Reichenberg, Sudetenland
Mein Name ist Dorothea Gattermann verehelichte Nitschke, mein Mann ist aber gestorben. Mein zweiter Mann hat meinen Mädchennamen als Ehenamen genommen, darum heiße ich wieder Gattermann. Geboren bin ich am 9. Januar 1925 in Reichenberg im Sudetenland und dort auch aufgewachsen und in die Schule gegangen. Mein Vater heißt Hugo Gattermann und meine Mutter Maria Magdalene Tschipilek.
Den ersten Kontakt mit der Kirche hatte ich eigentlich in der Schule. Da war im Erdkundeunterricht hat die Frau Professor gerade gesagt: „Jetzt sprechen wir über Nordamerika und das ist das Salzseetal und da ist eine Sekte, die Mormonen: sie rauchen nicht, sie trinken nicht, sie haben mehrere Frauen“. Damals habe ich zu meiner Freundin gesagt: „Das ist mir gleich ob er mehr Frauen hat, aber ich will die Lieblingsfrau sein!“ Das war mein erster Kontakt mit den Mormonen.
Wir waren Sudetendeutsche, als solche waren wir Auslandsdeutsche, Fremde. Wir sind als Deutsche von den Tschechen immer, als ich dreizehn Jahre alt war, sind wir schon zu Deutschland gekommen. So dass ich nachher von Tschechen überhaupt kein Misshandlungen erfahren habe. Absolut nicht. Es war ja ein ausgesprochen deutsches Gebiet Sudetenland. Da waren die Tschechen die Zugereisten, die Eindringlinge. Als Sudetenland deutsch wurde, mussten die Tschechen raus? Nein, die durften bleiben, aber viele sind raus. Nach dem Krieg mussten die Deutschen raus. Nach der Schule mit achtzehn ging ich zum Arbeitsdienst. Ich war zuerst in Böhmen, in Mähren, in der Landwirtschaft. Dann sind wir nach einem halben Jahr zu Flakscheinwerfern gekommen. Da waren wir in Essen. Meistens haben wir Leuchtverbot gehabt. Das war schon gegen Ende des Krieges, da haben wir nimmer viel zu sagen gehabt. Am Ende des Krieges war ich in Meißen. Dort sind wir entlassen worden. Dann bin ich nach Hause in Reichenberg. Auch mein zweiter Mann ist nah Meißen ausgesiedelt worden. Meine Schwägerin wohnte auch in Meißen.
In der Zwischenzeit ist meine Mutter gestorben, dann habe ich Abitur gemacht und dann war ich beim Arbeitsdienst, bin dann wieder nach Hause und dann sind wir aus dem Sudetenland ausgewiesen worden. Im Arbeitsdienst war ich in Polep in der Tschechoslowakei, in Böhmen und im Kriegseinsatz bei den Flakscheinwerfern in Essen, gerade zum Kriegsende. Dann sind wir wieder nach Haus, dann sind die Russen gekommen bei uns, das war Anfang des Jahres 1945. Ende 1945 ist zuerst mein Vater von den Tschechen ausgewiesen worden und dann auch ich. Im Sudetenland wurden wir nicht misshandelt, aber ich bin ins Lager geschickt worden. Dann bin ich zuerst zu einem Bauern gekommen. Da hat mich meine Schwester abholen lassen. Wir haben ziemlich was an Besitz gehabt und darum haben wir immer handeln können mit den Tschechen mit andern, und mit den Russen. Stoffe oder so etwas haben sie immer gerne genommen.
