Giesen, Kreis Treuburg, Ostpreußen

mormon deutsch gerda inge stankIch heiße Gerda Inge Stank, geborene Walendy, geboren am 12. März 1933 in Giesen, Kreis Treuburg, Ostpreußen. Mein Vater heißt Fritz Walendy und meine Mutter Frieda, geborene Hahn.

Wir hatten zu Hause einen Bauernhof von ungefähr 100 Morgen. Im Oktober sind wir nach Lindendorf [heute Lipowo] geflüchtet und dann sind wir nach Weißenburg [heute Biała Góra] weitergeflüchtet. Von Weißenburg kamen die Russen. Die haben ein polnisches Mädchen – das hat sich so gefreut: „Jetzt sind wir befreit“ – gleich in ein Zimmer mitgenommen und vergewaltigt.

Der Pole, der bei uns gearbeitet hat, hat zu den Russen gesagt: „Das ist meine Familie” und hat uns beschützt. Dieser Pole hatte gleich ein Grundstück bekommen und er hat uns aufgenommen. Er hat uns tatsächlich so behandelt, als wären wir seine Familie. Danach kam auch seine Familie. Sie zogen dann zu uns ins Dorf und da haben wir uns kennengelernt.

Bruder Stank wieder: Noch eine Geschichte – traurig, aber wahr: 1946, am Karfreitagabend, als wir zurückkamen, war alles ausgeräumt, was wir an Vorräten hatten. Alles war leer. Es war Februar, es war kalt. Vom Feld war nichts zu holen. Wir haben richtig Hunger gehabt. Am Gründonnerstag, wir hatten keinen Strom, wir hatten kein Licht, saßen wir zusammen mit der Familie und so haben wir das schon eine ganze Zeit gemacht. Da hat meine Mutter das Lied gesungen: „Komm, o komm du Tag der Glorie“. Wir knieten uns nieder. Dann legten wir uns hin. Die Mutter war ein bisschen sonderbar, das habe ich gemerkt. Etwas war anders. Das war wie Abschied. Sie hat sich verabschiedet. Ich konnte nicht schlafen. Sie hat uns eine gute Nacht gewünscht in der Hoffnung, dass sie morgens nicht mehr aufsteht. Mir wurde klar, dass ich etwas tun musste, um der Mutter zu helfen. Nach einiger Zeit hörte ich nur noch schluchzen. Ich dachte nur, jetzt muss ich aufstehen. Mir kam dann dieser Gedanke, dass ich was tun muss, um der Mutter zu helfen.

Um 5 Uhr, Karfreitag – damals war das ein heiliger Feiertag – da sollte man nichts tun, so waren wir belehrt worden. Ich bin trotzdem rausgelaufen, ich weiß nicht, wer mich geführt hat, aber ich habe geholfen. Ich habe ein paar Nägel in eine Stange geschlagen. Ich wusste, dass das die einzige Möglichkeit war, den Hunger zu stillen: Fischen. Durch unser Dorf ging ein Bach, da zogen im Frühjahr die Fische zum Laichen hoch in die Wiesen. Ich ging auf gut Glück, ich weiß nicht, wie, aber ich lief an diesem Bach. [Die Mutter war eingeschlafen.] Ich komme runter ein paar Meter und sah einen Fisch im dunklen Wasser stehen. Meine Stange war zu kurz, um diesen Fisch aufzuspießen und rauszuholen. Da war eine steile Böschung. Ich sprang rein, egal ob ins Wasser oder nicht, mit der Stange, und sprang dann über diesen Bach, der ungefähr zwei Meter war und zog die Stange raus. Und da hing so ein Fisch [ein Hecht], von ungefähr sechs Pfund, dran.

Als ich zurückkam, sagte die Mutter: „Was machst du da am Feiertag?” Aber mir war’s gleich, ich wusste, worum es geht. Sie hat dann den Fisch mit ein bisschen Wasser gekocht und wir haben ihn so aufgeteilt, dass wir eine Woche davon gelebt haben.

Dann gingen wir ein Stück weiter, da waren dann schon die andern, die auch nach Nahrung suchten. Wir standen da und sehen ein paar gelbe Punkte, und hatte noch den zweiten Fisch dazu. Wir alle waren glücklich und dann ging es schon wieder weiter. Die Sonne kam schon raus. Wir haben den Fisch gekocht und hatten wieder etwas zu essen gehabt.

