Königsberg, Ostpreußen

mormon deutsch christine novotnyMein Name ist Christine Novotny, geborene Müller. Ich komme aus Königsberg in Ostpreußen. Mein Vater heißt Emil Müller und kam aus Heiligenbeil in Ostpreußen und ist am 22. Oktober 1884 geboren. Meine Mutter, Frieda Müller, née Lepschies, ist am 9. August 1906, im Frischen Haff geboren.

Im Laufe der Jahre bekamen meine Eltern acht Kinder, wovon das letzte Kind 1945 im Januar geboren wurde. Als der Kriege gegen 1945 zu Ende ging und Königsberg 1944 noch unter den Bombenangriffen zu leiden hatte, wurde meine Mutter zweimal ausgebombt. Als sie ein drittes Mal ausbombt wurde, verlor sie den letzten Rest, den sie noch besaß, und die Kinder wurden ihr alle weggenommen, bis auf die letzten drei. Dann musste meine Mutter flüchten, und mein Vater blieb in Königsberg zurück, weil Königsberg eine Festung war. Und meine Mutter verlor den Kontakt zu meinem Vater.

Sie bekam dann später Bescheid, dass mein Vater von den Russen aufgehängt worden ist, weil er Mitgliede der Partei war. Er war kein freiwilliges Mitglied, er ist zwangsweise dazu gebracht worden. Seine Kinder waren das Druckmittel. Die SS-Männer kamen in ihren schwarzen Uniformen regelmäßig an Tür und wollten auch uns zwingen, in den Bund Deutscher Mädchen zu gehen. Und wir haben das auch nicht getan. Daher hatten wir beständig Ärger, und wir standen sicher auf der schwarzen Liste, denn wir wurden beobachtet. Als das die Russen bei den Verhören herausfanden, da wurde er einfach aufgehängt. Es hieß, dass er ein Nazi war, und Nazis müssen aufgehängt werden. Das war so üblich.

Und die Frauen mussten um ihr Leben laufen. Meine Mutter hat dann noch die „Gustloff“ erreicht in Pillau. Von Königsberg wurde sie mit dem Boot zur „Gustloff“ gebracht. Dort verblieb sie circa vierzehn Tage mit ihren drei Kindern. Sie war schon am 12. Januar 1945 auf dem Schiff, obwohl sie am 5. Januar erst entbunden hatte. Das Schiff war überfüllt. Es waren schon neuntausend Menschen an Bord und hatte eigentlich nur für viertausend Menschen Platz. Es war ein Lazarettschiff mit Verwundeten an Bord. Eigentlich wollte der Kapitän gar nicht auslaufen. Aber da die Menschen aus Königsberg und Umgebung flüchteten und alle auf das Schiff kamen, wurde er von dem Menschenmenge gezwungen, auszulaufen. Er entschied aber, dass alle Frauen, die gerade entbunden oder kleine Kinder hatten, das Schiff verlassen sollten. Denn da es ein Lazarettschiff war, gab es keine Möglichkeiten, Frauen und kleinen Kindern zu helfen.

Aber auch hierin sehe ich den Weg des Herrn. Er sorgte dafür, dass meine Mutter das Schiff verlassen musste. Sie ist dann auf einem anderen Schiff nach Schleswig Holstein gekommen. Und das wurde nicht beschossen. Denn die „Gustloff“ ist beschossen worden, obwohl sie ein Rotes Kreuz-Schiff war und auch dieses auch durch die Flagge angezeigt wurde. Die Russen waren der Meinung, dass auf dem Schiff das „Bernsteinzimmer“ war, und das „Rote Kreuz“ nur ein Vorwand war, um dieses „Bernsteinzimmer“ außer Landes zu bringen. Und das war angeblich der Grund für die Zerstörung. Außerdem glaubten sie, dass dort keine Flüchtlinge an Bord seien, sondern Militär. Und so wurde die „Gustloff“ mit all den Verwundeten und Flüchtlingen an Bord versenkt.

