Rossatz, Niederösterreich
Mein Name ist Elfriede Agnes Johanna Anna Franziska Enenkel. Ich bin am 6 August 1923 in Rossatz, Niederösterreich geboren. In bin etwas zu früh, im Urlaub meiner Eltern, geboren. Mein Vater ist erst spät und krank aus dem Krieg zurück gekommen. Das Geschäft seiner Eltern war kaputt, und da hat er als Kellner gearbeitet. Da er Englischkenntnisse besaß, war er nie arbeitslos, und hat immer in den ersten Wiener Cafés gearbeitet. Wir hatten immer unser Auskommen, aber es war ein bescheidenes Leben. Meine Großmutter hat bei uns gewohnt. Wir waren drei lebende Kinder.
Meine Eltern waren bewusste Deutsche. In Wien sind fast alle Leute von auswärts zugezogen. Die dritte Generation gibt es fast nicht mehr. Meine väterlichen Vorfahren sind aus Deutschland gekommen. Sie sind geflüchtet, wie mein Urgroßvater, weil sie sonst als Soldaten nach Amerika verkauft worden wären. Das wollten sie nicht.
Meine mütterlichen Vorfahren stammen aus Wien, so lange man Wien nachweisen kann. Das habe ich noch nie bei Jemandem erlebt, außer bei unserer Familie. Mein Vater hieß Johann Wallner, meine Mutter Agnes war eine geborene Neubauer. Meine Mutter war die erste Frau, die in einem Männerberuf eine Meisterprüfung gemacht hat. Auch sie ist Meisterin geworden. Meine Großmutter ist Agnes Neubauer, geborene Wallner. Da wird es kompliziert, meine Eltern waren Cousin und Cousine. Sie hat das Geschäft geführt, mein Großvater war Meister, und sie hat eine kleine Kunsthandlung in Wien geführt. Mein Großvater, Franz Neubauer, ist gestorben, als ich 6 Jahre alt war.
Meine Eltern waren sehr deutsch bewusst, und so war es für sie nicht schlimm, als Hitler kam. Das dauerte aber nicht lange. Mein Vater hat die Juden Straßen waschen gesehen. Er hat gesehen, wie die SA-Leute die Juden auf der Straße gedemütigt haben. Und er war so entsetzt und sagte, so hätte es nicht kommen dürfen. Er war also praktisch, obwohl er sich gefreut hatte darauf, nie aktiv. Er konnte es nicht, aber auch gar nicht. Meine Mutter hat das nie verstanden und hat immer gesagt: „Wir sind doch deutsch, und plötzlich bist Du dagegen“. Und er hat gesagt: „So ist es nicht richtig. So kann es nicht gut gehen.“
Mein Vater ist ganz kurze Zeit später bettlägerig geworden. Er hatte Speiseröhrenkrebs. Er war einer der ersten, bei dem man Bestrahlung versucht hat. Sie war aber zu stark. Da haben sie ihm die Speiseröhre ausgelöst. Er hat dann ein Loch im Magen gehabt, da wurde das Essen hinein geschüttet. Die Ärzte haben gesagt, dass er noch 4-6 Wochen leben wird, aber er hat noch 28 Monate gelebt.
Meine Schwester war noch keine zwei Jahre alt, als er bettlägerig wurde. Ich hatte einen Bruder, der drei Jahre jünger war. Dann hatten wir eine Schwester, die leider mit einem Jahr gestorben ist. Erst 13 Jahre später ist meine Schwester Edeltraut zur Welt gekommen. Wir haben in einfachen Verhältnissen gelebt, aber haben trotzdem eine behütete Kindheit gehabt. Ich habe die Möglichkeit bekommen ein Gymnasium zu besuchen. Dazu bin ich jeden Tag in die Stadt gefahren und wieder aus der Stadt hinaus.
