Ludwigshafen, Rheinland Pfalz

mormon deutsch renate irene wolfartMein Name ist Renate Irene Wolfart geborene Sammler. ‚Ich bin am 1. Mai 1936 in Ludwigshafen geboren. Mein Vater hieß Alexius Wilhelm Sammler und meine Mutter Helene Haut. Ich habe einen jüngeren Bruder, der Manfred heißt. Ich bin die meiste Zeit in Ludwigshafen gewesen. Aber es gab eine Zeit während des Krieges 1945, da waren wir evakuiert, weil unser Haus kaputt war, seit 1943. Wir haben im Bunker gewohnt und das war nicht so schön. Meine Mutter war krank, meine Großeltern mussten, als alte Leute weg und sind verschickt worden und da gingen wir auch mit in Richtung Bodensee. Da haben wir dann gelebt, nicht so gut, weil die Leute uns nicht mochten, sie waren gegen die Städter, die kamen, weil bei ihnen alles kaputt war. Deshalb hat sich die Familie auch nicht besonders wohl gefühlt.

Wir sind im Jahr 1945 im September wieder zurückgekommen. Die Schule ist ausgefallen, in Baden Württemberg waren wir an einer Dorfschule, da waren 20 Kinder von der ersten bis zur achten Klasse und da kann man vergessen, was das Lernen angeht. Dann ging es bei uns wieder los mit der Schule 1945. Ich bin 1942 eingeschult worden und die Zeit, als wir noch Schule hatten, da erinnere ich mich, dass wir in der Schule waren und haben die Sirenen gehört , es war Fliegeralarm, ich war sechs oder sieben Jahre alt, als wir von der Schule in den Bunker gerannt sind. Das ging lange so, bis die in Ludwigshafen gesagt haben, die Schule ist vorbei. Ludwigshafen wurde wegen der BASF sehr bombardiert. Später haben wir erfahren, dass die etwas gebaut haben, was für eine Bombe oder Atombombe wichtig gewesen wäre. Wir waren sehr stark bombardiert.

Das war die Kindheit. Dann ist man in die Schule gegangen 1950 kam ich aus der Schule. Es waren noch nicht so viele Schulen da. Lange Zeit hatten wir nur drei Stunden am Tag Schule. Ich empfinde es jetzt ein Versäumnis, dass man nicht so belehrt wurde, wie es ging. Ich bin schon eine alte Frau aber immer noch sehr wissbegierig. Ich bin sehr dankbar für den Kasten [Fernseher]hier, weil man erfahren kann, was wir damals nicht lernen konnten. Ich habe eine kaufmännische Lehre gemacht, als Kauffrau.

Mein Mann und ich haben uns kennengelernt. Die Schwester meines Mannes, die mittlere, wir kannten uns, die war an derselben Schule und wir haben nur ein paar Häuser auseinander gewohnt, ich kannte ihn vom Sehen, ich wusste auch, er ist der Bruder von Lore, aber mehr wusste ich nicht von ihm, denn wir hatten nie miteinander gesprochen. Mit zwei Mädchen bin ich irgendwann ausgegangen, die wollten unbedingt, dass ich mit ihnen tanzen gehe, ich wollte gar nicht. Ging aber dann doch. Wir gingen in ein Tanzlokal, das war aber zum Glück so voll, dass wir keinen Platz gekriegt haben. Dann sind wir wieder losgelaufen und später saßen wir ganz unten im gleichen Lokal und haben Kaffee getrunken. Dann kam mein Mann und hat mich zum Tanzen aufgefordert. Und so hat es angefangen, das war 1959. Ein Jahr später haben wir geheiratet. Wir kamen wirklich aus ganz verschiedenen Lagern. Er war evangelisch und ich war bei der katholischen Seite und wir waren aktiv. Ich war lange Zeit in der katholischen Jugend, bis wir geheiratet haben, eigentlich vierzehn Jahre und das hat mich geprägt. Es hat mich geprägt, weil ich nicht nur so ein Mitläufer war. Ich habe im Kirchenchor gesungen, dann war ich bei der katholischen Jugend und da war auch so etwas, wie eine junge Damenleiterin bei uns für einige Jahre bei uns und das hat Spaß gemacht.