Ich selber bin 1944 von der SS in ihren schwarzen Uniformen verschleppt worden. Ich war noch keine sechzehn Jahre alt. Sie kamen, als meine Eltern nicht zu Hause waren, und nahmen mich einfach mit und ich hatte keine Ahnung, was überhaupt vor sich ging. Ich sagte, dass ich warten wollte, bis meine Mutter wieder zu Hause war. Aber sie sagten mir, dass meine Mutter Bescheid wüsste. Und sie sagten auch, dass sie mich wieder zurückbringen würden. Was sollte ich machen? Ich bin dann mitgegangen. Man hat mich in ein Heim gesteckt, die Türen abgeschlossen, und ich wurde verhört. Ich hatte nichts an Kleidung mit. Dort bekam ich Anstaltskleidung. Meiner Mutter wurden alle großen Kinder weggenommen. Von acht Kindern wurden ihr fünf Kinder weggenommen. Und das, weil mein Vater nicht in die Partei eintreten wollte. Diese sind die Namen meiner Geschwister: Die Älteste ist meine Schwester Vera, dann kam ich, Christine, dann die Wally, dann Irene und mein Bruder Reinhold. Wir sind sieben Mädchen und ein Junge. Von uns fünf „Großen“ war Reinhold der Jüngste. Und wir sind alle in verschiedenen Heimen untergebracht worden. Kein Kind wusste etwas von dem anderen. Wir waren alle zerstreut.

Ich wurde von einem Heim zum anderen gebracht: von Königsberg nach Braunsberg, von Braunsberg nach Angerburg, von Angerburg nach Märisch-Schönberg. Und dort war ich zuletzt. Überall in diesen Heimen waren Nonnen. Aber diese Nonnen waren sehr hart zu uns. Ich habe Fußtritte und viele, viele Schläge erhalten. Wir durften nicht mit den Mädchen sprechen, die dort auch untergebracht waren. Wir durften uns nicht einmal zulächeln. Sofort standen sie mit Stöcken bereit und schlugen uns. Und uns wurden alle Haare abgeschnitten. Wir konnten uns nicht wehren. Wir bekamen alle eine Glatze.

Dann wurden uns Arbeiten zugewiesen in diesem Heim. Wir hatten die Wäsche der Menschen aus den Kasernen zu waschen. Die gekochte Wäsche wurde in eine große Wanne getan, und dann mussten wir Mädchen uns rund um die Wanne stellen und die Wäsche waschen. Und wenn die Hemdkragen nicht richtig sauber geworden waren, dann wurden uns die nassen Hemden um die Ohren gehauen.

In den nassen Sachen standen wir dann bis abends 11.00 Uhr und haben die Hemden gewaschen. Ohne Essen. Unsere Hände waren verspannt, ausgetrocknet, schmerzten und waren total zerschunden. Aber es gab keine Salbe für uns. Und das Waschen ging trotzdem weiter. Als ich einmal der Oberschwester sagte, dass ich einfach nicht mehr kann, da hat sie mich fürchterlich mit dem Stock geschlagen und ins Gefängnis geworfen. Und in das Gefängnis kam sie dann täglich einmal und hat mich weiter geschlagen. Sie schlug so lange, bis ich sagte, dass ich wieder arbeiten wolle. Denn Essen gab es auch nicht. Vor Hunger habe ich eingewilligt.

