Stettin, Pommern

Mormon Deutsch Margarete Helene Schmidt DretkeMein Name ist Margarete Helene Schmidt Dretke, geborene Böhme. Ich bin geboren am 6. Juli 1912 in Stettin. Am 11. Juli 1936 bin ich getauft. Ich habe die Kirche kennen gelernt durch meinen Mann. Ich hatte die Programmleitung in der Heilsarmee und es kamen drei junge Leute zum Heilsarmee Konzert. Sie haben auf mich gewartet und dann mit uns eine ganze Stunde unterhalten. Nun, wir hatten uns verabredet; wir wollten uns da und da treffen. Ich habe meiner Mutter einen Brief geschrieben; sie hat mir davon geraten, und ich bin nicht hingegangen. Nach einem Jahr haben wir uns wieder irgendwo getroffen und wir haben uns verabredet und ich bin mitgegangen zur Kirche Jesu Christi. Die Gestapo hatten wir in Stettin; manchmal besuchten sie die Versammlung. Aber die Kirche hat kein Schade gelitten. Mein Mann war Gemeinde-Präsident; wir hatten keine Schwierigkeiten mit der SS oder der SA oder der Gestapo oder was. Wir hatten die Hakenkreuzfahne, aber wir hatten keine Schwierigkeit mit Hitler oder mit diesen Dingen. Wir konnten unsere Versammlungen abhalten und alles.

Ja, mein Mann und ich haben 1935 geheiratet und in 1938 wurde unseren Sohn Uli geboren. Ich war dann tätig in der Kirche. Ich bin Ratgeberin im GFV gewesen und Sonntagschule Sekretärin.

Ja, und dann brach der Krieg aus, aber wir sind in Stettin bis zuletzt geblieben – vielleicht bis zu den letzten paar Monate, wo nur noch Stubenversammlungen abgehalten werden konnten, weil alle flüchteten; wir mussten ja alle raus. Ich war umquartiert beim Oberst von Wedel.

Die Russen hatten schon [mit Artillerie] hereingeschossen und sie kamen immer näher so musste ich wieder zurück nach Stettin. So ich kam an, die Schwester Berndt war schon mit den Kindern weg. Und so hatte ich Einquartierung von der Waffen-SS mit der Gulaschkanone. So musste ich Panzergrabenschippen gehen. Vier Wochen war ich dabei. Mein Mann hat versucht mich frei zu bekommen; denn wir konnten den Jungen nicht mit zur Arbeit nehmen und das geht nicht. Ich habe gebetet, und nach vier Wochen hat man mich wieder freigegeben und dann kam ich nach Hause.

Nun die SS sagte zu mir, Sie können so lange bleiben, wie wir hier sind. Wir nehmen Sie mit draus. Aber sie mussten mit der Gulaschkanone in einer anderen Richtung weiterrücken. Und ich bin mit meinem kleinen Jungen, Uli, zum Bahnhof gelaufen. Wir mussten sehen, dass wir wegkamen. Ich bin auf den Bahnsteig angekommen. Er stand voll von Menschen, die von Orten geflüchtet waren. Der Bahnvorsteher sagte zu mir, haben Sie Gepäck? Haben Sie dies? Haben Sie das? Nein, sagte ich. Mein Junge hatte ein Feldflasche mit Pfefferminztee und ich nur meine Papiere und weiter nichts. „Ja”, sagte er, „Sehen Sie mal, der Bahnsteig steht voll Menschen jeder will raus.“ Aber sie haben ihre Kornsäcke festgehalten und ihre Schwein und wollen sich nicht davon trennen. Ich bin mit einem Zug herausgekommen, weil ich kein Gepäck und nichts hatte – in einem schwer verwundeten Zug. Die Soldaten hatten Arme und Beine verloren. Da hatte dieser Bahnbeamte uns durchs Fenster geschoben, damit wir herauskamen. Wir sind dann in Lübeck gelandet.

Ich habe nicht geweint, dass ich raus musste, aus Stettin oder mein Heim verlassen. Das habe ich alles in Ordnung zurückgelassen. Ich habe gebetet, „Vater im Himmel, lass mich da sein, wo die Kirche ist.“ Und in Lübeck bin ich gelandet. Da waren natürlich auch ein paar Geschwisterzusammenkünfte. Es war ja kein Gemeindepräsident und kein Saal oder was. Nachher natürlich mein Mann war Ratgeber in der Distriktpräsidentschaft mit Bruder Mohr, Bruder Winke war auch in der Präsidentschaft.

Sie wollten in Lübeck die Gemeinde wiederaufbauen. Aber mein Mann ist inzwischen gestorben, Ulis Vater, mit 33 Jahren. Er ist in August 1945 gestorben. Und da war die öffentliche Zusammenkunft der Mitglieder auf dem Friedhof und Bruder Mohr hat die Beerdigung geleitet.

Mein Weitergang. Ich war geflüchtet, hatte alles verloren, kein Heim, kein Geld, kein alles. Ich musste natürlich arbeiten gehen, um Geld zu haben und zu leben. Und abends waren wir in der Kirche. Jeden Abend war ja etwas, GFV, Chorüben, Frauenhilfsvereinigung. Ich bin tätig gewesen, und dafür bin ich meinem Vater in Himmel heute noch dankbar. Ich habe in Lübeck wieder angefangen als Primarleiterin und dann viele Jahre als GFV Leiterin, so wohl als auch in der Leitung der FHV und nachher im Pfahl FHV Ausschuss. Jeden Monat noch bin ich in die Gemeinden gefahren, die zu Hamburg gehörten.

Für mich persönlich war es eine wunderbare Zeit, eine aufbauende Zeit, die mich gestärkt hat. Und der Vater im Himmel hat mir immer geholfen. Hat mir immer Milde gezeigt, und dafür bin ich so dankbar. Und dass ich auch heute noch in Verbindung stehe mit meinen Lübecker Geschwistern, und mit den zwei Ratgeberin, die ich hatte, so dass wir uns gegenseitig immer stärken und aufbauen können.

Ja, das ist mein Leben. Meine Kinder haben mich hierher nach Salt Lake City in 1979, dass ich hier sein konnte.