Die Russen haben die Macht an die Polen übergeben und haben die Kriegsbeute, das Vieh, die Pferde, Butter, Fleisch, alles mitgenommen. Verladen auf Fahrzeuge und uns haben sie verpflichtet, das Vieh nach Russland zu treiben. Ich war dann auch dran mit fünf oder sechs Jungs und vier Mädels.

Dieser Pole, Adam, dem wir das Brot immer gegeben haben, war der Reiseleiter, Begleiter. Er war jetzt Sieger, er war befreit worden von seiner Sklaverei. Der hatte die Butter, Fleisch usw. gefahren. Wir mussten zu Fuß gehen, konnten uns aber ein Pferd aussuchen und reiten, um das Vieh bis an die russische Grenze zu treiben. Der Pole Adam hat erkannt, dass wir nie wieder zurückkommen werden. Zwanzig Kilometer sind wir den ersten Tag gegangen und getrieben. Drei oder vier Russen waren da mit Gewehren. Die waren immer betrunken.

Die Russen kamen und wollten die Mädels vergewaltigen. Adam hat uns diesen Tipp gegeben: „Lasst die Mädels unter eure Decken”. Wir waren auf notdürftigem Strohlager. Adam hat uns geraten, dass wir uns auf die Mädels setzten sollten, die unter den Decken waren. Wir haben uns auf sie draufgesetzt und sie so beschützt. Da haben die Russen nur Jungs gesehen und gingen weg. Mit dreizehn Jahren wussten wir noch gar nicht recht, was da geschieht.

Am nächsten Tag ging es weiter nach Rastenburg zu einem Gut. Wir haben das Vieh reingetrieben und die Russen haben Pause gemacht. Sie haben sich richtig vollgegossen mit selbst gemachtem Schnaps. Zu unserem Glück haben sie das gemacht. Adam hat diesen Pferdewagen umgeladen. Sie haben nur gefragt, warum? Und er hat gesagt, die Räder taugen nicht, er müsse etwas machen und hat die Pferde dran gelassen. Das Geschirr am Wagen war fertig und nur die eine Seite ausgehakt und vorgetäuscht, dass er was machen will.

Da waren die Stallungen, 50-60 Meter lang, am anderen Ende war ich. Für das Ernteneinfahren war ein Sprossenwagen da und Einer rief mir zu: „Spring rauf, wenn wir fahren”. Als Adam sah, dass die Russen volltrunken sind, hat er die Pferde angetrieben und ist im Galopp an sie vorbei gefahren. Zwischen den Sprossen haben sie mich raufgezogen, damit ich mitkam. Als wir im Galopp vorbeifuhren, haben die Russen hinter uns hergeschossen. Aber wir hatten Glück, es war so ein trockenes Wetter gewesen und wir fuhren auf einem Feldweg, Sandweg. Der Staub wirbelte hoch und sie haben immer in den Staub geschossen, sie haben uns nicht getroffen und wir waren auch schon weiter weg.

Die Russen haben etliche 100te von Soldaten als Kriegsgefangene genommen und durch die Stadt getrieben. Wir mussten zwischen den Häusern und den Soldaten durch. Im Galopp sind wir durch. 20 Kilometer von zu Hause, in der Kreisstadt, haben sie uns gestoppt. Sie haben gefunkt, dass wir ausgerückt sind. Über die Straße war das Maschinengewehr aufgestellt. Wir hatten Einen, der sagte: „sagt kein Wort, njet ponimajet, mehr sollt ihr nicht sagen“.

Adam sagte den Russen, er sei Pole und jetzt wollen wir noch den nächsten Schub holen, jetzt holen wir noch Pferde nach. Und dann haben sie ihn geprüft, wie die polnische Flagge aussieht, welche Farben sie hat, weiß über rot, oder rot über weiß. Zum Glück hat er das gewusst. Er hat das richtig gewusst und dann haben sie ihn nach zwei Stunden fahren lassen, in dem Glauben, dass er noch Vieh holen muss.

Er hat uns zurückgebracht. Dann kam er zu mir und sagte: „Jetzt kann ich das gutmachen, was ihr für mich getan habt“. Da habe ich begriffen, dass alles nur Menschen sind, auch der Feind, egal, welche Nationalität er hat. Wir waren immer verbunden, bis er gestorben ist. Er kam immer und hat die Großeltern besucht. Er war so dankbar. So, das sind die Geschichten, die wir erlebt haben.

