Mutterstadt, Rhein-Pfalz-Kreis
Ich bin Edeltraud Powarzinsky geborene Wörner. Ich bin ich in Mutterstadt geboren. Mein Vater hieß Wilhelm Wörner, der lebt nicht mehr. Er war im ersten Weltkrieg Offizier unter Kaiser Wilhelm und meine Mutter heißt Katharina Wörner geborene Schorneck und ist in Mutterstadt geboren wie ich. Meine Mutter ist mit siebenundvierzig Jahren gestorben im Krankenhaus in Frankenthal.
Neben uns hat ein jüdischer Arzt gewohnt. Meine Mutter war sehr protestantisch religiös und sie hat für die Juden genau so viel übrig gehabt, wie andere Christen. Wie der alte Mann, der alte Arzt, die Treppe hinunter geworfen und auf einen Lastwagen geschmissen worden ist – das hat mir meine große Schwester erzählt als ich ein kleines Mädchen war – haben sie zu ihr gesagt: “Frau Wörner, wenn Sie sich weiterhin mit diesem Pack beschäftigen, wird man ihnen auf ihr Haus den roten Hahn darauf setzen und werden ihre ganze Brut mitauslöschen. Meine Mutter hat nicht mehr geschlafen. Mein Vater war auch beim Luftschutz in Ladenburg und wir waren zu Hause in unserem Haus. Ich war drei Jahre alt. Dann hat mein Vater erfahren, dass meine Mutter einen Nervenzusammenbruch bekommen hatte. Und der Vater hat sie gewarnt: „Katharina, lass das sein, du kannst nicht als einziger Mensch Gutes tun, lass das sein! “ Aber sie konnte das nicht, es hat ihr so wehgetan. Dann kam sie ins Krankenhaus nach Frankenthal. Da wurden alle Menschen, die nicht mit den Nazi waren, dort hingebracht, wo sie dann zu Tode gebracht wurde. Dann wurde sie tot im Sarg nach Hause gebracht. Das haben mir meine älteren Schwestern erzählt, die sind auch beide schon gestorben. Elisabeth war achtzehn Jahre älter als ich und die Katharina war sechzehn Jahre älter.
Im Krieg mussten wir in den Luftschutzkeller gehen. Ich habe am 3. Februar Geburtstag und meine Freundin habe ich noch eingeladen, meine Mama wird einen Käsekuchen machen, man hat ja nicht viel gehabt zu dieser Zeit und wir haben zusammen das Lied gesungen “Aber heidschi bumbeidschi bum, bum. Sie hat eine schöne Altstimme gehabt, ich hatte eine Sopranstimme. Wir zwei mussten in der Schule immer vorsingen. Dann hat die Sirene geblasen. Mein Vater hat immer gesagt, du darfst nicht mit deiner Freundin in den Keller gehen, du musst mit uns in unseren Keller gehen, in den Bürgerbräukeller. So bin ich noch schnell nach Hause gesprungen, meine Mutter hat mich noch schnell geschnappt und in den Keller. Eine halbe Stunde später haben wir gesagt gekriegt, dass auf das Haus meiner Freundin eine Bombe gefallen ist und die Leute waren alle tot.
Ludwigshafen wurde zu 90 Prozent zerstört, aber Mutterstadt nicht. Durch die Chemie, das hieß früher IG-Chemie. In der BASF wurde nicht nur Düngemittel hergestellt, sondern auch Salpetersäure, die brauchte das Militär.
Ich habe die erste Zeit große Schwierigkeiten gehabt, als ich die Kirche kennenlernte. Ich war sehr protestantisch erzogen. Mein Vater war ganz empört, als ich gesagt habe, dass zu uns Missionare kommen, dass mir das ganz gut gefällt, was die Missionare zu sagen haben vom Evangelium her. Wir waren da schon verheiratet und mein Mann ist auch ganz begeistert davon. Da habe ich große Schwierigkeiten gehabt, ich bin sogar krank geworden. Wie es dann auf die Taufe zu gegangen ist, habe ich Fieber bekommen und es ging mir gar nicht gut und ich dachte, vielleicht hat mein Vater doch Recht, und ich hätte es nicht machen dürfen. Trotzdem, obwohl es mir nicht gut gegangen ist, habe ich mich raufen lassen. Ich bin aus dem Wasser herausgekommen und habe so ein gutes Gefühl gehabt, ich hatte kein Fieber mehr, die ganze Belastung war weg. Als wir abends nach Hause gekommen sind, habe wir gebetet, „Lieber Vater Du hast mir doch die Kraft und Stärke gegeben, ich bin doch den rechten Weg gegangen!“ Mein Vater hat dann gewusst, dass ich getauft war und er sagte: “Du musst es wissen, du hast eine eigene Familie.“ Er hat gemerkt, wie die Kinder größer geworden sind, dass sie brave Kinder sind, dass sie gut lernen in der Schule, dass bei uns im Haus alles in Ordnung ist, dass es uns gut geht, und dass wir den Zehnten zahlen. Er hat dann immer noch mit meiner Stiefmutter Geld mitgegeben. Er war dann doch begeistert von unserer Kirche. Aber es ist mir nicht gelungen jemanden zur Kirche zu bringen.