Nordhausen, Thüringen
Mein Name ist Erich Ortlieb. Ich bin in Nordhausen geboren am 30 Januar1938. Mein Vater hieß Julius Ortlieb und meine Mutter Augusta, geborene Sprung. An meine Kindheit kann ich mich nur schwer entsinnen. Nur das, was mir meine Eltern mitgeteilt haben kann ich ermitteln. Ich hab ja bloß einen Vornamen.
Als Präsident Monson hier war, 1982, hat er ein Interview mit mir gehabt und hat gefragt: „Warum haben Sie nur einen Namen, nur Erich. Die Deutschen haben alle zwei drei Namen, warum haben Sie nur einen Erich Namen“? Dann hab ich ihm erzählt, wie das passiert ist. Als ich geboren wurde, hat meine Mutter gesagt, der wird Hans Jürgen heißen. Also zwei Namen. „Warum sind sie nicht Hans Jürgen geworden?“ Dann hab ich ihm erzählt, dass als ich geboren wurde, hat mein Vater wieder einen getrunken; er war Arbeiter, und der Beamte fragte: „Warum soll er einen so vornehmen Namen Hans Jürgen heißen“? Hat der Beamte gesagt: „Warum soll er nicht Karl, Fritz oder Erich haben“. Sagte mein Vater: „So nennen Sie ihn Erich“. Präsident Monson musste lachen.
Als Mitglied der Kirche, ich bin mit neun Jahren getauft worden, weil in Nordhausen keine Priestertumsträger mehr waren, die mich hätten taufen können. Eigentlich hätte ich schon eher getauft werden müssen. Nordhausen war eine kleine Stadt, die Brüder alle beim Militär, darum ging das vorher nicht. Meine Mutter ist zur Kirche gekommen durch die Missionare. Sie war eine sehr junge Frau und hatte schon zwei uneheliche Kinder. Sie war sehr unglücklich in der Zeit, weil der Mann mit dem sie die zwei Kinder hatte, sie verlassen hat.
Sie hat eine Arbeit gehabt. Von der Arbeit aus ist sie immer zu einem Mittagstisch gegangen. Sie hat in so einem kleinen privaten Haushalt gegessen und da sind auch die Missionare der Kirche hingekommen. Sie sind zu jedem hingegangen und haben gefragt, ob sie sich für die Kirche interessieren. Sie haben gesagt nein, aber gehen sie dort zu der kleinen dicken Frau. Meine Mutter hat sich für die Kirche interessiert und so ist sie zur Kirche gekommen. Mein Vater war katholisch, er kam aus einer katholischen Gegend, er wollte mit den Missionaren und von der Kirche nichts wissen.
Als ich geboren wurde, 1938, meine Eltern haben 1937 geheiratet und ich bin 1938 im Januar geboren, hat meine Mutter mir erzählt, dass die Ersten, die sie bei der Entbindung im Krankenhaus besucht haben, die Missionare waren. Sie haben ihr kleine Babysachen, Windeln und so kleine Kindersachen gebracht. Meine Mutter war natürlich sehr glücklich, dass die Missionare gekommen waren.
Als mein Vater dann in die Klinik kam, er war damals sehr abhängig vom Alkohol, er hatte da schon einen Kleinen getrunken, fast sein ganzes Leben lang hatte er Probleme mit dem Alkohol und er hat meine Mutter gefragt: „Wo hast du diese Sachen her“? Hat meine Mutter gesagt: „Von den Missionaren“. Mein Vater hatte in der vorhergehenden Zeit, die Missionare durften nicht mehr nach Hause kommen. Also hat er jetzt gesagt, die Missionare dürften wieder kommen. So bin ich eigentlich in der Kirche aufgewachsen. Mein Vater ist erst 1940 getauft worden und meine Mutter 1937. Sie sind beide in Nordhausen getauft worden.
