Duderstadt im Eichsfeld, Niedersachsen

mormon deutsch ingborg helene frieda martenIch bin Ingeborg Helene Frieda Marten und ich wurde geboren am 4. August 1928 in Duderstadt im Eichsfeld. Meine Eltern haben zu dieser Zeit dort gewohnt, aber nachdem ich acht Wochen alt war, zogen wir nach Ulm. Dort haben wir in der Peter Schmidt Straße gewohnt. Und weil ich alleine war – ich hatte keine Geschwister außer einem großen Bruder, der 15 Jahre älter war als ich – wollte ich immer bei Kindern sein. Ich bin dann manchmal meiner Mutter ausgerückt und bin an der Blaue entlang gelaufen zu einer Familie, wo ein Mädchen war. Die war aber schon viel älter als ich, aber ich wollte einfach zu Kindern gehen. Und dann haben mich meine Eltern in den Kindergarten geschickt. Mit drei Jahren bin ich dann in den Kindergarten gekommen, und da hat es mir natürlich sehr gefallen.

Meine Mutter hat erzählt, dass ich schon mit drei Jahren – ich war im August drei und Weihnachten war ich halt ein paar Monate älter – und da habe ich anscheinend schon ein Gedicht aufgesagt. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber ich kann mich daran erinnern, dass ich mit meinem Nachbarn so mit dem Stuhl geschaukelt habe, bis wir umgekippt sind. Daraufhin hat die Schwester in diesem Kindergarten mich in eine dunkle Kammer gesteckt, als Strafe. Aber die war nicht so dunkel, dass man gar nichts mehr sah, da waren lauter Spielsachen drin, und ich war das ja auch von zu Hause aus gewöhnt, wenn ich nicht artig war, musste ich in der Ecke stehen oder ins Klo. Und da war das dann eben für mich gar nicht so eine furchtbare Strafe.

Dann sind wir in Ulm in eine andere Wohnung gezogen, und ich kam in einen anderen Kindergarten. Das war ein Kindergärtnerinnen-Seminar. Da haben wir schon sehr viel gelernt: Basteln und Turnen, und einmal durfte ich zu Weihnachten ein Engel sein. In Ulm bin ich auch in die Schule gekommen, in die Wagnerschule bin ich eingeschult worden.

Wir haben in der Schule immer noch „Tatzen“ gekriegt – also mit dem Stock hat man auf die Hand gehauen, wenn man nicht artig war. Das habe ich auch einmal gekriegt und zwar war da ein Mädchen, das habe ich abgeholt, und die war manchmal auch bei uns zu Hause. Meine Mutter hat da gesagt: „ Die hat einen dreckigen Hals.“ Dann habe ich das wohl irgendwann einmal gesagt. Die Lehrerin hat mich herauskommen lassen, und da habe ich eine „Tatze“ gekriegt, weil ich das gesagt habe

Eigentlich bin ich gerne in die Schule gegangen, es hat mir Spaß gemacht, und da waren auch noch jüdische Kinder, nicht viele. Im ersten Jahr nach den großen Ferien war das eine Mädchen nicht mehr da, das ist vom Pferd gefallen. Eine andere Familie war auch da mit einem Mädchen in unserer Klasse. Da gab es eben Kinder, die dieses Mädchen immer geärgert haben. Ich fand das nicht richtig, und habe zu ihr gesagt: „Ich begleite dich nach Hause.“ Dann bin ich mit dem Mädchen nach Hause gegangen. Die Eltern haben mich auch einmal eingeladen zu kommen, um mit dem Kind zu spielen. Ich erinnere ich mich daran, dass es ein sehr schönes Haus war, alles sehr schön eingerichtet war und dass es Marmeladenbrot gab.

