Hamburg

Mormon Deutsch Frieda Martha KrollIch heiße Ilka Frieda Martha Kröll, geborene Kirmaier, und bin am 10.10.1921 im Hamburg geboren. Ich habe einen älteren Bruder, eine ältere Schwester und einen jüngeren Bruder. Die Schwester heißt Elvira, der ältere Bruder heißt Paul und der jüngere Bruder heißt Albert, der im Krieg in Russland als Panzerfahrer gefallen ist. Er war erst achtzehn Jahre alt.

Meine Eltern waren Martin Robert Kirmaier und Elly Franziska Wilhelmine Kirmaier geborene Bolz. Ich habe eine glückliche Kindheit verbracht, meine Eltern haben gut für uns gesorgt. Ich hatte als Kind allerdings Kinderlähmung gehabt und musste mühsam lernen, wieder laufen zu können. Mein Vater hat mich sehr unterstützt in dieser Zeit, er musste mir mehrere Paar Schuhe kaufen und das war damals nicht so billig. Aber er hat gesagt: „Und wenn du zehn Schuhe kaputt machst, Hauptsache du lernst wieder laufen.“

Ich habe in Hamburg auf der Schifffahrtsstelle gearbeitet und habe dort meinen späteren Ehemann kennengelernt. Er war zu dieser Zeit Matrose in der Handelsmarine, nicht in der Kriegsmarine. Wir haben uns kennen- und lieben gelernt. Mein Mann hat dann eine Ausbildung zum Offizier gemacht und war danach Offizier der Handelsmarine. Er war auch mitbeteiligt bei der Rettung der Flüchtlinge aus dem Osten. Er ist damals in Memel gewesen und hat dort mit die Flüchtlinge auf Schiffe geladen und in den Westen gebracht. Er war zum Beispiel auf der Ubena, ein Schiff, das mehrfach eingesetzt wurde, um Flüchtlinge zu holen und in den Westen zu fahren. Er war aktiv beteiligt. Er hat relativ schnell Karriere gemacht. Mein Mann ist am 15.02.1920 geboren und war zum Kriegsende schon erster Offizier und nahe daran, Kapitän zu werden, wenn es normal weitergegangen wäre.

Wie gesagt, habe ich meinen Mann auf der Schifffahrtsstelle kennengelernt. Die Matrosen mussten anmustern und ausmustern, das heißt, wenn sie das Schiff gewechselt haben, mussten sie zur Schifffahrtsstelle kommen. Bei der Gelegenheit habe ich ihn kennengelernt.

Wir hatten uns damals ein Grundstück in Blankenese ausgesucht, wo wir unser Haus hin bauen wollten. Durch das Ende des Krieges und dass keine Flotte mehr da war, sind diese Pläne alle in den Wind gegangen.

Ich war im Bund Deutscher Mädchen (BDM) und war Fähnleinführerin. Ich hatte mehrere Mädchen unter mir, die mir nachgefolgt sind, hinter der Flagge zu laufen, was wichtig für uns war. Mein Mann war in der Hitlerjugend und auch Stammführer in dieser Zeit.

In der späteren Zeit, als wir dann schon verheiratet waren, und mein Mann in der Marine zur See gefahren ist, ist Hamburg total zerbombt worden. Diese Bombennächte habe ich miterlebt. Unser Sohn war von meinem Mann instruiert worden, wenn Bombenalarm war, dass ich in den Bunker gehe. Der Sohn hat dann immer gesagt: „Mama, wir müssen in den Bunker gehen.“ Auch wenn ich nicht wollte, wir sind zusammen in den Bunker gegangen. Er hat insoweit auf uns aufgepasst, dass wir das ernst genommen haben. Wir haben damals in Altona gewohnt. Das Haus, in dem wir gewohnt haben, ist zum Glück nicht zerstört worden. Aber sehr viele Nachbargrundstücke sind total zerstört worden und auf den Straßen lagen sehr viele Leichen.

Als wir zu Fuß geflüchtet sind, war Hamburg ein Flammenmeer. Es war eine derartige Hitze, dass man es kaum aushalten konnte. Das Schlimmste war, als wir dann aus Hamburg rausgekommen sind, es waren meistens Frauen mit Kindern, sind noch Tiefflieger gekommen und haben auf uns geschossen. Das war nicht besonders schön, aber wir mussten das notgedrungen ertragen.

In Hamburg waren die Engländer, wir nannten sie Tommys. In Hessen waren die Amerikaner.

