Neufeld an der Leitha, Burgenland, Österreich
Mein Name ist Hans Alois Kurt Malzl; ich bin am 18. Dezember 1926 in Neufeld an der Leitha geboren. Mein Vater hieß Johann Baptist Malzl und meine Mutter Anna Malzl, geborene Schleissner. Meine Frau heißt Leopoldine Maria Elisabeth, geborene Preimesberger. Wir haben fünf Kinder, einen Sohn und vier Töchter, inzwischen 28 Enkelkinder und 7 Urenkel.
Ich war als Kind ein sehr eifriger und guter Schüler, auch kameradschaftlich und sportlich. Deshalb wurde ich für eine Eliteschule in Deutschland ausgewählt. Dort durfte kein Schüler eine Klasse wiederholen, bei nicht entsprechender Leistung wurde er heimgeschickt. Es waren unsere guten Freunde und wir waren sehr traurig, wenn sie nicht mehr unter uns waren. Das letzte Jahr vor der Matura wurden wir als Luftwaffenhelfer in Essen eingesetzt, wir hatten von unseren Lehrern in der „freien“ Zeit, wenn keine Luftangriffe waren, Schulunterricht. 1944 hatten wir die Maturaprüfung.
1944 wurde ich dann als Soldat ausgebildet und kam nach Ungarn. Am 21.März 1945 wurde ich verwundet. Ich habe immer gedacht, als Soldat würde man leben oder sterben, aber verwundet? Drei Meter hinter mir hat eine Granate eingeschlagen. Splitter sind geflogen und ich habe mehrere abbekommen. Wir waren sieben Leute in einem Kreis, alle sind zusammengefallen und alle waren verwundet. Einer von ihnen war ein gläubiger Katholik und wenn wir bei der Nacht in einem Viehwagen an einen anderen Ort versetzt wurden, hat er sich hingesetzt und hat gebetet. Andere haben ihn ausgelacht, aber ich habe ihn in Schutz genommen und ihm zugehört. In meiner Familie wurde nie gebetet, mein Vater ist mit 21 Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten.
Fünf Wochen bevor der Krieg zu Ende war, war ich vier Wochen verwundet, ich kam nach Wien ins Lazarett. Wien war fürchterlich zerbombt. Ich war im dritten Stock untergebracht, dann kam nach drei Tagen der Befehl, alle die gehen können, jeweils eine Hundertschaft mit einem Arzt, sollen quer durch Wien zu der Stelle marschieren, wo der Zug stehen würde. Ich war verwundet, ich konnte noch nicht richtig gehen. Aber meine beiden Freunde mit Armverletzungen stützten mich, ich konnte nur mit meinem gesunden Fuß gehen. Dann fuhren wir mit dem Zug weiter Richtung Westen.
Wir sind bis Oberdonau (Oberösterreich) gekommen. Ich las in der Zeitung, jeder der Soldat war oder noch ist, soll sich in Linz bei der „Kampftruppe Oberdonau“ melden. Ich wurde nicht angenommen, weil ich nicht richtig gehen konnte. Ich wurde wieder ins Lazarett Perg geschickt. Einige Tage später sind die Amerikaner eingerückt. Es hangen an den Bäumen Plakate mit der Aufschrift, „Jeder der Soldat war oder ist muss sich beim Bürgermeister melden!“ Meine Tante, die in diesem Ort wohnte, hat mir einen Zivilanzug gegeben und ein kleines Fähnchen rot-weiß-rot zum anstecken. Als ich bei Bürgermeister ankam befahl ein Amerikanischer Oberst, dass ich mein Hemd ausziehen sollte und er prüfte somit ob ich eine Tätowierung der SS hatte. Aber es war alles in Ordnung und er ließ mich in Ruhe gehen.
Nach drei Tagen waren wir sehr getroffen, als die Amerikaner in einer langen Kolonne, mit siebzig bis hundert Autos, Richtung Westen weggefahren sind. Wir hatten zu den Amerikanern mehr Vertrauen als zu den Russen. Am nächsten Tag hangen wieder Plakate an den Bäumen: „Morgen kommen die Russen, und jeder der Soldat war oder ist, muss sich in Hollabrunn melden!“ Ich war froh, dass ich im Westen in Oberösterreich war, und da soll ich jetzt nach Niederösterreich zu den Russen gehen?
Im Lazarett war ein russischer Soldat der Wlassov-Armee, der dort behandelt worden ist. Er durfte mit mir im Haus meiner Tante schlafen. In der ersten Nacht stand ein junger russischer Soldat vor der Tür, der zuvor einem Bauern zehn Kühe weggenommen hatte, die er nach Russland schicken wollte. Er suchte dafür einen Treiber für die Kühe. Der Wlassov Soldat konnte mit ihm Russisch sprechen und so zog er sich zurück. Als wir uns wieder auf den Weg machen mussten, gab uns meine Tante einen Apfel und ein Stück Brot in meinem Brotbeutel und mein Freund begleitete mich bis zum Ortsende. Unter Tränen verabschiedeten wir uns und ich bin nach Richtung Linz weitergegangen. Ich habe von ihm seither nichts gehört.