Es war eine eigenartige Zeit für mich. In meiner ersten Klasse im Gymnasium waren wir 16 Jüdinnen und 14 Christinnen. Die Jüdinnen waren zum Teil sehr reich, zum Teil aber auch sehr arm. Als Hitler einmarschierte, sind die reichen Jüdinnen alle mit ihren Eltern schon im Ausland gewesen oder flohen innerhalb der nächsten 14 Tage.
Was in Wien übrig geblieben ist an Juden, das waren arme Juden, und die hat es dann erwischt. Sie haben dann all´ die schrecklichen Dinge erlebt. Die reichen Juden waren alle rechtzeitig weg. Sie haben kaum etwas von der Schwierigkeit, das das jüdische Volk erlebt hat, mit gemacht.
Da meine Eltern sehr deutsch bewusst waren, damals gab es die Hitlerjugend, ist es selbstverständlich gewesen, dass man zur Hitlerjugend gegangen ist. Für mich war das BDM – Bund deutscher Mädchen. Da ich das Gymnasium besucht habe und in einem Außenbezirk gewohnt habe mit vielen Arbeiterkindern, bin ich sogar BDM-Führerin geworden. Das heißt, ich habe mich jede Woche mit 10 – 12 Mädchen, manchmal waren es auch 8, getroffen. Wir haben Lieder gesungen, sehr viel gesungen. Wir haben erzählt, wie erfolgreich unsere deutschen Soldaten an der Front kämpften am Anfang. Später konnte man das nicht mehr erzählen. Wir haben auch ein bisschen deutsche Geschichte gehabt, wie gut wir Deutschen waren und wie stark. Wir haben aber sonst nichts Besonders gemacht. Es ist auch niemand unter Druck gesetzt worden.
Was mich dann dort weggebracht hat, waren zwei Dinge. Das eine – wir hatten einmal einen Vortrag, da hat ein Hitlerführer, oder sonst ein Politiker, über die Möglichkeit geredet, wenn ein junges Paar Kinder zeugt, und wenn der Mann an der Front ist, die Mutter das Kind zur Welt bringen soll, dass sie dann in Heimen abgeben kann. Da gab es sogar ein Schiff in Hamburg, wo diese Mütter entbinden konnten. Die Kinder kamen dann in besondere Erziehungsanstalten, wo sie nationalsozialistisch erzogen werden sollten. Das war eine Aufforderung bekommt die Kinder und gebt sie ab. Das war für mich so abstoßend. Von da an habe ich gewusst, dass ist nicht meine Zukunft, so will ich nicht leben. Das zweite war – dass eine meiner besten Freundinnen, die unsere vorgesetzte Führerin war, die sozusagen für den ganzen Bezirk zuständig war, auch nicht mehr hingegangen ist. Ich weiß nicht, was es bei ihr war, was ihr passiert ist. Ich weiß nur, dass sie eines Tages, sie war das Hauptamt beruflich, auch nicht mehr hingegangen ist.
Wir waren eigentlich vier Freundinnen, die sehr zusammen gehalten haben. Wir sind jeden Sonntag gemeinsam in der alten Donau schwimmen gegangen, oder haben im Süden von Wien an den Kletterwänden herum geturnt, oder sind gewandert.
Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen. Von der Schule war ich verpflichtet gewesen, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Ich muss sagen, ich hatte in der Volksschule einen sehr lieben Religionslehrer. Im Gymnasium gab es einen Religionsprofessor, der sehr versucht hat mit uns ehrlich zu reden. Wie gesagt, ich war angehalten jeden Sonntag in die Kirche zu gehen. Ich habe aber, als wir im Außenbezirk wohnten, die Genehmigung bekommen, in Meidlingen, im Außenbezirk, die katholische Kirche zu besuchen. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Eines Tages hatten wir eine große Familienfeier, ein Familientreffen, und ich konnte nicht in die Kirche gehen. Ich musste nach der Kirche immer von dem Pfarrer, der die Messe gehalten hatte, eine Unterschrift bekommen, damit ich meinem Religionslehrer beweisen konnte, dass ich in der Kirche war.
