Scheibenberg, Sachsen

mormon deutsch tabea schrammMein Name ist Tabea Schramm, geborene Seidler, geboren am 15. Juni 1921 in Scheibenberg in Sachsen. Mein Vater war Emil Seidler, meine Mutter, Alma Meta, geborene Schramm. In meiner Familie waren elf Geschwister – eine große Familie. Wir wohnten erst in Scheibenberg, sind aber 1923 nach Grundau gezogen, dort hat mein Vater eine kleine Landwirtschaft übernommen, damit die ganze Familie versorgt werden konnte. Acht Jahre haben wir dort gearbeitet, ich bin dort groß geworden, bis zu zehn Jahren, dort bin ich auch in die Schule gekommen.

Dann sind wir nach Königswalde gezogen und haben ein größeres Gut angenommen, weil es nicht mehr reichte für die große Familie. Da hatten wir ein altes Bauerngut gekauft, wo das Wohnhaus drei Hundert Jahre alt war. Das hat mein Vater abgerissen und frisch aufgebaut. Weil es eine Landwirtschaft war, haben wir acht Geschwister, alle dort gearbeitet.

Mein Vater hat Schuhmacher gelernt und hatte auch in Scheibenberg eine Schuhmacherei, wo einer meiner Brüder das Handwerk gelernt hat und hat dort weiter gearbeitet. Dieser Bruder hieß Johannes, der hat die Schuhmacherei übernommen, hat geheiratet und hat auch da sein Verdienst gehabt und die andern haben in der Landwirtschaft gearbeitet.

Aber leider ist mein Vater schon 1936 gestorben. Er war erst 58 Jahre alt und ich war 15 Jahre. Meine Mutter hat die Landwirtschaft weitergeführt und einer meiner Brüder hat die Landwirtschaft gelernt und hat dann weiter die Landwirtschaft geführt, er hieß Otto. Einige meiner Geschwister haben geheiratet und es waren noch einige die ledig waren.

Inzwischen kam dann auch der Krieg 1939. Da mussten meine jüngeren Brüder, Emil und Siegfried und Karl und Johannes zum Wehrdienst. Der Älteste, Otto, ist in der Landwirtschaft geblieben und auch der zweite, Paul, der war nicht ganz gesund mit der Hand, er war als Kind gelähmt und da ist er nicht eingezogen worden.

1938 habe ich in der Fabrik Seide wickeln gelernt und habe dort bis zum Kriegsende gearbeitet. Die Produktion der Fabrik galt als wichtig für den Krieg, das war in Königswalde. Mein Chef hat mich immer wieder reklamiert, wenn ich zum Bund Deutscher Mädchen oder in den Krieg sollte.

Dann 1943 hat meine Mutter wieder geheiratet, und ist nach Geyersdorf gezogen. Und weil sie nach Geyersdorf wieder geheiratet hat, in die Landwirtschaft eingeheiratet, habe ich dann bei der Mutter gewohnt. Da habe ich in Königswalde gearbeitet, bis der Krieg zu Ende war. Dann stand ja alles still und man konnte nicht mehr arbeiten.

Es gab auch Bombenangriffe in dieser Gegend in der Nazizeit. Vier Kilometer von hier entfernt sind 34 Häuser abgebrannt. In Geyerdorf war es zur Mittagszeit, da kam ein Schwarm, da heulte es über uns, dann gab’s einen Knall, die Gardine hat gewedelt und da war eine Sprengbombe runter gegangen, und ein Häuschen hat’s gleich in der Luft zerrissen und da waren gleich vier Tote. In Buchholz haben sie auch eine Sprengbombe rein geschmissen, da war auch ein Haus fortgesprengt, auch mit Personen, die waren nicht im Keller gewesen, da waren sie auch mit hin.

Die zwei jüngsten Brüder sind vom Krieg nicht mehr nach Hause gekommen. Das war ein schwerer Fall. Das war 1942, im Oktober, da erhielten wir die Nachricht, alle beide, der jüngste Emil ist durch eine Granatbombe gefallen und Siegfried , der war krank geworden, hatte eine Blinddarmentzündung, ist operiert worden und ist daran gestorben, beide in Russland. und die Nachricht kam an einem Tag. Das war sehr schlimm für meine Mutter. Beide waren verheiratet, hatten kleine Kinder. Emil hatte ein Mädchen und Siegfried hatte zwei Mädchen.