Von Linz aus kam ich zum ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen. Dort waren die Häftlinge schon frei und sie waren alle sehr betrunken. Sie nahmen mir meinen Apfel, mein Brot, und meine Uhr weg. Da kam ein russischer Offizier und als er meinen Anstecker sah, ließ er mich gehen. Ich bin weitergegangen. Jeder Schritt hat wehgetan. Mein Regenschirm war mein Dach über dem Kopf und meine Hilfe zum gehen. Ich bin schließlich noch rechtzeitig beim Anlageplatz der Donaufähre angekommen, wo ich noch mitfahren konnte. Es war das letzte Schiff der Amerikaner, die von der russischen auf die amerikanische Seite der Donau fuhr. Ich bin nach Westen marschiert, weil ich wusste, dass meine Eltern vereinbart hatten, dass meine Mutter im Fall einer Flucht nach Bayern flüchten sollte. Ich bin letztendlich nach Steindorf gekommen, wo ich dann gefragt wurde wo ich hin wolle. Sie sagten mir, dass ich nicht nach Bayern käme ohne Entlassungspapiere. Sie nahmen mich dann in einem Sonderzug mit zum Entlassungslager, dort waren 36.000 Soldaten auf freiem Feld. Nach einer Woche wurden Verwundete entlassen, die Restlichen mussten fünf bis sechs Wochen warten. Was ich nicht wusste war, dass Mein Vater ebenfalls zur selben Zeit in diesem Lager war. Nach einer Woche kam ein amerikanischer Lastwagen, der verwundete nach Salzburg brachte.
Ich war zum ersten Mal in Salzburg und hatte nun meine Entlassungspapiere. Ich bin von dort nach Teisendorf in Bayern gegangen. Dort habe ich den Amtmann meiner Heimatgemeinde aus Neufeld getroffen. Er hat bei einem Bauern gearbeitet. Ich konnte ebenfalls auf einem Bauernhof arbeiten und lernen wie man Gras mäht. Der Amtmann hat aber leider nicht gewusst wo sich meine Mutter aufhält. Ich ging nach Salzburg zum Roten Kreuz zurück und fragte dort nach meiner Mutter. Dort war eine Anna Malzl registriert, aber diese war nicht meine Mutter sondern eine Großtante von Mödling.
In meinem Leben spürte ich immer besondere Fügungen. Der junge Mann, der bei der Firma arbeitete, bei der ich nach dem Krieg zur Arbeit aufgenommen wurde, wurde auch ein guter Freund von mir. Der Chef hatte großes Vertrauen in mich gesetzt und nachdem sein Betriebsleiter wegen seiner deutschen Staatsbürgerschaft nach Deutschland zurück musste, hat mir der Chef, mit circa 18 Jahren, die gesamte Betriebsleitung übergeben.
Der Chef, Dr. Brandstätter, hatte gerade noch bevor der Geldentwertung einen Betrieb mit einer Maschinenhalle, mit 300 Mitarbeitern, und 2 Sägewerken, kaufen können. Als der Chef mich zu seinem Betriebsleiter gemacht hatte, bekam ich doppelten Gehalt. Ich unterschrieb einen Vertrag, dass ich für fünf Jahre bei ihm arbeiten musste. Bald darauf sagte der Chef zu mir: „Hans, du leistest sehr viel und bist fleißig, aber ich habe Fachleute, die mit Hochwertigen Maschinen umgehen können. Du solltest dir jetzt Fachkenntnisse aneignen. Du musst jetzt schauen, dass du eine Fachausbildung bekommst. Die beste Ausbildung wäre in Rosenheim, doch du kannst nicht über die Grenze nach Deutschland. Hallein ist aber nur 15 Kilometer weg von hier.“ Dr. Brandstätter war jedoch nicht erfreut, dass die Ausbildung 3 Jahre dauerte: „Ich kann doch nicht 3 Jahre auf dich verzichten!“. Ich bekam während der Schulzeit nur den halben Gehalt.
Ich war mit 14-Jährigen Schülern, als 22-Jähriger, in einer Klasse zusammen. Ich habe angesucht, die Ausbildung anstatt in 3 Jahren in zwei Jahren machen zu dürfen. Ich hatte ja schon die Lehrfächer, wie Mathematik, Deutsch, etc. im Gymnasium abgelegt. Somit konnte ich zusätzlich die Zeit Vormittag und Nachmittag in der Werkstatt verbringen. Der Lehrer der ersten Klasse hat mich damit sehr unterstützt. Als ich von der ersten Klasse in die dritte Klasse aufgestiegen bin, lud er mich schon zu Anfang in meine ehemalige Werkstatt ein und stellte mich einem 18-Jährigen jungen Mädchen vor, die auch die Matura hatte. Ihr Vater hatte eine Möbelfabrik und wollte dort seine Tochter ausbilden lassen. Deshalb schickte er seine Tochter in diese Fachschule für Holz und Steinwerk. Er hat dem Fräulein Preimesberger die Hobelbank und das Werkzeug zugeteilt mit dem ich im Vorjahr gearbeitet hatte und sagte mir: „Dieser junger Mann, der hier voriges Jahr gearbeitet hat, hat sein Werkzeug am besten gepflegt.“ Beim Warten auf den Zug am Bahnhof kamen ich und das Fräulein Preimesberger miteinander ins Gespräch und lernten uns immer besser kennen. Eines Tages unterhielten wir uns, wie wir unsere Freizeit verwenden. Es gab im Salzburger Mozarteum, bei freiem Eintritt, wöchentliche Konzerte der Meisterklasse. So gingen wir öfter gemeinsam dorthin, fast jeden Mittwoch. Einer der Studenten war der heutige berühmte Dirigent Barenboim.