Siebzehn Jahre haben wir immer wieder versucht, Anträge zu stellen, für die Ausfahrt in den Westen, aber sie wurden immer abgelehnt.

Ich war inzwischen noch erkrankt, an der Schilddrüse. Ich habe ein Alter erreicht, da sollte ich zum polnischen Militär kommen. Sie konnten mich nicht einziehen, weil ich nicht mehr laufen konnte, weil die Drüsen so auf die Luft gedrückt haben. Da haben sie mich drei Jahre freistellen müssen. Nach drei Jahren, 1951, haben sie mir nach der Musterung klar gemacht, entweder ich lass mich auf Staatskosten operieren oder ich muss zwei Jahre ins Gefängnis oder ich geh zum Militär. Dann stand ich vor der Entscheidung, was soll ich machen? Ins Gefängnis zu gehen, war eine große Sünde, so sind wir belehrt worden von der Kirche, das durften wir nicht. Lieber operieren und dann zum Militär.

Dann ging ich mit der Mutter ins Krankenhaus. Es wurde ein Termin abgemacht und dann bin ich operiert worden. Drei Stunden und zwanzig Minuten, ohne Narkose, ich wurde mit Desinfektionsmittel gekühlt. Vorher habe ich mir noch einen Krankensegen geben lassen in der Gemeinde. Der Arzt, Dr. Weiss, ein polnischer Arzt, hat vorher ein Gebet gesprochen und das hat mir Hoffnung gegeben, dass ich in guten Händen bin. Nach einer Stunde musste ich dann sprechen, während er an den Stimmbändern operiert hat, damit er sie nicht beschädigen konnte. Ich habe erfahren, dass ich der Fünfte mit dieser Operation war. Drei Mädels sind während dieser Operation gestorben. Vor mir hat eine überlebt und ich war der Fünfte. Er war so stolz, dass es so schön verheilt war.

Ich war glücklich und habe bis heute kein Problem damit, alles ist gut verlaufen. Am 26. Oktober 1954 kam ich zum polnischen Militär. Genau zwei Jahre, bis 1956, habe ich beim polnischen Militär gedient. Als ich zurückkam, wollte ich nicht mehr in die Firma. Ich habe eine Lehre als Schachtmeister gemacht. Die Prüfung habe ich auch gut bestanden. Ich hatte bis zu dreißig Mann zu betreuen, mit Auszahlungen. Das war mir zu gefährlich geworden, weil ich für die Löhne der Leute privat fahren musste. Wir hatten dreißig bis vierzig Baustellen. Man versuchte, hinterher zu fahren. Da sie merkten, wo wir entlang fahren, versuchten sie, das Geld zu entwenden. Das wollte ich nicht. Ich hätte dann ins Gefängnis gemusst, wenn sie mich beraubt hätten.

Ich wollte dann nicht mehr und sie haben die Kolchosen aufgelöst, die staatlichen Betriebe.

Ich habe dann von diesem Bauer Olech (später haben sie seine Schwester verschleppt, man hat nie erfahren, wo sie abgeblieben ist) ein Stück Land bekommen. Die Schwester sagte: „nimm dir so viel Land, wie du möchtest, damit ihr was zum Essen habt”. Das Land habe ich bestellt.

1957 kam die Genehmigung, mit den Eltern zu fahren. Ich war aber schon verlobt. Das durfte keiner wissen. Meine Großeltern durften nicht wissen, dass wir heiraten, sonst hätten wir da bleiben müssen. Sie hätten mich von der Familie abgesondert. Der Standesbeamte war gleichzeitig der Amtsleiter der Verwaltung. Den habe ich dann angesprochen, dass ich ihm das ganze Getreide, das schon reif zur Ernte war und Geld geben werde. Er kam abends um 10 Uhr ins Haus. Die Fenster wurden geschlossen und alles dunkel gemacht. Er hat dann für uns den Trauschein ausgeschrieben, nur meine Mutter war dabei.