Karl, der war zuletzt in amerikanischer Gefangenschaft. Der kam 1947 nach Hause. Johannes kam erst 1948 oder 1949. Johannes war in russischer Kriegsgefangenschaft, wir haben viele Jahre nichts von ihm gehört, aber dann kam er doch wieder nach Hause. Johannes, der die Schusterei hatte, der kam 48 oder 49 nach Hause. Die beiden Brüder, die im Krieg waren, sind auch nicht alt geworden. Karl war 50 Jahre, da ist er gestorben. Der hatte Magenkrebs, war verheiratet und hatte auch fünf Kinder. In Markersbach hat er gewohnt.

Nach dem Krieg war ich bei meiner Mutter und habe dort mitgearbeitet, weil mein Stiefvater, Paul Teucher, schon 80 Jahre alt war, er war dreizehn Jahre älter als meine Mutter, und er hat zu mir gesagt, ich soll nicht mehr zur Arbeit gehen, denn mich brauchten sie in der Landwirtschaft. Meine vorhergehende Schwester, die Magdalena, hatte auch immer in der Landwirtschaft gearbeitet, war bei einem Bauern in Stellung. Sie ist dann auch nach Geyersdorf gekommen. Wir beide haben die Landwirtschaft geführt. Wir haben Roggen, Kartoffeln, Hafer, Weizen und Rüben angebaut. Wir hatten vier Kühe. Mit ihnen haben wir gearbeitet. Die mussten pflügen, statt Pferd oder Ochsen. Die wurden gewechselt. Vormittags zwei und nachmittags zwei, damit es nicht zu viel wurde. Sie mussten ja auch Milch geben. Meine Schwester Magdalena, die war wie ein Mann, die konnte arbeiten, die war stark. Meine Schwester war auch verheiratet und ihr Mann ist 1944 noch gefallen.

Nach dem Krieg war ich 23 Jahre alt. Mein Mann, Ernst Rösch, war von meinem zweiten Vater ein Schwiegersohn gewesen. Aus der ersten Ehe hatte er eine Tochter von meinem zweiten Vater geheiratet, seine Frau ist gestorben, die hatte Schwindsucht gehabet. Es ist eine Tochter da gewesen. Ich habe meinen Mann dort kennengelernt, weil er dort verkehrte, wenn er Milch geholt hat. 1951 war ich gerade dreißig geworden, da habe ich ihn erst geheiratet. Aber er war auch ein älterer Mann. Da habe ich noch zwei Kinder bekommen – einen Sohn Eberhard und eine Tochter Isa.

Eberhard lebt noch in Geyersdorf, ist auch verheiratet und Isa wohnt in Forst. Die hat in eine Familie der Heiligen der Letzen Tage eingeheiratet, Wolfgang Gäbler. In Forst gibt es viele Gäblers. Bruno Gäbler ist auch zur Kirche gekommen. Der hatte sechs Kinder. Die drei Söhne sind alle in Forst geblieben. So ist dort alles Gäblerverwandtschaft.

Meine Eltern waren gläubig, und die gingen in eine christliche Glaubensgemeinschaft ohne Namen, sie nannten sich Christen. Aber wir haben es ganz ernst gemeint, so wie sie es nun kannten, haben den Sonntag geheiligt. Wir hatten auch Versammlungen im Haus. Mein Vater war sehr gläubig. Da war ich zweiundvierzig Jahre in dieser Gemeinschaft. 1962 wurde die Gemeinschaft getrennt. Es sind zwei Gruppen daraus geworden. Als Kind wurde uns immer gelehrt, wir haben die Wahrheit. Die andern Kirchen nehmen es auch ernst, aber sie haben nicht die Wahrheit, wir haben die Wahrheit. Das hatte ich von Kind an in meinem Herzen. Und auf einmal war alles gespalten. Und sie Sache war ganz ernst. Die Neuen haben die Alten, die dabei bleiben wollten, haben sie nicht mehr anerkannt. Ihr geht auf Abwege und wenn Ihr das nicht macht, wie wir das sagen, werden wir abtrünnig und da haben sie uns keine Hand gegeben. Und wir durften auch nicht mehr zusammen das Abendmahl nehmen und wir durften auch nicht mehr gemeinsam am Tisch essen. Das war ganz furchtbar, das war schrecklich.