Zu Weihnachten hat mich mein zukünftiger Schwiegervater zum Mittagessen eingeladen und ihr Vater sagte zu mir: „Und Sie wollen meine Tochter heiraten!“ „Ja, ich möchte sie heiraten.“ Für meine zukünftige Frau und für mich war das sehr überraschend. Er fragte mich dann: „Wo arbeiten Sie?“ Ich antwortete ihm: “ Auch bei einem Holzbetrieb“. Er sagte darauf: “ Das geht nicht, Sie müssen bei uns arbeiten“! Aber ich sagte, dass das nicht ginge, wegen meinem Fünfjahresvertrag.
Somit musste ich bei meinem Chef kündigen, der nicht sehr begeistert war. Nach vielen Verhandlungen verlangte mein Chef zunächst einen Betrag der Lohnzahlungen an mich zurück erstattet. Zum Schluss war er mit der großen Summe zufrieden, die mein zukünftiger Schwiegervater zahlte.
Eines Tages besuchte ich einen Schulfreund in Wien und fragte ihn wie es unsere Schulfreunde, die wir in Deutschland hatten, geht. „Stell dir vor, der Kurt (der mein bester Freund aus der damaligen Zeit war) ist ein „Mormone“ geworden!“ – „Was ist das?“ – „Eine religiöse Sekte. Er wurde vor einigen Jahren im Februar in der Donau getauft.“ Ich war völlig überrascht. Dann sagte mein Freund: „Er hat mir so Traktaten hiergelassen, aber mich interessiert das nicht. Wenn du sie lesen willst dann kann ich sie die gerne geben.“ „Natürlich interessiert mich das!“ Das waren circa 10 Stück mit verschiedenen Themen. Als ich mit dem Zug heimfuhr, habe ich sie sofort gelesen. Ich war so beeindruckt, dass ich das starke Gefühl hatte: „Ich glaube ich werde auch ein Mormone.“ Als ich heimkam erzählte ich das alles meiner Frau. Sie war überrascht und war nicht so beeindruckt. Ich sagte: „Lese diese Traktate, und dann reden wir weiter!“ Sie las sie und nach einigen Stunden sagte sie: „Ja, das gefällt mir auch!“
In der Schule habe ich für ein kompliziertes und schwieriges Möbelstück den ersten Preis bekommen. Ich habe dann viele Jahre in der Firma meines Schwiegervaters, zunächst als Leiter der Lehrwerkstätte gearbeitet. Außerdem war ich ein geprüfter Tischlermeister, die ich in Wien abgelegt hatte. Ich war für den Bereich Planung und Verkauf, in unserem Betrieb mit circa 300 Mitarbeitern zuständig. Im Jahr 1956 übernahm ich ein Möbelgeschäft in Wienerneustadt und setzte dort meinen Vater als Geschäftsführer ein. Als wir das Geschäft eröffneten kamen zwei Radfahrer vorbei, wir erkannten sie als Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Denn meine Frau und ich waren inzwischen Mormonen geworden. Wir waren sehr erfreut und fragten seit wann sie hier sind. Sie sagten, dass vor 3 Tagen die Missionsarbeit eröffnet wurde – und vor drei Tagen hatten wir die Übernahme unseres neuen Möbelgeschäftes (Ich glaube an keine Zufälle!) Es wurden Versammlungen zunächst in der Wohnung meiner Eltern abgehalten. Die Kirche wuchs schnell und wir konnten viel dazu beitragen die Kirche in Wienerneustadt aufzubauen.
Mein besonderes Interesse galt der Naturheilkunde. Ich belegte zusätzlich viele Kurse und Ausbildungen in meiner Freizeit. Nachdem unser Geschäft aufgelöst wurde, habe ich mich ganz den Naturheilkundethemen „Krebsvorbeugung“ und „Naturgemäßeschmerzbehebung bei Rücken- und Gelenksschmerzen“ gewidmet. Zudem habe ich dreißig Jahre lang, jedes Jahr, 80-100 Gesundheits- Vorträge, in ganz Österreich und Süddeutschland, gehalten und eine eigene Massagepraxis aufgebaut.