Aber zu uns kamen Missionare. Die müssen gekommen sein, als ich noch ganz klein war. Ich kann mich nicht erinnern. Ich habe Bilder gesehen, und da war ich mit dabei mit den Missionaren. Meine Eltern waren schon an der Kirche interessiert, aber sie konnten sich nicht entschließen, sich taufen zu lassen. Dann kamen später Missionare von Augsburg und München. Die wollten zu uns nach Hause kommen, aber meine Eltern die wollten das nicht, weil die Hausleute ein bisschen komisch waren. Und dann sind wir zu einer Schwester, die einzige Schwester, die es damals in Ulm gab, nach Hause gegangen. Dorthin kamen dann die Missionare und haben über das Evangelium gesprochen. Ich war so zwischen sieben und acht Jahre alt. Ich habe gelernt, die Lieder zu singen: „ Tu was ist recht“, „Sehet ihr Völker „ und „Wir danken, dir Herr, für Propheten“. Und diese Lieder habe ich dann später mit meiner Mutti auch gesungen.

Wir sind dann 1939 von Ulm nach Neuruppin gezogen. Neuruppin war auch sehr interessant. Es gab viele kulturelle Dinge dort. Theodor Fontane, der Dichter, war dort geboren. Friedrich der Große, der alte Fritz, war auch einmal dort. Es war eine alte Garnisonsstadt, ein sehr schönes Städtchen.

Mein Vater wollte dann gerne, dass ich in die Mittelschule gehe. Aber wir sind nach Neuruppin gekommen, da war gerade vorher eine Scharlachepidemie, die war schon am Abklingen, aber ich hab natürlich noch Scharlach kriegen müssen. Ich war dann sechs Wochen zu Hause. Damals gab es ja noch kein Penicillin und sonstige Dinge. Während der Zeit ich dann zu Hause im Bett liegen musste war das ja ein bisschen langweilig für ein Kind. Mein Bruder hatte vor Weihnachten ein Paket geschickt. Wir hatten nur so eine Notwohnung, nur ein Zimmer und Küche. Und als das Paket ankam, hat meine Mutter es auf den Schrank gelegt. Und wenn sie alle aus dem Haus waren, war ich natürlich neugierig, was da drin ist. Es war da so ein ganz dickes Märchenbuch von Gebrüder Grimm drin. Und es war ganz toll. Ich hab mir das runtergeholt und hab dann gelesen. Wenn ich merkte, die kamen, bin ich schnell wieder rauf und das Buch wieder rein. Weihnachten kam, und ich hatte es schon ausgelesen. Aber nach Weihnachten durfte ich dann auch bald wieder in die Schule gehen.

Und dann hätte ich die Aufnahmeprüfung für die Schule machen müssen. Und da habe ich gesagt, das kann ich nicht. Ich muss ja immer nachlernen. Ich musste erst den brandenburgischen Dialekt lernen, denn vorher habe ich schwäbisch geredet und jetzt musste ich da ein bisschen Berlinerisch lernen.

Vor allen Dingen, die haben ganz andere Dinge gelernt gehabt wie ich. Die Schule war zwar die gleiche, aber in manchen Fächern waren sie doch weiter, in anderen hatte ich etwas mehr gelernt. Dieses erste Schuljahr in Neuruppin war für mich schwierig wegen der Umstellung und der langen Pause durch die Krankheit. Und da habe ich gesagt: Ich kann das nicht, ich muss ja da immer bloß hinterher lernen. Und außerdem sind es ja bloß immer nur die Leute, die viel Geld haben, die da in die Schule gehen.

Ich habe noch eins vergessen: In Ulm mussten wir immer eine Schürze tragen in der Schule. Aber das war nicht in Neuruppin. Und meine Mutter hat mir natürlich eine Schürze angezogen. Und dort war das nicht üblich. Dann musste ich erstmal meine Mutter davon überzeugen, dass man hier keine Schürze trägt