Aber ich wusste nicht, wie ich waschen sollte. Und die Hemden wurden nicht sauber. Und schon gab es wieder Schläge. Man lebte nur von Schlägen. Es waren keine SS-Offiziere, es waren die Nonnen, die uns so hart behandelten. Es wurde auch morgens nicht gebetet. Stattdessen hoben die Nonnen ihre Röcke, damit ihre hohen Schnürschuhe frei wurden, und dann haben sie uns mit diesen Absätzen in den Hintern getreten. Was mich sehr verwundert und auch traurig gemacht hat ist, dass das doch eigentlich Menschen sind, die ihre Arbeit für Gott tun und dem Nächsten dienen sollten. Und trotzdem haben sie sich von der Hitlerzeit so beeinflussen lassen, dass wir immer mit „Heil Hitler“ grüßen mussten. Und auch wenn wir unsere monatlichen Beschwerden hatten und um Vorlagen baten, dann hat man sie uns verweigert. Wir mussten es einfach hinnehmen. Wir mussten auf den Acker gehen und Kartoffeln ernten – bis zum Umfallen.

Ich bin ja nun, Gott sei es gedankt, eine sehr, sehr fromme Frau. Ich liebe Gott und Jesus Christus sehr. Und ich habe allen Grund Gott zu danken für alles in meinem Leben. Ich habe dort immer viel gebetet. Ich habe mich mit Hilfe der Füße an der Wand hoch geschoben und habe aus dem Fenster geschaut. Ich habe Gott gesehen. Er hat mir zugenickt. Ich habe gebetet und gebetet und gebetet, tagtäglich immerfort, wo ich auch war. Ich habe immer nur gebetet. Ich habe gebetet in diesem Heim. Dann habe ich geschaut, und da war ein Gesicht, das genickt hat. Und da wusste ich: „Herr, du bist da! Mich können sie schlagen, mir ist alles egal. Ich weiß, du bist da. Ich lege alles in deine Hand, und ich gehe mit dir, Herr“! Und ich bin mit ihm gegangen. Und er hat mir immer wieder geholfen.

Als nachher der Krieg zu Ende ging, und die Tore aufgemacht wurden, haben die Erzieher das Heim einfach verlassen und uns zurückgelassen, ohne Papiere, ohne alles. Es war ein Konzentrationslager-ähnliches Heim mit einem Arbeitshaus daneben. Wir sind dann hinüber zum Arbeitshaus gegangen zu den Männern. Die mussten dort Schwerarbeit leisten an Maschinen usw. Und immer standen Aufsichtsleute da, die die Leute immer wieder angetrieben haben. Vom Heim aus haben wir einmal einen Ausflug gemacht, und da haben wir ein Konzentrationslager besucht. Da hat man uns ein KZ gezeigt, in dem Juden waren. Aber ich war noch zu dumm, ich hatte keine richtige Vorstellung, was das alles bedeutete; denn man hat uns ja nichts so richtig erklärt. Das habe ich alles erst nach dem Krieg erfahren, als ich schon längst verheiratet war.

Also von dem Heim aus bin ich dann hinaus auf die Straße gegangen. Und dort waren die Tschechen. Ich konnte kein tschechisch und dachte: „Was mache ich jetzt?“ Dann sah ich Soldaten mit ihren Trecks kommen, die auf dem Rückzug waren. Dann haben verschiedene Mädchen, auch ich, sich auf die Lkws geschwungen. Viele sind nachher abgesprungen, und ich war alleine mit den Soldaten geblieben. Ich bin nur alleine mit den Soldaten gefahren, immer nur mit den Soldaten. Und das war eigentlich gut. Die deutschen Soldaten wussten auch nicht mehr, wohin sie gehen sollten, denn es war ja eine richtige Einkesselung. Jeder versuchte sich zu retten, wie es nur irgendwie ging.