Das erste Mal bin ich mit meiner Nichte, die zwei Jahre alt war, von den Russen mit dem Auto über die Grenze gebracht worden. Meine Schwester, mit der Kleinsten musste aber zu Hause bleiben. Dann hat er gesagt, er würde am nächsten Tag wieder über die Grenze fahren. Da bin ich wieder zurück und wollte mit meiner Schwester und der Kleinen fahren. Aber der ist dann nicht mehr gefahren, da musste ich dann zu Fuß allein über die Grenze laufen. In der Früh bin ich zu Hause weg. In der Nacht war ich an der Grenze. Dann bin ich rüber und bis zu dem Ort, wo mein Vater damals war, musste ich noch fünfzehn Kilometer laufen. Dann war da noch ein Platz, wo ich hin konnte. Dann ist meine Schwester mit der jüngeren Tochter gekommen, von da aus sind wir mit der Bahn nach Thüringen, nach Tambach-Dietharz, im Thüringer Wald.
Das ist es, wo ich auch immer bemerkt habe, dass der Herr mich begleitet hat. Ich bin überhaupt der Meinung, das ist vielleicht hochnäsig, das ist aber nicht hochnäsig, aber ich meine, ich habe das Bewusstsein von der Richtigkeit der Kirche schon mit der Geburt mitbekommen. Das ist bei mir schon vom Vorherdasein übrig geblieben. Das hat mich im Unterbewusstsein immer geleitet. Ich habe immer den Schutz des Herrn gehabt. Ich habe in meinem Leben so viele Unfälle gehabt, schwerste Unfälle, wo die Ärzte gedacht haben, da ist nichts mehr zu machen. Und schauen Sie, wie ich mit 83 noch da bin. Mein Kopf ist kaputt, dreimal kaputt. Wenn ich mich vergleiche mit anderen Menschen, die jünger sind als ich, unbeschädigter. Ich habe so viel Grund dem Herrn Dank zu sagen und auch der Kirche Dank zu sagen. Ohne die Kirche wäre ich nicht mehr am Leben. Nur durch die Krankensegnungen bin ich so schnell und so gründlich geheilt worden. Für mich gibt es keine Ursache an der Wahrheit der Kirche zu zweifeln. Das gibt es für mich gar nicht. Ich bin dem Herrn so zu Dank verpflichtet, das kann ich gar nicht ausdrücken.
Mein Vater war schon voraus gefahren. Wir wollten eigentlich nach Österreich. Wir sind dann bis nach Passau, von dort konnten wir nicht über die Grenze, sie war gesperrt und wir konnten nicht nach Österreich. Mein Vater hat einen Bekannten von zu Hause gehabt, der war in Landshut. Den hat er besucht und dadurch sind wir nach Landshut gekommen, dort war Platz, Arbeit und Mühle.
In Landshut hätte ich eigentlich studieren sollen, aber ich habe so einen seltenen Stolz, ich will nicht auf Staatskostenleben. Dann habe ich gedacht, ich kann auch arbeiten. Ich habe immer im Büro gearbeitet. Beim Suchen fand ich dieser Tage Zeugnisse von mir, Ich muss eine super Arbeitskraft gewesen sein, ich hatte gut Zeugnisse, aber es ist vorbei. Ich war auch eine gute Schülerin und trotzdem habe ich es zu nichts gebracht, weil ich zu denen gehöre, die mehr auf Geben eingestellt sind, als auf Nehmen. Auch damals habe ich in diesem Viertel gewohnt.
Missionare sind oft bei mir gewesen, aber ich war nie zu Hause. Einmal habe ich frei gehabt, weil ich oft Überstunden gemacht habe. Ich habe geputzt und es hat geläutet. Da sind zwei junge Männer von der Kirche und sie haben einiges vorgetragen und fragte ob sie wieder kommen können. „Selbstverständlich“! Sie wollte die ganze Familie treffen, aber ich war allein. So sind sie in der Mittagszeit gekommen. Nach dem dritten Mal hätten sie mich schon taufen können, da war ich schon bereit. Ich war golden, habe keine Schwierigkeiten gehabt und habe es auch nie bereut, dass ich zur Kirche gekommen bin. Ohne sie wäre ich gar nicht mehr am Leben. Getauft wurde ich im September 1964. Damals war ich 39 Jahre alt.
