Matten, Interlaken, Kanton Bern
Mein Name ist Rolf Balmer, geboren am neunzehnten Mai 1943 in Matten bei Interlaken. Ich bin der zweitälteste von drei Brüdern. Ich kann mich sehr weit zurück an meine Kindheit erinnern. Noch als ich ein zwei Jähriges Kind war, kann ich mich schwach an das Dröhnen der amerikanischen Flugzeugbomber erinnern, die über uns hinweg nach Italien geflogen sind. Ebenso an die Sirenen, die dann geheult haben. Mitunter mussten die Bomber sich von ihrer Lasst erleichtern und einige Bomben fallen lassen, damit sie über die Berge hinweg kamen.
Ich gehöre der dritten Generation an, die der Kirche Jesu Christi angehört, behütet in meiner Familie. Meine Großmutter und mein Großvater väterlicherseits haben sich der Kirche Jesu Christi schon 1914 in Matten angeschlossen. Meine Familie selbst hat sehr viel Pionierarbeit geleistet was den Aufbau der Kirche hier betrifft. Mein Vater, Paul Balmer, hatte vier Brüder und eine Schwester. Mein Großvater Friederich Balmer ist frühzeitig gestorben als mein Vater war sieben Jahre alt. Wie es damals war, kamen sogleich die Behörden zu meiner Großmutter und sagten ihr: „Wir müssen ihnen die Kinder wegnehmen, sie können sie nicht alleine erziehen.“ „Wenn ihr das macht, bekommt ihr es mit mir zu tun, ich erziehe meine Kinder selber!“ Sie hat als allein stehende Mutter sechs Kinder aufgezogen. Sie hat in den umliegenden Hotels als Putzfrau gearbeitet. Mein Vater und seine Geschwister mussten alleine fertig werden in dieser Zeit. Als Mitglieder der Kirche wurden sie damals oft verfolgt. Wenn im Dorf Matten irgendetwas Negatives passiert war, hatten das immer die Mormonen Balmers getan. Es gab damals viele Anfechtungen gegenüber der Kirche, ja, Verfolgung. Aber sie haben es durchgestanden. Einer der Brüder meines Vaters ist mit zwanzig Jahren gestorben, was für die Familie ein schwerer Schlag war.
Die Verhältnisse im Berner Oberland waren damals sehr schlimm. Die Leute waren arm. Sie besaßen so gut wie nichts und hatten zum Teil auch keine Arbeit. Dies ist ein Grund, warum zwei der Brüder meines Vaters, Fritz Balmer und Alfred Balmer, im Jahr 1927 nach Salt Lake City im Staat Utah nach Amerika ausgewandert sind. Sie sagten zu ihrem Bruder, meinem Vater: „Paul, wenn du eine Familie hast, kommst du auch mit ihr nach Salt Lake City.“ Doch er sagt: „Ich muss nach unserer Mutter sehen, so lange sie noch lebt.“ Meine Großmutter ist dann Anfang der fünfziger Jahre gestorben. Mein Vater war da schon einige Jahre verheiratet mit meiner Mutter, geborene Emma Züricher. Mein Vater war sehr stark schwerhörig, und meine Mutter musste auf Grund dieser Schwerhörigkeit meines Vaters viele Dinge für ihn erledigen. Als dann meine Großmutter gestorben war, kam die Frage auf: „Gehen wir jetzt nach Amerika?“ Es war nämlich ein weiterer Bruder meines Vaters, Hans Balmer, mit seiner Familie nach Utah ausgewandert. Wir haben sie dabei mit der Eisenbahn bis Luzern begleitet. Die Abschiedsworte von Hans Balmer waren: „Paul, wenn die Mutter nicht mehr da ist, kommt ihr auch nach Amerika.“
Nachdem meine Großmutter verstorben war, haben wir uns entschlossen nach Amerika zu gehen. Wir hatten alles vorbereitet und ich hatte mich in der Schule schon verabschiedet, als mein Vater krank wurde und versuchte mit seiner Krankheit fertig zu werden. Es gab keine Krankenversicherung und das Geld war knapp. Meine Mutter musste mit Waschen und Bügeln das Geld für den Unterhalt der Familie verdienen. Wir Kinder mussten auch mitarbeiten und mithelfen im Haushalt. Unter diesen Umständen wurde die Absicht nach Amerika auszuwandern begraben. Später wurde bekannt gegeben, dass ein Tempel in Zollikofen gebaut werden wird. Das hat dann auch den Ausschlag gegeben, dass wir in der Schweiz geblieben sind. Zu dieser Zeit war das Leben noch sehr schwierig.
