Stargard, Pommern

Wir sind Christel Johanna Erika Rudakowski und Edith Luise Johanna Röder, beide geborene Wilms.

mormon deutsch christel johanna erika rudakowskiIm Jahre 1919 war die erste Versammlung der Missionare in Stargard (heute Szczecinski). Meine Mutter, Martha Wilma, geborene Grunewald, war in dieser ersten Versammlung und stellte für sich sofort fest, dass es die richtige Kirche war. Sie kam nach Hause und erzählte meinem Vater davon. Mein Vater war nicht bereit gleich mitzugehen, sondern erst nach einem halben Jahr. Vater und Mutter gingen dann beide regelmäßig ein Jahr zur Kirche, denn damals wurden die Mitglieder erst nach einem Jahr getauft. Ihre Taufe war im Jahre 1920.

1923 wurde ich, Christel, Johanna, Erika Rudakowski, geborene Wilms, als fünftes Kind geboren und meine Schwester Edith Luise Johanna Röder, geborene Wilms als sechstes Kind, im Jahre 1925. Wir Schwestern wurden als Kind in der Kirche gesegnet von einem Bruder Bork aus der Gemeinde Stettin. Mit acht Jahren wurden wir getauft. Bei uns gab es keine Taufbecken. Wir wurden dann in einem Fluss, der durch unsere Stadt floss, spät abends getauft.

Leider starb unser Vater, Gustav Wilms, schon 1927, als wir Schwestern noch ganz klein waren. Unsere Mutter war fest vom Evangelium überzeugt. Sie ging mit uns kleinen Kindern regelmäßig zur Kirche. Damals war Sonntags vormittags die Sonntagschule und abends die Abendmahlsversammlung. Wochentags war einmal die Bibelstunde und FHV Versammlung und für uns Kinder die Primarvereinigung. Unsere Gemeinde bestand nur aus sehr wenigen Mitgliedern, wir waren ungefähr acht bis zwölf Geschwister, meistens nur Schwestern und Kinder. Die Gemeinde gehörte zum Distrikt Stettin. Oft besuchte uns Sonntags unser Distriktspräsident Elder Helmut Plaht, oder auch die Geschwister Bernt oder Ebert, auch Bruder Otto Borke, der eine ganze Zeit unser Gemeindepräsident war, bis die Familie Pobanz nach Stargard zog und Bruder Pobanz Gemeindepräsident wurde.

Zur Distriktskonferenz sind wir immer nach Stettin gefahren. Am Sonnabend wurde meistens ein Theaterstück aufgeführt und sonntags war eine Versammlung vormittags und eine abends.

Leider wollten unsere drei älteren Geschwister nichts von der Kirche wissen, bis auf eine Schwester, die im Alter von 65 Jahren sich der Kirche anschloss. Sie war auch im Tempel und hat für ihre Familie Tempelarbeit geleistet.

Leider wollten unsere drei älteren Geschwister nichts von der Kirche wissen, bis auf eine Schwester, die im Alter von 65 Jahren sich der Kirche anschloss. Sie war auch im Tempel und hat für ihre Familie Tempelarbeit geleistet. Als mein Vater 1927 starb, bekam unsere Mutter Besuch von einer Schwester Kindermann aus Hamburg, die bei uns wohnte und Urkunden suchte. Von dieser Zeit an suchte auch unsere Mutter Urkunden. Später half ihr auch Elder Helmut Plaht bei den schriftlichen Arbeiten für die Tempelarbeit.

Da unsere Gemeinde sehr klein war, hatten wir nur angemietete Räume in Schulen oder privaten Wohnungen. Aus der letzten Wohnung mussten wir wegen der politischen Lage ausziehen, bekamen aber einen Raum in einem Hinterhof. Diesen mussten wir ungefähr wegen der Kriegslage 1944 aufgeben. Wir hielten dann unsere Versammlungen bei unserm Gemeindepräsidenten Bruder Wilhelm Pobanz in der Privatwohnung ab.

