Audinischken, Angerapp-Goldap, Ostpreußen
Ich heiße Edeltraut Bruhn, geborene Kempers, und bin am 15.Dezember1933 in Audinischken, Kreis Angerapp-Goldap, Ostpreußen, geboren. Das ist ein kleines Dorf in Ostpreußen mit zweiundzwanzig Einwohnern und ist in der Nähe von Goldap, das war die nächste Stadt. Eigentlich gehörten wir zum Kreis Angerapp.
Mein Vater heißt Franz Kempers und meine Mutter Emma Anna Kempers, geborene Karasch. Ich hatte noch vier Geschwister. Wir lebten in dem Dorf friedlich und glücklich und hatten unser Auskommen.
Bei uns sind die Soldaten schon vor 1939 durchmarschiert. Meine Mutter hatte sie noch bewirtet. Wir wussten gar nicht, was die da sollten. Sie sind zur polnischen Grenze gezogen und haben auf den Befehl gewartet. Deswegen kamen die Deutschen so schnell voran, weil alles schon vorbereitet wurde, obwohl noch gar kein Krieg war.
In den Anfangskriegsjahren lebten wir noch ziemlich ruhig. 1944 rückte die Front näher. Da merkten wir, dass es ernst wird. Wir durften aber nichts packen, das war verboten. Wir wären Kriegsverräter gewesen. Meine Eltern haben aber heimlich doch etwas vergraben. Dann kam es doch ganz plötzlich und wir sollten innerhalb von zwei Stunden westwärts ziehen. Meine Schwester war zur Entbindung zu Hause. Das Kind war erst ein paar Wochen alt und sollte nicht mit dem Pferdewagen fahren. Ein Soldat hat sie dann mit dem Pkw zu ihrer Wohnung gefahren, die dreißig Kilometer weiter in Richtung Westen lag. Ich sollte mitfahren und ihr ein bisschen behilflich sein. Das habe ich auch getan. So sind wir Ende Oktober 1944 fortgezogen. Wir wurden gleich weiter evakuiert, Frauen mit kleinen Kindern. Meine Eltern sind nachgekommen.
Eine Weile war es ruhig, bis zum 7. Januar. Wir waren in das Ermland evakuiert. Dann kamen die Russen. Wir mussten weiter und fuhren zum Teil mit Wagen, die Verwundete transportiert haben, oder mit dem Kinderwagen, geschoben und gezogen. Es war Winter und bitterkalt. Damals hatte man nicht solche Kleidung, wie man sie heute hat. Wir sind bis nach Schönwalde gekommen. Meine Schwester war auf einem Wagen, das Baby hatte Hunger und schrie. Sie konnte es doch nicht auf dem Wagen stillen. Das Baby hat sich wohl in Rage geschrien, schwitzte und hat sich erkältet. Am Morgen war es putzmunter und am Abend hatte es Lungenentzündung und ist gestorben. Das war mein schlimmstes Erlebnis. Manche sagten, warum die Frau weine, das Kind sei doch aufgehoben. Damals wusste ich nicht, wo das Kind hinkommt, ich war ja noch kein Mitglied. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich auch gesagt: „Es hat es überstanden.“
Als das Baby noch da war, sind wir in einer Kolonne von drei Wagen gefahren. Auf einem waren der Kinderwagen und wir und auf dem anderen Wagen war unser Gepäck. Dann kamen die Tiefflieger und es wurde Phosphor auf die Straße geworfen. Es brannte, die Pferde scheuten und gingen durch. Wir hatten nichts mehr, nur das, was wir auf dem Leib hatten. Das Gepäck war weg. Aber wir lebten und waren froh darüber.
