Mannheim, Baden-Württemberg

mormon deutsch toni zeppMein Name ist Toni Zepp, geborene Leyer, geboren am 25. Mai 1923 in Mannheim geboren. Jetzt im Mai bin ich 86 Jahre alt.

Ich kam durch meine Schwester und durch meine Eltern zur Kirche. Damals war ich acht Jahre alt und wurde getauft. Meine Schwester hatte die Missionare kennengelernt. Sie haben sie eingeladen und es hat ihr gefallen, bei den jungen Leuten zu sein. Meine Mutter war inzwischen sehr krank geworden. Mein Vater wollte nicht, dass die Missionare kommen. Meine Mutter war so sterbenskrank, dass der Arzt meinte, sie würde den Morgen nicht überleben und er den Totenschein bringen müsse.

Es klingelte und die Missionare standen da. Mein Vater sagte ihnen, dass jetzt nicht die Zeit zum Diskutieren sei, weil seine Frau krank sei. Der Eine sagte, ob sie helfen könnten und sie wollten seine Frau sehen. Mein Vater hat sie ins Schlafzimmer gelassen. Sie sahen meine Mutter und merkten, dass sie ganz schlimm krank war. Die beiden Missionare haben sich auf den Boden gekniet und haben gebetet, eine lange Zeit. Als sie aufgestanden waren, haben sie meinem Vater gesagt: „Ihre Frau wird nicht sterben. Es wird alles wieder gut.“ Sie sind dann gegangen. Am anderen Morgen kam der Arzt und hat den Totenschein gebracht. Er sagte zu meinem Vater: „War die Nacht sehr schwer?“ Mein Vater fragte: „Warum?“ „Wegen ihrer Frau.“ Mein Vater sagte zu ihm: „Kommen Sie einmal rein.“ Der Arzt ist ins Zimmer gegangen und da saß meine Mutter im Bett und sagte, dass sie Hunger habe. Der Arzt sagte dann: „Das ist nicht möglich, das kann nicht sein, da muss irgendetwas geschehen sein.“ Mein Vater hat ihm gesagt: „Es waren zwei junge Leute da, die gebetet und gesagt haben, dass sie nicht sterben würde.“ Der Arzt, der ein Cousin meiner Mutter war, sagte: „Hier hat ein Höherer geholfen. Es ist unmöglich.“ Dann ist er gegangen.

Meine Mutter war sehr schwach. Die Missionare sind immer wieder gekommen und sagten einmal zu ihr: „Wenn wir das nächste Mal kommen, machen Sie uns die Tür auf.“ Meine Mutter sagte, dass sie das nicht glaube, dass sie noch so wackelig sei. Mein Vater war auf der Arbeit, keiner war da und es klingelte. Wir hatten einen ganz großen Flur und meine Mutter ist langsam an der Wand entlang bis zur Tür gelaufen und hat sie aufgemacht. Da standen die Missionare. Sie sagten zu ihr: „Haben wir Ihnen nicht gesagt, dass Sie uns die Tür aufmachen werden?“ So sind sie öfters gekommen und haben über das Evangelium gesprochen. Meine Mutter war zuerst einfach nicht dafür zu haben, sie war sehr hartnäckig, denn sie war katholisch, ganz schlimm katholisch.

Einige Zeit war vorbei und da sagten die Missionare, dass sie am nächsten Tag nicht kommen könnten, weil sie eine Konferenz hätten und dort hingehen müssten. Danach wollten sie wieder kommen. Als der Tag kam, wollten die Missionare wohl zu der Konferenz gehen. Meine Mutter hat zum Vater im Himmel gesagt: „Wenn Du willst, dass ich diesen Glauben annehme, dass das die Wahrheit ist, dann bitte ich Dich, mir ein Zeichen zu geben.“ Das war natürlich vermessen. Sie sagte weiter: „Dann schicke mir heute die Missionare, obwohl sie gar nicht da sein können.“ Es klingelte und die Missionare standen da. Meine Mutter war böse, denn sie sagte, dass sie jetzt ihr Versprechen halten müsse. Sie hat nämlich gesagt, wenn sie kommen, müsse sie das tun. Meine Mutter hat zu den Missionaren zuerst gesagt: „Ja, was tut ihr denn hier, ihr solltet doch auf der Konferenz sein?“ Sie sagten: „Wir haben uns heute morgen hingekniet und gebetet, jeder für sich. Dann hat jeder diese Offenbarung bekommen: „Frau Leyer braucht mich, wir sollen dahin gehen.“

Damals gab es Bettler und Hofsänger. In unseren Hof kam ein Mann, den man den Lazaros nannte. Ein alter Mann mit Bart, der „Eine feste Burg ist unser Gott“ gesungen hat. Meine Mutter hat das als eine Antwort aufgefasst. Sie sagte den Missionaren, was sie sich vorgenommen und dem Vater im Himmel versprochen hatte, nämlich, wenn die Missionare kommen, sei sie bereit, das Evangelium anzunehmen. So war es dann auch. Wir waren über ein Jahr Freunde, um das Evangelium kennenzulernen.

Dann wurden wir getauft. Ich war damals acht Jahre alt und ich erinnere mich noch sehr gut. Wir waren im Hallenbad in Mannheim, dort wurde ich getauft. Es war für mich als Kind eine wunderschöne Zeit. Es gab junge Leute und ich habe Anschluss gefunden. Jeden Sonntag habe ich ein Gedicht vorgetragen. Und Theater habe ich gespielt und wir haben gesungen. Meine Mutter hat Theaterstücke geschrieben und da habe ich immer mitgespielt. Es war sehr schön.

