Erfurt, Thüringen

Mormon Deutsch Vera Herberta GittermannMein Name ist Vera Herberta Gittermann. Ich wurde am 10. Mai 1925 in Erfurt geboren. Meine Eltern sind Frieda Voigt, geborene Verges, und Paul Voigt. Meine Eltern kamen aus Mühlhausen in Thüringen. Dort sind sie geboren.

Meine Mutter hatte eine große Schwester, die siebzehn Jahre älter war als sie. Deren Mann war schwer krank. Er hatte eine Frau und zwei kleine Kinder. Die Ärzte sagten ihm, dass er nie mehr arbeiten könnte. Er war am Verzweifeln. Dann traf er einen ehemaligen Schulfreund, mit dem er in einem Dorf aufgewachsen war. Dieser arbeitete in Mühlhausen als selbständiger Schuhmacher und war Mitglied unserer Kirche. Er sagte zu meinem Onkel: „Ich weiß etwas, wodurch du gesund werden kannst.“ Und er erzählte von der Krankensegnung. Er ging nach Hause und erzählte das alles seiner Frau. Die Frau sagte: „Du musst dann aber daran glauben. “Sie waren beide evangelisch. Und er wurde auch eingeladen, die Versammlungen zu besuchen.

Er ging des Sonntags los, hat sich aber nicht hineingetraut und blieb vor der Tür stehen. Er ging bis zur nächsten Ecke, drehte um und ging zurück. Das tat er mehrere Male. Dann sagte er zu sich: „Du bist doch ein Mann. Geh jetzt hinein!“ Und dann ging er hinein, wurde freudig aufgenommen und fühlte sich wohl. Dann ging er immer wieder hin. Später ging dann auch seine Frau mit. Er wurde dann bald in der Unstrut getauft. Meine Tante wurde etwas später getauft. Das war im Februar. In der Unstrut musste zuerst das Eis aufgehackt werden. Sie war schwanger und es hat ihr nichts geschadet. Sie zogen nach Erfurt, weil es dort bessere Arbeitsmöglichkeiten gab. Meine Mutter war damals vierzehn Jahre alt. Sie wurde dann 1911 in Erfurt getauft.

Nachdem meine Eltern verheiratet waren, ist mein Vater auch wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten nach Erfurt gezogen. Ich wurde 1926 geboren und hatte schon drei Brüder. Mein Vater ist auch durch die Schwester meiner Mutter zur Kirche gekommen. Meine Tante ist dann mit der ganzen Familie nach Amerika ausgewandert. Als meine Mutter schwanger mit mir war, wollten die Ärzte eine Schwangerschaftsunterbrechung vornehmen. Sie sagten, meine Mutter könnte die Entbindung nicht überstehen. Sie wollten, da es schon drei Brüder gab, den Kindern nicht die Mutter nehmen. Meine Mutter war damit nicht einverstanden. Sie sagte: „Der mir das auferlegt hat, der wird es mir auch tragen helfen.“ Sie bekam einen Segen. So wurde ich dann geboren. Die Ärzte sagten: „Die Operation lässt sich wohl aufschieben aber niemals aufheben.“ Sie waren der Meinung, dass meine Mutter eine innerliche Verwachsung hätte. Meine Mutter ist achtzig Jahre alt geworden und brauchte niemals operiert zu werden. Ich bin dann unter drei Brüdern aufgewachsen. Es wurde noch ein weiterer Bruder geboren, zwei Jahre jünger als ich. Wir waren eine glückliche Familie.

Als ich dreizehn Jahre alt war, brach der Krieg aus. Das war sehr schwer für meine Mutter. Die drei Brüder wurden eingezogen und keiner kam zurück aus dem Krieg. Auch mein jüngster Bruder sollte mit sechzehneinhalb Jahren noch eingezogen werden. Er sollte sich in Detmold stellen. Als er dort mit seinem Freund, der sich auch in Detmold stellen sollte, ankam, kam ein Offizier auf sie zu und fragte: „Na, ihr Jungs, wo wollt ihr denn hin?“ „Ja, wir sollen uns in Detmold stellen.“ „Ihr Jungs, wollt ihr, dass ihr noch in Zivil in Gefangenschaft kommt? Macht, dass ihr nach Hause kommt!“ So kam er mit seinem Freund zu uns nach Hause. Die Eltern des Freundes wohnten in der Stadt, während wir am äußersten Stadtrand wohnten. Der Freund durfte ja nicht von den Nachbarn gesehen werden. Auch mein Bruder durfte nicht gesehen werden, sonst wären sie als Fahnenflüchtige erschossen worden. So kamen sie dann im Dunkeln zu uns nach Hause. Sie sind hinten im Garten über den Zaun gestiegen, damit niemand sie sah. Und wir haben die beiden bei uns im Haus versteckt, bis der Krieg zu Ende war. Da konnte der andere Junge nach Hause zu seinen Eltern.