Nachdem das Baby tot war, waren meine Schwester und ich alleine und auch etwas beweglicher. Wir sind dann weitergegangen bis zur Frischen Nährung. Das war der einzige Ausweg aus Ostpreußen. Meine Schwester war nun nicht mehr Mutter eines kleinen Kindes, die bevorzugt wurde. Es war schwer, einen Platz auf dem Schiff zu bekommen. Da waren sieben, acht Minensuchboote, auf dem blinde Passagiere mitfahren konnten. Auf einem Boot bekam meine Schwester Plätze für uns. Die Minensuchboote fuhren los mit dem Ziel Insel Rügen. Dort sind wir aber nie angekommen, weil alle Schiffe kaputt gingen, außer unserem. Ich sah einen Feuerschein am Himmel und dachte mir, was das wohl sein könnte. Damals habe ich auch nicht gefragt, aber ich habe erfahren, dass die Boote alle auf Minen gelaufen seien, bis auf unser Schiff. Aber alle Maschinen waren kaputt und es konnte nicht mehr fahren. Man hat Notsignale geschossen. Da man aber dachte, dass das der Russe sei, machten alle einen weiten Bogen um uns. Wir standen drei Tage und drei Nächte auf See, bis ein mutiges Schiff kam, uns in Schlepptau nahm und wieder zurück nach Gotenhafen fuhr. Wir waren dann in einem größeren Hafen und galten als Schiffsbrüchige. Wir hatten die Aussicht, später eine Schiffskarte zu bekommen. Aber das war schwierig. Alle drängten sich und hatten Karten. Meine Schwester hat geschummelt. Sie hat sich dazwischen gedrängt und gesagt: „Traute, komm mit, komm mit!“ Sie hat schon gesehen, dass es schlecht war, rüber zu kommen.
Meine Eltern waren zu dieser Zeit irgendwo auf der Flucht. Wir wussten nichts von ihnen. Meine Schwester ist elf Jahre älter als ich, sie heißt Hildegard.
In der Schlange haben wir jemand gesehen, er hatte einen Rucksack und darauf stand ein Name vom nächsten Dorf von uns. Wir wollten uns gerade unterhalten, da kam jemand und sagte, dass hier vor uns Schluss sei. Mehr könnten nicht auf das Schiff drauf. Meine Schwester rief: „Nein, nein, meine Tante ist da, wir müssen mit!“ Sie hat mich mitgezogen und wir kamen gerade noch mit auf dieses große Schiff, das Potsdam hieß. Es fuhr von Gotenhafen nach Dänemark. Nur im Hafen wurden wir ein bisschen beschossen, aber die Flak war da und hat das abgewehrt. So sind wir gut nach Kopenhagen gekommen. Das war kurz vor Ostern und für uns war der Krieg zu Ende. Dort waren wir geschützt.
Wir kamen in ein Hotel, das voll mit Flüchtlingen war und alle waren verlaust. Wir wurden aber gut bewirtet. Das war noch vor der Kapitulation. Wir bekamen gutes Essen und jeden Tag eine halbe Øre (ungefähr fünfzig Cent) als Taschengeld. Ich habe mir Schlagsahne dafür gekauft. Wir merkten nichts mehr vom Krieg.
Wir waren dreieinhalb Jahre in Dänemark. Erst waren wir in Kolberg, das ist in der Nähe von Esbjerg, eine größere Stadt. Danach sind wir noch nach Kolding gewechselt. Dann kamen wir in den Norden, nach Frederikshavn. Wir waren in Lagern. Gegenüber den Leuten, die hier nach dem Krieg waren, ging es uns blendend. Als Vierzehnjährige ist man hungrig und konnte immer essen. Wenn ich nach Hause kam fragte ich: „Was gibt es heute?“ „Graupensuppe.“ Das waren Kälberzähne, also nichts drin. Immer Graupensuppe. Aber man hat es gegessen, weil man Hunger hatte. Wir hatten ja noch etwas zu essen, während die in Deutschland manchmal nichts hatten.
Ich hätte schnell zu meinen Eltern kommen können und habe auch gesagt, dass ich nach Hause möchte. Meine Schwester wollte das nicht, sie wollte, dass wir beide gemeinsam rüber fahren. Ich habe gewartet. Meine Schwester hat immer ein bisschen Schmu gemacht. Es war schwierig, in den Westen zu kommen. Sie hat dann eine Adresse von einem Mann bekommen. Sie kannte ihn nicht. Er war in Westdeutschland. Durch ihn sind wir rausgekommen. Meine Schwester hat angegeben, dass wir in Westdeutschland Wehrmachtsangehörige haben.