Als Knabe bin ich in der Schule, weil ich ein Mitglied der Kirche war, häufig gehänselt worden. Ich bin von den Lehrern, wenn ich etwas nicht gewusst habe, aus diesem Grund sogar geschlagen worden. Wenn wir gesungen haben, hat der Lehrer gesagt: „Wir singen hier korrekt und nicht wie ein Mormonen-Chor.“ Das hat mich sehr berührt und gekränkt und ich war wütend. Die Mitschüler haben mich gehänselt und auch schlagen wollen, aber ich war damals schon groß und kräftig und sie haben sich nicht an mich herangetraut. Meine Brüder waren von Gestalt geringe und mussten oft Schläge hinnehmen. Eines Tages, als der Lehrer mich wieder wegen der Kirche gehänselt hatte, bin ich nach Hause gegangen und habe zu meiner Mutter gesagt: „Ich gehe nicht mehr zur Schule, der Lehrer hänselt mich wegen der Kirche.“ Meine Mutter hat mich an die Hand genommen und gesagt: „Komm, wir gehen zur Schule.“ Sie hat den Lehrer vor den Kindern über die Kirche belehrt und ihm auch erklärt, wie man sich bei Kindern verhält, die Mitglieder der Kirche Jesu Christi sind. Von dieser Zeit an hat mich der Lehrer nie mehr geschlagen, sondern war immer freundlich zu mir und alles, weil meine Mutter den Mut gehabt hat dem Lehrer eine hilfreiche Lektion zu erteilen. Das waren die Umstände damals als Knabe. Das hat sich ja dann alles gebessert. Im Jahre 1959 wurde mein Vater gefragt, ob er mit seiner Familie nach Zollikofen ziehen wolle, um dort auf dem Tempelgrundstück als Gärtner unter der Leitung des damaligen Tempelpräsidenten Walter Trauffer zu arbeiten. Wir haben dann unser Haus verkauft, und die Familie ist nach Zollikofen gezogen. Ich bin noch ein weiteres Jahr in Matten geblieben, um meine Ausbildung als Elektromonteur dort abzuschließen. Meine Jugend hat dann einen anderen Verlauf genommen. Zollikofen war eine neue, junge Gemeinde und die Mitglieder kamen aus ganz Europa nach Zollikofen, um den Tempel zu besuchen. Für meine Brüder und mich war das sehr attraktiv und das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche wurde noch viel intensiver.
In Interlaken, als ein jugendliches Mitglied der Kirche aufzuwachsen, war eine herrliche Zeit. Das Leben in der Gemeinde Interlaken, das war eigentlich unser Leben. Es gab kein Fernsehen, es gab die Kirche. Alle Aktivitäten der Kirche waren maßgebend für unsere Unterhaltung, und sie gaben unserem Leben Richtung. Es gab die verschiedensten Programme, GFV, FHV-Basar, Theater wurde gespielt und so weiter. Das war es, was uns an die Kirche gebunden hat. Es gab sehr viele Jugendliche, und wir hatten gute Lehrerinnen/Lehrer. Besonders hervorzuheben ist die Schwester Martha Maurer, verheiratete Ruf. Wie schon erwähnt, unser Leben außerhalb der Familie und der Schule war durch die Kirche geprägt. Mein Leben hat dann in Zollikofen einen anderen Verlauf genommen. Mit achtzehn Jahren wurde ich als GFV-Präsident berufen. Das war meine erste große Berufung in der Kirche, in der ich sehr viel gelernt habe, was mir in den vielen folgenden Berufungen sehr geholfen hat.
Mit zwanzig Jahren hatte ich meinen Militärdienst geleistet und ich wollte gerne auf eine Mission gehen, was damals noch nicht selbstverständlich war. Zu meinem Gemeindepräsidenten habe ich gesagt: „ Ich möchte gerne auf eine Mission gehen.“ Da die Missionare immer bei uns zu Hause waren, hatte sich bei mir schon als junger Bursche der Wunsch eingestellt, einmal auf Mission gehen zu wollen. Der Gemeindepräsident meinte ich wäre alt genug und könne die Formulare für die Mission selbst ausfüllen. Ich habe also meinen Missionsantrag selbst gestellt und wurde dann nach England in die Südwest-Britische Mission berufen. Ich konnte kein Englisch. Zu der Zeit gab es noch kein Sprachtrainingscenter und auch kein Seminar oder Institut, wo Sprachkenntnisse vermittelt wurden. Ich bin dann nach England gereist, von dort ins Missionsheim und die Verständigung geschah anhand eines Wörterbuches. Mein Missionspräsident hat mir einen Segen gegeben, in dem mir verheißen wurde, dass ich die englische Sprache erlernen würde und es für mich auch kein Problem darstellen würde.
