Danzig, Langfuhr

Ich heiße Reinhard Hermann Schibblack, und bin geboren am 22…Juni 1927 in Danzig-Langfuhr. Mein Vater hieß Bernhard Hermann Schibblack und meine Mutter Hedwig Emilie Rick. Wir hatten eine gute Wohnung in Langfuhr in einem Haus mit drei Stockwerken. Wir konnten von unserem Fenster auf die Ostsee schauen.

Meine Kindheit verlief so, dass ich in die Schule kam. Zu dieser Zeit waren der Deutsche und der Pole ein bisschen im Konflikt. Mein Vater war bei den Polen angestellt, und er sollte Pole werden. Er sagte aber: „Das mache ich nicht, nein, das will ich nicht“. Darauf wurde er von seiner Arbeit entlassen. Er versuchte in Berlin mit der Deutschen Reichsbahn in Kontakt zu kommen. Er hatte vorher auch bei der Eisenbahn gearbeitet. 1935 kam er dann nach Berlin, um die neue Arbeit anzutreten. Wir sind erst 1936, als die Olympischen Spiele in Berlin waren, von Danzig nach Berlin gekommen. Ich bin dann auch in Berlin zur Schule gegangen.

Der Krieg fing 1939 an, und der erste Fliegeralarm war am 1. September 1939. So ging es eigentlich weiter. Es gab eine Kinderlandverschickung – KLV nannte sich das. Da wurden Schulen, die hier in Berlin bedrängt waren, nach Ostpreußen verlegt, damit die Kinder durch die Bombenangriffe usw. nicht bedrängt wurden. In Ostpreußen war es so, dass es schon Kriegseinwirkungen gab. Dann sind wir nach Hollenstein an der Ips verlegt worden als Klasse, auf ein Schloss von Rothschild. Dann haben wir natürlich das Schloss Belvedere, Schloss Schönbrunn und alle diese wunderbaren Dinge gesehen, auch die Wachau, Stift Melk usw. Das war für uns Kinder etwas Besonderes.

1942 kamen wir nach Berlin zurück, um unseren Abschluss nach der 8. Klasse zu machen. Damals war das so, dass man die Schule nach der 8. Klasse abgeschlossen hatte. Dann fing ich an. bei der Deutschen Reichsbahn, eine Lehre zu machen als Maschinenschlosser.

1944 bekam ich den Einberufungsbefehl zum Reichsarbeitsdienst und anschließend zum Militär. Aber vorher durfte ich noch meine Gesellenprüfung machen. Wir wurden nach Neuruppin hier in Berlin eingezogen. Da kam ich mit einem Soldat zusammen, der hieß Gerhard Jeske. Er war Mitglied der Kirche, und so kamen wir ins Gespräch und freundeten uns an. Diese Freundschaft ging bis heute, bis vor ein paar Jahren, bis Gerhard in Amerika starb. Dadurch habe ich 1944 den ersten Kontakt zur Kirche gehabt. Aber als Soldat war keine Gelegenheit, dass man über das Evangelium sprechen konnte.

Dann haben wir viele Kriegserlebnisse gemeinsam als Soldaten gehabt. Als wir in Neuruppin waren, nach drei Tagen, wurde eine Gruppe zusammengestellt, die eine Spezialausbildung in Dänemark machen sollte. Wir waren dabei, und das war unser großes Glück, dass wir als kleine Gruppe ausgewählt waren, nach Dänemark zu kommen. 1944 war es ja in Deutschland so, dass es sehr wenig zu Essen gab. Butter, Fleisch und alle diese Dinge waren ja rationiert. Das war schlecht. Und für uns war es super, dass wir diese Spezialausbildung bekamen und natürlich gutes Essen hatten. Wir bekamen jeden Tag Fleisch, ein richtiges Menü mit allem drum und dran. Nur sonnabends gab es Eintopf. Da haben wir uns jeden Tag unser Kochgeschirr genommen und Schlagsahne geholt. Diese Schlagsahne haben wir jeden Tag genommen.

Erst waren wir in Holstebro und dann oben in Aalborg. Da hatten wir unsere Ausbildung. Aufgrund dieser Fettaufnahme, weil wir diese Schlagsahne gegessen haben, wurde der Körper vollkommen mit Fett angefüllt. Wir kamen Beide in russische Gefangenschaft. Gerhard kam schon 1945 und ich kam auch 1945. Er war in Sibirien und ich in der Ukraine als Gefangene. 1947 wurde ich aus russischer Gefangenschaft entlassen.