Meine Eltern waren nach Schleswig-Holstein, Kreis Rendsburg, geflüchtet. Sie wohnten ein bisschen ländlich und haben sich gut durchgeschlagen. Meine Eltern wussten wo wir waren und wir wussten auch wo sie waren. Eigentlich durften wir nicht zu den Eltern fahren, weil wir in einem Lager waren. Das musste erst alles bürokratisch geregelt werden. Nach dreieinhalb Jahren hat das geklappt. Die Städter hier hatten auch nicht viel zu essen. Mein Vater war sehr fleißig und meine Mutter auch. Sie wohnten in einem Dorf mit nur drei Einwohnern? Eine Bauersfrau hat alleine gewirtschaftet und konnte Hilfe gebrauchen. Meine Mutter war es gewöhnt, in der Landwirtschaft zu arbeiten und hat ihr geholfen. Dadurch bekamen wir manchmal Milch und viel Gutes von ihr. Die Bauern hatten Kartoffeln angebaut. Wenn der Bauer vom Feld fuhr, durften die Flüchtlinge nachstoppeln, dass hieß, mit der Hacke nachsehen, ob noch Kartoffeln da waren. So haben wir überlebt. Wir haben die Kartoffeln gekocht und Bratkartoffel gemacht. Das war eine große Hilfe nach dem Krieg.
Obwohl dort große Bauern waren, hat mein Vater die meisten Kirchensteuern gezahlt. Wir hatten eine kleine Landwirtschaft. Im Ganzen hatten wir siebzehn Hektar Land. Eine Hälfte hatte er verpachtet und die andere Hälfte hat er bewirtschaftet. Wir hatten ein Zwölf-Familienhaus in der Stadt Goldap. In Schleswig-Holstein waren wir bekannt und dort haben sie es ins falsche Ohr bekommen und gesagt: „Kempers hatten zwölf Häuser in Ostpreußen.“ Wir haben uns darüber lustig gemacht. Einmal wurde meine Schwester von einem Polizisten angehalten, weil sie nicht richtig gefahren sein soll. Er hat ihr gesagt: „Sind sie die Tochter von den Kempers mit den zwölf Familienhäusern?“ Meine Schwester sagte: „Zwölf hat er nur noch, hat er schon wieder eins verkauft?“
Alles ist verloren gegangen. In unserem Haus, in dem wir gewohnt haben, hat noch ein Pole gewirtschaftet. Mein Bruder ist einmal dahin gefahren und hat auch mit ihnen gesprochen. Sie waren so freundlich und sie haben noch korrespondiert. Die Briefe kamen immer öfter. Sie wollten in den goldenen Westen, wollten eine Wohnung und Arbeit haben. Das konnte mein Bruder ihnen nicht beschaffen und da hat er das einschlafen lassen. Mein Bruder war damals fünfzehn oder sechzehn. Er ging in Angerapp zur Oberschule. Er wurde von der Schule zur Front geschickt. Er hat den Krieg überlebt. Er kannte auch die Adresse von der Tante und ist zu ihr nach Berlin getrampt. Dort hat er eine Weile gewohnt.
Mein Vater war schon über sechzig und wurde zum Volkssturm eingezogen. Von dort ist er weggegangen. Er war kein Mitglied der Partei und hatte dadurch einige Nachteile. Zum Schluss hat er Schadensersatz haben wollen. Dann ging das Leben eigentlich ganz normal weiter. Die Eltern haben für uns gesorgt, ich ging zur Schule. Als ich fertig war, habe ich eine Stelle angenommen. Sprechstundenhilfe war damals kein Lehrberuf. Mein Vater wollte, dass das als Lehrberuf anerkannt wird. Er hat meinem Chef zugesetzt, aber er konnte auch nichts machen. Nach dreieinhalb Jahren wurde es mir zu langweilig. Immer die gleichen Patienten. Man war mit in die Familien eingebunden und bekam einmal das zu hören und dann wieder das. Der Chef sagte dann: „Sie wussten das alles und haben es mir nicht erzählt.“
Ich habe mir in der Zeitung die Annoncen angesehen und habe im Ruhrgebiet eine schöne Stelle in der Psychiatrie gefunden. Anfangs bekam ich auch gleich viel Geld. In Holstein habe ich dann meinen Mann kennengelernt. Er wohnte im Ruhrgebiet und das zog mich wohl von Norddeutschland weg.
Als ich ausgelernt hatte, haben wir geheiratet. Mein Mann heißt Wilhelm Bruhn. Ich war fünfundzwanzig, als ich geheiratet habe. Im Ruhrgebiet wohnten wir eine kurze Zeit in Gelsenkirchen. Dann kam ein Baby und ich musste aufhören zu arbeiten. Wir bekamen dann in Herne eine Wohnung. Die Zeche in Gelsenkirchen wurde geschlossen und mein Mann wurde versetzt. Wir konnten uns aussuchen, wohin wir gehen wollten. Wir haben uns für Herne entschieden.
