Zwickau, Sachsen

Mormon Deutsch Eva Maria DonnerMein Name ist Eva Maria Donner, geborene Grossmann. Ich bin in Zwickau geboren, wo mich meine Mutter, wegen eines Unfalls, den sie zwei Jahre zuvor gehabt hatte, mich zur Welt gebracht hatte. Aufgewachsen bin ich in Hohenstein-Ernstthal in Sachsen. Meine Mutter wurde 1925 getauft. Alle meine Großeltern waren schon zuvor Mitglieder. Mein Vater war kein Mitglied, aber er hat nie etwas dagegen gehabt, dass wir zur Kirche gingen, im Gegenteil.

Während des Krieges, als ich dann aufwuchs, habe ich viele Missionare kennen gelernt, die dann zu uns kamen. Das Schöne an der Sache war, wenn ich vorgreifen soll, als meine Mutter und wir ins Haus hier in Salt Lake City eingezogen sind, kam der Bischof Sommerhays in unser Haus. Meine Mutter sagte: ”Den Namen kenne ich doch“. Und das war der Bruder von dem Missionar, der meine Mutter 1925/26 getauft hatte.

Wir sind als Kinder immer zur Kirche gegangen. Wir haben keine andere Kirche kennen gelernt, dort sind wir aufgewachsen und tätig gewesen. Im Krieg hatten wir keine Schwierigkeiten. Hohenstein-Ernstthal war eine kleine Stadt. Drei Tage, bevor der Krieg zu Ende war, sind wir noch mal bombardiert worden, aber leicht. Meine Mutter wollten sie noch einmal verhaften zwei Tage, bevor der Krieg zu Ende ging, weil sie gesagt hat: “das amerikanische Militär kommt, “ das hätte sie nicht sagen sollen, da war sie auf der schwarzen Tafel, so zu sagen. Aber drei Tage später kam alles anders. Nach dem Krieg, als er vorbei war, hatten wir unsere Versammlung. Es war tatsächlich nur noch mein Großvater, mein Onkel und andere Verwandte. Männliche Priestertumsträger hatten wir gar nicht. Es war tatsächlich nur meine ganze Verwandtschaft in der kleinen Gemeinde. Die Brüder kamen von Chemnitz und hatten die Versammlungen gemacht. Es war eine schwere Zeit, nach dem Krieg.

Mein Vater kam heim 1946. Und einige Wochen später hat er uns wieder verlassen und so war ich mit meiner Mutter allein und wir haben uns ganz schön durchschlagen müssen. Und eins ist für mich hundertprozentig, wenn wir in der Zeit nicht die Nahrungsmittel von Präsident Benson, der das arrangiert hat, nicht bekommen hätten, ich wäre heute nicht hier. Ich weiß das. Wir hatten keinen Garten, nichts, gar nichts. Mama sagte immer: „Geh zu Bett, dann fühlst Du den Hunger nicht“. Das war die schwerste Zeit, die ich durchgemacht hab, bis es dann etwas besser wurde. Wie Präsident Benson die Nährmittel brachte. Das war die Zeit, als mein Bruder aus der Gefangenschaft zurückkam, aus russischer Gefangenschaft. Er war sechs Jahre in russischer Gefangenschaft, er kam danach zurück.

In Hohenstein haben mein Großvater und mein Onkel, die Brüder waren, das Abendmahl gesegnet und ausgeteilt. Mein Großvater hatte Krämpfe und er war auch nur Haut und Knochen. Und einmal er und mein Onkel saßen am Abendmahlstisch. Mein Onkel konnte nicht weitersprechen, er hatte solchen Hunger. Er musste das Brot für das Abendmahl haben. Als Kind hat mich das vor allem sehr beeindruckt. Es war eine furchtbare, furchtbare Zeit.

Ich lernte dann 1947 meinen Mann kennen und er ging 1947 nach Berlin auf Mission, auf die Baumission mit Präsident Stover, da hat er in Dahlem das Gemeindehaus mit gebaut. 1950 war das dann vorbei und dann kam er zurück. Wir hatten uns verlobt. Dann wollten die Kommunisten meiner Mutter die Wohnung wegnehmen. Wir hatten eine etwas größere Wohnung. Daraufhin haben wir geheiratet. Wir waren nichts, meinem Mann war nicht erlaubt eine Arbeit anzunehmen, ihm war nicht erlaubt, eine Wohnung zu bekommen, weil er für eine amerikanische Sekte gearbeitet hat. Das war unsere Strafe. Zu dieser Zeit hatten wir noch Lebensmittelkarten gehabt.