Ich wurde in Dresden gefangen genommen, weil wir eine Spezialeinheit waren mit Großdeutschland am Ärmelstreifen, haben wir damals noch in Tiplitz-Schönau gekämpft, obwohl die Kapitulation schon da war, nur wir haben es nicht gewusst. Und dann sind wir gelaufen von Tiplitz-Schönau nach Dresden. Da haben wir übernachtet, haben aber gesagt, wir müssen nach Berlin. Und frühmorgens, als wir los wollten, kamen zwei Russen auf dem Pferd, und die haben uns in ein Lager gebracht. Von Dresden sind wir dann mit 6000 Mann nach Hoyerswerder gelaufen, und von da aus sind wir mit 6000 Mann mach Sagan in Schlesien marschiert. Jeden Tag immer streckenweise, bis wir da waren.

Dann wurde ich entlassen und kam nach Hause. Unser Zuhause war nicht kaputt. Die Wohnung, wo wir gewohnt haben, war noch da. Mein Vater war auch Soldat und kam auch nach Hause. Meine Schwester wollte wissen, was mit meinem Vater ist und ging zu einer Kartenlegerin. Ist eigentlich eine komische Sache, aber die Frau hat gesagt: „Ihr Vater kommt jetzt nach Hause, und Ihr Bruder wird dann weit, weit weg fahren“. Da hat meine Schwester gesagt, wenn das stimmt, dann komme ich und bezahle das. Richtig, mein Vater kam wirklich nach Hause, und ich bin wirklich danach nach Russland gefahren. Mein Vater starb 1947. Ich kam zu meinem Geburtstag nach Hause, und zwei Monate später starb mein Vater mit 45 Jahren. Das war eine schreckliche Situation, dass ich meinen Vater damals verlor.

Natürlich nach dieser Zeit der Krankheit usw. habe ich natürlich nicht sofort gesagt: „Hallo, wo ist die Kirche, jetzt muss ich die Kirche suchen“. Das war absolut nicht so.

Bis 1949 meine Mutter war bei der Post Briefträgerin. Sie teilte die Briefe aus. Sie musste zu der Zeit zu einem Vertrauensarzt. Das war in Deutschland so. Wenn man krank war, konnte der Arbeitgeber sagen, dass man zum Vertrauensarzt geschickt wurde, um zu sehen, ob man wirklich krank war. Der Arzt, wo meine Mutter hinmusste, war in dem Haus, wo auch Gerhard Jeske gewohnt hat. Die Benachrichtigung lag auf dem Tusch, als ich nach Hause kam, und ich las Gisela Straße 5. Da habe ich zu meiner Mutter gesagt: „Bitte gehe eine Treppe höher, wenn du da bist, und gucke nach, ob Jeskes da noch wohnen“. Sie hat es gemacht. Sie kam zurück und sagte, sie sind da, und ich sollte mal vorbei kommen. Dann bin ich vorbei gegangen.

Gerhard Jeske sagte zu mir: „Weißt du was, ich lade dich am Sonntag um 18.00 Uhr in die Kirche ein, in die Gemeinde Zentrum. Ich sagte: „Nee, so schnell geht das nicht!“ Aber der Sonntag kam, und ich bekam den Drang danach dort hinzugehen. Ich setzte mich in ein Restaurant und trank ein Bier und rauchte eine Zigarette. Das war ja normal. Dann kam ich zur Kirche. Wir hatten ja damals keine Kirchenräume, sondern die Versammlungen fanden in einer Schule statt. Früher gab es in der Aula nur lange Bänke. Da hat er mich vorne auf die erste Bank gesetzt. Er war Priester zu der Zeit und hat das Abendmahl gesegnet. Ich saß nun ganz alleine auf der Bank. Ich wusste nicht, dass gebetet und gesungen wird, und dass es Abendmahl gibt. Ich wusste nichts, absolut nichts. Als die Versammlung zu Ende war, sagte Gerhard: „Na, wie hat es dir gefallen?“ „Na ja, das war schon ganz gut“. Ich sagte: „Du gestattest doch, ich rauche mir jetzt eine an“. Da hat er gesagt: „Jawohl, mach das ruhig, alles klar“. Als ich fertig war sagte er: „Komm an die Hand, ich bete für dich. Ab heute rauchst du nicht mehr“. Ab dieser Minute habe ich wirklich nicht mehr geraucht. Von der Sekunde an habe ich alle Versammlungen besucht, und ab da, 1949, ging mein Kirchenleben los.