Als dann vier Kinder da waren, wurde die Wohnung zu klein. Wir brauchten eine größere Wohnung und fanden eine sehr große in einer Villa. Da auch wir rechnen mussten, dachten wir, dass wir von den vielen Zimmern eines vermieten könnten. Mein Mann sagte noch: „Willst du dir so ein paar lose Vögel reinsetzen, das ist gefährlich mit dem Vermieten.“ Ich dachte mir, dass ich die Finger davon lassen sollte. In der Zeitung habe ich gelesen, dass zwei junge Männer eine Wohnung oder ein Zimmer suchen, Nichtraucher, Nichttrinker. Ich dachte mir, dass das Mormonen seien. Die wollte ich nehmen. Ich habe angenommen, dass das Mormonen seien, weil man ja schon etwas von ihnen gehört hatte. Wir haben ihnen geschrieben, sie kamen und haben sich die Zimmer angesehen und waren bald drin. Sie waren sehr nett und wir haben uns mit ihnen unterhalten. Aber sie haben mich nie zur Kirche eingeladen. Dabei habe ich darauf gewartet, dass sie mich zur Kirche einladen. Alles Mögliche haben sie gefragt, aber zur Kirche haben sie mich nicht eingeladen. Eines Tages hielt ich das nicht mehr aus und fragte sie, ob ich mit zur Kirche kommen dürfte. Denen fiel fast der Hut vom Kopf und sie sagten: „Ja!“ Ich bin mitgekommen und es gefiel mir. Ich hatte ihnen ein Weihnachtsgeschenk gemacht und sie hatten mir ein Buch Mormon geschenkt. Darin hatte ich auch schon ein bisschen gelesen.
Einmal hatte ich große Probleme. Ich war richtig niedergeschlagen und bedrückt. Ich wusste gar nicht mehr, was ich machen sollte. Gebetet hatte ich auch schon. Die Missionare waren nicht da und ich wurde so gedrängt, nach oben in das Missionarszimmer zu gehen. Dort musste ich immer den Ofen heizen, so alle zwei Stunden etwas nachlegen. Aber ich musste eigentlich erst in einer Stunde etwas nachlegen und dachte mir, was ich denn jetzt da oben soll. Ich kam in das Zimmer und es wurde richtig hell in mir und ich fragte mich, woher das komme, vielleicht von den superklugen Büchern, die hier sind? Ich schaute auf das Bett des einen Missionars und da lag ein Liahona. Das Titelbild war von vier Tempelarbeitern. Junge, mittel und ältere Leute. Sie strahlten eine Fröhlichkeit aus, das Gegenteil von mir. Ich musste erfahren, was die dort machen. Ich nahm den Liahona mit nach unten und habe in von A bis Z durchgelesen.
Mein Mann hat gesagt: „Ich habe dir Bücher gegeben, die du lesen solltest. Die hast du nach vier Seiten weggelegt. Die haben dich nicht interessiert. Und jetzt hast du diese Mormonen-Bücher und gibst sie gar nicht mehr aus der Hand.“ Die waren für mich so ansprechend und so interessant, dass ich nach fast jedem Satz sagen konnte: „Das ist wahr! Da hast du endlich die Wahrheit gefunden.“ Ich war evangelisch. Ich habe dann auch die Versammlungen besucht. Eines Nachts hatte ich wirklich eine Kundgebung vom Heiligen Geist, obwohl ich ihn noch nicht empfangen hatte. Der Heilige Geist war so stark, die ganze Nacht über wurde ich belehrt. Ich lag im Bett und wurde belehrt, über Dinge, über die ich mir früher den Kopf zerbrochen habe, wenn ich die Bibel gelesen habe. Damit kam ich einfach nicht weiter. Mir wurde so vieles erklärt. Das war wie ein Puzzlespiel. Eines reihte sich an das andere. Und ich wusste, ja, das ist es! Ich konnte gar nicht mein Taufdatum abwarten
Mein Mann hat das auch alles mitbekommen. Zum Beispiel in dieser Nacht. Er lag im Bett daneben und ich habe ihn gefragt: „Hast du heute Nacht nichts bemerkt?“ Ich dachte, dass der Heilige Geist auch bei ihm gewesen sei. Aber er hat nichts gemerkt. Ich sagte ihm, dass ich die ganze Nacht wachgelegen habe und belehrt wurde. Er meinte: „Wenn das jetzt schon so anfängt, dass du die ganze Nacht wach liegst, was soll denn erst später werden?“ Er war hin und her gerissen. Er hat einmal mit den Missionaren gebetet, als wir belehrt wurden. Er hatte ein leichtes Zeugnis, das habe ich gemerkt. Am anderen Tag kam ein Brief von seiner Mutter und hat ihren Besuch angemeldet. Sie hatte uns fünf Jahre nicht besucht. Ich wusste sofort, dass jetzt alles aus ist. So war es auch. Als die Schwiegermutter wieder weg war, hat er gesagt: „Ich hätte mich beinahe taufen lassen, aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe.“ Ich habe mich am 20. Dezember 1969 hier in Herne taufen lassen.