Im April 1945 rückten bei uns die Amerikaner ein. Sie gingen zuerst um die Stadt herum nach Weimar, und am nächsten Tag besetzten sie Erfurt. Dann war der Krieg zu Ende. Im Juni sind die Amerikaner ganz plötzlich raus aus Thüringen, weil sie ein Stück von der Hauptstadt, von Berlin, haben wollten.

Zum Jungvolk musste jeder gehen. Wir wurden gar nicht gefragt. Ich war aber nicht in der Partei. Ich hatte Glück, weil ich ein halbes Jahr Arbeitsdienst machen musste. Jedes Mädchen musste zum Arbeitsdienst gehen. Wir waren im Lager untergebracht und mussten tagsüber von neun Uhr morgens bis fünf Uhr am Nachmittag arbeiten gehen, meistens in der Landwirtschaft. Aber da ich Kindergärtnerin war, kam ich immer in Familien mit Kindern. Ich hatte nur eine einzige Bauernstelle. Als ich achtzehn wurde, sollte ich in die Partei aufgenommen werden. Da ich in dieser Zeit nicht zu Hause war, sondern beim Arbeitsdienst, wurde ich kein Mitglied der Partei.

Einmal, da war ich gerade in der Stadt im Kino. Wenn Fliegeralarm war, wurde das Kino sofort geräumt. Da mussten wir sofort in einen Luftschutzkeller. Das war an einem Samstagnachmittag. Wir mussten raus in den Keller. Im Zentrum sind ein paar Bomben gefallen. Es waren nicht viele aber es war entsetzlich. Das war ein Bunker unter dem Stadtpark, wo ich drin war. Als die Bomben fielen, war es, als ob die ganze Erde schwankte. Die Leute waren hysterisch. Sie schrien vor Angst. Da habe ich gedacht. „Nie wieder gehst du ins Kino.“ Ich wusste, meine Mutter machte sich Sorgen, mein Vater machte sich Sorgen, wenn ich nicht zu Hause war. Wenn ich in die Innenstadt musste, bin ich nur noch mit dem Fahrrad gefahren. Da konnte ich schnell nach Hause fahren, wenn die Sirene ging.

Als ich 17 war, habe ich mich mit einer Freundin verabredet. Donnerstags abends wurden im großen Saal vom Standortlazarett immer von verwundeten Soldaten Konzerte abgehalten. Dort sind wir immer hingegangen. Es gab damals im Krieg wenig Unterhaltung. Es war klassische Musik, die dort geboten wurde. Ich wohnte an einem Ende der Stadt und die Freundin wohnte am anderen Ende der Stadt. Ich musste allein nach Hause gehen. Ich fuhr mit der letzten Straßenbahn. Da waren ein paar Soldaten in der Straßenbahn, die nach Hause in die Kaserne wollten. Sie mussten den gleichen Weg nehmen wie ich. Und dann sah man am Himmel die Scheinwerfer von der Flak hin und her gehen. Wir wussten, die suchten nach Flugzeugen. Es war dann auch mulmig, als Mädchen allein auf der Straße zu sein.

Da haben mich die Soldaten angesprochen. Ich bin mit den Soldaten gegangen. Das habe ich sonst nie gemacht. Aber an dem Abend habe ich es getan. Die sahen, dass ich ängstlich war. Und einer von ihnen war mein späterer Mann. Dann hat er erzählt, dass am Samstagabend Abschiedsabend ist, denn er wurde als Soldat von Erfurt nach Russland versetzt. Da haben sie mich eingeladen, mitzukommen. Und ich habe noch nie vorher so eine Einladung angenommen. An diesem Abend habe ich es getan. Ich bin am Samstag mit zur Abschiedsfeier gegangen. Am andern Tag mussten sie nach Russland. Und er schrieb und ich schrieb wieder und die Briefe gingen hin und her. Als der Krieg zu Ende war, war er hier in Hildesheim zu Hause. Er schrieb auch von hier. Ich habe immer von der Kirche geschrieben, habe Traktate mitgeschickt und habe ihm in den Briefen erzählt, was wir alles in der Kirche machen und was mir die Kirche bedeutet.

