Königsberg, Ostpreußen
Mein Name ist Christel Schmidt, geborene Freimann. Als sechstes Kind meiner Eltern Max Freimann und Margarete, geborene Krause, kam ich am 25. Dezember 1931 in Königsberg, Ostpreußen zur Freude meiner Eltern auf diese Welt. Meine Eltern waren Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage seit ca. 1924 / 26. Unglücklicherweise musste meine Mutter am 2 Januar 1932 mit 35 Jahren diese Erde verlassen und hinterließ meinen Vater im Alter von 43 Jahren mit 5 Kindern, was für ihn nur schwer zu bewältigen war.
Die Namen der Kinder sind: Heinz, Siegfried (welcher bereits mit drei oder vier Monaten verstarb), Irmgard, Ruth, Ingrid und ich, Christel, als sechstes Kind. Mein Vater hatte damit fünf Kinder zu versorgen, als seine Frau starb. So heiratete er ganz schnell bereits im März 1932 (Helene Maria Wanda Sommer, geboren am 16. Juli 1896, eine Krankenschwester, die uns allen immer eine liebevolle Mutter gewesen ist. Ein Jahr darauf kam dann noch mein jüngerer Bruder Reinhard hinzu, sodass wir wieder sechs Kinder waren.
Unsere Eltern erzogen uns als gute „Heilige der Letzten Tage“ und legten einen guten Grundstein für unser Leben das geprägt war von Liebe und Glauben zu unserem Himmlischen Vater. So verging die Kindheit, die mir heute noch immer in schöner Erinnerung ist.
1940 begann der Krieg alles durcheinander zu rütteln und für alle Menschen brachen schwere Zeiten an. Oft saßen wir im Luftschutzkeller, wenn die Bomben fielen. Ich erinnere mich noch sehr gut, dass unsere Nachbarn immer sehr zufrieden waren, wenn unser Vater seine Zeit mit uns verbrachte. Irgendwie war das dann immer ein besonderer Schutz für uns alle, wenn Vater als Priestertumsträger im Hause war.
Die ganze Kriegszeit war von sehr viel Angst gekennzeichnet, bis auf einige Male, die wir Kinder uns freuten nicht zur Schule gehen zu brauchen. Da die kämpfende Front des Krieges immer näher rückte, wurden Frauen und kleine Kinder umquartiert. Auf diese Weise kamen wir nach Vorpommern. Silvester 1944 durften wir dann nach Hause zurück und wir waren ein letztes Mal als Familie alle zusammen und haben das neue Jahr 1945 gemeinsam zu Hause begrüßt.
Es wurde leider kein gutes Jahr. Am 24. Januar 1945 kam unser Nachbarsohn – der auch ein Mitglied der Kirche aber zu der Zeit als Soldat unterwegs war – und sagte: „Seht zu, dass ihr raus kommt. Der Russe kommt immer näher!“
So packten wir einige notwendige Sachen in Rucksäcke. Meine ältere Schwester mit ihrem kleinen Sohn gehörte auch mit zu den Betroffenen. Meine andere Schwester, die ihren Mann im Krieg verloren hatte, benötigte eine Genehmigung um aus Königsberg heraus zu kommen. Dazu kamen noch mein kleiner Bruder und ich.
Als mein Vater abends Heim kam und die Rucksäcke sah, die gepackt im Flur standen, sagte er: „Auf diese Hiobsbotschaft war ich nicht gefasst!“ — Nach einem Familiengebet brachte er uns durch Königsberg zum Bahnhof. Von dem Bombenangriff der letzten Nacht brannte es noch an vielen Stellen. Wir kamen noch mit dem letzten Zug aus Königsberg heraus und danach fuhr nichts mehr. Es war auch das letzte Mal, dass wir unseren Vater sahen. Männer durften die Stadt nicht verlassen.
Es war ein eisiger Winter (bis zu 28 ° Grad Minus) und wenn wir unterwegs mit dem Zug nicht weiter kamen, so wurden wir irgendwo untergebracht, wo es warm war. Auf unserer Flucht haben wir oftmals die Hand und den Segen des Herrn verspürt.
Unsere Familie hatte sich abgesprochen, dass wir uns in Flensburg, Schleswig-Holstein, treffen würden, wenn wir irgendwie getrennt werden. In Flensburg lebten die Schwiegereltern meiner Schwester und durch viele Umwege und Schwierigkeiten gelangten wir dann auch dahin.
Mein Vater, mein ältester Bruder und der Mann meiner Schwester sind im Krieg geblieben. Was ich als Kind nie so richtig verstanden hatte. Mein Vater hatte immer dem Herrn gedient. Viele Jahre als Gemeindevorsteher und als Distriktpräsident und er musste seine Familie in eine ungewisse Zukunft schicken und dann haben wir nie wieder etwas von ihm gehört. Es war einfach unverständlich für uns.
Unsere Mutter hat uns dann durch unser weiteres Leben begleitet und geprägt. Sie war glaubensstark, hat uns das Evangelium vor gelebt und uns gelehrt zu lieben. Sie ist in ihrem Leben durch viele Prüfungen gegangen und hat uns gelehrt den Zehnten an die erste Stelle zu setzen, dann würde es uns immer gut gehen und so geschah es auch.
Es gab damals noch keine Witwenrente. Das wenige Geld, was sie hatte, hat sie immer gespart, damit wir an den Jugendtagungen teilnehmen konnten, so wie an weiteren Veranstaltungen der Kirche. So haben wir unser Zeugnis von der Wahrheit des Evangeliums festigen können. Ich habe meiner Mutter viel zu verdanken.
1951 lernte ich meinen Mann Gustav Schmidt kennen. Er war kein Mitglied der Kirche. Als junger Mann war er mit 17 Jahren zum Militär einberufen worden. Nach einigen Monaten aber war der Krieg beendet und er kam in russische Gefangenschaft. Das hat sein ganzes Leben sehr verändert. Nach all den Erlebnissen die er hatte, versprach er Gott Ihm zu dienen, wenn er aus jenem Gefangenenlager wieder herauskomme. Im Juni 1949 wurde er dann aus der Gefangenschaft entlassen. Er kam nach Flensburg und lernte durch mich die Kirche HLT kennen und lieben und ließ sich 1952 taufen. Dann hatte er die Möglichkeit dem Herrn in vielen Berufungen zu dienen. 1953 haben wir geheiratet und haben zwei Töchter, die wir im Glauben erziehen durften und die im Tempel des Herrn den ewigen Bund schließen konnten. Inzwischen haben wir sechs Enkelkinder und sechs Urenkel.
Wir verdanken dem Herrn so viel in unserem Leben und sind sehr dankbar für alle Segnungen.