1960 haben wir geheiratet, Dann kamen die Kinder. 1961 kam die Claudia, 1962 kam der Volker. Dann war eine Zeit lang Ruhe und dann hat unsere älteste Tochter einen sehr, sehr schweren Unfall gehabt. Das war so schlimm, dass ich gesagt habe, lieber Gott, nimm mir dieses Kind nicht weg. Ich will lieber noch zwei aufziehen als eines verlieren. Und ein Jahr nach dem Unfall hatte ich ein drittes Kind im Arm und später ist noch einmal eines gekommen.

Die Kirche habe ich dann kennengelernt, wie es mein Mann erzählt hat. Ich hatte das kleine Kind, das ein halbes Jahr alt war, das älteste Kind und ich konnte in dieser Zeit nicht so oft in die Kirche gehen, wie ich gewohnt war, weil man bei uns in der Kirche, die Kinder mitnehmen darf. Aber in der katholischen Kirche geht das nicht. Mein Mann war beim Sport, der war so wieso nicht dabei und ich musste mein Kind, dann zuerst zu meiner Mutter bringen und dann in die Kirche rennen und das gleiche rückwärts. Das war umständlich. Ich war deshalb nicht immer da und auch nicht informiert. Es hieß nur, meine Mutter hat mir das gesagt, es sind Missionare da und die machen so Gottesdienst am Abend, wenn du willst, bring’ die Kleine vorbei. Das habe ich aber nicht geschafft, da war mein Mann da und ich wollte die Familie dann auch nicht alleine lassen.

Bis dann auf einmal zwei junge Männer vor meiner Tür standen. Sie waren schwarz gekleidet mit Hut nur ziemlich jung und sie haben mir was gesagt: „Wir sind Missionare aus Amerika und ich sagte, kommen Sie einmal herein “. Und wir hatten damals nur eine ganz kleine Wohnung, das war ein Zimmer und eine Küche. Mein Baby hat geschrien, ich hatte auf dem Herd einen Topf mit Windeln. Es war so viel los. „Kommen Sie herein. An der Tür will ich nicht mit ihnen reden.“ Ich war der Meinung, dass das Missionare seien, von der katholischen Kirche, die die Leute besuchen. Das ist passiert in der Vergangenheit, das haben sie uns erzählt, die gehen in verschiedene Häuser zu den Mitgliedern und sammeln für die Stationen, wo sie gerade arbeiten. Und ich hatte auch eine Freundin , die ist Klosterfrau geworden und das war kurz vorher und die hat in Afrika gelebt im Kongo und hat dort viele Jahre gearbeitet und die ist jetzt Oberin von einem Kloster in England, deshalb habe ich die Missionare hereingelassen. Das war der einzige Grund. Dann saßen die da und fragten, ob sie mir ein paar Fragen stellen durften, „Ja, natürlich!“ Aber ich habe gemerkt, die sind ja gar nicht katholisch, wie krieg ich die jetzt wieder los? Ich wollte ja keine andere Kirche kennenlernen, denn ich hatte ja eine Religion, ich war ja nicht unglücklich, ich war nur nicht so oft da. Die Missionare haben sich dann verabschiedet und ich habe gesagt, sie können gern wieder kommen, wenn mein Mann da ist.

Und ich dachte, wenn die erst einmal draußen sind, ist das vergessen. Dann habe die mir später auch erzählt, dass der Bruder Kieler gerade ein paar Tage in Deutschland war und er hat nicht viel deutsch gesprochen, aber er hat gesagt: „Ich wusste genau, in dem Moment, wo wir mit Ihnen gesprochen hatten, dass wir Sie zur Kirche bringen.“ Aber das wusste ich noch nicht. Ich hatte davon noch keine Ahnung, Deshalb habe ich das eigentlich auch wieder vergessen. Und als die irgendwann an unsere Tür kamen, dann fiel mir das wieder ein, ach, ja. Aber ich habe gedacht, mein Mann hat sowieso kein Interesse an Religion und ich habe mir da gar nichts draus gemacht.

