Frohburg, Sachsen
Mein Name ist Rosa Helene Wagner, geboren am 3. September 1923 in Frohburg, Sachsen. Mein Vater hieß Rudolf Frohmann, geboren am 19. Mai 1880, meine Mutter hieß Hedwig Frohmann, geborene Kargul. Sie ist gestorben, als ich fünf Jahre alt war.
Ich bin mit meinem jüngsten Bruder, Johannes Rudolf Frohmann, bei meinem Vater aufgewachsen. Als ich elf Jahre alt war, hat mein Vater noch einmal geheiratet. Bis dahin war es eine schwere Zeit, da mein Vater seiner Arbeit nachging; so wurden wir schon frühzeitig zur Selbstständigkeit erzogen. Die letzten zwei Jahre meiner Schulzeit ging ich im Haushalt arbeiten, dadurch hatte ich schon viel dazu gelernt.
Dann kam die Kriegszeit. Vier Jahre war ich in Bad Lausick/Sachsen im Lazarett als Küchenhilfe tätig. Wir erfuhren nicht, dass das Kriegsende bevorstand. Während dieser Zeit wurde ich aufgefordert mich zur Stabshelferin ausbilden zu lassen. Das habe ich sofort abgelehnt und gab ihm noch dementsprechend eine Antwort dazu. Ich wusste nicht, was ich damit angerichtet hatte. Er fuhr mich mit den Worten an: „Wissen Sie, wo Sie hingehören?“ Ich wusste, dass er das Straflager meinte aber dass es KZs gab, das wussten wir nicht. Ich bin in die Küche gegangen und habe darüber nachgedacht, wie ich mich jetzt am besten verhalte. Am Abend fuhr ich nach Hause zu meinem Vater und habe die Situation mit ihm besprochen. Darauf sagte er: „Dich holen Sie nachts noch einmal aus dem Bett!“ Er kannte meine Einstellung zum politischen Regime. So habe ich ein Schreiben aufgesetzt und meinen Vater gebeten dieses durchzulesen. Er hat es kopfschüttelnd unterschrieben. Ich habe erwähnt, dass ich meinen Bruder Kurt in russischer Gefangenschaft habe und ein anderer Bruder namens Otto war bereits (wahrscheinlich) in Russland gefallen. Schon bevor wir irgendeine Nachricht von Kurt bekommen hatten, hatte ich einen Traum indem ich lernte, dass Kurt in russischer Gefangenschaft war.
Der jüngste Bruder Johannes war zu dieser Zeit auch in Gefangenschaft aber ich wusste nicht in welchem Land. Mein Bruder Walter muss zu dieser Zeit schwer verwundet in einem Lazarett gelegen haben. Der hatte hier im Siegerland geheiratet (in Niederschelden Kreis Siegen/Westfalen). Mein Vater war zu dieser Zeit bereits Rentner und somit musste er in der Bekleidungskammer in der Kaserne noch arbeiten. Ich habe das Schreiben abgeschickt und bekam die Antwort, dass ich unter diesen Umständen von dem Dienst als Stabshelferin gefreit sei. Kurze Zeit später war der Krieg zu Ende und die Amerikaner besetzten unsere Zone. Nach einiger Zeit wurden die Lazarette aufgelöst und ich bin zurückgegangen in meine Heimatstadt Frohburg. Es gab nur wenig Arbeitsplätze und ich habe im Wald arbeitet und Schilf geflochten, daraus wurden Schuhe angefertigt und andere Kleinigkeiten.
Eine frühere Arbeitskollegin kam aus dem Westen zu Besuch und hatte mich sozusagen überredet, mitzukommen. Ich bin mit ihr über die Grenze gegangen und hatte viel Angst, denn inzwischen waren die Russen unsere Besatzungsmacht. Da der angekündigte Bus nicht kam, wurden alle dort versammelten Personen nach ihren Ausweisen gefragt. Ich hatte fürchterliche Angst, da ich nur meinen Ausweis hatte und keinen Pass. Ich hatte innerlich gebetet und siehe, dieser russische Kontrolleur ging an mir vorüber. Der erwartete Bus hielt oben auf einem Berg und wir kletterten den Hang hinauf. Das war dann bereits von den Amerikanern besetztes Gebiet und wir konnten einsteigen und wurden nicht kontrolliert. Wir hatten geglaubt, dass wir nun sicher seien aber nach zwei Stationen wurde angehalten und dann kam doch noch eine Buskontrolle durch die Amerikaner, weil dieser bewusste Busfahrer schon öfters beim verbotenen Schwarzmarkthandel aufgefallen war. Dann bekamen wir die Erlaubnis zur Weiterfahrt.
Es fiel mir schwer, meinen Vater alleine zurückzulassen, doch ich musste ja etwas unternehmen, um Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen. So bin ich seit 1949 im Siegerland wohnhaft. Vorübergehend fand ich Unterschlupf in der Familie meines Bruders Kurt und strickte an den Abenden für andere Familien. Im Jahr 1950 fand ich dann eine feste Anstellung.
Ich lernte in Gosenbach bei Siegen eine christliche Familie kennen, mit denen ich sonntags zur Bibelstunde ging, wo ich später auch im gemischten Chor mitgesungen habe. Es fanden freikirchliche Zeltmissionen statt und dort fand ich den Glauben an Gott und Jesus Christus. Während dieser Zeit habe ich die Bibel viel studiert und meine Gedanken waren immer wieder: „Es muss noch mehr geben!“ Nachdem ich geheiratet hatte, haben wir noch sieben Jahre in Gosenbach gewohnt und sind dann nach Siegen Ortsteil Geisweid gezogen. Dort fand ich keinen Anschluss an eine Kirchengemeinde. Ich wurde immer unruhiger, weil ich wusste in welcher Zeit wir leben. Ich habe viel gebetet, um Klarheit zu erhalten.
Eines Tages erhielt ich ein Traktat mit der Aufschrift „Welche Kirche hat recht!“ Nach zwei Tagen hatte ich zwei Traktate im Briefkasten und ich wunderte mich sehr. Ich hatte mir auf jeden Fall vorgenommen dorthin zu schreiben aber am nächsten Tag standen zwei Missionare vor meiner Türe und als ich sie sah musste ich lachen. Sie wunderten sich sehr und ich erzählte ihnen, dass ich bereits drei Traktate bekommen hätte und einer wusste vom anderen nicht, dass er in meinen Briefkasten etwas hineingeworfen hatte. Ich habe sie hereingebeten und wir hatten ein tolles Gespräch. Ein Missionar hieß Elder Davis und der andere Elder Keys. Sie nannten unsere Gespräche „Golden“.
Aus Köln kamen Missionare nach Siegerland, um zu missionieren. Das Ehepaar Rögner mit zwei Kindern kam von Bremen nach Siegen und somit nahmen noch zwei weitere Schwestern und ich an den Versammlungen teil. Zuerst versammelten wir uns in dem Wohnzimmer der Familie Rögner und später in einer Schule. Als Geschwister Rögner ankamen war eine Schwester schon vorhanden, danach wurde eine Schwester Kaiser von Siegen getauft und danach kam meine Taufe zustande. So wurde hier in Siegen die Gemeinde unter der Führung von Geschwister Rögner aufgebaut. Es war nicht einfach, aber schön zu sehen und mitzuerleben, wir eine Gemeinde wächst, wenn sie noch am Anfang nur ein Paar sind. Die Missionare
belehrten mich innerhalb von drei Wochen und ich wurde getauft am 12. August 1972. Später wuchs der
Zweig Siegen heran bis zu ca. 60 bis 80 aktiven Mitgliedern am Sonntag.