Vorher natürlich, was wichtig war, habe ich meine Frau fürs Leben gefunden. Das war so. Wir hatten zwei Gemeinden hier in Ostberlin – Gemeinde Zentrum und Gemeinde Ost. Zentrum war in der …. Straße, Gemeinde Ost war in der Pettenkoferstraße auch in einer Schule. In unsere Schule durften wir nicht mehr rein, weil da irgendetwas war. Der Senat wollte das sowieso nicht mehr, dass wir die Versammlungen dort abhielten. Da mussten wir zur Pettenkoferstraße. Da es ein anderer Weg war als sonst, hatte ich mich etwas verspätet. In der Schule gab es Pendeltüren, und ich wie ein Wilder da durch. Meine zukünftige Frau kam hinterher. Nun standen wir da. Sie schlug ihr Gesangbuch auf und sagte: „Das gefällt mir wirklich, haust mir die Tür vor der Nase zu und kommst her und liest noch in meinem Buch“. Sie hieß Hilda Grete Fobotka.

Wie die Versammlung aus war, haben wir gesagt, dass wir uns am Nachmittag wieder treffen wollten. Und von der Minute an haben wir uns getroffen. Sie hat dann noch gesagt: „Ich heirate dich aber nur, wenn du Mitglied bist“. Erst am 8. Oktober wurde ich getauft in der Grünau in der Spree, und am 10. Oktober 1949 habe ich geheiratet. Und so ging es los. Wir hatten zwei Kinder. Cornelia, verheiratete Binte ist 1954 geboren und Ehrenfried 1955. Er ist Ältester, aber zurzeit inaktiv. Meine Tochter hat 7 Kinder. Die älteste Tochter heiratet am 15. Mai im Frankfurt-Tempel. Ich hätte sie gerne gesiegelt, aber aus gesundheitlichen Gründen ist es mir nicht möglich nach Frankfurt zu fahren.

Eigentlich ging die Palette der Berufungen vom Sonntagsschulleiter, Genealogieleiter, Lehrer, Hoher Rat, Bischofschaft. Als der Berliner Pfahl 1961 gegründet wurde, wurde ich Hoher Priester. Ich wurde Diakon als ich 1949 zur Kirche kam, dann zwei Jahre Lehrer, erst Priester und dann fünf Jahre später Ältester. Damals gab es das nicht, dass man so schnell Ältester wurde. Dafür wurde ich 1961 schon Hoher Priester und wurde in die Bischofschaft mit Bruder Karl Köcher berufen.

Ich bin Siegler und wurde von Apostel Nelson in Frankfurt eingesetzt. Wir waren von 1987 – 1990 auf Tempelmission. Mit meinem lieben Frauchen war ich 1993–1995 auf Tempelmission in Frankfurt. Es war auch noch so, dass wir von 1990–1993, bis zur Tempelmission, jeden Monat für eine Woche zum Freibergtempel fuhren. Das Gute war, dass meine jetzige Frau denselben Geist des Tempels in sich hatte, wie wir ihn hatten. Wenn ich an die Ansprache von Apostel Bednar denke, von der April Konferenz, der über den Geist des Tempels gesprochen hat. Diesen Geist haben wir auch in uns. Dadurch, dass wir jeden Monat eine Woche in den Tempel gefahren sind. Das war so wunderbar! Die Tempelmissionen mit meiner ersten Frau oder mit meiner zweiten Frau war die beste Zeit in unserem Leben.

Meine erste Frau und ich waren drei Jahre auf Tempelmission in Frankfurt. Meine Frau verstarb dann im Mai 1990 innerhalb der Missionszeit. So wurde ich von Mission entlassen und kam nach Berlin zurück. Ich ging in die Gemeinde Mahrzahn zurück, damals hieß sie noch Friedrichshain. So kam ich den ersten Sonntag dort hin, ich war bekannt dort, weil ich bis 1961 dort tätig war, und habe die Leute begrüßt. Am zweiten Sonntag kam ich hin und machte es genauso. Am dritten Sonntag passierte folgendes: ich kam durch die Tür und wollte die Leute begrüßen, es war wirklich, als wenn ich geschoben wurde, und Jemand sagte: „Jetzt setzt du dich hier hin.“ Dann habe ich mich neben meine jetzige Frau gesetzt.