Es waren vielleicht zehn Soldaten. Aber man sagte uns, dass wir uns aufteilen sollten in kleinere Gruppen, vielleicht zu dritt. Denn wenn die Russen uns finden sollten, dass nicht gleich alle zusammengefunden werden sollten. Jeder sollte versuchen, selbst durchzukommen. Ich bin durch Wälder gelaufen und über Felder, und überall wurde geschossen. Dann habe ich hier und da Soldaten getroffen und mich immer wieder an die Soldaten angeschlossen. Es gab Feindberührungen mit richtigen Schießereien. Es wurden Männer verletzt. Aber der Herrgott hat mich geführt. Und wir sind immer weiter und weiter geflüchtet. Wir waren zweiundzwanzig Tage unterwegs ohne Essen. Nur auf der Flucht, ohne Bett, ohne irgendetwas, immer im Wald und geschlafen in den Sachen, die man am Leibe trug. Und was noch hinzukommt: Wir mussten ja oft durch Wasser, durch Flüsse. Wir waren dann bis zur Brust im Wasser und mussten dann mit der nassen Kleidung wieder weiter laufen. Wenn wir irgendwo Wasser plätschern gehört haben, dann sind wir dorthin gegangen und haben getrunken. Wir hatten ja auch keine Gefäße, in denen wir Wasser aufbewahren konnten.

Manchmal mussten wir auf dem Bauch weiter kriechen, und manchmal hatten wir Feindberührung. Wenn wir einen Strohschober gefunden haben, dann haben wir uns dort eingenistet. Manchmal kamen Bauern mit ihren Hunden vorbei, und sie haben uns nicht gefunden. Am anderen Tag sind die Soldaten im Strohschober geblieben, und ich bin alleine herausgegangen. Es wurde überall geschossen, aber ich hatte keine Angst mehr. Ich bin dann auf dem Bauch kriechend weitergerutscht. Ich hörte Stimmen, deutsche Stimmen, und ich bin auf die Stimmen zu gerutscht. Die Soldaten sagten: „Meine Güte, wo kommt das Mädchen her“? Diese Soldaten wollten hinüber zu den Amerikanern. Die Amerikaner hatten dieses Gebiet aber schon den Russen überlassen. Das war das Gebiet um den Böhmerwald, und dort fließt die große Moldau. Die Soldaten wollten die Moldau mit Baumstämmen überqueren und wollten mich mitnehmen. Aber ich sagte: „Nein, ich gehe nicht mit.“

Dann kamen Bauern und fragten, wo die Soldaten alle geblieben wären. Und ich sagte, dass ich keine Ahnung hätte. Ich wusste es wohl, aber ich habe nichts gesagt. Dann haben sie mich in Gefangenschaft genommen. Dann haben sie ein Gewehr mit einem Messer [Bajonett] aufgepflanzt und haben mich entlang der Moldau geführt. Unterwegs begegnet uns ein Wagen mit russischen Offizieren. Weil ich ein weinig polnisch verstehe, wusste ich, worüber sie sich unterhielten.

Einer der Offiziere fragte den Bauern: „Was machst du mit der? Warum richtest du das Gewehr auf sie. Ist das eine Deutsche? Wirf sie doch in die Moldau. Was läufst du mit der herum“? Und da sprach ich den Russen an und sagte, dass ich doch noch ein Kind sei. Aber er sagte, dass ich ein Nazi sei. „Ich bin kein Nazi, ich bin ein Kind“, sagte ich. Und dann sagte ich auch: „ Bist du ein Vater? Hast du ein Kind? Was würdest du sagen, wenn deutsche Soldaten dein Kind erschössen? Ein Kind kann doch nichts dafür, wenn irgendwo Krieg ist“!

Dann sagte er: „Ich zähl bis drei. Lauf!“ Und da bin ich gelaufen und gelaufen, immer alleine an die Moldau entlang. Und wohin kam ich? In eine Kirche, es war Pfingsten. Und dort habe ich meinen Frieden gefunden. Der Herr hat mich geführt. Der Pastor hat mich eingeschlossen in der Sakristei. Später kamen noch andere Deutsche hinzu. Und mit diesen Leuten bin ich dann in eine Kaserne gekommen. Dort mussten wir die Wäsche der Russen waschen. Später kam ich zu einem Tschechen, der ein großes Staatsgut bewirtschaftete. Dort blieb ich bis 1946 im Oktober. Dann kam ich nach Schleswig Holstein, wo meine Mutter untergebracht worden war. Sie lebte in Süderbrarup, einem kleinen Dorf. Die Fahrkarte dorthin brauchte ich nicht zu bezahlen. Und nach langem Suchen habe ich sie dann auch gefunden.

