ohne wenn und aber. Es hat niemand gemäkelt. Er war der Präsident, der Prophet der Kirche für uns. Er wurde unterstützt durch den Bruder Richter und Bruder Krause, der auch schon verstorben ist, aber der war auch ein ganz toller Bruder, der sehr viel gebracht und uns aufgebaut und aufgerichtet hat. Wir haben schon sehr starke Brüder gehabt. Wir hatten auch tolle Distriktspräsidenten, Bruder Ebich und Bruder Abels, dann waren auch tolle Männer.

1984 sind wir nach Hagen gekommen, Ich liebe die Hagener Gemeinde wie die Chemnitzer Gemeinde, die schönst Gemeinde gewesen. Wir sind auch sehr gut aufgenommen worden. Wir haben auch alle Berufungen getragen. Ich bin FHV Leiterin gewesen. Damals war Bruder Wolfgang Hiemer Bischof, und mein Mann war Ratgeber, und Bruder Hiemer ist dann selber Pfahlpräsident geworden. Mit Hiemers verbindet uns eine besondere Freundschaft, sie haben uns sehr unterstützt und sehr geholfen. Schwester Krumrich war eine sehr liebe Schwester in der Gemeinde Hagen war. Einige liebe Geschwister, die uns geholfen haben. Dann sind meine Kinder größer geworden und haben nach und nach geheiratet und sind weggezogen.

1992 ist dann mein Mann verstorben. Präsident Hiemer hat die Predigt gehalten und hat mir vorgeschlagen, dass wir es im Gemeindehaus machen, diesen Beerdigungsgottesdienst, was ich sehr schön fand, denn wir segnen, wir Taufen die Kinder, wir feiern Hochzeiten im Gemeindehaus und das war sehr gut.

Ich habe mit der Rita Klein im Pfahl zusammengearbeitet. Sie war FHV Leiterin, ich war Ratgeberin mit Schwester Lutzig zusammen. Dadurch kannte ich auch den Karl Klein, meinen Mann. Wir sind sehr oft unterwegs gewesen. Oder haben zusammen telefoniert. Dann wurde Rita sehr krank an Krebs bis sie dann verstorben ist und da war mein Mann schon acht Jahre tot und als die Rita tot war, haben wir uns dann entschlossen dass wir noch einmal heiraten und das auch getan haben im September 2000. Die Kinder sind alle so weit gut versorgt. Haben alle Berufungen. Der Mike ist Bischof, der Heiko ist Gemeindepräsident, Heike ist zurzeit PV-Leiterin, Trude ist mit in der PV. Jens, das ist eine andere Sache.