Mein Mann ist 1997 ganz plötzlich gestorben. Insgesamt haben wir zehn Kinder. Sie sind alle getauft, aber geblieben sind nur der Hans und die Bärbel. Hans ist nicht der Älteste und nicht der Jüngste. Der Professor im Krankenhaus hat mich aufgezogen und gesagt: „Was soll denn das jetzt werden?“ Ich sagte: „Das ist bei mir eingeteilt, zwei Mädchen, zwei Jungen, zwei Mädchen, zwei Jungen, zwei Mädchen, zwei Jungen.“ Zum Schluss sagte er: „Jetzt ist doch ein Mädchen dran.“ Da habe ich gesagt: „Irgendwann muss einmal Schluss sein.“ Also, fünf Mädchen und fünf Jungen. Zwei Jungen waren auf Mission. Einer davon kommt nicht mehr zur Kirche und führt auch nicht mehr das entsprechende Leben. Er tut aber auch etwas Gutes. Er hat eine Tochter. Da die Mutter weggegangen ist, hat er die Tochter alleine großgezogen. Leider ist Alkohol im Spiel.
Mein Sohn Hans war in der Pfahlpräsidentschaft und ist jetzt Bischof im Herne. Ein Sohn, Andreas, ist schwer psychisch krank. Er ist in Holstein. Neulich habe ich im Zeugnis gesagt, dass ich mich nicht damit abfinde, dass das eine Krankheit sein soll, die er sein Leben lang haben muss. Jesus Christus hat Tote aufgeweckt und so viele Kranke geheilt und er hat die Erde erschaffen. Wenn ich ihn bitte und wenn er das möchte, kann er auch einen Kranken heilen.
Ja, es gibt Zeiten in meinem Leben, in denen ich die Hand Gottes gespürt habe. Einmal auf der Flucht sind wir an eine Weggabelung gekommen. Ein Weg ging links und einer rechts. Meine Schwester fragte, welchen Weg wir gehen sollen. Ich sagte ganz spontan: „Rechts.“ Rechts gingen meistens Soldaten und links die Flüchtlinge. Wir sind rechts gegangen. Als wir abends in das Dorf kamen, hörten wir, dass die Flüchtlinge, die links gegangen sind, den Russen in die Arme gelaufen seien. Der Russe war früher da als die Flüchtlinge. Anfangs waren die Russen sehr wütend, verständlicherweise. Da sind sehr viele Grausamkeiten geschehen.
Ein anderes Mal in Gotenhafen haben wir in einem Kino übernachtet. Da lagen wir wie die Heringe aneinander auf dem Boden. Zwei Leute haben sich gestritten. Ich habe mich gewundert und dachte, wie die sich in dieser Situation streiten können um Zentimeterplatz. Ich schlief ein. Bald darauf weckte mich meine Schwester und sagte: „Komm, lass uns weitergehen.“ Wir sind dem Berg runtergegangen und sie sagte: „Schau dich einmal um.“ Da brannte das Kino lichterloh. Da habe ich auch die schützende Hand gemerkt. Das habe ich erst im Nachhinein verstanden.
Sehr geehrte Frau Bruhn, ich habe Ihren Bericht im Intersse gelesen. Meine Mutter hat auch in Audinischken gewohnt. Geboren wurde sie in Schlesien, ist aber als Baby schon nach Ostpreussen gekommen. Sie heißt ebenfalls Edeltraut und ihr Nachname war Seifert, geb. wurde sie 1934 Sie hat in Audinischken bei Ihrer Großtante und -onkel gewohnt. Sie ist in Rogahlen zur Schule gegangen und musste im Oktober 1944 flüchten. Wir waren mal zusammen vor ein paar Jahren dort und haben die Heimat besucht. Es war sehr schön und auch interessant. Vielleicht melden Sie sich mal bei mir. Ich würde mich freuen.
Frohe Weihnachten wünscht Heike Bartsch