Da waren einiger meiner Brüder, die haben das Neue angenommen, die noch lebten, es waren ja noch vier Brüder da und einer, der älteste, der die Landwirtschaft hatte, meine Mutter und ich, wir waren bei den Alten geblieben. Da habe ich angefangen zu beten, der Herr möge mich führen und leiten, zu seiner wahren Kirche. Ich war nicht mehr zufrieden. Der Herr kann doch nicht zufrieden sein, wenn sie ihn anbeten und loben und preisen und sich doch gegenseitig nicht mehr anerkennen. Die Alten wurden verachtet. Ich habe gesagt, es muss doch in der Welt eine Kirche geben, die der Herr anerkennt. Das ist meine Kirche, die tut meinen Willen.

Die habe ich dann gesucht. Ich war dann einfach nicht mehr zufrieden, ich habe gebetet, gebetet. Mein Mann war inzwischen gestorben; ich war zehn Jahre verheiratet, es war 1961. Mein Mann war gestorben und ich musste dann mir eine Arbeit suchen, weil ich noch zwei Kinder hatte und musste dann Geld verdienen und suchte eine Arbeit. Aber ich wusste nicht was ich machen sollte.

In die Fabrik wollte ich nicht mehr gehen. Ich war auch gesundheitlich nicht mehr ganz in Takt. Ich konnte nicht mehr lange stehen, da schmerzte mein Rücken. Da wusste ich nicht, was ich machen soll. Da habe ich zum Herrn gesagt: „Herr schick mir eine Arbeit, die gut für mich ist“ .Ich war aber geduldig. Ich hatte noch ein bisschen Geld, das ich leben konnte und habe nun gewartet, habe auch bei Bauern ausgeholfen bei Bauern bei der Kartoffelernte und Heuernte. Da hatte ich wenigstens das Essen.

Dann kam das Neue Jahr 1963 und da dachte ich. Du könntest bald Arbeit gebrauchen, das Geld wird alle. Kaum hatte ich’s gedacht, da kam sie. Ich habe in einem großen Haus gewohnt, ich wohnte im Parterre und da habe ich gefegt und da ging eine Briefträgerin, eine Nachbarin vorbei. Die sagte, Tabea, wir brauchen dringend eine Aushilfe bei der Post und wir haben gehört von Eberhard, deinem Sohn, das würdest du gerne machen. Ich habe gar nichts gewusst davon.

Das habe ich gerne sofort angenommen. Sie sagte, du kannst eine Kollegin, die operiert wird, das dauert ein viertel Jahr, vertreten. Wann soll ich anfangen. Du kannst gleich anfangen. Ich musste ja erst lernen. Ich hatte keine Ahnung von Zeitungen und die vielerlei, die es gab so weiter. Aber ich hatte eine Arbeit. Ich hatte Bewegung. Die Arbeit war gut für mich. Ich hatte keine Arbeit zum Stehen. Ich hatte zum Kassieren, zum Postaustragen und Pakete austragen, alles haben wir gemacht. Mit dem Wägelchen den Berg runter und wieder hoch. Ich habe die Arbeit angenommen. Da bin ich erst mal als Aushilfe, dann war ich vierzehn Tage zu Hause, dann bin ich wieder geholt worden. Dann bin ich fest angestellt worden. Dann habe ich 23 Jahre die Arbeit gemacht. In Geyersdorf und in Buchholz auch noch zwölf Jahre.

Durch meine Arbeit kam ich in Geyersdorf auch zu den Mormonenfamilien. Das war wunderbar, die haben mich ja auch nicht gekannt und ich sie nicht. Die haben gleich von der Kirche erzählt, wo ich hinkam. Ich wollte doch die wahre Kirche finden. Der Herr hat mir Ohren geschenkt zum Hören. Und das war alles ganz wunderbar. Und die haben mir erzählt, die eine Schwester sagt, ja Sie sind so eine gute Seele. Ich dachte, die kennt mich doch nicht, wie kann sie sagen, ich bin eine gute Seele. Dann haben sie mir vom Buch Mormon erzählt und da bin ich neugierig geworden. Auch in Geyersdorf, kam eine ältere Schwester, die besuchte meine Mutter, die war bei mir, als sie auch 80 Jahre alt war, weil sie auch keinen Mann mehr hatte, da kam sie zu mir.