Danach kam die Zeit, wo ich dann zu den „Jungmädel“ musste. Da bin ich gegangen, und es war auch schön und hat sehr viel Spaß gemacht. Mit 10 Jahren kam man zu den „Jungmädel“ und ab 14 zum BDM (Bund deutscher Mädchen) Da bin ich dann in „Jungmädel“ gekommen. 1939 hatten meine Großeltern Goldene Hochzeit in Forst-Lausitz. Meine Mutter und ich sind hingefahren. Der Papa konnte nicht wegen der Arbeit. Es ging einfach nicht. Es war im August. Also ich war gerade 11 Jahre alt. Meine Cousinen waren dort und viele Verwandte waren gekommen, die ich noch gar nicht kannten. Und es war dann ganz toll. Mit meiner jüngeren Kusine habe ich in einem Kinderbett geschlafen. Die Goldene Hochzeit hat drei Tage gedauert.

Mein Onkel, meiner Mutter Bruder, hat zu meiner Mutter gesagt, es ist eine heimliche Mobilmachung , und ich würde dir raten, fahrt nach Hause, denn nachher werdet ihr nicht mehr wegkommen. So haben wir uns entschlossen, nach Hause zu fahren, früher, als beabsichtigt. Ich meine, es müsste ein Samstag gewesen sein, als wir nach Hause kamen. Und am nächsten Tag waren dann die Läden geöffnet. Da konnte man noch einmal einkaufen, weil dann ab dem nächsten Tag oder zumindest gleich danach, Lebensmittelkarten ausgegeben wurden.

Eines Morgens, als ich mit dem Fahrrad unterwegs zur Schule war, kam ich an einem Haus vorbei, in dem ein Hals-Nasen-Ohrenarzt wohnte. Ich sah, wie Männer dabei waren, das Inventar, Kleider, eben alles was es gab aus dem Fenster auf die Straße zu werfen. Es sind Juden wurde uns gesagt. Am Nachmittag war ich mit meiner Mutter in der Stadt und sah, wie die Scheiben bei jüdischen Geschäften eingeworfen wurden. Aber ich selber habe das nicht richtig verstanden. Meine Mutter vielleicht eher. Die hat dann gesagt, in der Bibel steht doch: „Weh dem, der das macht.“

Am 1. September 1939 ist dann der Krieg ausgebrochen. Und eigentlich war dann nichts weiter. Nur das es eben Lebensmittel auf Karten gab. Bald kam dann auch der erste Fliegeralarm. Wir wohnten ganz in der Nähe von einem Flughafen in Neuruppin. Der war außerhalb, und da waren lauter Bomber. Und jetzt hat keiner gewusst, was man da macht, wenn Fliegeralarm ist. Wir sind alle auf der Straße herumgestanden, bis dann Entwarnung gegeben wurde.

1940 sind wir nach Stettin gezogen. Dort haben wir sehr schön gewohnt. Das war eigentlich ein Einfamilienhaus mit Garten. Aber da wohnte oben noch jemand über uns. Wir hatten leider dann nur eine Zweizimmerwohnung. Unsere anderen Möbel mussten wir auf dem Boden abstellen. Die Familie, die über uns wohnte, die hatte nur ein Zimmer und Küche und drei Kinder. Also, ein Kind ist geboren, während wir dort wohnten und da habe ich so geheult. Ich war schon 13 Jahre alt, aber ich wollte auch gerne noch ein Geschwisterchen haben. Meine Eltern waren aber schon alt, als ich auf die Welt kam und wollten nicht noch weitere Kinder haben.

Wir wohnten in der Nähe von Kaserne. Und so fuhren dann auch immer die LKWs oder die Militärfahrzeuge durch unsere Straße. Was auch sehr schön war, was mich sehr begeistert hat, die Soldaten sind vorbeimarschiert und haben gesungen. Da bin ich dann immer hinausgegangen und habe das angeguckt und angehört. Die Soldatenlieder, das war für uns so wie Schlager.

