Kriebitzsch, Thüringen

mormon deutsch agnes annelore helga siebkeMein Name ist Agnes Annelore Helga Siebke geb. Günther. ich bin am 26-. April 1934 in Hohenmölsen geboren. Meine Eltern wohnten in Kriebitzsch in Thüringen. Ich hatte noch einen Bruder, der 13 Jahre älter als ich war. Wir .wohnten auf einer Braunkohlengrube, ziemlich abgelegen. Es waren fast drei Kilometer bis zum Dorf. Im Krieg sind wir immer etwa 50 Meter tief in die Grube gefahren, wenn es Fliegeralarm gab. Wir fuhren mit einem Lastenaufzug hinab, mit dem die Bergleute zur Arbeit fuhren. Hier unten bewahrte meine Mutter rasch in großen Kisten alles auf, was sie gern vor Schaden bewahren wollte wie Tafelsilber, Bettwäsche usw. Die Bombenangriffe fanden jede Nacht statt. Der erste Alarm kam, wem‘. die Flieger über unseren Ort nach Berlin flogen, der zweite Mann, wenn sie zurückkamen. So fuhren wir jede Nacht zwei Mal in die Grube. Wenn ein Luftangriff am Vormittag kam, gingen wir von der Schule aus in einen Bunker. Die Luftangriffe waren eigentlich alles, was ich vom Krieg mitbekommen habe.

Als der Krieg vorbei war, kamen die Amerikaner und besetzten Thüringen. Wir standen am Straßenrand und winkten. Aber es war ein Vertrag abgeschlossen, nach dem die Russen Thüringen bekommen sollten. So zogen die Amerikaner wieder ab, und die Russen zogen ein, aber niemand stand am Straßenrand und winkte. Die Russen haben sich bei uns gut benommen. Nun hatten die Kommunisten das Sagen. Sie kamen, durchsuchten unsere Wohnung und nahmen unsere Sessel mit.

Ich will noch sagen, dass wir niemals Hunger gelitten haben. Wir hatten einen Garten, und die Angestellten der Grube bekamen Schwerarbeiterzuschläge, d.h. mehr Lebensmittelkarte als andere. Mein Vater verteilte die Lebensmittelmarken.

Dann kam die Schulreform und alle höheren Schüler mussten wieder zurück auf die Volksschule. Außerdem wurde mein Vater entlassen, das heißt, er verlor die Arbeit auf der Grube. Meine Eltern beschlossen, mich auf ein Jahr zu den Schwestern meiner Mutter in die Lüneburger Heide zu schicken, wo ich das Gymnasium in Uelzen besuchte. Weil mein Vater 1948 starb, blieb ich dort und machte 1952 das Abitur. Anschließend begann ich in Hannover ein zweijähriges Praktikum in einer Apotheke und studierte dann von 1954 bis 1956 in Braunschweig Pharmazie.

In Hannover habe ich die Kirche kennengelernt. Zuerst kamen zwei Distiktsmissionare an die Tür und sagten ihr Sprüchlein auf. Ich antwortete: „Ich bin evangelisch“ und schlug die Tür zu. Schon immer hatte ich mich ‚ihr die englische Sprache interessiert und besuchte Diskussionskurse. Als ich eines Tages von der Arbeit kam, stand ein junger Mann an der Ecke und verteilte Flyer. Mir bot er keinen an, aber weil er so einen schönen amerikanischen Akzent hatte, -ließ ich mir eins geben, Die Überschrift lautete: „Welche Kirche gründete Jesus Christus?“ Das war mir ziemlich egal.

An diesem Abend fuhr ich mit dem Fahrrad zur evangelischen Studentengemeinde, aber plötzlich begann es heftig zu regnen. Ich fuhr gerade an dem Gemeindehaus vorbei, in dem der Vortrag stattfinden sollte, und dachte: „Dann gehst du eben mal hier hinein.“

Der Vortrag war nicht besonders interessant, aber alle Sprecher hatten diesen amerikanischen Akzent, und so fragte ich den jungen Mann, der neben mir saß, danach. Er antwortete „Wir sind amerikanische Missionare“, und dann erzählte er mit von Joseph Smith, gab mir ein Buch Mormon und forderte mich auf, da aber zu beten. Ich las noch abends den Flyer über Joseph Smith und betete. Als ich am anderen Morgen erwachte, wusste ich, dass die Kirche wahr war.