In den zwei Jahren meiner Mission habe ich in den verschiedensten Städten von Südwest England gedient. Dank meines Bass-Stimme hatte ich die Gelegenheit im so genannten „Mormon Missionary Choir of England“ mitzusingen. Wir sind für ca. ein halbes Jahr tagtäglich in unserer Mission umhergereist uns haben die Menschen mit unserem Gesang mit der Kirche bekannt gemacht. Unser Missionspräsident hat uns begleitet und im Anschluss des Konzerts, jeweils Zeugnis über das Wahre Evangelium gegeben. Die örtlichen Missionare hatten immer viele Untersucher und Interessierte dazu eingeladen, und wir hatten großen Erfolg damit. Zur gleichen Zeit hatte ich die Gelegenheit in einem weiteren Chor mitzusingen. Unser musikbegeisterter Missionspräsident hatte einen Mitglieder-Missionarschor bestehend aus 250 Mitgliedern und 100 Missionaren gegründet. Es wurde auch eine Langspielplatte mit dem Chor aufgenommen, und wir waren sehr erfolgreich damit. Das sind die hervorstechenden Erlebnisse von meiner Mission.
Wieder zu Hause war ich nicht mehr in der Lage, meine erste Ansprache in einwandfreiem Deutsch zu geben. Ich habe dann auf Englisch gesprochen, und einer der Missionare musste übersetzen. Ich wurde dann sofort in den Distriktsrat als Missionsbeauftragter berufen, um von Gemeinde zu Gemeinde zu reisen, um dort das Mitgliedermissionsprogramm vorzustellen und erklären, wie Mitglieder mit den Missionaren zusammen arbeiten sollten. Ich war einige Jahre im Distriktsrat tätig und noch nicht verheiratet. Ab und zu habe ich gefehlt, weil ich andere Gemeinden besucht habe, mitunter sogar in Deutschland, um Freundschaften zu knüpfen. In der Gemeinde Zürich habe ich dann Fiona Schlägel kennen gelernt. Wir haben uns dann sehr oft getroffen und 1972 haben wir Tempel in Zollikofen geheiratet. Wir haben vier Töchter, die natürlich auch in der Kirche aufgewachsen, sind und deren Leben auch durch das Evangelium geprägt wurde.
Ich bin jetzt pensioniert und fünfundsechzig Jahre alt und war in meinem bisherigen Leben immer in der Kirche tätig. In der Gemeinde Zollikofen war ich fünfeinhalb Jahre Bischoff. Davor war ich Ratgeber in der Distriktspräsidentschaft und habe den Pfahl Bern mit gegründet. Nach meiner Berufung als Bischof wurde ich als Hoher Rat des Pfahles Bern berufen. Wenn ich die Zeiten zusammen zähle, die ich im Distrikt oder im Pfahl tätig war, dann sind das über dreißig Jahre.
Das Beispiel meiner Eltern während meiner Kindheit, meine Mission und die langjährige Tätigkeit in der Kirche, haben mein Leben im positiven Sinne geprägt, wofür ich sehr dankbar bin.
Sehr geehrter Herr Balmer
Auf der Suche nach einer persönlichen Lösung bzgl. Reise nach SLC ende September 2015 stiess ich auf Ihren Lebensbericht, der mich sehr berührte. Habe ich als 1941 in der damaligen Tschechoslowakei geborene und dann 1945 ausgebombtes Kleinkind doch viel Ähnliches erlebt.
Ich komme mit einem Anliegen auf Sie zu und bitte Sie, mir zu helfen.
Ich suche in der Woche 39, also vom 21. – 26. 2015 eine Ansprechperson der Mormonenkirche, die mir helfen könnte ( meine Englischkenntnisse sind mangelhaft) mich in SLC zurechtzufinden. Komme zur Beisetzung meiner Mutter nach SLC.
Ist meine Bitte verwegen?
Ich interessiere mich sehr für den Tempel, den Tabernakel und auch die ganze wunderschöne Anlage, die zum Gebiet des Tempels gehört.
Durfte einmal den Tabernakelchor life in SLC erleben und war sehr angetan und begeistert.
Darf ich Ihnen meine Telefonnummer geben, würden Sie mich bitte in Spiez anrufen, ich wäre Ihnen zutiefst dankbar.
Mit freundlichen Grüssen Renate Schaller 3700 Spiez,Tel. 033 841 02 73, oder Natelnr.
079 360 47 49