Ich habe immer in Nordhausen, in der Schärfgasse drei gewohnt. Alle meine Erinnerungen gehen da hin. Nordhausen ist eine sehr alte Stadt. 1927 war sie schon tausend Jahre alt. Eine sehr altertümliche Stadt, mit einer sehr altertümlichen Bausubstanz. Das heißt die Stadt selber hat mich als kleiner Junge sehr fasziniert, wenn ich einkaufen war. Es gab sehr viel Fachwerkhäuser. Die richtigen Erinnerungen gingen erst los so mit sieben Jahren, als Nordhausen immer von Flugzeugen überflogen wurde. Von amerikanischen oder englischen Flugzeugen. Ich weiß das nicht. Aber immer gab es Fliegeralarm. Diese Zeit des Fliegeralarms hat sich bei mir sehr eingeprägt, weil mein kleiner Bruder, der 1944 im August geboren wurde, er heißt Roland Klaus. Als er geboren wurde, war meine Mutter in der Klinik und an demselben Tag war auch die Schuleinführung.
In Deutschland bekommt man immer eine große Zuckertüte und ich hab auch eine Zuckertüte bekommen. Wir sind in die Schule, zur Schuleinführungsfeier gegangen, aber meine Mutter lag in der Klinik, mein Vater war zu dieser Zeit schon zu den Soldaten eingezogen. Er war schon Soldat und zwar an der russischen Front. Wir wussten nicht, wo mein Vater zu der Zeit war. Eine Nachbarin, Frau Decker, ihr Sohn ist auch zur Schule gekommen, sie hat mich mitgenommen in die Schule.
Mein älterer Bruder, er war vier Jahre älter als ich, Wolfgang Sprung, er ist mit zur Schuleinführungsfeier gegangen, er war immer auf meiner Seite, aber es gab große Turbulenzen. An diesem Tag, es war Ende August oder Anfang September, war der erste Angriff auf die Stadt Nordhausen. Wir hatten in Nordhausen auch einen kleinen Flugplatz. Der Flugplatz und eine Straße in Nordhausen wurden bombardiert.
Als Kinder waren wir immer sehr interessiert an den Kriegsereignissen. Wir warenbegeistert für den Krieg. Mein Bruder hat gesagt, wir wollen sehen, was am Flugplatz und in der Stadt ist. Aber wir haben nichts gefunden. Als Kinder hat man uns nicht so nah herangelassen. Es war ein sehr anstrengender Tag. Aber es war mein Schuleinführungstag.
Als dieser Angriff vorbei war, bin ich in eine Schule gegangen, die auf einem hohen Berg war, die Petersbergschule. Mitten auf dem Berg war eine Kirche, die Peterskirche oder Petrikirche und die Schule gleich daneben. Mein Schulranzen war eine alte Munitionskiste, der war aus Hartglas. Im Winter konnte ich auf dem Schulranzen immer den Berg herunterrutschen. Das sind meine ersten Kindheitserinnerungen.
Als meine Mutter mit dem kleinen Bruder nach Hause kam‚(wir wohnten in der dritten Etage in einem engen Haus) das war ein Fachwerkbau. Wir mussten in der Nacht oft zwei drei Mal raus, bei Alarm immer raus. Das heißt, wir haben uns in den Kleidern niedergelegt und nur die Schuhe ausgezogen. Weil meine Mutter Angst hatte, wenn der Alarm ist, dass wir nicht mehr aus dem Haus rauskommen. Das Schlimme war immer, als mein Bruder so klein war, lag er immer im Kinderwagen. Meine Mutter hat jeden Abend für den kleinen Bruder zwei Babyflaschen fertiggemacht und hat sie immer in den Kinderwagen geräumt, denn wenn ein Fliegeralarm gewesen wäre und das Haus wäre zerstört worden, hätte sie wenigstens ein oder zwei Nahrungsmittel für das Baby gehabt. Sehr oft sind wir in der Nacht geweckt worden durch den Fliegeralarm.
Das Schlimme war, dass es ein sehr kleines enges Haus war und wir durften in diesem Haus nie das Licht einschalten. Denn wenn das Licht an war, konnten die Flugzeuge sehen und da werfen sie die Bomben ab. Das war immer sehr kompliziert, zwei bis drei Mal in der Nacht, der Kinderwagen musste drei Etagen runter und wieder hoch. Viele Hausbewohner sind später dann überhaupt nicht mehr aus dem Haus gekommen. Sie sind einfach in der Wohnung geblieben. Wir waren als Kinder immer bemüht, den Luftschutzraum zu erreichen.