Dann kam der Krieg. Wir haben unser Gemeindehaus verloren, es wurde zerbombt. Die Versammlungen mussten wir dann bei Geschwistern in der Wohnung abhalten. Wir sind ganz weit bis rein in die Neckarstadt gelaufen, um in die Versammlung zu gehen. Dann sind wir wieder gelaufen und haben im Chor gesungen. So sind wir immer gependelt. Ein Fahrrad oder so etwas hatten wir nicht. Später haben wir ein Gemeindehaus in einer Schule bekommen. Diese Schule war sehr weit in der Stadt drin. Wir mussten über den Fluss gehen und die Brücke war kaputt. Die Soldaten haben Pontons gelegt, da sind wir drüber gegangen und in die Kirche gelaufen.

Meine Mutter war eine ganz wunderbare Frau. Ich habe sie so sehr geliebt. Sie war dann krank geworden, hatte Asthma vom Herz aus bekommen und war sehr anfällig. Erstickungsanfälle hatte sie auch. Ich bin Tag und Nacht bei ihr gewesen und habe sie gepflegt.

Als sie fünfzig Jahre alt war, hat sie noch ein Baby bekommen. Das war ein Unglück, möchte ich sagen. Ich habe mich gefreut, ich dachte, ich bekomme noch eine Schwester, denn meine Schwester war in Hannover verheiratet. Das Kind war mongoloid. Ich habe das Kind mit viel Geduld betreut und großgezogen. Sie hat Lieder von der Kirche gelernt, sie hat Gedichte gelernt, aber auf einmal war alles weg. Das Gehirn hat nicht mehr gearbeitet und wir haben sie später in ein Heim gegeben, weil es so schlimm wurde. Sie ist immer durchgebrannt. Wir konnten sie doch nicht immer in der Wohnung einsperren. Wir haben sie raus gelassen, in den Flur und in den Garten und wenn ich nachgesehen habe, war sie wieder weg. Sie hat Babys gern gehabt und ist in den Garten gegangen, in dem ein Kinderwagen stand und hat das Baby rausgenommen. Langsam habe ich gemerkt, dass sich das Kind doch nicht so entwickeln kann, um unter Menschen leben zu können. Das Heim, in das wir sie gegeben haben, war sehr gut. Sie haben sehr gut für sie gesorgt und wir sind immer hingefahren. Wir haben sie nach Hause geholt und haben sie wieder hingebracht.

Vor zwei Jahren ist sie im Alter von siebenundsechzig Jahren gestorben. Am Samstag waren wir wieder an ihrem Grab, das wir pflegen, und das ist für uns ein Bedürfnis. Sie war wie mein Kind, weil ich sie von Geburt an hatte. Christa, so hieß sie, war nicht bösartig, sondern sehr lieb und dankbar für alles. Sie hat uns immer gedrückt und lieb gehabt. Zum Schluss hat sie uns überhaupt nicht mehr erkannt. Sie bekam Lungenentzündung uns ist daran gestorben.

Das Kind hat sehr viel mitgemacht. Sie war blind, aber nicht von Geburt an, das kam erst später. Sie hat dann auch nichts mehr gehört. Einmal ist sie gestürzt und hat ein neues Hüftgelenk gebraucht. Das Mädchen hat sehr viel gelitten. Sie hatte auch einen Tumor im Leib, so groß wie ein Ball. Ich bin mit ihr immer ins Krankenhaus gegangen und bin bei ihr geblieben, auch als sie an den Augen operiert wurde. Eine Zeitlang konnte sie wieder sehen, dann ging so etwas wie eine Kalkschickt über die Linse und sie konnte dann nichts mehr sehen.

Bevor der Krieg zu Ende war, war dort noch einmal ein Fliegerangriff. Wir sind in den Berg geflohen, wo ein Unterstand war, für die Leute, die auf dem Berg gearbeitet haben. Wir sind in den Unterstand reingegangen und die Flieger sind an uns vorbeigeflogen. Sie waren so niedrig, es waren Jagdbomber, dass ich sie hätte fassen können, bildlich gesprochen. Sie haben uns aber nichts getan, sie haben nicht geschossen. An diesem Tag wurden aber sehr viele Soldaten umgebracht, sie wurden von oben herunter beschossen. Es waren so viele Toten, dass sie nicht mehr in der Leichenhalle in dem kleinen Ort untergebracht werden konnten.

Es war eine ganz schlimme Zeit. Wir hatten kaum etwas zu essen und hatten uns alles selber genäht, was wir zum Anziehen brauchten. Schlafdecken haben wir zerschnitten und uns Hosen gemacht und von einer Zeltplane habe ich Windblusen genäht, auch für meinen Bruder, und alles mit der Hand.

Als die Spenden aus den USA kamen, sind wir nach Frankfurt gefahren, haben die Sachen geholt und dann wurden sie in der Gemeinde verteilt. Das waren Lebensmittel und Bekleidung. Das Korn haben wir zu Brei gekocht oder zu Suppe. Wir mussten das Korn auslesen, weil so viele Würmer drin waren. Es gab auch Pfirsiche und das war wie ein Bonbon für uns. Zu dieser Zeit gab es viel Zulauf in der Gemeinde, aber nur wegen der Lebensmittel und der Kleidung. Ein Bruder hat gesagt: „Da kommen die Büchsen-Mormonen“. Die Not war groß und jeder hat danach getrachtet, dass er irgendwie zu etwas kommt. Als die Leute versorgt waren, sind sie nicht mehr gekommen.

Was wir erhalten haben war reichlich und wir konnten einige Leute auch noch damit zufriedenstellen. Wir waren sehr dankbar.