Wegen des Familienfestes konnte ich aber nicht in die Kirche gehen. Ich habe gesagt: „Was zeige ich denn morgen meinem Religionslehrer? Jetzt habe ich ja keine Bestätigung, dass ich in der Kirche war“. Mein Vater hat mich angeschaut, hat das Buch genommen und hat dasselbe Kraxel gemacht, was dieser Pfarrer gemacht hat. Ich war so entsetzt. Wie konnte mein Vater das machen. Er hat gesagt: „Die Sünde nehme ich auf mich“.
Dann habe ich sehr bewusst versucht meinen Vater zu beobachten. Und mir ist zum Beispiel eingefallen, dass er am Anfang eines Schuljahres, meine Schulbücher sehr sorgfältig mit mir eingepackt hat. Er hat dann auf die erste Seite in jedem Schulbuch geschrieben: Mit Gott. Aber er ging nie in die katholische Kirche. Er hat auch mal gesagt: Diese Pfaffen! Das ist eigentlich ein Schimpfwort für die katholischen Priester. Das war für mich so eigenartig. Er schrieb: Mit Gott, schaute mich dabei an und wollte, dass ich mit Gott lebe, aber ging nicht in die Kirche. Ich konnte damals nicht mit ihm darüber reden, weil ich noch zu jung war. Ich glaube, er war der erst Mormone in meiner Familie. Da gab es drei Erlebnisse.
Mein Bruder Gottfried ist im Krieg umgekommen, getötet von den eigenen Leuten in einer Strafkompanie. Was wirklich passiert ist, haben wir nie erfahren. Er ist eigentlich freiwillig in München eingerückt. Er hat uns dann einen privaten Brief geschrieben – keinen Feldpostbrief. Er schrieb: „Ich dachte alle deutschen Offiziere sind Ehrenmänner, aber hier stelle ich fest, dass sie Drückeberger sind, dass die meisten Offiziere keine Ehrenmänner sind.“ Was passiert ist, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass er in eine Strafkompanie gekommen ist und von einem Deutschen, nicht von den Russen, erschossen worden ist. Das haben wir durch Zufall auf der Flucht erfahren.
Meine Großmutter bekam, als meine Bruder einrücken musste, zwei Tage vor Weihnachten, einen Schlaganfall. Sie hatte sich so aufgeregt. Sie hat über ein Jahr im Bett gelegen. Meine Mutter musste ins Geschäft, weil ja Jemand im Geschäft sein musste. Es hat damals kaum eine Rente gegeben. Meine Großmutter ist zwischendurch versorgt worden.
In dieser Zeit hatte bereits das Bombardement in Wien begonnen. Ich habe in der Stadt gearbeitet und habe einen unglaublichen Segen gehabt. Wenn die Bomben am Stadtrand gefallen sind, wo wir wohnten, war ich in der Stadtmitte, sind die Bomben in der Stadtmitte gefallen, war ich am Stadtrand. Ich bin den Bomben nahezu entkommen.
Ich habe maturiert und war nachher beim Arbeitsdienst. Dazu wurde man eingezogen. Ich habe ein Fachstudium als Sozialarbeiterin gemacht, und habe in diesem Fach in Wien gearbeitet. Zu der Zeit ist Wien schon stark bombardiert worden.
Meine Mutter und meine Schwester waren im Keller, mein Bruder war zu diesem Zeitpunkt schon eingerückt, da sind die ersten Bomben gefallen. Wir haben im zweiten Stock gewohnt. Meine Großmutter war gelähmt. Sie wollte auch gar nicht in den Keller. Sie hat die ganzen Glasscherben im Bett gehabt, und ein großer Ziegelstein war, von oben in den zweiten Stock, auf ihr Bett gefallen. Sie selber hatte keine Verletzungen. Nur von da an gab es kein Wasser und Licht in der Wohnung. Man konnte sie nicht mehr pflegen, sie nicht mehr waschen. Wir mussten das Wasser nachts von weit weg, von einem Straßenhydranten, holen.