Ich wohnte in der Nähe unterhalb eines Waldstücks zwischen der Oberstadt und der Unterstadt in Nordhausen, da gibt es ein Waldstück, das heißt das Gehege. Im Gehege haben die Leute damals Luftschutzbunker in den Berg reingetrieben und dort mussten wir immer in der Nacht rein. Wir sind immer zwei drei Straßen zu dem Wald hin in den Luftschutzbunker rein in der Nacht. Bis wir wieder zu Hause oder zwei, bis Entwarnung war, war wieder eine Stunde Zeit, bis wir wieder zu Hause waren.
Am 3. und 4. April 1945 wurde die Stadt durch britische Luftangriffe zu über 85% zerstört. Wir haben ja nicht gewusst, dass Nordhausen angegriffen werden sollte. An dem Tag war wieder Fliegeralarm, wieder runter und unterwegs haben wir schon gesehen, dass viel große Lichter am Himmel waren, ganz große Lichter. Ich kann mich besinnen, ich konnte jeden kleinen Stein an der Erde sehen und meine Mutter hat den Kinderwagen, über ihn eine dunkle Decke gemacht. Es war ein weißer Kinderwagen und weiß leuchtete immer in der Nacht und sie hat eine dunkle Decke drüber gemacht, dass der Kinderwagen nicht zu sehen ist. Ich hab natürlich, als die großen Lichter am Himmel waren, Kinder interessieren sich ja, das waren Christbäume. Und das waren, das hat man mir später erzählt, das waren Kanister mit Phosphor und die Flugzeuge haben diese Kanister abgeworfen. Die Kanister hatten einzelne Öffnungen und aus diesen Öffnungen ist Phosphor herausgeflossen, und wenn Phosphor mit Luft zusammenkommt, brennt es sofort. Sie haben dazu Christbäume gesagt. Aber es waren keine Christbäume.
Aber an dem Abend konnten wir nicht mehr in den Bunker rein. Es waren so viele Leute schon drin. Wir sind an dem Waldstück vorbei in den Wald gegangen, zwischen Gehege und Hohen Rode gegangen, ein Kulturpark, das war der Hohlweg, es war April, die Bäume waren noch nicht zusammengewachsen. Da hat meine Mutter eine Decke auf die Erde geworfen, der Angriff war schon, weil wir schon Bomben gehört haben und wir mussten uns unter eine große Wurzel legen und es war im April und es hat geregnet. Auf diesem Weg ist ganz in der Nähe eine große Bombe heruntergefallen und großen Erdpatzen, Schlammteile sind direkt auf uns gefallen. Wir sind dann zwei Tage lang in diesem Waldstück geblieben. So hab ich den Krieg und den Angriff erlebt.
Viele Menschen sind dorthin geflüchtet, weil die Stadt ja gebrannt hat. Als der Krieg zu Ende war, da sagten die Leute, jetzt kommen Panzer, das waren amerikanische Panzer. Als die Panzer eingerückt waren in die Stadt, sind wir dann wieder nach Hause gegangen. Wir haben dann gesehen, dass die Stadt Nordhausen völlig zerstört war.
Kinder sind ja immer neugierig und es war immer ein Erlebnis zu sehen, was passiert ist. Meine Mutter hat uns zwar verboten in die Stadt zu gehen, aber wenn sie einmal nicht da war, bin ich doch heimlich in die Stadt gegangen. Mein Bruder war ja vier Jahre älter, der hat uns mit in die Stadt genommen. Und als wir in der Stadt waren, haben wir gesehen, dass viel Menschen in den Trümmern waren. Sie waren in den Trümmern, sie haben geklopft. Und mein Bruder hat gesagt, hier klopft jemand, da ist noch jemand im Keller. Da haben wir den Männern oder den amerikanischen Soldaten Bescheid gesagt, dass da noch jemand in den Trümmern liegt. Und dann ist gegraben worden und viele Menschen sind aus den Kellern gerettet worden.