In Stettin bin ich in die „Adolf Hitler Schule“ gegangen, die hieß halt so. Sie war vielleicht ein bisschen Eliteschule oder so, war aber eine Jungen- und Mädchenschule, nur die Klassen waren getrennt. Und da hatten wir auch immer „Dienst”. Als Jungmädel mussten wir „antreten“, „marschieren“ usw. als Jungmädel. Ich bin dann irgendwann auch Führerin geworden für so eine kleine Gruppe Mädchen, die musste ich dann benachrichtigen, wann Dienst war. Man hatte dann Unterricht. Wir wurden unterrichtet, was der Nationalsozialismus alles bedeutet. Aber das hat uns wenig interessiert, aber wir haben dann auch Spiele gemacht und andere Dinge, die Spaß machten.

In Stettin, wie gesagt, da bin ich dann auch manchmal in die Sonntagsschule der Kirche gegangen. Die Versammlungen der Kirche waren in einem Hinterhof. Es war eine große Gemeinde. Und ich erinnere mich noch daran, dass die Schwester, die den Unterricht gab, einen Buckel hatte. Aber sie hat den Unterricht so spannend gemacht, das war so interessant, dass ich noch weiß, dass sie erzählte von Joseph Smith, der auf der Flucht war, und ein Wagenrad gebrochen ist.

Und dann war in Stettin halt viel Alarm, und wir saßen oft stundenlang im Keller. Unser Keller war nicht bombensicher. Es wurde eine Mauer eingezogen, damit er wenigstens splittersicher wäre. Dann sollten wir halt ins Nachbarhaus gehen oder in den Bunker. Aber der Bunker war ein Stück weit weg. Und manchmal war es so, der Alarm kam und schon waren die Flieger da. Es blieb uns gar nichts übrig, als in den Keller zu gehen. Ich hatte immer so schreckliche Angst, wenn Alarm war. Ich hab mich angezogen und schnell in den Keller hinuntergerannt. Es war für mich ganz furchtbar mit dem Alarm und mit den Fliegern. Wenn Alarm war, durften wir am nächsten Tag eine Stunde später zur Schule kommen, damit wir ein bisschen ausgeschlafen waren.

Dann hieß es eines Tages in der Schule: Wir können ins Kinderland-Verschickungslager. Das Kinderlang-Verschickungslager war freiwillig. Und natürlich wollte ich da hin. Wir kam auf die Insel Rügen. Das war da noch ein bisschen ruhiger. Eigentlich ist da nichts passiert. Da hat man uns da hin geschickt. Sagen wir einmal, zweidrittel der Klasse sind mitgegangen, und ein Drittel ist zu Hause geblieben. Die hatten dann zu Hause Unterricht und wir dort. Wir sind dann mit dem Schiff dahingefahren. Und da muss ich noch dazu sagen, bevor das soweit war. Wir mussten die Namen hineinschreiben in unsere Kleidung. Da hatten wir nicht so viel wie heute. Jedenfalls ich habe alles selber gemacht. Je näher der Tag kam, umso lieber hätte ich gesagt, ich will nicht, ich bleib hier. Aber ich hatte ja nun einmal gesagt, dass ich mit will, also muss ich auch mitgehen.

Wir sind dann in Häuser gekommen, die früher eben für Gäste waren. Die hat man beschlagnahmt, und die mussten uns aufnehmen. Nun waren wir Kinder im Alter von 14 bis 10 Jahren. Abends mussten wir dann um 8.oo Uhr ins Bett gehen. Was machen denn 14jährige Kinder um 8.00 Uhr im Bett! Nur Blödsinn. Die Eine hatte so einen Groschenroman; ich habe vorher noch nie einen Roman gelesen. Licht konnten wir keines machen, es verdunkelt alles. Dann haben wir eine Kerze in die Mitte vom Bett gestellt, und da haben wir dann gelesen, bis wir eingeschlafen sind. Oder wir sind in den Betten herum gehopst, von oben herunter in das Bett gehopst. Und lauter solchen Blödsinn haben wir gemacht.