Anfang der dreißiger Jahre wurden auch einige Schwestern als Stadtmissionare berufen. Auch unsere Mutter wurde eingesetzt und ging mit einer Schwester Gesellius, die auch ganz fest vom Evangelium überzeugt war, missionieren

Während der 12 Jahre Hitlerzeit hatten wir großes Glück, wir wurden nicht behelligt. Wir konnten sonntags zur Kirche gehen und brauchten U04 an vielen Dingen der Partei nicht beteiligen. Unsere Mutter musste allerdings einige Jahre in der Kaserne für die Wehrmacht Strümpfe stricken. Als Christel aus der Schule kam, war es Pflicht ein Jahr beim Bauern zu arbeiten. Danach war sie bis Xxingennän Januar 1945 im Büro beschäftigt. Edith machte nach Schulschluss auch ihr Pflichtjahr und war dann im Büro in der Kran­kenkasse beschäftigt. Im Frühjahr 1944 wurde sie zum Osteinsatz verpflichtet und musste beim Ausgraben der Panzergräben helfen. Unsere Mutter setzte sich aber dann sehr für sie ein, sodass sie im August 1944 wieder nach Hause kam. Sie sollte dann in eine Munitionsfabrik nach Stettin-Pölitz kommen. Aber nach einer ärztlichen Untersuchung setzte sich dieser Arzt dafür ein, dass sie zur Reichsbahn ins Büro kam. Unsere Mutter sagte, nun hast du die schöne Beamtenstelle in der Krankenkasse aufgeben müssen. Aber es war Gottes Fügung, das wussten wir erst später.

Im Januar 1945 rückte die Russenfront immer weiter auch auf Stargard zu. Nun begann man auch hier, sich auf die Flucht vorzubereiten. Das Eisenbahn Ausbesserungswerk, wo Edith jetzt beschäftigt war, sollte jetzt auch verlegt werden. Es wurden zwei Güterzüge für die dort beschäftigten Männer und Frauen eingesetzt, die ihre Familien mitnehmen konnten. Edith durfte ihre Mutter mitnehmen, aber nicht ihre Schwester Christel. Wir hatten zu der Zeit auch die beiden kleinen Kinder unseres Bruders bei uns, weil er als Lokomotivführer unterwegs war und die Mutter der Kinder in Krankenhaus lag. Nun versuchte Edith eine Sondergenehmigung für ihre Schwester Christel und für die beiden Kinder ihres Bruders zu bekommen. Es war sehr schwierig. Sie musste öfter bei den Vorgesetzten Herren darum bitten. Einer dieser Herren kannte noch unseren Vater, der auch in diesem Werk gearbeitet hat, bis er 1927 starb. Er konnte sich noch gut an ihn als ehrlichen und fleißigen Arbeiter erinnern und gab Edith dann die Sondergenehmigung für ihre Schwester Christel und die Kinder ihres Bruders. Wir durften nur Handgepäck und einen Rucksack mit Bettzeug mitnehmen. Wir stiegen am 31. Januar 45 in einen Güterzug und fuhren am 1. Februar aus Stargard raus. In diesem Güterwaggon war auch unsere ältere Schwester Else, die sich im Alter noch der Kirche

Bis zu dieser Zeit hatten wir sehr oft Fliegeralarm aber es fielen keine Bomben. Ein paar Tage später fielen dann die ersten Bomben, dann aber täglich. Unsere älteste Schwester, die noch bleiben wollte, musste dann zu Fuß mit ihrem Mann und kleinem Sohn die Stadt verlassen, hatten auf der Flucht dann viel Tieffliegerbeschuss und wurden auch verletzt. Am 4 März wurde Stargard von den Russen eingenommen und unser Bruder fuhr mit der letzten Lokomotive aus der Stadt. Unser Zug sollte auf direktem Wege nach Rostock fahren. Es waren aber so viele Flüchtlingszüge unterwegs. Wegen der vielen Bombenangriffe auf diese Züge waren wir eine Woche im Güterzug unterwegs, in jedem Waggon waren 30 bis 35 Menschen mit ihrem Gepäck untergebracht. Während dieser Zeit wurden wir immer durch Gottes Hilfe behütet und beschützt, sodass wir gesund an unserem Ziel ankamen. Wir wurden im Seebad Kühlungsborn untergebracht. Unsere Mutter betete immer darum, ihre Kinder alle zusammenzuhalten und wir hatten wieder Glück, alle in einer Pension auf einem Tage zusammenzuwohnen.