Nach einem halben Jahr kam dann Rudolf Novotny. Der war zu Fuß gelaufen von Jena nach Schleswig Holstein. Kennen gelernt hatte ich ihn, als ich in der Kaserne bei Prag in Gefangenschaft war. Wir waren dort als Arbeitskräfte tätig, und er hatte bei einem Bauern gearbeitet. Ich wollte nicht mehr für die Russen arbeiten, ich wollte auch lieber bei einem Bauern arbeiten. Mit drei anderen Jungen war ich dann zum Kühe hüten eingeteilt. Und dabei lernte ich diesen Rudolf Novotny kennen. Dort haben wir uns angefreundet. Wir mussten aber vorsichtig sein, denn wir durften uns nicht treffen. Deutsche durften sich nicht miteinander unterhalten. Wir durften auch nicht auf der Straße sein. Wir durften nur unsere Arbeit machen. Und da haben wir uns nachts getroffen. Aber man hat mich verraten! Von zehn Leuten wurde ich gegeißelt. Jeder durfte mich schlagen. Man sagte, dass ich eine Russenhure sei. Ich konnte doch nicht sagen, dass es ein deutscher Soldat war, denn dann wäre er verraten worden. Schließlich habe ich es gesagt. Und ein Mädchen hat mich dann verraten. Dann kamen Leute von der Gendarmerie, und die haben den Novotny verfolgt. Aber wir haben ihn überall versteckt.

Dann wollte man uns Mädchen betrunken machen; aber sie haben es nicht geschafft. Aber wir mussten sehen, dass wir den Novotny heraus bekamen aus unseren Unterkünften. Und ich bin mit ihm gegangen. Wir sind durch einen Luftschutzbunker geflüchtet, der unter Wasser stand. Und man hat gehört, wie wir durch dieses Wasser gingen. Man hat uns hinterher geschossen, aber nicht getroffen. Nun hat so ein Bunker verschiedene Ausgänge. Und da Novotny sechs Jahre lang bei den Soldaten gewesen war, wusste er, wie man dort hinaus kommt. Er rettete sich dann in Richtung Wald. Und man hat ihn nicht gefangen. Aber ich hatte natürlich Schwierigkeiten. Ich wurde wieder geschlagen. Zuerst hieß es ich sei eine Russenhure. Und dann war ich eine deutsche Hure. Man ließ mich ohne Essen und schikanierte mich. Aber ich habe alles ertragen und gut überstanden, weil ich alles in Gottes Hände gelegt habe.

Wie gesagt, ich kam 1946 nach Hause, und 1947 im April kam mein Mann. Und im Juni haben wir schon geheiratet. Niemand besaß überhaupt irgendetwas. Und meine Mutter war froh, in diesen Hungerzeiten einen Esser weniger zu haben. Mein Mann begab sich dann nach Essen. Und ich blieb noch in Schleswig Holstein, denn wir hatten ja noch keine Wohnung, und mein Mann lebte in Essen in einem Lager. Später fuhr ich dann auch nach Essen. Auf einer Parkbank habe ich übernachtet, weil mein Mann in einem Männerlager untergebracht war, in das ich nicht hinein konnte. Das Lager gehörte zu einer Zeche, denn er arbeitete nun auf der Zeche. Durch einen Onkel, den ich dort fand, erhielt ich eine Unterkunft.