Von da ab ging ich jeden Sonntag zur Gemeinde, die ganz in der Nähe war. Ich hatte bis dahin im Chor er evangelischen Kirche gesungen und ging anfangs erst zum diesem Chor und anschließend zur Sonntagsschule meiner neuen Kirche, wo mich besonders die Lieder ansprachen. Im Chor wurde das wohl bemerkt, denn eines Tages kam die Frau des Kantors zur Sonntagsschule und setzte sich neben mich. Daraufhin ging ich lieber nicht mehr zum Chor.

Ich ging jeden Sonntag zur Kirche, verstand aber die Sache mit dem Priestertum und der Vollmacht nicht richtig und war der Meinung, meine Taufe in der evangelischen Kirche genüge. Außerdem war ich noch nicht mündig und hätte zur Taufe die Erlaubnis meiner Mutter gebraucht, die diese aber verweigerte.

Eines Tages kamen die Missionare strahlend an und sagten: ‚Wir haben vom Missionspräsidenten eine Sondererlaubnis für Ihre Taufe bekommen, weil Ihre Mutter in der DDR wohnt“ Ich dachte: „Nun haben die Missionare sich soviel Mühe gegeben, dann lässt du dich eben taufen.“ So wurde ich am 22. März 1953, ein halbes Jahr, nachdem ich die Kirche kennengelernt hatte, getauft und habe es nie bereut.

Schon vor meiner Taufe habe ich in der PV gearbeitet. Sie wissen ja: Unter den Blinden ist der Einäugiger König. Ich konnte mit einer Hand Klavier spielen und begleitete nun die PV-Lieder und unterrichtete eine Klasse. Nach der Taufe wurde ich bald Distrikts- und später Missions-P-V-Leiterin. Ich war auch Lehrerin und Leiterin der Jungen Damen und Sonntagsschullehrerin. Bruder Bergmami (Präsident des Frankfurt-Tempels) war in meiner Klasse.

Einer unserer Brüder, Eckehard Jensen aus Hildesheim, studierte in Aachen. Er erzählte mir, dass es dort sehr nette unverheiratete Brüder gebe, besonders würde mir einer gefallen, der gerade geschieden war und Tycho Siebke hieß. Einen geschiedenen Mann wollte ich eigentlich nicht haben! Eines Tages rief mich Bruder Siebke an und wollte sich mit mir zu einem Tanzabend in Stadthagen, das fast in der Mitte zwischen Aachen und Braunschweig lag, verabreden. Er bekam dann aber die Grippe, so dass nichts daraus wurde. Später rief er wieder an und schlug vor, dass wir uns kennenlernen sollten. So haben wir uns ein paar Mal gegenseitig besucht und nach sieben Monaten geheiratet. (Einfügung des Ehemannes: Wir haben auch einen Besuch bei meinen Eltern gemacht. Sie haben mich zur Seite genommen und gesagt: „Diese Frau kannst du heiraten.“) Am 20. November 1969 haben wir standesamtlich geheiratet und sind dann zusammen mit Friedrich Görts und dessen Frau zum Tempel in die Schweiz gefahren, wo beide Paare am 22. November gesiegelt wurden.

Wir haben vier Kinder. Unser ältester Sohn wurde im Oktober 1970 geboren. Er heißt Christian. Unsere Tochter Dagmar wurde 1973 geboren, dann kamen noch zwei Söhne: Uwe 1975 und Harald 1977. Da war ich 43 Jahre ah, deswegen ist er der letzte. Ich habe sieben Enkelkinder, mein Mann hat natürlich mehr. Nur zwei unserer Kinder sind verheiratet.