Christel wurde dann hier in einem Büro im Reservelazarett beschäftigt. Edith arbeitete in Rostock. Da hier unsere Kirche war, wandte sie sich an den Gemeindepräsidenten, und wir hatten wieder Anschluss an die Kirche. Dieser und seine Frau nahmen Edith sofort in ihre Familie auf. Als die Russen sich Rostock näherten, fuhr Edith sofort nach Kühlungsborn und war wieder bei ihrer Mutter und Geschwistern. Am 9.Mai nahmen die Russen Kühlungsborn ein und Christel wurde aus dem Lazarettbüro entlassen. Edith bekam aber wieder eine Arbeit bei einem deutschen Zahnarzt, der für Russen Goldzähne machte. Die Russen brachten dem Zahnarzt oft etwas zu essen. Dieser gab aber Edith immer etwas ab. Im Sommer 1945 sollten alle Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurück. Zu dieser Zeit wurde unsere Mutter sterbenskrank. Unsere älteren Geschwister mit ihren Familien mussten wieder nach Stargard zurück. Inzwischen war es aber schon unter polnischer Herrschaft. Sie waren zwei Wochen dort, dann hieß es, alle Deutschen raus.

Sie mussten auf einem Fußmarsch über 40 Kilometer bis hinter Stettin gehen. Auf diesem Gang wurden auch noch viele ihrer letzten Habe von den Polen beraubt. Nach vielen Wochen kamen unsere Geschwister wieder zu uns nach Kühlungsborn. Wir waren alle wieder beisammen. Dieser schwere Gang unserer Geschwister wurde unserer Mutter, Christel und Edith erspart, weil Edith die Genehmigung vom Roten Kreuz hatte, in Kühlungsborn zu bleiben.

Im Sommer bis zum Herbst war eine sehr schlechte Zeit. Es gab wenig zu essen, sodass wir auf die Felder gingen, um Ähren zu lesen und Kartoffeln zu stoppeln. Da die Zeit hier nicht besser wurde, sagte Edith sie wolle in den Westen fahren. Edith wollte mit unserer Mutter nach Celle fahren. Christel blieb noch in Kühlungsborn.

An der Grenze zum Westen mussten sie noch zwei Wochen in einem Lager der Russen bei klirrender Kälte leben, bis die Russen sie zum Westen gehen ließen. In Celle wollten nie zu Mitgliedern der Kirche, die aber tot waren. Bei anderen Mitgliedern die auch Flüchtlinge waren, konnten sie nicht bleiben, weil keine Unterkunft für sie war, so fuhren sie weiter nach Dortmund, weil dort von unserer Schwester Else ‚Verwandte wohnten. Sie wurden von denen gut aufgenommen. Sie erkundigten sich aber gleich hier in Dortmund nach der Kirche und fanden auch gleich Aufnahme. Im März 1946 kam Christel nach Dortmund. Sie bekam sofort wieder eine Stelle im Büro, auch gleich die Zuzuggenehmigung, die man damals haben musste, um hier zu wohnen. Edith hatte eine Stelle bei BBC in der Küche, dadurch hatten wir öfter ein bisschen mehr zu essen. Es gab nur sehr wenig auf unsere Lebensmittelmarken. Später bekamen wir auch von der Kirche aus Amerika Lebensmittel und Kleidung. Unsere Wohnverhältnisse waren sehr erbärmlich. Wir wohnten monatelang in einer Gartenlaube, die uns Mitglieder zur Verfügung stellten.

Ende 1946 bekamen wir dann ein Zimmer in einem bombengeschädigten Haus Aus Diesem mussten wir viel Schutt entfernen, um wohnen zu können. Die Wohnverhältnisse waren jahrelang sehr schlecht, weil Dortmund zu 90% in Schutt und Asche lag. Wir waren aber immer mit allem zufrieden. Es besserte sich ja auch von Jahr zu Jahr. Wir sind immer der Kirche treu geblieben.

1955 sind wir zum Schweizer Tempel zur Einweihung gefahren. Danach sind wir noch oft im Tempel gewesen. 1971 starb unsere Mutter. Bis zuletzt hatte sie ein festes Zeugnis vom Evangelium. Wir Geschwister sind alle an unsere Eltern gesiegelt worden. Wir beiden Schwestern Christel 84 Jahre alt, Edith 82 Jahre alt, haben ein festes Zeugnis vom Evangelium und wünschen uns, bis an unser Lebensende treu zu bleiben, darum Beten wir.