Viele Menschen sind auch aus den Kellern nicht gerettet worden, weil die Keller voll Wasser gelaufen sind. Durch den Angriff sind viele Wasserleitungen zerstört worden und das Wasser ist in die Keller gelaufen. Die Menschen haben gelebt und sie sind dann ertrunken im Keller.
Ich hab da als kleiner Junge gesehen, die Flugzeuge haben auch Luftminen abgeworfen. Ich habe es gestern erst erzählt einem jungen Mann. Die Luftminen haben alles zerstört, die Häuser, aber viel Menschen haben auf Stühlen gesessen oder im Bett gelegen, als würden sie noch leben, mit offenen Augen. Und einmal bin ich in ein kleines Geschäft, es war zerstört, da saß einer auf dem Stuhl, wir wollten nicht rein als Kinder und sind nach zwanzig Minuten wieder dort hin und haben gesehen, der Mann saß immer noch auf seinem Stuhl und dann haben wir festgestellt, der Mann war schon lange tot. Nach Tagen hat der noch auf dem Stuhl gesessen. Er war steif. Es war ein Geschäft, wo es Kurzwaren gibt. Nähseide, Häkelnadeln oder Stricknadeln für Frauen. Das war mein Eindruck vom Krieg.
Aber als die Amerikaner einmarschierten nach Nordhausen, so wie meine Frau auch erlebt hat, die waren sehr freundlich zu Kindern. Nicht nur die Afrikaner, sondern auch die Amerikaner. Die Amerikaner hatten so ein grünes Päckchen, da war drinnen, Cornedbeef, Knäckebrot und Schokolade. Das haben sie uns immer zu essen gegeben. Wir waren immer sehr interessiert, mit den Soldaten zusammen zu kommen. Wir haben auch von den Amerikanern Lakritze bekommen.
Als die Amerikaner dann in Nordhausen einmarschiert sind, haben sie alle Fahrräder, alle Radios konfisziert. Sie haben bloß die Fahrräder mit ihren Panzern überrollt. Sie haben sie bloß kaputt gemacht. Damit wir nicht so schnell wieder wo anders hinfahren konnten.
Nordhausen ist eine Stadt, wo Alkohol und Schnaps hergestellt wurden. Es gibt, Spirituosenfabriken und Kautabak wird auch da hergestellt. Kautabak war überall in den großen Fabriken noch in den kleinen Schachteln drin. Wir haben die mitgenommen und haben den amerikanischen Soldaten Kautabak gegeben, sie sollten uns Lakritze dafür geben. Er wollte das nicht haben. Kautabak hat furchtbar geschmeckt. Aber als Kinder haben wir versucht, das zu tauschen, um irgendwas zu bekommen.
Einmal, wo ich gewohnt habe, am Ausgang von Nordhausen, gibt es eine große Ziegelei, die gibt es heute nicht mehr. Aber auf der Ziegelei, da waren die Amerikaner stationiert, die hatten dort ihre Station. Ich war als Kind immer neugierig. Und da wo es was zu essen gibt, da geht man hin. Und die Amerikaner hatten immer was zu essen. Aber an dem Tag waren keine Amerikaner da. Aber es war eine große Militärplane über einem großen Berg aufgestapelt. Als Kind ist man ja neugierig, was ist da drunter. Ich hab drunter geguckt und ich war sehr, sehr erschrocken.
Die Amerikaner hatten sehr viel junge Soldaten und Menschen erschossen. Sie hatten sie übereinandergelegt. Immer zwei drei übereinandergelegt und zugedeckt, scheinbar zum Abtransportieren. Das war für mich ein furchtbarer Schreck. Ich bin nach Hause, hab das meiner Mutter erzählt und sie sagte: „Das glaub ich nicht, ich hab nichts gehört und du nichts gesehen, dass die Amerikaner so viel Menschen erschossen haben“. Nach zwei Tagen sind die abtransportiert worden. Die waren dann weg. Die Jungen Leute, die erschossen worden sind, es waren sehr viel junge Leute, sie haben Panzerfaust genommen und sind gegen Panzer gelaufen und deswegen sind sie sicherlich erschossen worden.
