Krogaspe, Rendsburg-Eckernförde
Mein Name ist Hans Ruff. Ich bin am 29 März 1930 in Krogaspe, Kreis Rendsburg-Eckernförde geboren. Mein Vater hieß Hans Heinrich Ruff und meine Mutter Anne Caroline Ehmke. Ich hatte zwei Brüder. Der Eine davon wurde 1945 eingezogen und wir wussten nicht, wo er eingesetzt wurde.
Einmal, während des Krieges, haben wir auch etwas von den Luftangriffen zu spüren bekommen. Rendsburg war aber nur sehr wenig betroffen, da ein Großteil der Bomben in dem nahe gelegenen Moorgebiet nieder gegangen war. Jedoch eine Straße in Rendsburg und eine Wehrmachtsbäckerei waren zerstört worden. Doch in dieser Nacht hatte mein Vater seinen Dienst auf dem Bahnhof in Rendsburg zu verrichten, und meine Mutter war in großer Sorge; denn sie wusste nicht, ob ihrem Mann etwas passiert war. Ich versprach ihr, so wie Entwarnung sei, würde ich mit dem Fahrrad zum Bahnhof fahren, um nachzusehen, was geschehen sei. In der Nacht bin ich zum Bahnhof gefahren, und auf dem Wege dorthin sah ich, wo es überall brannte. An einigen Stellen war die Feuerwehr am Löschen. Als ich am Bahnhof eintraf sah ich, dass meinem Vater nichts passiert war.
Am Ende des Krieges war in Rendsburg eine SS-Truppe, die die Absicht hatte, die Brücken über den Kanal zu sprengen. Doch Rendsburg war ja Garnisonsstadt, und die damaligen Befehlshaber der Garnison haben das Vorhaben verhindern können. Im Jahr 1944 wurde ich zur Hitlerjugend eingezogen und zwar zu der Abteilung der Flieger-Hitlerjugend. Wir sind nach Boostedt in der Nähe von Neumünster gefahren, um dort mit Segelflugzeugen zu fliegen und um das Fliegen mit den Segelflugzeugen auch zu lernen. Das waren schöne Erlebnisse, und ich habe es gerne getan.
Später habe ich dann auch meine Flugprüfung im Segelfliegen abgelegt. Bis Ende des Jahres 1944 war ich dort aktiv. Dann wurde ich krank. Ich bekam epileptische Anfälle, und das hat mich sehr betroffen gemacht. Ende des Jahres 1944 wurde auch unsere Schule geschlossen und als Notlazarett eingerichtet. Die Schule war bis zum Ende des Jahres 1945 geschlossen; denn nach dem das Lazarett aufgelöst worden war, wurde die Schule als Unterkunft für Flüchtlinge aus dem Osten genutzt. Dieses versäumte Schuljahr mussten wir ans Ende unserer eigentlichen Schulzeit anhängen. Dadurch bin ich erst 1947 aus der Schule entlassen worden. Zur Hitlerjugend möchte ich noch einmal erwähnen: Man sollte nicht alles daran verdammen, denn die Jugendlichen wurden nicht ausschließlich für den Krieg vorbereitet, sondern sie wurden auch mit Dingen beschäftigt, die ihnen Freude bereiteten. Aufzuzählen wären da: Die Flieger-, Motor-, Marinehitlerjugend und vieles mehr, wodurch die Interessen der Jugendlichen erreicht wurden und sie sinnvoll beschäftigt waren.