Meine Mutter, mein Bruder und ich haben dann gesehen, dass wir alles teilen konnten. Nach einem halben Jahr wurde mein Mann in die Uranmine eingewiesen, im Erzgebirge. Dort musste er, so zu sagen, seine Strafe abarbeiten. 6 Jahre hat er dort gearbeitet. In dieser Zeit war ich Sekretärin für den Zweigpräsidenten. Wir hatten keine Brüder. So mussten die Schwestern alles machen.

Ich bekam dann mein zweites Kind 1957. Als ich aus dem Krankenhaus kam, lag mein Mann mit doppelter Lungenentzündung. Er kam dann 6 Wochen ins Krankenhaus. Nach 6 Wochen sagte er: “Ich gehe nie wieder zurück“. Und dann ist er nach dem Westen, nach Frankfurt, gegangen und ich musste in der Ostzone bleiben, mit den zwei Kindern. Die eine war fünf und die andere gerade sechs Wochen alt, als er wegging. Wir wussten nicht, wo er hinging, er ist so weggegangen, als er dachte.

Ich hatte Probleme und musste jeden Monat zur Polizei und musste als Sekretärin die Versammlungen anmelden. Dann wurde ich ausgefragt, wo mein Mann war. Ich habe jedes Mal meine Kinder mitgenommen. Aber, wenn sie mich hätten verhaften wollen, wären meine Kinder in ein Heim gekommen, ich hätte sie nie wieder gesehen. Ich hab sie mitgenommen und dachte mir, vielleicht haben sie ein weiches Herz. In unserem Appartementhaus waren zwei Familien, die kommunistisch veranlagt waren. Diese haben Tag und Nacht über mich gewacht.

Da bin ich am 28. Oktober 1957, es war so schlimm, da habe ich bei der Polizei, als sie mich gefragt haben, gesagt, ich lebe in Scheidung, mein Mann ist weggegangen, er konnte die Verantwortung nicht mehr übernehmen. Am 28.Oktober bin ich mit zwei Kindern um 3 Uhr früh, mit dem Taxi nach Chemnitz und von Chemnitz nach Berlin. Und dann habe ich versucht, durch den Checkpoint Charley zu kommen. Das war eine furchtbare Situation. Ich wollte zum Tempelhof Flughafen. Aber ich bin auch hingekommen, aber ich hatte kein Geld. Zwei Wochen zuvor haben wir das Geld gewechselt, ich hatte nur 50 Ostmark, ich hatte kein Geld in der Tasche. Mit 50 Ostmark konnte ich nicht mit dem Flieger fliegen.

Da sagte mein Mann, ehe er weggegangen ist. „Wenn irgendwas ist, geh in das Missionsheim”! Da bin ich dann hingefahren, da waren Missionare dort. Ich saß da schon eine ganze Weile, da fragte mich eine Schwester, es war schon später Nachmittag, nach meinem Namen und sie sagte, „für Sie ist ein Brief hier“ und da gab sie mir einen Brief von meinem Mann. Darin sagte er mir, dass er die Flugkarte bezahlt hat und schon alles, und 20 Westmark in den Brief getan. Dann fuhr ich mit dem Taxi zum Flughafen und dann weiter nach Frankfurt mit dem Flugzeug.

In Frankfurt hatte ich zwei Kinder unterm Arm. Ich war allein. Alle waren weg. Ich dachte, was soll jetzt geschehen? Da bin ich aus dem Flugzeug, kein Licht, kein Flugzeug. Da bin ich gelaufen mit zwei kleinen Kindern und von weitem, habe ich ein Licht gesehen, da habe ich zu meiner Tochter gesagt: „Holde, da müssen wir hin, das ist das Licht, das der Vater im Himmel uns scheinen lässt, da müssen wir hin”! Wir sind über das ganze Rollfeld gelaufen, bis wir in die Halle kamen. Mein Mann wollte gerade weggehen, weil sie ihm sagten, da ist niemand mehr.

Wir hatten ein kleines Zimmer bei einer Schwester für sechs Wochen gehabt. Wir haben dann in einer kleinen Wohnung in Langen gelebt. Am 28. Oktober 1958 sind wir nach USA ausgewandert. Es war nicht einfach.

Mein Mann ist vergangenen März gestorben (2007). Er war lungenkrank. Er hatte eine schwarze Lunge, wie man sagt. Er hat gearbeitet als Klempner, in seinem Beruf und hat viel mit Asbest gearbeitet, da ist die Krankheit noch schlimmer geworden. Drei Monate später ist meine Tochter gestorben, die Zweite. Sie ist an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Das ist ungefähr meine Geschichte. Ich bin sehr bewegt.