Ich hab später, viele Dinge noch in Nordhausen erlebt. Es gab ein Abkommen und es sind die Russen einmarschiert. Als die Amerikaner nach Nordhausen einmarschiert sind, haben uns Leute erzählt, sie sind begrüßt worden mit Blumen und mit Freuden. Die Deutschen haben sich gefreut, dass endlich der Krieg vorbei war. Aber als die Russen hereinkamen, haben sie alles verschlossen. Niemand wollte etwas mit den Russen zu tun haben. Die Russen hatten ja als sie nach Nordhausen gekommen sind. Sie hatten kein einziges Auto, sie haben keinen Panzer gehabt. Sie sind alle zu Fuß gekommen oder mit kleinen Pferdegespannen, wie wir heute noch manchmal in russischen Filmen gezeigt wird. So sind die Russen eingezogen.
Ich hab mich immer gefragt, warum in Nordhausen so sehr zerstört wurde. Nordhausen war eine Stadt in der Nähe von dem Konzentrationslager DORA. In dem Konzentrationslager DORA, das war ein Bergmassiv, mit weißem Gestein und wir haben dazu gesagt, der Konstein. Mein Vater und meine Mutter haben gesagt, Nordhausen war eine Stadt mit weißem Gestein und wir haben gesagt der Konstein.
In den Konstein sind sehr große Stollen hineingetrieben worden, von den Deutschen, von den Gefangenen, von den internierten Soldaten oder von den internierten Leuten, die sie aus Polen hatten. Dort in diesen großen Bergstollen wurden die V1 und die V2 gebaut. Diese Raketen, die Deutschland noch nach England, geschickt hat, um die Städte zu zerstören. Diese Raketen wurden in dem Lager DORA gebaut. Und ich nehme nur an, ich kann das nur denken, dass es in Nordhausen sehr viele Leute von dem Sicherheitsdienst oder von den SS-Leuten gegeben hat.
Denn meine Mutter hat mir dann erzählt, dass wenn die Leute, wenn die Amerikaner einmarschiert sind, haben Leute weiße Fahnen rausgehängt und haben gesagt, wir ergeben uns ja. Wir wollen Frieden. Und dann sind sehr viele Leute von der Wehrmacht und NSDAP und von der SS gewesen, die haben die Leute einfach noch erschossen. Obwohl die Leute gewusst haben, der Krieg war zu Ende. Ich nehme stark an, dass in Nordhausen sehr viele von den SS-Leuten, von den Leuten waren, die noch immer gedacht haben, dass Deutschland den Krieg gewinnt.
Mein Vater ist 1944 im Mai oder Juni eingezogen worden. Und er ist 1945 im September schon wieder nach Hause gekommen. Er war nur kurze Zeit im Krieg, aber er hat sehr viel erlebt in der Zeit. Die Russen waren sehr freundlich zu ihm, weil er immer seine Familie hatte, sein Familienbild und die russischen Offiziere haben ihn nach Hause geschickt. Aber er musste durch Polen fahren und die Polen waren sehr böse zu den Deutschen.
Sie hat ihn gefangen genommen, die Polen. Er hat erzählt, dass er drei Tage in einem Wasserkeller gestanden musste. Er war voll Wasser und sie konnten nicht raus. Sie haben nichts zu essen und zu trinken bekommen. Wer umgefallen ist, der ist ertrunken. Sie haben ihm die Zähne ausgeschlagen. Sie waren sehr böse zu den Deutschen.
Diese Hilfsmaßnahmen, die von Amerika gekommen sind, das hieß damals Deseret Industries. Da war immer auf diesen Beuteln dieser Bienenkorb drauf und das war wunderschön. Aber in Nordhausen, die russische Besatzung hat reingelassen und hat das nicht an die Mitglieder verteilt. Die Hilfsmaßnahmen sind nicht nur uns zugute gekommen, sondern auch die Bewohner der Stadt. Wir haben ein Drittel bloß erhalten, das war unsere Rettung.