Aber das war anders. Er hatte Interesse an der Religion und er hat sie herbestellt und die kamen zwei oder drei Mal in der Woche. Und ich habe gedacht, ich werde verrückt, der hat so viel Interesse, aber ich wollte mit einer fremden Religion nichts zu tun haben, weil ich ja schon eine hatte. Und dann kamen die Missionare und ich bin weg, und wenn ich kam, gingen die Missionare weg und so ging das ein paar Wochen lang. Ich war überhaupt nicht informiert über das, was mein Mann hört oder mit den Missionaren spricht. Das war tabu und er ist keiner, der viel sagt. Er erzählt da nicht viel. Irgendwann habe ich gedacht, an einem Samstagnachmittag, er geht auf den Sportplatz, wie er es eigentlich immer gemacht hat, er war beim Handball oder Pfeifen, er war immer weg. Das war im Dezember kurz vor Weihnachten, da bin ich nicht mitgegangen. Vorher war ich immer dabei in der warmen Zeit, aber für das Baby war es mir zu kühl da im Auto zu sitzen, Ich war zu Hause und habe nur gefragt: „Wo gehst du hin?“ Und ich dachte er würde sagen auf den Platz, oder spielen aber er sagte „Ich lass mich taufen!“ Da ist mir die Kinnlade heruntergefallen, weil ich mit allem gerechnet hätte, nur damit nicht, und ich war sauer, ich war sauer! Und wir haben wirklich gestritten,. Er ging trotzdem hinaus, ganz stur und ich bin mit meinem Baby an dem Abend durch die Wohnung gesaust von einem Raum in den andern und habe immer durch den Fensterladen nach unten geguckt und habe gesehen ,dass das Auto mit den Missionaren und meinem Mann da unten steht, und dass die nicht weggefahren sind. Ich glaube die waren über eine Stunde da unten gesessen. Dann kam er wieder herauf und ich habe gesagt: „Was ist los jetzt?“ Dann hat er gesagt, der Bruder Hafen habe gesagt, wenn er mit mir streitet, dann würden sie mich nicht taufen! Das war der erste Punkt für die Kirche. Ich weiß nicht, wie ich mich entschieden hätte, ob ich nicht feindliche Gefühle gehabt hätte, wie das mit unserer Ehe gelaufen wäre, ob die weiter gegangen wäre, denn Religion ist auch ein wichtiges Thema in einer Ehe, dass man zu mindest die gleiche Glaubensrichtung geht, das harmoniert sonst nicht auf Dauer. Das war der erste Punkt für die Kirche. Er wurde nicht getauft einige Wochen nicht, aber ich war hellhörig geworden für die Kirche. Nicht dass ich jetzt begeistert war..

Und er hat mir dann immer das Buch Mormon liegen lassen, er hat es mir nicht hingelegt, das lag nur da und ich habe es manchmal in die Hand genommen, ich war neugierig und habe da drin gelesen. Ich habe einfach aufgeschlagen und was ich aufgeschlagen habe, das hat mir sehr imponiert. Dann kam der Bruder Kieler wieder nach Ludwigshafen und in der Zwischenzeit hatten wir schon unseren Sohn, das zweite Baby, da war Volker vielleicht zwei oder drei Monate alt. Mein Mann war viel unterwegs, er hat dann eigentlich genauso wenig mitbekommen, wie ich damals, als ich immer weg bin, als er belehrt wurde. Und irgendwann war der Bruder Kieler hier und hat gesagt: „Schwester Wolfart, Sie lehnen etwas ab, was Sie überhaupt nicht wissen. Sie lehnen etwas ab, was Sie nicht kennen. Wir sagen Ihnen alles, was wir wissen, ohne dass Sie eine Verpflichtung haben und wenn Sie wollen, dann können Sie natürlich auch getauft werden. Wenn Sie aber sagen, ich habe genug, ich will nicht mehr wissen, dann gehen wir und wir werden Sie nie mehr belästigen!“ Dann habe ich gedacht, das ist eigentlich ein faires Angebot. Und ich habe zugehört. Ich denke, dass es der Heilige Geist war, der mich taufen zu lassen, alleine hätte ich es nicht geschafft, denn ich war so in einer Schiene von der katholischen Kirche.