Am nächsten Tag, mittags um zwölf, bin ich dann mit der Familie in den Westen gefahren. Meine Frau musste zurückbleiben, weil keiner erfahren durfte, dass wir verheiratet sind. Die Heiratsurkunde habe ich in die Unterhose genäht und versteckt, damit ich sie über die Grenze bekomme, wir mussten ja durch den Zoll. Vier, fünf Stunden verheiratet und doch gleich getrennt. [In unserer Ehe] haben wir immer nach Werten gesucht. Wir waren anständig und haben uns Treue geschworen, und das haben wir bis heute gehalten

Ich habe dann hier in Hamburg, beim Deutschen Roten Kreuz einen Antrag gestellt, auf Familienzusammenführung, weil ich hier den Schein vorlegen konnte. Und das hat dann im Oktober geklappt, dass sie mit der Mutter herauskommen konnte. So fingen wir im Westen wieder neu an.

Mein Vater ist im Juli 1957 gekommen. 17 Jahre waren wir ohne Vater. Die ganze Jugend, bis zu meiner Heirat, habe ich keinen Vater gehabt, musste aber die Vaterrolle übernehmen, um die Familie durchzubringen und habe mit der Mutter so manches durchgezogen.

Nach dem Krieg hatten sie den Transport umgedreht und meinen Vater in die Tschechoslowakei und ihn ins Uranbergwerk geschickt. Von dort haben sie ihn nach Bayern, zu seiner Schwester, entlassen. Mein Vater ist mit dem Rückzug als verwundeter Soldat in den Westen, nach Berlin gekommen. Mein Vater wurde 1940 eingezogen. Er kam 1945 verwundet nach Holstein. Wir sind in Selbongen zurückgeblieben. Wir konnten nicht durch den Eisernen Vorhang. Mein Vater hat auch immer wieder Anträge gestellt, aber sie ließen uns nicht raus. Er ist 1953 gestorben und 1957 kamen wir raus.

Es ist ein Wunder, dass dieser Vorhang ohne Blutvergießen aufgelöst wurde.

Der Übergang von den Russen zu den Polen ist auch schwierig gewesen. Die Russen wollten nicht aufgeben. Die haben sich gegenseitig beschossen. Sie haben die Menschen, Frauen und Kinder, gesammelt und wollten sie in ein Lager nach Sibirien verfrachten. Meine Tante auch. Und der kleine Junge, Dieter, der war drei, vier Jahre alt, der hat nach der Mutter geschrien, aber sie musste gehen, sonst hätten sie sie mit dem Kolben geschlagen. Aber sie kamen nach einer Woche wieder und haben geprüft, ob sie in der Partei war oder nicht. Nach 14 Tagen haben sie sie in Ruhe gelassen.

In der Kirche war es so, dass in der Kriegszeit das Gemeindehaus mit deutschem Militär belegt wurde, wenn es an die Front zog. Dann durften wir keine Versammlungen halten. Als sie wegzogen, durften wir wieder Versammlungen halten.

Die Nazis, die Parteibonzen, haben die Missionare nicht reingelassen, sie mussten zurückgezogen werden. Deswegen unterlagen wir der Österreichischen Mission, die auch damals die Betreuung des Baus geleitet hat. Der Bau wurde damals in zweieinhalb Monaten von den Mitgliedern gebaut. Hier ist ein Protokoll, wann die Einweihung war und wie lange das gedauert hat.

In der polnischen Zeit konnten wir die Versammlungen abhalten, sogar zwei Mal am Tag, vormittags und nachmittags. Als die Russen da waren, konnten wir das nicht so machen, aus Angst, verfolgt und verschleppt zu werden. Das haben wir dann im Haus gemacht. Wir waren drei Familien in diesem Dorf und kamen zusammen und haben uns unterhalten.

Der Sohn von Bruder Kruska, vom Gemeindevorsteher, war beim Militär. Diese Einheit war im Rückzug von der Ostfront und zog durch das Dorf Selbongen. Das war eine Hauptstraße Selbongen, sie ging bis nach Polen rein. Er sonderte sich von der Einheit ab und wollte nur den Schwiegereltern und seiner Frau „guten Tag“ sagen. Ein russischer Spähtrupp saß schon in diesem Dorf drin und sie erblickten ihn in der Uniform. Da haben sie ihn vor den Augen der Eltern und seiner beiden Kinder mit dem Kolben mitten auf der Straße erschlagen. Die Brüder haben ihn im Vorgarten vor dem Gemeindehaus beerdigt. Dieses Grab habe ich 1998, bei einem Besuch dort, angeschaut. Es ist noch so gut gepflegt. Diese Kulikova, die den Frauen der Kirche gut gesonnen war, pflegt dieses Grab. Es ist schön bepflanzt