Militärischen Drill, sowie Schüren von Rassenhass und Judenverfolgung, Verfolgung überhaupt jeglicher Volksgruppen, verurteile ich natürlich auf das Schärfste. Für mich war es damals nach der Schulzeit 1947 als Kranker nicht möglich, eine Lehrstelle zu bekommen, da es zum Einem sehr wenig Lehrstellen gab, und durch das Vorhandensein der vielen Flüchtlinge noch zusätzlich ein sehr hoher Bedarf an Lehrstellen war. So wurden für die wenigen Stellen natürlich gesunde Menschen bevorzugt. Durch meinen Vater, der durch die Bahn Verbindung zu den verschiedenen Baufirmen hatte, die für die Bahn arbeiteten, habe ich dann eine Stelle im Straßenbau bekommen. Ich habe dort versucht, mir möglichst viel anzueignen und zu lernen. Aber im Straßenbau wurde im Sommer gearbeitet, und im Winter war man arbeitslos. In der Zeit im Winter, wo ich arbeitslos war, habe ich die Handelsschule besucht und habe mir dort versucht, die nötigen kaufmännischen Kenntnisse anzueignen, um eine Bürotätigkeit ausüben zu können. Auf diese Weise hatte ich auch einen Vorteil durch meine Krankheit. Beim Arbeitsamt gab es einen Schwerbehindertenvertreter, der mich zum Gesundheitsamt schickte, wo ich einen Schwerbehinderten Ausweis mit fünfzig Prozent Behinderung bekam. Mit dem Nachweis dieser Behinderung hat er mich dann bei der Schleswig-Holsteinischen Stromversorgung unterbringen können. Zunächst habe ich dort als Hilfsarbeiter gearbeitet. Aber ich habe mich immer weiter fortgebildet, so dass ich später die werksgebundene Prüfung in Elektrotechnik, es war aber eigentlich dasselbe wie eine von der Handwerksinnung geforderte Gesellenprüfung, gemacht habe. Danach war ich in der Zählerprüfabteilung, wo die Zähler auf Eichfähigkeit kontrolliert wurden. Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Absicht, noch zusätzlich die Gesellenprüfung vor der Handwerksinnung abzulegen. Zu diesem Zeitpunkt trat man an mich heran und fragte mich, ob ich nicht eine Bürotätigkeit übernehmen wolle. Daraufhin habe ich Rücksprache mit meinem Ausbildungsmeister genommen. Der riet mir, diese Stelle doch in jedem Falle anzunehmen. Er sagte: „ Du wirst nirgendwo in so kurzer Zeit soviel Geld verdienen wie dort und hast Aufstiegsmöglichkeiten als Angestellter, die du als Arbeiter nie haben wirst.“ Ich habe diese Stelle angenommen, und nach kurzer Einarbeitungszeit habe ich dann die Aufgabe übernommen, die Messakten für die Messeinrichtungen der Sondervertragskunden zu verwalten. Ich habe diese Arbeit gerne gemacht und habe mich bis zum Büroleiter hochgearbeitet und bin in dieser Aufgabe bis zu meinem sechzigsten Geburtstag beschäftigt gewesen.
Meine Frau habe ich im Herbst 1954 kennen gelernt und zwar durch einen Arbeitskollegen, der in einem Radsportverein war. Wir arbeiten damals von morgens früh bis abends siebzehn Uhr in einer Kiesgrube. Dabei erzählte er mir, dass sie am Abend ein Radballspiel hätten mit einer daran anschließenden Tanzveranstaltung im Ort Audorf. Ich hatte seine Einladung angenommen und musste mich also sputen. Mein Arbeitsweg war etwa eine Stunde. Zu dem Zeitpunkt waren meine Eltern im Urlaub. Also musste ich auch noch die Schweine versorgen, die wir hatten und mein Abendgericht auch noch herrichten. Danach machte ich mich auf den Weg nach Audorf, was auch noch eine dreiviertel Stunde in Anspruch nahm. Ich kam also verspätet dort an. Und an einem der Tische, an dem meine frühere Verlobte saß, ach, ich hatte noch gar nicht erwähnt, dass ich schon einmal verlobt war, war noch ein Platz frei. Ich fragte, ob ich mich zu ihnen setzen könne. An diesem Tisch saß auch meine jetzige Frau, und wir haben uns ein wenig unterhalten. Als dann das Radballspiel zu Ende war, bin ich an den Tisch meines Arbeitskollegen gegangen. Als das Tanzen dann begann, habe ich meine jetzige Frau zum Tanzen aufgefordert. Im weiteren Verlauf des Abends hatten wir uns dann etwas abseits der Tanzfläche mit meinem Arbeitskollegen und seiner Freundin an einen Tisch gesetzt. Es war ein sehr anregender Abend, und anschließend habe ich dann meine spätere Frau nach Hause gebracht, was wiederum einen Umweg von fünf bis sechs Kilometern bedeutete. Als ich dann am Morgen in die Straße kam, in der wir wohnten, war schon einer, der sich dort ein Haus baute, am Arbeiten. Es war inzwischen Tag geworden. Die Verabredungen wurden immer regelmäßiger, und wir lernten uns nicht nur kennen, sondern schätzen, achten und lieben. Dann wurde bei uns im Haus eine Wohnung frei, und mein Vater sagte: „ Wenn ihr die Wohnung haben wollt, müsst ihr heiraten.“ Und darauf hin haben wir geheiratet.