So ist meine Großmutter ins Pflegeheim gekommen, weil wir einen Onkel hatten, der Beziehungen hatte, sonst hätte das nicht geklappt. Meine Großmutter war dann 3 Monate in einem Pflegeheim. Sie ist dort gestorben, und man hat festgestellt, dass sie Magenkrebs hatte. Drei Tage nach ihrem Tod ist dieses Pflegeheim bombardiert worden und alle, die mit ihr im Zimmer lagen, waren auch tot. Sie durfte noch sterben, ohne durch die Bomben umgekommen zu sein. Ein paar Wochen später sind wir dann wieder bombardiert worden, und es war so, dass die Wohnung total kaputt war. Das Stiegenhaus ist stehen geblieben. Wir konnten in die Küche gehen, und das, was an der Wand im Zimmer gestanden hat, konnten wir rausholen, aber das normale Esszimmer, das Schlafzimmer und die Nebenräume. Die waren alle bombardiert. Da hatten wir auch kein Zuhause mehr.
Dann haben wir in der Stadt gelebt, in einem Zimmer, das einem Arzt gehörte, der gestorben war. Eine ehemalige Mitarbeiterin von mir hat uns das vermittelt. Da haben meine Schwester, meine Mutter und ich die letzten Monate des Krieges, das war nur noch ein halbes Jahr, in dieser Stadtwohnung gelebt.
Meine Mutter hat ihren Mann, ihre Mutter, ihren Sohn und ihre Wohnung verloren. Sie hatte nur noch ihre zwei Töchter. Meine Schwester war ungefähr 8 und ich 21 oder 22 Jahre alt. Sie wollte unbedingt, dass wir fliehen, weil die Russen sehr, sehr gefürchtet waren. Das ist interessant, die Amerikaner waren genauso unsere Feinde, wenn man das Wort gebrauchen will, wie die Russen, aber vor den Russen hat man sich gefürchtet. Vor den Amerikaners als Menschen hat man sich nicht gefürchtet. Sie sind mit ihren Geschwadern gekommen und haben bombardiert. Die Bomben sind ja von amerikanischen Flugzeugen gekommen.
Ich kann mich erinnern, ich war mit meinen Freundinnen am Sonntag gerne draußen. Wir waren in der Felswand. Wenn dann die amerikanischen Flieger kamen, und wir sahen sie im blauen Himmel und mit der Sonne, war das direkt ein schöner Anblick. Als wir dann aber nach Wien kamen und ganze Straßenzüge glatt waren, und viele ihre Wohnungen nicht mehr gefunden haben, das war natürlich nicht mehr schön.
Aber ich und meine drei Freundinnen sind eigentlich unverletzt durch den Krieg gekommen. Meine Mutter und meine Schwester sind im Keller verschüttet worden, konnten aber unverletzt ausgegraben werden. Meine Schwester hat kaum einen normalen Schulunterricht gehabt. Immer wenn Fliegeralarm war, sind die Kinder in den Keller geschickt worden. Einen normalen Schulunterricht hatte sie höchstens in der ersten Klasse. In der zweiten und dritten Klasse hat sie fast überhaupt keinen Unterricht gehabt. Da war sie nur noch im Luftschutzkeller.
Wir wohnten am Stadtrand. Mein Vater war nie arbeitslos, obwohl er nur als Kellner arbeiten konnte, aber durch seine Englischkenntnisse hat er immer gute Jobs gehabt. Meine Kindheit war eigentlich trotz alledem behütet. Wir sind von der Großmutter betreut worden, da meine Mutter zuerst lange im Geschäft meiner Großeltern gearbeitet hat.
Wir haben länger gebraucht, weil wir Beide sehr vorsichtig waren. Dann haben wir beschlossen zu heiraten. Mein Mann hieß Adolf Enenkel. Als wir 1½ Jahre verheiratet waren, bekam ich das erste Kind, eine Totgeburt. Aber 1½ Jahre danach ist unser Sohn Gottfried auf die Welt gekommen. Wir haben dann eine ganz kleine Kellerwohnung gehabt, wo wir 7 Jahre wohnten.