In Sellin ist das gewesen. Das war der Ort auf der Insel Rügen. Wir haben natürlich ein festes Programm da gehabt. Wir mussten auch Küchendienst machen, abwechslungsweise. Nun haben wir mit 14 Jahren immer ganz viel Hunger gehabt. Einen Tag gab es zum Frühstück Suppe und ein Brot dazu. Da ist man einigermaßen satt geworden. Um 10.00 gab’s ein Doppelbrot mit etwas drauf. Die Kleineren die konnten nicht so viel essen. Die haben wir dann immer bestochen und haben gesagt, wir machen für euch Küchendienst, wenn ihr uns das Brot gebt. Dann haben wir also zwei dieser Brote gegessen. Am anderen Tag gab es drei Brote zum Frühstück, eines mit Margarine und zwei mit Marmelade. Und da waren wir dann überhaupt nicht satt davon. Mittags gab es öfter nur Kartoffeln und rote Rüben. Zu der Zeit mochte ich noch keine roten Rüben. Aber wenn man Hunger hat, dann isst man alles. Da haben wir dann auch rote Rüben gegessen.

Fernsehen gab es noch nicht, aber Kino. Einmal haben wir einen Film sehen dürfen. Sonst haben wir keine große Unterhaltung gehabt. Einen Film haben wir sehen dürfen: „Quax, der Bruchpilot“, war es, mit dem Heinz Rühmann. Ein ganz berühmter Film. Wir waren da von Mai bis September. Dann sind wir wieder zurückgekommen. Und jetzt hat es mit der Klasse überhaupt nicht mehr geklappt. Zweidrittel waren weg, ein Drittel ist da geblieben. Es war gar kein Zusammenhalt mehr mit der Klasse. Da waren wir alle froh, dass im nächsten Jahr die Schule zu Ende war.

Was macht man dann? Dann macht man das Pflichtjahr. Das war ein Jahr in einem kinderreichen Haushalt zu arbeiten. Ja, dann bin ich in einem Haushalt gewesen bei einer Familie, der Mann war an der Front. Die hatten drei Kinder, und das vierte Kind kam während der Zeit ich dort war. Ich musste die Hebamme holen, Wasser aufstellen für das Baby, dass es gebadet werden konnte. Ich war nicht unmittelbar bei der Entbindung dabei, aber gleich hinterher. Meine Mutter hat mich, wie das halt früher war, nicht aufgeklärt. Ich wusste nicht viel. Aber die Frau war schon sehr fortschrittlich. Und sie hat mich auch wirklich aufgeklärt und mit mir darüber ganz normal geredet.

Von Frau Mailand habe ich gelernt, den Tisch schön zu decken. Ich habe viel von ihr gelernt. Sie war auch sehr fortschrittlich in der Kindererziehung. Sie hatte zwei Jungens. Der eine war acht Jahre alt, der andere sieben Jahre und ein Mädchen mit drei Jahren. Als ich kam, hat sie gesagt: „Die Barbara ist sehr bockig. Und wenn ihr etwas nicht passt, dann schreit sie und hält die Luft an und legt sich auf den Boden und wird ganz blau.“ Nun hat sie gesagt, da machen wir gar nichts, sie hört von selber wieder auf. Und so haben wir es dann gemacht. Aber sie hat mich da wirklich eingeweiht. Und es war sehr schön bei ihr.

Dann war auch wieder Alarm, und eine Brandbombe ist oben in das Kinderzimmer gefallen. Aber sie ist nicht zum Brennen gekommen. Es war ein Blindgänger, aber alles war voller Dreck. Da haben wir erstmal sauber machen müssen. Danach hat Frau Mailand gesagt, sie geht jetzt weg mit den Kindern, weil es immer wieder hieß: Frauen und Kinder sollen die Stadt verlassen. Aber man hat nicht gesagt, wo sie hinsollen. Jeder musste sich selber einen Platz suchen. Sie hatte einen Platz, es war bei einem Pfarrer, und da hat sie mich hingeschickt. Ich musste mit dem Zug hinfahren, ich glaube nach Greifswald, das weiß ich nicht mehr so genau. Dort musste ich die Pfarrersfamilie fragen, ob Frau Mailand mit den Kindern zu ihnen kommen konnte. Die Antwort war ja. Abends um 9:00 Uhr war ich wieder zurück. Das war meine erste selbständige Bahnfahrt.