Eines Tages kam er schwarz über die Grenze. Er hatte keine Genehmigung. Am Sonntag ging er mit zur Kirche. Er hat sich dort sehr wohl gefühlt. Das war 1947. Dann war die große Konferenz in Dresden, die 100-Jahr-Feier der Pioniere. Und da hat mein Mann teilgenommen. Er bekam vom Gemeindepräsidenten in Hannover (Er besuchte auch die Versammlungen in Hannover, natürlich nicht regelmäßig, denn es war ja eine große Entfernung, Hildesheim und Hannover, und die Verbindung war damals noch nicht so wie jetzt und das Geld war auch knapp.) eine Bescheinigung, dass er als Delegierter der Kirche in Dresden teilnehmen sollte. Und damit bin ich zur Behörde gegangen und habe für ihn eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt, die er auch bekommen hat. Und er hat das erste Mal eine große Konferenz erlebt. Und die Konferenz, die war fabelhaft. Wir sind abends in Erfurt losgefahren. Wir bekamen einen Sonderwaggon im Zug. Damit fuhren wir bis Weimar. Dort stiegen Mitglieder zu. Dann fuhren wir nach Dresden und kamen dort um Mitternacht an. Dresden war durch Bomben sehr zerstört. Die Kirche hatte bei Privatleuten Privatquartiere besorgt. Die russische Militärregierung hat diese Quartiere beschlagnahmt. Der ganze Zug kam an. Da haben uns Missionare am Zug abgeholt und uns zum Gemeindeheim gebracht, das nicht zerstört worden war. Zu dem Haus gehörte ein großes Grundstück.

Da standen Missionare an der Tür und wir bekamen alle ein Bund Stroh. Wir haben auf diesem Grundstück geschlafen und die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Das war eine Gaudi. Das war ein Jux. Wir haben dabei unseren Spaß gehabt. Die Jugendlichen aus unserer Gemeinde lagen alle in einer Reihe. Erst die jungen Männer, am Schluss mein Bruder, dann ich und dann die anderen Mädchen. Wie viele es waren, weiß ich nicht mehr. Es waren sehr viele. Am anderen Morgen haben die Brüder das ganze Stroh zusammengeharkt und es wurden Stühle aufgestellt. Dann wurde Gottesdienst abgehalten. Mein zukünftiger Mann war dabei und es hat ihm sehr gut gefallen.

Wir haben dann 1950 geheiratet. Mein Mann bekam wieder eine Aufenthaltsgenehmigung zur Heirat. Damals hat immer der Missionspräsident das Paar getraut. Präsident Stover durfte aber nicht kommen, er bekam von der russischen Militärregierung keine Erlaubnis. Er war schon einmal in Erfurt gewesen. Er hatte einmal zur Konferenz in Erfurt kommen dürfen. Damals kam er in seinem großen Cadillac. Es gab morgens eine Versammlung und nachmittags eine Versammlung. In der Zwischenzeit durften die Missionare die Kinder der PV spazieren fahren. So ein großes Auto! Wer hatte denn damals schon so ein Auto? Das erregte natürlich Aufsehen in der Stadt, dieser große Wagen. Alle machten Stielaugen. Präsident Stover durfte nicht wiederkommen. Er durfte wohl nach Leipzig zur Konferenz fahren. Weil er Amerikaner war, konnte er dort zur Messe gehen. Da konnte er die Gelegenheit wahrnehmen und die Gemeinde besuchen. Aber nach Erfurt durfte er nicht wieder kommen. Als wir geheiratet haben, hat er dem Distriktspräsidenten den Auftrag gegeben, uns zu trauen. Ich hatte aufgrund meiner Heirat meine Ausreise beantragt. Ich habe die Ausreise schon sehr früh beantragt und bin zur Behörde gegangen. Statt das man mir gesagt hätte, was ich alles brauche, sagte man nur: „Wir brauchen die polizeiliche Abmeldung.“ Ich brachte die polizeiliche Abmeldung. „Wir brauchen noch die Abmeldung vom Arbeitsamt.“ Ich brachte die Abmeldung vom Arbeitsamt. „Wir brauchen noch die Abmeldung vom Finanzamt, damit Sie keine Steuerschulden hinterlassen.“ Ich habe auch das gebracht. Dann hieß es: „Wir brauchen noch die Abmeldung vom Ernährungsamt.“ Wir lebten damals immer noch auf Lebensmittelkarten. Und als ich alles zusammenhatte und es hinbrachte, da hieß es: „Wir brauchen das alles nun auch auf Russisch.“ Dann habe ich mir eine Übersetzerin gesucht und habe alles hingebracht. Wir haben am 12. Mai geheiratet. Mein Mann musste alleine zurückfahren, weil meine Papiere noch nicht fertig waren. Da konnte ich ja nicht rüber. Man hätte mich ja nicht über die Grenze gelassen. Ich bekam meine Papiere dann Ende Juni.