1948, als die Polen kamen, mussten wir alle zwangsunterschreiben als polnische Staatsbürger. Sie haben uns auf Lastwagen verladen und wir mussten hinkommen und unterschreiben. Wer nicht wollte, wurde eingesperrt. Da half auch kein Widerstand. Das war unnötig. Aber die Gemeinde haben sie dann genehmigt. Wir haben sie allmählich wieder geöffnet. Bruder Kruska war der Gemeindevorsteher. Als er auswanderte wurde Erich Konietz Gemeindevorsteher gewesen, sodass der Gemeindevorstand zusammen war. Später wurde er Patriarch im Pfahl Dortmund [ist aber von Hamm nach Hungen im Pfahl Frankfurt umgezogen].

Dann haben wir uns zusammengesetzt und haben drei Lieder, Abendmahlslied, Eröffnungslied, Schlusslied, aus dem Gesangbuch auf Polnisch umgesetzt. „Ich brauch dich allezeit“, war das erste Lied, das wir übersetzt haben. Das kann ich heute noch. Wir haben dann die drei Lieder gehabt und konnten polnisch singen. Dann durften wir aber noch nicht sprechen. Wir hatten nur noch ein Problem mit den Zeugnissen, wenn Fast- und Zeugnisversammlung war. Die alten Geschwister konnten masurisch, aber nicht polnisch. Das ist so eine Zwischensprache wie bei den Holsteinern hier. Ich weiß noch, ich musste einmal eine Ansprache geben, die erste. Das Pult war lose aufgestellt, oben auf der Bühne, auf dieser Anhöhe. Ich war richtig aufgeregt, in Polnisch eine Ansprache zu geben. Das habe ich nicht gekannt und nie gelernt und etwas Falsches wollte ich nicht sagen. Auf einmal blickten alle Gesichter so erschrocken. Ich habe gar nicht gemerkt, wie ich in meiner Aufregung dieses Pult über die Kante geschoben hatte. Es war schon halb drüber. Dann merkte ich das, aber da war meine Ansprache schon zu Ende. Sonst wäre das wahrscheinlich mit mir runtergefallen. Das waren so Erlebnisse. Aber nachher ging das Polnische gut.

In den Versammlungen setzten sich die von der staatlichen Geheimpolizei hin und haben beobachtet und sich ihre Notizen gemacht. Wir wussten, dass sie das sind. Sie haben es unauffällig gemacht, nur am Ende haben sie geschlossen: „Ihr dürft das nicht mehr machen.“ Wir haben dann ein Buch Mormon hingebracht, weil sie meinten, das seien Amerikaner – und die waren ihnen ja verhasst. Sie meinten, dies sei eine amerikanische Sekte und die hat hier nichts zu suchen. Erich Konietz und eine junge Schwester sind dann hingefahren, haben das Gesangbuch und ein Buch Mormon mitgenommen. Die Heilige Schrift kannten sie ja, das war bei den Katholischen und den Evangelischen gleicht. Sie haben das Buch Mormon studiert und haben gesehen, dass wir nichts Feindliches machen und auch mit Juden nichts zu tun haben und dann haben sie uns das genehmigt. Sie kamen dann auch nicht mehr.

Präsident Benson hat uns 1946 besucht. Danach kam eine Spende von der Kirche in Selbongen an. Aber der Waggon konnte in Selbongen nicht halten bzw. konnte nicht abgekuppelt werden. Das war ein kleiner Bahnhof. Er musste nach Baranove ungefähr fünf Kilometer weiter. Da wurde er abgestellt und wir mussten ihn entladen. Wir hatten kein Fuhrwerk und nichts. Da haben wir den ganzen Waggon mit Handwagen entladen. Die ganzen Sachen wurden im Gemeindehaus abgeladen. Dann wurde es verteilt. Da waren diese karierten Röcke (Schottenmuster) ganz neu. Die sollten für den Chor und die ganze Jugend sein. Der Gemeindepräsident, Bruder Kruska, hat es den Polen gegeben. Damit es nicht so egoistisch ist, wenn es nur Mitglieder bekämen. Die schönen Röcke haben dann die Polenmädchen getragen, nicht die Mitglieder. Dann wurde alles noch verteilt, ich hatte eine Hose und ein paar Schuhe bekommen.