Ich wollte gar nicht heiraten und habe eigentlich nur durch die Kirche geheiratet. Meinen Mann habe ich geheiratet, da war er noch gar nicht bei der Kirche, er kam durch mich dazu. Er hieß Reinhold Nitschke. Wir hatten keine Kinder. Er ist 1967 verstorben. Wir waren nur fünf Jahre verheiratet. Nach meiner Taufe war ich immer aktiv. Die Gemeinde in Landshut war damals sehr klein. Da ist es vorgekommen, dass ich in der GFV allein da war. Wir hatten fast keine Männer, ein paar alte Frauen. In der Zwischenzeit hat sie sich sehr entwickelt. Unsere Gemeinde ist sehr kinderreich, damals gewesen und jetzt noch mehr. Wir wachsen hauptsächlich durch Kinder. Der erste positive Eindruck, wie ich die Kirche kennengelernt habe war Genealogie. Meine Mutter war vorher gestorben und ich wollte etwas für meine Mutter tun. Dadurch bin ich so in die Genealogie. Ich dachte ich habe das leicht. Wir haben einen Ahnenpass gebraucht, denn meine Schwester hat einen Offizier geheiratet und da haben wir einen Ahnenpass gebraucht und der war in meinem Koffer. Mein Koffer ist aber gestohlen worden.
Ich habe es eigentlich sehr schwer mit der Genealogie. Meine Mutter stammt aus dem Ungarischen her, da kam ich schlecht dazu. Aber dann hat Bruder Königbauer viel von der Seite meines Vaters gemacht. Ich hoffe jetzt vielleicht durch die Genealogie mit meiner Schwester, die auch schon gestorben ist, und mit ihren Kindern. Die eine Tochter hat schon gesagt, sie hätte gerne von der Mutterseite etwas. So kommen wir da in Kontakt. Die Genealogie ist ein ganz wesentlicher Teil. Dass ich so wenig gemacht habe ist auch der Grund, warum ich noch hier bin. Denn für die Arbeit für meine Vorfahren ist niemand mehr da. Meine Schwester hat sechs Kinder im Gegensatz zu mir, die muss ich erst noch anregen, es zu machen. Ich bin das einzige Mitglied der Kirche in der Familie.
Wie ich früher erzählt habe, ist mein erster Mann verstorben. Dann habe ich eigentlich durch die Kirche einen Afrikaner kennengelernt. Ich bin dann nach Afrika, nach Ghana, nach Bischwitz, gefahren und habe ihn dort geheiratet, Nachdem wir verheiratet waren, dann ist mein Mann zur Kirche gekommen. Der hat lange gebraucht, weil seine Mutter nämlich streng katholisch war, die hatte ihre Kinder auch sehr nach der Kirche erzogen und er hat ziemlich Angst gehabt. Wir sind hingegangen, das hatte aber seiner Mutter sehr imponiert, was ich von der Kirche erzählt habe. Dann hat er sich taufen lassen. Bis wir dann in den Tempel gekommen sind, das brauchte auch noch seine Zeit. Wir sind nach Hause gekommen vom Tempel in der Schweiz. Da sagte mein Mann, er war schon wesentlich älter, in derselben Nacht, es sei ihm nicht gut und er ist gestorben. Wir waren nur fünf Jahre verheiratet. Nun da war ich wieder allein.
Durch meinen ersten Mann habe ich meine Stieftochter Lydia bekommen, die war sehr aktiv in der Kirche, bis die große Liebe gekommen ist. Da waren wieder mehr Sorgen da. Dafür haben wir wieder die Allia, meine Enkeltochter, die ist sehr fit und eifrig in der Kirche. So ist immer alles, wie es kommen muss. Selbst habe ich keine Kinder. Im Gegensatz zu meiner Schwester, die wollte keine Kinder haben und hat sechs. Ich wollte immer eine halbe Fußballmannschaft und ich habe keine. Die kriege ich dann wahrscheinlich im nächsten Leben, da geht’s leichter, nehm’ ich an. In meiner freien Zeit lese ich sehr viel.