Ich war von April 1958 bis 1960 im Februar in der DDR auf Mission. Bevor ich auf Mission gegangen bin, bin ich mit den Missionaren einmal nach Berlin gefahren. Da gab es den Bruder Pötschlach. Er hat an alle Missionare, die aus der Ostzone kamen, immer fünf Westmark gegeben, damit sie in Berlin einmal mit der Straßenbahn fahren können oder für Kleinigkeiten. Ich war da als junger Mann und Bruder Pötschlach hat gesagt: „Sind Sie Missionar?“ „Nein, ich bin kein Missionar“. „Aber Sie wollen auf Mission gehen“: „Nein, ich will nicht auf Mission gehen“. „Aber Sie bekommen trotzdem die fünf Mark, damit Sie auf Mission gehen“
Er war ein sehr netter Bruder, aber ich hab zu dieser Zeit, nie dran gedacht, dass ich auf Mission gehe. Die Missionare waren für mich immer so weit oben und ich hab immer Angst gehabt, ich könnte das nie erreichen, was die Missionare in den Gemeinden geleistet haben. Deshalb habe ich zu Bruder Pötschlach gesagt, ich gehe nie auf Mission. 1958 gleich im zeitigen Frühjahr kam der Distriktspräsident, Walter Schiele, wir gehörten damals zum Distrikt Leipzig und hat mich gefragt, ob ich eine Mission erfüllen würde. Ich war aber nicht bereit, eine Mission zu erfüllen. Einmal, weil ich mich geistig nicht in der Lage fühlte und ich hatte auch keine finanziellen Rücklagen, um auf Mission zu gehen. Er sagte, ich brauch mich nicht darum kümmern, ich soll nur überlegen, ob ich auf Mission gehen will. Ich bin dann nach Hause und hab mit meiner Mutter darüber gesprochen und sie hat gesagt: „Du könntest doch auf Mission gehen, wir werden für dich das und das zusammen sparen, und wir werden das und das tun, damit du auf Mission gehen kannst.“
Bruder Schieler hat gesagt, ich soll fasten und beten. Freitagmittag hab ich angefangen zu fasten und hab dann drei tage hintereinander gefastet. Dann war ich körperlich so matt und bin in einem Park gewesen und hab dort gelegen und hab über meine Mission nachgedacht. Und nachdem ich mein Gebet gesprochen hab, hab ich gedacht: „Du wirst dem Bruder Schiele sagen, ich gehe auf Mission„. Ich habe dem Bruder Schiele, der mich auch nicht gedrängt hat, eine schriftliche Nachricht gegeben, dass ich bereit bin, auf Mission zu gehen.
Später hab ich Post bekommen, von Bruder Burkhardt, der damals der Ratgeber des Missionspräsidenten war, „Lieber Bruder Ortlieb, wir werden Sie auf Mission schicken und Ihr erstes Arbeitsfeld ist Gotha und Ihr Missionsantritt ist am 13. oder 14. April in Gotha“. Ich bin am einem Tag mit meinem Koffer nach Gotha gefahren und mein erster Mitarbeiter war Werner Klein. Nun war ich ja nicht trainiert als Missionar, aber ich war begeistert von der Kirche und der Mission von der Kirche. In Gotha haben wir angefangen zu missionieren. Bruder Klein hat gesagt, zwei Tage zeige ich Ihnen, ich mache, wenn wir an der Tür sind, die Gespräche. Ich spreche die Leute an. Nach zwei Tagen hat er gesagt, jetzt müssen Sie das machen. Als ich mein erstes Türgespräch hatte, hat Bruder Klein gesagt, so können Sie das nicht machen, sie müssen an das und das denken. Da hab ich gemerkt, ich muss viel lernen. Ich hab beherzigt, was er mir gesagt hat und habe gelernt.
Aber noch in Gotha sind wir von der Polizei auf der Straße angesprochen worden. Der Polizist hat gesagt, wir dürfen nicht von Haus zu Haus, von Tür zu Tür gehen. Damals waren die Türen noch auf, die waren nicht so wie heute verschlossen. Wir haben immer von oben nach unten angefangen zu missionieren. Die Leute waren auch alle sehr freundlich zu uns bis auf wenige. Das hat mir auch sehr, sehr viel Freude gemacht Missionar zu sein.