Mittlerweile war es dann September geworden. Es waren nicht mehr sehr viele Leute bei uns in der Nachbarschaft. Unsere Verwandten aus Forst haben dann geschrieben, wollt ihr nicht zu uns kommen? Bei uns ist ja noch nicht viel los oder gar nichts los. Und der Papa war ja auch nicht da, er war Soldat. So haben wir uns entschlossen. Wir haben dann einen Reisekorb gepackt mit Bettwäsche und solchem Zeug, was wir nachher auch nicht mehr hatten. Dann sind wir Forst gegangen. Wir haben alles zugeschlossen. Die Leute über uns waren schon weg mit den Kindern. Das war 1943. Ich muss dazu sagen: Die jüngste Schwester meiner Mutter hatte meines Vaters jüngsten Bruder geheiratet. Also wir haben so eine doppelte Verwandtschaft. Und eine andere Schwester meiner Mutter auch, es war die, die uns in Stettin gesucht haben. Und diese Familie waren Mitglieder der Kirche in Forst so ich bin in die Kirche mitgegangen.

Es hat mir sehr gut gefallen in der Gemeinde. Es waren sehr viele junge Leute da, eine große Gruppe junger Leute. Tanzen durfte man nicht. Aber wir haben dann Spielabende gemacht. Also damals war es anders als heute. Ich habe mit anderen Mädchen das Bienenkorbprogram gemacht. Und dann wollte ich gerne getauft werden. Aber ich musste die Einwilligung meines Vater haben. Und der hat gesagt: jetzt warte doch noch ein bisschen, überleg dir das ganz genau. Wenn du dich der Kirche anschließt, dann musst du auch in der Kirche heiraten. Ja, aber ich wollte getauft werden. Das habe ich immer wieder meinem Vater geschrieben. Es hat ein Jahr gedauert, bis er dann seine Zusage gab. Ich bin dann gleich zum Gemeinde Präsidenten. Dieser musste dann auch noch die Einwilligung von der Distrikt Präsidentschaft haben. Das war damals der Bruder Langheinrich und Bruder Ranglack

Mein Papa hat immer gesagt, ich will auch dabei sein, wenn du getauft wirst. Er wusste nicht, wann das sein würde. Ich habe einen Termin gekriegt. Der 13. Oktober 1944 war es dann, um 7:00 Uhr abends. Und in der Nacht vom 12. auf den 13. kam mein Papa. Er war damals in Wien. Er kam, er wusste es nicht, dass die Taufe war. So war er dann dabei bei der Taufe. Das Schöne war, wir sind in der Gemeinde zusammen gekommen, die ganze Gemeinde. Dann hat man kniend ein Gebet gesprochen und ging danach zu dem Taufplatz. Im Freien ist das gewesen, und zwar wo die Neiße und der Mühlgraben zusammenfließen. Da bin ich getauft worden. Und auch sofort konfirmiert. Danach sind dann die jungen Leute noch ein bisschen zusammengekommen.

Ich war ganz glücklich. Meine Eltern waren mit dabei. Eine Taufe war damals schon ein Ereignis, weil es mitten im Krieg war und selten jemand getauft wurde. Und daran erinnere ich mich auch noch; es war ein wunderbarer Sternenhimmel. Wir sind mindestens eine Stunde zu dem Taufplatz gelaufen. Ja, das war meine Taufe, an die sich heute auch noch Leute erinnern können, die noch leben. Es war schon etwas Besonderes. Ich hatte schon, bevor ich getauft wurde, eine Berufung in der Kirche als Lehrerin in der Kindergartenklasse in der Sonntags-Schule.