Kapfenberg, Steiermark, Österreich

Mormon Deutsch Charlotte CsehMein Name ist Charlotte Cseh, geborene Schläger. Ich bin am 10 Februar 1930 in Kapfenberg, Steiermark in Österreich geboren. Mein Vater hieß Rudolf Geret Schläger und meine Mutter Maria Kastovsky.

Vor vielen Jahren entschloss sich ein junger Mann aus Schlesien (mein Großvater) nach Wien zu gehen, um sich dort eine Zukunft aufzubauen, was ihm auch sehr gut gelang. Er war nämlich von großer und stattlicher Gestalt. Diese Männer suchte man bei der kaiserlich-königlichen Leibstandarte und er wurde auf der Stelle aufgenommen. Meine Großmutter hingegen stammte aus Böhmen und hat sich als junges Mädchen in Wien als Köchin bewährt. Es ist nicht viel Zeit verstrichen, bis die beiden sich kennen- und lieben lernten und schon nach kurzer Zeit heirateten. Nun galt es eine geeignete Stellung zu finden, die eine Familie versorgen konnte. Da mein Großvater auch ein guter Schlosser war, siedelten sie nach Kapfenberg, wo er bei den Böhlerwerken aufgenommen wurde. Die Familie wuchs und ihr entstammten fünf Kinder, wovon eines meine Mutter war. Sie fand ihren Ehemann auch in Kapfenberg. Auch dieser Ehe entstammten vier Kinder, ich selbst war das Älteste. Unsere Eltern unternahmen viele Wanderungen mit uns und oft verbrachten wir den Urlaub auf der Alm, wo wir sehr glücklich waren. Dann kam der entsetzliche Krieg und alles geriet aus den Fugen. Mein Vater musste einrücken und Mutter stand mit uns Kindern alleine da.

Da die Böhlerwerke in Kapfenberg ein Rüstungsbetrieb war, hatten wir viel durch die Bombenangriffe zu leiden. Nachts heulten die Sirenen und ich saß oft zitternd am Bettrand und es fiel mir schwer, mich anzuziehen. Einmal war meine Mutter mit uns unterwegs, als Tiefflieger kamen und auf die fliehenden Menschen schossen. Meine Mutter hatte das jüngste Kind im Kinderwagen und konnte deshalb nicht so schnell laufen. Sie rief uns zu — wir sollten uns beeilen um in den Stollen zu kommen. Um diesen Gefahren zu entgehen, wurden wir nach Niederwölz evakuiert. Dort trug sich Folgendes zu: Die FLAK schoss auf die feindlichen Flugzeuge und ein Flugzeug stürzte dabei ab. Es fiel auf einen großen Acker. Als der Alarm vorbei war, besahen wir das abgestürzte Flugzeug mit dem toten Piloten. Uns überkam dabei das Mitleid, weil er als junger Mensch sein Leben lassen musste und eine Mutter daheim auch über ihn weinte. Wir pflückten Blumen und legten sie zur Unglücksstelle.

Der Schrecken des Krieges beschränkten sich nicht nur auf Angst sondern wir litten vor allem viel Hunger. Die Lebensmittelkarten mit den Brotmarken waren allzu schnell aufgebraucht. Einmal gab es im Brot verbranntes Mehl vom Bäcker und selbst dafür haben wir uns in Schlangen angestellt.

Nach über sieben Jahren ging endlich der Krieg zu Ende. Das große Aufatmen begann. Damals war es für mich als noch junges Mädchen eine schwere Zeit, zumal die Geschäfte geplündert waren und es schwierig war ordentliche Arbeit zu finden. Ich hatte den Segen in einer Kunstkeramik Arbeit zu finden, zumal mir die Arbeit dort Freude machte. Damals lernte ich meinen späteren Ehemann kennen und wir hatten uns mit viel Mühe einen Hausstand gegründet. Unserer Ehe entstammte eine Tochter.

In den Jahren danach bis 1955 war unser Land von den Siegermächten besetzt. 1957 trug sich Folgendes zu: Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage klopften an unsere Türe und wir ließen uns belehren. Ich war zu dieser Zeit katholisch und es fiel mir nicht leicht, meinen Glauben, all meine Generationen abzulegen. Mich beeindruckte im Buch Mormon eine Schriftstelle in der hervorging: „Ihre Stimmen werden aus dem Staube murmeln: „Ich verglich Schriftstellen mit dem Buch Jesaja und fand wunderbare Parallelen zum Buch Mormon. Der Geist hatte mich belehrt und ich ließ mich nach sechs Wochen taufen. Schwester Holota und ich waren die ersten Täuflinge in der heutigen Gemeinde Bruck, die damals in Kapfenberg war. In den darauffolgenden Jahren hatten wir unsere Sonntagsversammlungen auch teilweise in privaten Wohnungen abgehalten bis wir in der Schinitz in Kapfenberg die nötigen bescheidenen Räumlichkeiten bekamen. Mein Gatte hat sich der Kirche nie angeschlossen.

Nach dem Tod meines Mannes war ich zum ersten Mal im Tempel. Diese Arbeit hat mir letztlich so große Freude bereitet, dass ich in kurzen Abständen immer wieder das Haus des Herrn besuche. Meine Zeitreise geht nun dem Ende zu und ich bin glücklich der Kirche des Herrn anzugehören.