Hamburg war total zerstört und darüber hinaus gab es keine Marine mehr, da Deutschland keine Schiffe mehr hatte. Deshalb hat sich mein Mann entschlossen, wieder nach Hessen zu gehen. Er ist in Bad Homburg geboren. Er hat versucht, in Hessen eine neue Existenz aufzubauen. Ich habe noch eine Zeit in Hamburg gelebt, in unserer früheren Wohnung, zusammen mit meinem Sohn und meiner Tochter. Danach sind wir auch nach Hessen gezogen, weil wir der Meinung waren, dass es für die Kinder besser wäre, in einem Land aufzuwachsen, in dem nicht alles so zerstört wurde, wie in Hamburg. Damals konnte man schon mit dem Zug fahren.

Eigentlich war mein Mann nach dem Krieg einer der reichsten Leute in Deutschland, weil er einen LKW und einen PKW hatte. Nach der Währungsreform, als auf DM umgestellt wurde, hat er eine Million DM dafür geboten bekommen. Aber man hatte damals kein Vertrauen zu der neuen Währung und deswegen hat er nicht verkauft, sondern hat sie behalten. Meine Schwiegermutter hatte ein Geschäft gegründet, sie hat mit Porzellan gehandelt, so ähnlich wie Villeroy und Boch. Sie dachte, dass sie später einmal denen Konkurrenz machen könnte. Das Geschäft ist aber schief gegangen und die Folge war, dass sowohl der LKW als auch der PKW weg waren, das ist verloren gegangen.

In der Nachkriegszeit war mein Sohn mit eingeschaltet, weil meine Schwiegermutter zu der Zeit noch keine Mormonin war. Wir haben mit Amerikanern Tauschgeschäfte gemacht und haben Kaffee oder Zigarettenstangen eingetauscht. Meistens haben wir unseren Sohn geschickt, der das transportieren musste, damit es nicht so auffiel.

Was die Kirche anbelangt ist es so, dass meine Schwiegermutter von Missionaren aufgesucht worden ist. Sie hat sich für die Kirche interessiert und hat sich bekehren und taufen lassen. Zu der Zeit gab es eine halbe Million Mitglieder in der Kirche. Das war etwa 1950. Mein Mann und ich haben uns für die Kirche nicht so sehr interessiert. Wir hatten auch keine Zeit, weil wir dabei waren, ein eigenes Geschäft aufzubauen. Wir haben auch samstags und sonntags gearbeitet. Meine Schwiegermutter ist sonntags in die Kirche gegangen und mein Sohn und meine Tochter sind mit ihr gegangen. Mein Sohn heißt Armin, meine Tochter Gudrun.

Etwa ein halbes Jahr nach unseren Kindern haben wir uns taufen lassen, sind später auch in den Tempel in die Schweiz gefahren und haben dort für Zeit und Ewigkeit geheiratet und unsere Kinder an uns siegeln lassen. Unser jüngster Sohn, Bernd, ist achtzehneinhalb Jahre jünger als mein ältester Sohn. Er wurde dann im Bund geboren.

Mein Mann war katholisch getauft worden und ich evangelisch. Wir hatten uns entschieden, dass unsere Kinder, wenn sie erwachsen sind, selbst entscheiden sollten, welche Religion sie wählen wollen. Wir hatten natürlich gedacht, dass sie entweder katholisch oder evangelisch werden würden. Ich habe gehofft, dass sie sich evangelisch taufen lassen würden und habe die Kinder, speziell den Sohn, zuerst im katholischen Kindergarten in Hamburg gehabt. Später habe ich dafür Sorge getragen, dass er in den evangelischen Religionsunterricht gegangen ist. Eines Tages wurde im evangelischen Religionsunterricht über die Erschaffung der Welt gesprochen. Weil der Religionslehrer gesagt hat: „Und Gott schuf die Welt aus nichts“, hat mein Sohn gesagt, dass das nicht möglich sei, er kann sie sich doch nicht aus dem Bauch gerissen haben. Die ganze Klasse hatte angefangen zu lachen und der Religionslehrer hat daraufhin meinen Sohn aus dem Religionsunterricht rausgeworfen. Er hat gesagt, dass er nicht mehr will, dass er dort bleibe, und hat mich in die Schule bestellt. Ich habe auf dem Gang gestanden, mein Sohn stand neben mir, und der protestantische Religionslehrer hat zu mir gesagt: „Bei ihnen sind sehr komische Verhältnisse. Die Großmutter ist bei den Mormonen, sie sind Protestantin, aber nicht aktiv, ihr Mann ist katholisch und die Kinder sind überhaupt nicht getauft. Weil ihr Sohn kein Protestant ist, kommt er auch nicht mehr in den Religionsunterricht.“

Da ich wollte, dass er protestantisch wird, habe ich ihn zur evangelischen Stadtmission geschickt. Dorthin hat mein Sohn ein Buch Mormon mitgenommen und wollten den Pfarrer bekehren, statt umgekehrt. Der hat irgendwann zu mir gesagt: „Es hat keinen Sinn, ich kann ihn nicht bekehren, er versucht, mich zu bekehren.“ Seit dem habe ich es gelassen, ihn dorthin zu schicken.