Eines Tages, ich war noch draußen am arbeiten, kam meine Frau zu mir und sagte: „ Da sind zwei Amerikaner, die mit uns über Religion reden wollen.“ Worauf hin ich meinte: „Wir können es uns ja einmal anhören, was sie uns zu erzählen haben.“ Wir haben sie danach immer wieder eingeladen, und sie haben uns die ganze Botschaft gebracht, die uns überzeugte. Und wir haben das Evangelium angenommen und uns taufen lassen.
Bei einer der Belehrungen über das Wort der Weisheit wollten wir im Anschluss daran noch zum Schwimmen. Ich rauchte zu der Zeit noch und hatte die Absicht, davor noch eine Zigarette zu rauchen. Doch nach dieser Belehrung über das Wort der Weisheit ist mir klar geworden, dass es auch ohne Rauchen und Alkohol trinken gehen würde. Von dem Zeitpunkt an hatte ich das Gefühl, dass dieses wirklich nicht mehr erforderlich sei. Obwohl ich kurz zuvor bei einer Empfehlung des Arztes, das Rauchen aufzugeben, geäußert hatte: „ Was habe ich dann noch vom Leben, wenn ich nicht mehr rauchen darf?“ Ich bin dankbar dafür, dass ich über die Kirche vom Rauchen und Trinken los gekommen bin. Wir haben aber trotz unserer Mitgliedschaft in der Kirche immer Kontakt zu Freunden außerhalb der Kirche gehabt. Ich habe mich mein Leben lang mich sportlich betätigt. Mein Handballspiel war eine Zeitlang unterbrochen, denn als unsere Tochter geboren war, wäre meine Frau durch mein Spielen in der Mannschaft sehr oft alleine gewesen. Ich war dann später in einem Gesangverein und traf dort einen früheren Sportkollegen, der mich zum Hallenhandball spielen einlud.
Aber es kam nicht dazu, dass sich eine richtige Mannschaft bildete. Und so habe ich dann mit dem Prellballspielen begonnen. Dieses Spiel habe ich viele Jahre lang betrieben. Die Punktspiele waren sonntags, und in der ersten Zeit meiner Mitgliedschaft in der Kirche habe ich an den Sonntagsspielen teilgenommen. Doch dann wurden diese Spiele auf den Samstag verlegt, so dass ich keine Probleme mehr damit hatte. Erwähnenswert ist, dass ich großen Gefallen an den Liedern in der Kirche gefunden hatte. Besonders heraus heben möchte ich: „Oh, mein Vater“ und „Fest wie ein Felsen“. Aber es gibt viele Lieder und auch Liedtexte, die sehr zu Herzen gehend sind. In meinem Kirchenleben habe ich die verschiedensten Berufungen gehabt. Angefangen als Sekretär, dann Ratgeber in der Zweigpräsidentschaft, Ältestenkollegiumspräsident in der Distriktspräsidentschaft und im Zweig und jetzt, seit zwanzig Jahren Zweigsekretär.
Im Sommer 1945 bekamen wir von jemandem aus München die Nachricht, dass er meinen Bruder in Prag getroffen hat. Mein Bruder war im Jahr 1942 nach Bayern zur Kinderlandverschickung gekommen. Dort hatten sie sich kennen gelernt. Dadurch wussten wir, dass er im Osten war. Etwa ein Jahr später bekamen wir Post von ihm aus Russland mit einer Rückantwortkarte, so dass wir ihm antworten konnten. Er ist dann zu Weihnachten 1949 wieder nach Hause gekommen. Geboren ist er im Jahr 1927. Er war noch nicht einmal achtzehn Jahre alt, als er eingezogen wurde. Als Familienoberhaupt habe ich drei Kinder, neun Enkelkinder und inzwischen vier Urenkelkinder.