Bruder Bernd Schröder war damals Gemeindepräsident. Er sagte: „Liebe Geschwister, ich möchte Ihnen bekannt geben, dass die Nieren Schwester Irmgard Ortlieb nur noch zu 30% funktionieren. Wir sollten für sie beten“. Als er das sagte, fing die Schwester neben mir, meine Frau, an zu weinen. Da nahm ich sie etwas in den Arm, ohne dass wir vorher zusammen gesprochen hatten.

Wie die Versammlung aus war, habe ich gesagt: „Bernd, wer ist Irmgard Ortlieb?“ Ich bin in dieser Gemeinde vor 30 Jahren weggegangen nach Westberlin. Er sagte: „Das ist doch die Tochter von Schwester Wichert“. Da fiel mir das wieder ein. Da habe ich Bernd gefragt, was mit Herrn Wichert ist, denn bevor ich wegging, war er kein Mitglied, und ich fragte, ob er in den letzten 30 Jahren Mitglied geworden war. Er sagte: „Nein, er ist verstorben“.

Eines Sonntags sagte Schwester Wichert zu mir: “Ich möchte dich zum Essen einladen“. Sie war allein und konnte keinen Mann allein einladen. So sprach sie mit ihrem Schwiegersohn, ob Jemand dabei sein kann. Und so war es auch. Weil ich in Westberlin wohnte, und sie in Ostberlin, konnte ich telefonieren so oft ich wollte, aber in Ostberlin war es nicht so. Da musste man ein Telefongespräch anmelden und irgendwann am Tag wurde es frei gegeben. Da haben wir sehr oft telefoniert. Wir haben auch über Heirat gesprochen.

Dann sind wir nach Freiberg zum Tempel gefahren. Nach der Session gingen wir über eine Wiese spazieren, und ich sagte: „Willst du mich heiraten?“ Sie sagte: „ Du spinnst wohl. Ich bin so viel älter als du“. Wir fuhren zurück und dann bekam sie eine Kopfrose. Die Ärztin sagte: „Frau Wichert, was haben Sie gemacht?“ Ich habe ihr einen Krankensegen gegeben und dann am nächsten Tag war das fast weg. Die Ärztin sagte: „Wie ist das möglich?“

Dann haben wir gesagt, damit wir wirklich wissen, ob wir heiraten sollen oder nicht, wir fahren jetzt eine Woche in den Tempel und wenn wir am Sonnabend nach Hause fahren, wissen wir, was Sache ist. Das wird jetzt im Tempel geklärt. In Freiberg war es so, wenn Vorverordnungen gemacht wurden, mussten die Schwestern im Foyer warten, bis die Session begonnen hatte, erst dann sind sie rein gegangen. Da saß sie alleine und fing an zu weinen. Bruder Burkhardt, der damalige Tempelpräsident, hatte das beobachtet. Er kam auf sie zu und fragte: „Schwester Wichert, was ist los? Haben Sie Probleme?“ Sie sagte: „Sie wissen ja, meine Tochter“. Dann hat er gesagt: „Das ist es nicht. Ist es irgendetwas anderes?“ Sie sagte: „Wenn Sie mich so fragen, es bemüht sich ein Mann um mich, und ich weiß nicht, was ich machen soll.“ Dann sagte er: „Ist er Mitglied? Kenne ich ihn?“ Sie sagte: „Ja, er ist sogar hier im Tempel. Es ist Bruder Schibblack.“ Da hat er ihre Hand genommen und sagte: „Schwester Wichert, machen Sie das. Sie werden sich wirklich in allen Dingen ergänzen.“

Ich wusste von diesem Gespräch ja nichts, denn ich war ja in der Session. Als ich zurückkam, sagte ich: „Die Sache ist entschieden!“ Ich wusste genau, dass irgendetwas gewesen war in der Zeit. Da haben wir gesagt, dann heiraten wir. Und so sind wir zusammen gekommen.