Als ich mit dem 2. Kind schwanger war, kamen die Missionare zu uns. Ich hatte mich mit der katholischen Kirche auseinander gesetzt, aber es gab viele Fragen, und als ich meine Matura hatte, bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten. Wir wollten unsere Kinder aber religiös erziehen. Mein Mann war katholisch und ich religionslos, aber auf der Suche. Wir haben dann beschlossen Beide in die evangelische Kirche einzutreten.
Ein junger Vikar kam aus der Kriegsgefangenschaft zurück, und da hat er gesagt: Luther hat die Reformation begonnen, und wir müssen sie fortführen. Dann waren wir, einen ganzen Winter lang, jeden Sonntag in der Kirche. Einmal hat der Vikar gepredigt, einmal hat der Senior Moore gepredigt, und sie haben sich jede Woche gegenseitig widerlegt. Reformation etwas Einmaliges – Reformation muss fortgeführt werden. Diesen Streit jeden Sonntag von der Kanzel zu hören, war grausam. Mein Mann hat dann gesagt: „Am Berg ist Klarheit. Die haben keine Klarheit, die wissen nicht, was sie wollen“. Also sind wir nicht mehr in die evangelische Kirche gegangen, sondern sind jeden Sonntag in die Berge gestiegen.
Mein Mann hatte angefangen im Außendienst für den Vermessungsdienst zu arbeiten und war im Sommer immer viele Wochen unterwegs. Dann gab es ein Weihnachtsfest in der evangelischen Kirche, wo Schweizer gesungen und ein Weihnachtsprogramm gemacht haben. Zwei junge Männer klopften an meine Tür, und ich habe gedacht, die kommen von der evangelischen Kirche, weil ich einen Tag vorher da Schweizer kennen gelernt hatte, sonst hätte ich sie nicht rein gelassen. Durch diesen Irrtum konnten sie rein kommen. Es war ein Bruder Mettler aus der Schweiz und ein frisch importierter Amerikaner, der Kaufmann hieß.
Die Missionare haben damals nur Fragen gestellt und eigentlich nicht belehrt. Der Schweizer hat mich gefragt, ob ich von einem Streit im Himmel wüsste. Das wusste ich nicht. Ich kannte nur die Geschichte von Goethe und dem Mephisto. Darüber habe ich mit ihm gesprochen. Die Missionare haben Literatur da gelassen und sind wieder gegangen. Aber dieser einfache Missionar hatte mir Fragen gestellt, die in mir gearbeitet haben. Mein Mann hat die Traktate gelesen und gesagt: „Das sind ja Mormonen!“ Wir hatten ein altes großes Lexikon, und mein Mann hat gelesen „Was sind die Mormonen“. Da gab es eine exakte Beschreibung. Er hat auch etwas von den Mormonen gewusst. Er kannte die Geschichte vom Möwendenkmal in Salt Lake City. Er hat gewusst, dass die Möwen den Mormonen die Ernte gerettet haben. Dass war das einzige, was er von den Mormonen wusste. Ich habe gar nichts gewusst darüber. Dann haben wir gemeinsam alles gelesen.
Da mein Mann die Sommermonate beruflich unterwegs war, wollte ich nicht in unserer Kellerwohnung bleiben und habe mit den Kindern, im Sommer, in Kärnten auf einer Alm, in einer kleinen Jagdhütte gelebt. Die Missionare haben mich belehrt und während der ersten Belehrung, hatte ich die ersten Kindsbewegungen meines zweiten Kindes. Ich habe später gesagt: „Da freute sich das Kind in ihrem Leib.“ Ich hatte das Buch Mormon mit auf die Alm genommen und habe darin gelesen, aber nur bis zu einer bestimmten Stelle, dann habe ich es nicht mehr verstanden und es weggelegt. Nach ein paar Wochen bin ich wieder von vorne angefangen. Dreimal habe ich den ersten Teil gelesen.