Wäre ich nicht in die Kirche gegangen, hätte ich nicht so viel gewusst, aber so wusste ich sehr viel und ich war geprägt, ich wusste viel mehr über Religion , kirchliche Dinge, als jemand, der nicht in die Kirche geht und das war der Widerstand bei mir. Der erste Widerstand war, Joseph Smith. Und ich habe mir gesagt, wir haben schon Jahrhunderte lang in der katholischen Kirche Päpste und die sollen nicht herausgefunden haben, dass sie keine Vollmacht haben? Das gibt es doch nicht, das war ein Stolperstein für mich! Und ich habe die Zeit der Vorbereitung gebraucht, bis ich bereit war zuzuhören. Und erst als ich zugehört habe, konnte der Heilige Geist mir helfen, vorher nicht. Der hat mir vorher sicher auch schon geholfen, als mir das nicht bewusst war, denn es gibt viele Momente in der katholischen Kirche, wo ich sicher bin, dass der Heilige Geist mit da war und deshalb habe ich gedacht, das gibt es nicht, dass er da sein kann, dass er in der katholischen Kirche sein kann. Das war ein Lernprozess für mich. Ich meine es gibt viele Menschen in anderen Religionen, die auch Geist verspüren. Es war wirklich ein Lernprozess für mich.

Ich habe vor kurzem einmal zusammengerechnet, welche Ämter ich in der Kirche innegehabt habe. Am meisten war ich in der PV. Ich krieg dreißig Jahre zusammen. Und in der PV war ich ziemlich alles: Lehrerin, Ratgeberin, Leiterin, Liedübung, ich war lange in der PV, ich glaube dreizehn Jahre, dann war mein ehemaliger Bischof, Bruder Kramer, der heute unser Pfahlpatriarch ist , wir hatten eine Faschingsveranstaltung und er kam zu mir in die Küche und ich habe gesagt, oh, hilfst Du mir beim Geschirrspülen?“ Er sagte: Nein, was ich dir jetzt sage, ist aber gar kein Faschingsscherz, ich möchte dich berufen als neue FHV-Leiterin Mir ist beinah alles hinuntergefallen. Dann war ich eine Zeit lang FHV Leiterin, Sonntagsschullehrerin und dann war ich im Pfahl. Ich war sechseinhalb Jahre im Pfahl. Über drei Jahre war ich Ratgeberin zu meiner Leiterin und die zweite Halbzeit war ich Leiterin, das war von 1987 bis 1994. 1994 wurde ich dann entlassen von Dieter Uchtdorf. Das war als wir von Mannheim nach Rheinpfalz kamen, und da hat er mir gesagt, wir wollen die Gemeinde Rheinpfalz stärken, um die wieder teilen zu können , damit es wieder eine Gemeinde in Ludwigshafen gibt, aber da sind dann viele ältere tragende Persönlichkeiten gestorben, und es hat bis jetzt noch keine Gemeinde in Ludwigshafen gegeben. Eine Zeit lang war ich Tempelarbeiterin, aber ich habe so Probleme mit den Knien ich kann mich nicht mehr so gut bewegen, das macht mein Mann alleine.

Als wir von der Gemeinde Mannheim zur Gemeinde Rheinpfalz kamen, wurde ich gleich zur Junge-Dame Leiterin berufen – für vier Jahre. Das half mir sehr in der neuen Gemeinde heimisch zu werden.