Es hat sehr lange gedauert, bis wir von der Zeche eine Wohnung erhielten. Und wir besaßen nichts, keinen Löffel, keine Glühbirne, keinen Teller, nichts. Wir haben auf dem nackten Boden geschlafen. Keine Kleidung. Nichts, womit wir uns hätten zudecken können. Mein Mann brachte Essen von der Zeche mit. Kochtöpfe hatten wir auch nicht. Die Bergleute bekamen Essen im Kochgeschirr. Von diesem Essen hatte er nichts gegessen. Das aßen wir abends im Dunkeln mit Hilfe eines zusammen klappbaren Bestecks. Und in dieser Zeit bekamen wir unser erstes Kind. Eine Tochter. Ich hatte nichts für sie zum Anziehen, wenn ich das, was sie anhatte, einmal waschen musste. Meine Nachbarin schenkte mir dann ein Kissen, damit ich das Kind wenigstens auf ein Kissen legen konnte und nicht auf den nackten Boden. So haben wir einmal angefangen.

Wenn man nicht diesen Glauben hätte an unseren wunderbaren Herrn Jesus Christus, der ja auch so viel Leid durchgemacht hat, unser Halt, unser Ziel, dann könnte man das nicht ertragen. Aber unser Herr hat ja noch viel Schlimmeres durchgemacht. Und dadurch bekommen wir die Kraft und sagen: „Herr, was du uns vorgemacht hast, das können wir auch. Wir folgen dir nach“.

Zur Kirche bin ich 1972 gekommen. Ich hatte mich von meinem Mann getrennt. Er hat mich viel geschlagen. Und ich habe wieder und wieder gesagt, dass ich mich von ihm trennen würde, wenn er mich weiter schlägt. Er sagte darauf, dass ich froh sein müsste, dass ich ihn habe. Ein anderer würde mich sowieso nicht nehmen. Ich sei nichts, ich hätte nichts und wovon wollte ich wohl leben? Und unsere Tochter hat dieses immer miterlebt. Er hat sich auch nicht um das Kind gekümmert. Es hat ihn nicht interessiert. Er wollte keine Kinder. Er hat mich dafür bestraft, dass ich ein Kind bekommen habe. Aber dann habe ich ein zweites Kind bekommen, und dann war die Scheidung fällig. Geschieden worden bin ich 1964, und 1972 habe ich die Kirche kennen gelernt.

Einmal hatte ich nicht zu arbeiten, und da klingelte es an der Tür. Zwei Missionare standen vor der Tür. Es ist so wunderbar mit Gott zu arbeiten. Man spürt ihn überall. Er ist nicht immer sofort da und sagt: Hier bin Ich. Ich tue alles für dich. Nein, man muss ihn erst erkennen. Es muss einem sehr schlecht gehen, und wenn dann irgendetwas kommt, wo man sagt, Oh ja, es ist wunderbar! Und das war es. Die Missionare haben mir dann soviel Kraft gegeben, denn ich habe sehr viel geweint, weil ich am Boden zerstört war. Durch die Missionare bin ich wieder ein bisschen Mensch geworden. Ich habe wieder ein bisschen mehr Freude empfangen. Und vor allen Dingen, und das war wunderbar, die Missionare kamen des Öfteren zu mir. Sie haben mir viel von der Kirche erzählt. Und sie haben gesagt, dass sie mir helfen, wenn ich sie brauche.

Sie haben mir die Fenster geputzt, wenn sie sahen, dass ich keine Kraft hatte. Inzwischen hatte ich meine Mutter mit den anderen Kindern nach Essen kommen lassen. Und ich sagte meiner Mutter, dass ich so wunderbare Missionare kennen gelernt hätte, die aus Amerika kamen. Und meine Mutter sagte: „Na die Leute sollen doch auch einmal zu mir kommen“! Und die Missionare haben sie besucht.

Meine Mutter war begeistert. Und sie sagte immer: „Meine Jungen kommen!“ Und diese „Jungen“ waren auch wie ihre Söhne. Wir haben alle zusammen gegessen wie eine große Familie, meine Mutter und ich, wir haben uns zusammen an einem Tag taufen lassen. Und das war 1972 im Juli.