Wir sind zwei Mal zur Polizei bestellt worden und der Polizist hat uns immer verboten von Tür zu Tür zu gehen. Da unser Missionspräsident gesagt hat, ja, dann sollen Sie Ihnen das schriftlich geben. Aber die Polizei hat das nicht gemacht, so sind wir immer weiter gegangen zu missionieren. In Gotha hatten wir wenig Erfolg. Aber in Gotha ist etwas eingetreten, was sehr wichtig ist für meine Mission. Bevor ich auf Mission ging, gab es Lebensmittelkarten. Die Rationierung der Lebensmittel in der DDR war so, da waren die Lebensmittel immer noch billig. Es gab eine staatliche Organisation, das war der Konsum und Handelsorganisation, das hieß HO. Mit dieser Handelsorganisation konnte man auch Lebensmittel kaufen, die waren aber teurer. Jetzt waren die Lebensmittelkarten weggefallen und wir mussten mehr bezahlen. Bruder Burkhardt hat mich angerufen und hat gesagt: „Wir haben eine gute Nachricht für Sie“! „Ja, Präsident Burkhardt, was ist das?“ „Es gibt ein Ältestenkollegium in Amerika, die würden Sie gerne unterstützen“. Das Kollegium war eine Deutsche Gemeinde in Salt Lake, der Bruder Böttchert, stammt aus Chemnitz, der hat gesagt, wir würden gerne einen oder zwei Missionare in der DDR unterstützen. Von da an hab ich immer eine finanzielle Unterstützung von dem Kollegium aus Amerika bekommen. Bruder Burkhardt hat mir das Geld immer zugeschickt oder überwiesen. Damit war mein finanzielles Problem als Missionar gelöst.
Mein erstes Arbeitsfeld war Gotha, mein zweites Arbeitsfeld war Naumburg, dann war ich in Weimar, wo meine Frau auch war, dann war ich in Gera und mein letztes Arbeitsfeld war Rathenow bei Berlin, da sind wir oft nach dem Westen rüber gefahren. Wir haben dort sehr oft Bücher Mormon geholt, weil wir hatten, ja keine Bücher Mormon zum Missionieren.
Wenn wir in einer kleinen Stadt bei Berlin zum Missionieren gegangen sind, zum Beispiel in Werder an der Havel, die wollten alle ein Buch Mormon. Aber wir hatten keine Bücher Mormon zum Verleihen. Dann sind wir schnell nach Westberlin gefahren, damals war Bruder Fetzer da. Wir haben Bücher Mormon geholt im Koffer, wir durften die ja nicht in die DDR reinholen. Das war verboten. Bruder Fetzer hat uns die gegeben. Wir haben da Fehldrucke bekommen und brauchten dafür nichts bezahlen.
Wir haben die Bücher in dem letzten Arbeitsfeld verliehen. Nach 14 Tagen, wenn wir wieder gekommen sind, haben sie gesagt, die Polizei hat sie uns abgenommen. Überall, wo wir waren, ist die Polizei nachgegangen und hat gefragt, ob sie ein Buch Mormon bekommen, haben und haben es ihnen abgenommen.
Dann bin ich nach Hause. Und da ich nicht viel Geld hatte zum nach Hause fahren, bin ich in Leipzig entlassen worden, da war Bruder Fetzer schon Missionspräsident und ich bin von Leipzig aus nach Dresden gefahren, dort hat meine Braut gewohnt, wie hatten uns verlobt, bevor ich auf Mission gegangen bin. Dann hab ich geheiratet und ich bin dann erst, nachdem ich verheiratet war, mit meiner Frau nach Nordhausen gefahren.
Lieber Erich und auch liebe Marianne!
Was fuer eine schoene Ueberraschung, dass fuer uns waren, diese Lebensbeschreibung zu finden. Die wurden uns von Freunden, geschickt, die jetzt in dem Tempel in Kiev als Missionare arbeiten und haben dort eine Enkeltochter, Antonia, von Euch kennengelernt.
Wir werden im Juni in Dresden fuer die 25. Reunion der Mission unter Praesident Paul sein und freuen uns schon darauf, Euch wieder sehen zu koennen.
Viel Liebe und Gruesse von „Elder“ und „Sister“ Davis.