Ich ging dann mit zur Kirche. In Geyersdorf habe ich die Kirche kennengelernt. Es gab keine Missionare, die Mitglieder haben mich belehrt. Eine Schwester hat gesagt, wir haben die einzig wahre Kirche. Die habe ich ja gesucht. Ich bin jede Woche in die Kirche gegangen. Von Februar bis August habe ich die Kirche geprüft. Ich wollte mich nicht wieder in eine Irrlehre hineinführen lassen.

Aber es war sehr interessant. Als ich von Joseph Smith gehört habe, das hat mir meine Hauswirtin gegeben, das war ein kleines Heftchen, als er in den Wald gegangen ist und gebetet hat und als der Engel Moroni kam, das konnte ich auch sofort glauben. Auch Joseph Smith hat nach der Wahrheit gesucht. Er wollte die Wahre Kirche finden. Das war das Wunderbare, das konnte ich glauben.

Seitdem bin ich immer noch in der Kirche, glücklich. Dann habe ich meinem Bruder Otto das Schriftchen gegeben, der hat ja auch gelehrt, gepredigt in dieser Gemeinschaft. Dann habe ich gesagt, lese das, das ist ganz interessant, dann hat er es genommen, aber er hat es mir nicht wiedergegeben. Nach vier Wochen habe ich ihn gefragt, hast es gelesen? Ja, er hat es gelesen, aber hat gesagt, es ist nichts Richtiges. Ich war enttäuscht.

Ich bin noch weiter in diese Gemeinschaft gegangen, trotzdem dass ich zu den Mormonen ging. Da spricht mein Neffe zu mir, der auch in dieser Gemeinschaft war, sagt er, Tabea, wenn du weiter so machst und gehst zu die Mormonen, dann können wir mit dir keine Gemeinschaft mehr pflegen. Das hat mir gereicht und habe mir gesagt. „Wenn Du so willst, da komm ich nimmer wieder“.

Von diesem Tag bin ich nicht mehr in die Gemeinschaft gegangen, sondern zu den Mormonen. Da bin ich dann jede Woche gegangen bis zum August. Dann habe ich gelesen, habe auch das Buch Mormon gelesen, studiert alles, es war ganz faszinierend, so was von Wunderbares im Buch Mormon zu lesen, ich konnte das glauben, ich habe nicht daran gezweifelt. Ich war auch getauft von meinem Vater, da ich sechs Jahre alt war, auch untergetaucht und ich dachte, ach das genügt. Dann habe ich im Buch Mormon gelesen. die Brüder müssen Vollmacht dazu haben und die hatten wir ja nicht. Dann habe ich mich entschlossen. Jetzt lass ich mich taufen, jetzt weiß ich, es muss so sein. Dienstags, als ich in die Kirche kam, da war GFV, habe ich zu Bruder Kurt Meyer gesagt, so ich bin jetzt so weit, dass ich mich taufen lasse. Dann sagt er, wann denn? So bald wie möglich, das ist mir egal.

Am Sonnabend, am 31 August 1963 bin ich getauft worden. Da war eine Schwester aus Geyersdorf mit, der habe ich es gesagt, und sonst waren nur die Gemeindepräsidentschaft, die zwei Ratgeber, das war alles, was da war. Es waren die drei Brüder der Gemeindepräsidentschaft und ihre Frauen, wir haben auch eine kleine Andacht gehalten. Und da wurde ich getauft. Da war ich der glücklichste Mensch auf der Erde. Da war ich so begeistert, dass ich mich so gefreut habe, endlich der wahren Kirche anzugehören. Das war was Wunderbares.

Dann das Schönste war, die drei Brüder und der Bruder, der mich konfirmiert hat, von ihnen habe ich sechs weiße Chrysanthemen gekriegt, so große Blumen. sechs Stück. Da kam ich mit so einem großen Strauß nach Hause. Ich hatte zwar zu meiner Mutter gesagt, ich werde heute getauft, willst du mitgehen. Ne. Aber als ich kam ,mit meinem weißen Kleid, das ich hinaus in den Garten gehängt habe, da war sie ganz sprachlos, da wäre sie dann gerne dabei gewesen und mit meinem schönen großen Blumenstrauß, weißen Chrysanthemen kam ich nach Hause. Jedenfalls wäre sie glücklich gewesen.