Nach dem Sommer bin ich nach Wien zurück gefahren, aber die ersten Missionare waren nicht mehr da, und man hatte uns verloren. Knapp bevor ich das nächste Mal auf die Alm gegangen bin, sind wieder Missionare gekommen. Meine Mutter hat sich das auch mit angehört. Sie war neugierig geworden. Dann haben mein Mann und ich das Buch Mormon ganz gelesen. Im Sommer bin ich wieder rauf auf meine Alm. Meine Kinder bekamen Masern in der Zeit, und meine Mutter kam, um mir zu helfen. Ich bin dann, weil sie sowieso da war, zu einer Hütte gegangen, um Freunden zu helfen. Ein Freund kam da in die Tür rein und sagt: „Der Golz bekommt einen Hut. Du solltest schnell zu Deiner Familie gehen“. Der Golz, das war ein Berg am Ende des Tales, wenn auf ihm eine Fahne wehte, dann kam ganz schnell ein schweres Gewitter. Ich habe alles stehen und liegen lassen. Kurze Zeit später hat es fürchterlich geblitzt, gedonnert und geschüttet. Hinter mir schlug der Blitz in zwei Bäume ein, und von zwei Seiten brannte es hinter mir. Ich wollte den Weg nicht gehen, sondern bin über eine Steinhalde runter gerutscht. Wie ich da runter gerutscht bin, dachte ich: „ So, Du da oben, Du hast so viel Gewalt. Soll ich jeden Sonntag mit 20 Mormonen in der Seitengasse sitzen? Oder ist das alles Einbildung und Unsinn? Zeig´ mir Deine Kraft, zeig´ mir Deine Macht! Lass´ es einschlagen in meiner Hütte, dann weiß ich, dass Du willst, dass ich zu dieser Kirche gehe“! Im nächsten Moment habe ich gedacht: Du bist verrückt! Deine Mutter, deine Kinder und dein Hund sind in der Hütte, und du sagst, lass es einschlagen in meiner Hütte. Ich dachte, ich habe sie nicht mehr alle.
Ich bin völlig durchnässt in die Hütte gekommen. Meine Mutter hat mir frische Kleidung hingelegt, und ich habe mich auf mein Bett gesetzt, um mich umzuziehen. Meine Mutter kniete vor dem Herd und wollte einheizen, damit mir warm wurde, weil ich durch und durch nass war. Und in dem Augenblick krachte es. Ein Blitz war in den Ofen herein gekommen, zur Ofentür wieder heraus und nebenbei wieder in die Ableitung hinein.
Meine Mutter kniete im Zimmer auf dem Fußboden und sagte: „Das war ein Blitz! Mitten in unserer Hütte war ein Blitz, und wir leben alle noch und niemandem ist etwas passiert“! Ich habe viele Zeugnisse erhalten, bevor ich getauft wurde.
Dann war es soweit, mein Mann und ich beschlossen, uns taufen zu lassen. Wir sind im Winter getauft worden. Meine Mutter wurde ein halbes Jahr später getauft und meine Schwester ein Jahr später. Mein Mann ist leider untätig geworden, weil es Dinge gab, die nicht gut waren, aber innerlich war er immer treu. Meine Tochter wurde geboren, als wir schon 1½ oder 2 Jahre getauft waren. Meine Mutter ist das erste Mal mit zur Kirche gekommen, als wir schon getauft waren und unsere Kinder gesegnet wurden. Das erste Lied, das gesungen wurde, war: „Näher mein Gott zu dir“. Das war ihr Lieblingslied, und sie hatte es das erste Mal vierstimmig gehört und war so weg, dass sie es ab dem Tag ernst genommen hatte.
Drei Monate später war ich schon Lehrerin in der Jugendklasse, aber nur für zwei Monate. Dann bin ich in der Evangeliumslehreklasse gewesen. Abends habe ich immer eine Stunde für meine Sonntagsschulaufgabe gearbeitet.
Mein Mann ist vor 30 Jahren gestorben. Wir sind gemeinsam am 27. Februar 1956 getauft worden.