Wir waren glücklich in der Kirche in Erfurt. Wir waren eine gute Gemeinde mit vielen Jugendlichen. Wir waren bestimmt achtzig Mitglieder in der Gemeinde. Wir hatten vormittags Sonntagsschule und nachmittags Gottesdienst. Um fünf Uhr fing der Gottesdienst an. Wenn der Gottesdienst zu Ende war, war es ja schon dunkel. Montags abends sind wir zur FHV und Priesterschaftversammlung gegangen. Mittwochs abends sind wir auch gegangen. Da war GFV. Und natürlich sonntags zweimal. Unsere Nachbarn sagten, wir wären verrückt, weil wir abends gegangen sind. Abends traute sich bei der Russenbesatzung niemand mehr raus. Und wir sind immer gegangen, immer, und es ist uns nie etwas passiert, nie. Und wir mussten zu Fuß gehen. Das waren sechs Kilometer, die wir bis zur Gemeinde laufen mussten und sechs Kilometer zurück. Es fuhr keine Straßenbahn. Es gab keinen Strom. Wir mussten alles zu Fuß erledigen. Die Straßenbahn fuhr nur morgens, wenn die Leute zur Arbeit gingen, und wenn abends Feierabend war. Da fuhr die Straßenbahn, sonst nicht. Es waren sechs Kilometer, bei jedem Wetter. Und wir haben das gern gemacht. Wenn wir zum Gottesdienst kamen oder zu den anderen Versammlungen, es war ja abends dann schon dunkel und die Russen haben den Strom abgestellt, war es düster. Da haben wir von zu Hause Kerzenreste mitgebracht. Da haben wir bei Kerzenlicht gesessen und es war wunderschön.

Manchmal kamen Spitzel. Aber das wusste man ja nicht. Aber wenn ein Fremder kam, wussten wir schon Bescheid und waren vorsichtig. Wir waren sowieso vorsichtig. Nur zu Leuten, auf die man sich verlassen konnte, zu denen konnte man etwas sagen. Unseren Gemeindepräsidenten, Willi Brachmann, haben sie von der Arbeit geholt. Er wurde auch immer verhört. Er war Aktivist. Er hatte eine Anstecknadel – Aktivist. Er war Schlosser in Erfurt in der Fabrik und hatte eine solche Nadel. Die hat er angesteckt, wenn er zu den Russen kommen musste, wenn sie ihn verhört haben. Dann hat er gesagt: „Ich muss an meinen Arbeitsplatz. Sie sehen, ich bin Aktivist.“ Sie haben ihn nachts aus dem Bett geholt und mitgenommen und verhört. Er sollte zu der apostolischen Gemeinde gehen und sollte dort die Leute aushorchen. Das hat er nicht gemacht. Er war auch schon während der Hitler-Regierung von der Gestapo verhört worden. Er sollte nicht mehr aus dem Alten Testament lehren, wegen der Geschichte der Juden. Damals sagte er: „Wenn Sie ein Haus haben und die erste Etage gefällt Ihnen nicht, können Sie auch nicht diese Etage herausreißen, sonst fällt das ganze Haus zusammen.”

Damals, 1948, war in Berlin das Grün-Gold-Freud-Echo. Wir haben uns alle sehr darauf gefreut. Das war gerade, als die Währungsreform war. Wir mussten uns anstellen. Unser Geld wurde umgetauscht. Für 70 Reichsmarken bekamen wir 70 Ostmark. Lebensmittelkarten gab es auch am gleichen Tag. Die mussten wir auch abholen. Meine Schwägerin, die Frau meines großen Bruders, der gefallen war, war mit dabei. Sie stellte sich an der einen Reihe an, um die Lebensmittelkarten für die ganze Familie abzuholen. Ich stellte mich an, um das Geld für die Familie abzuholen. Dann sind wir nach Hause in unseren Garten gegangen, haben Beeren gepflückt und uns Marmelade gekocht, denn am anderen Tag ging die Fahrt nach Berlin los. Wir mussten uns etwas zum Essen mitnehmen. Wir fuhren wieder mit einem Sonderwaggon ab Erfurt. In Weimar und Naumburg kamen die Nächsten dazu. In Leipzig wurden wir an den Sonderzug angehängt und fuhren dann weiter bis Berlin. In Berlin am Bahnhof war es so eingerichtet, dass zur gleichen Zeit ein Sonderzug aus Mecklenburg ankam, einer aus Thüringen und einer von Dresden. Der Missionspräsident war auf dem Bahnhof und konnte alle willkommen heißen. Dann gingen wir in unsere Quartiere, wo wir wieder auf Stroh schliefen. Die Mitglieder hatten Räumlichkeiten besorgt. Die Konferenz war in der Waldbühne in Berlin. Das war auch ein kolossales Erlebnis. Wir wurden mittags von der amerikanischen Armee verpflegt und sonst haben wir unsere Marmelade gegessen, die wir uns zuvor zu Hause gekocht hatten. Wir haben lange, lange von der Konferenz gezehrt. Wir denken heute noch gerne daran zurück.

Damals war eine üble Zeit. Aber es war auch eine sehr schöne Zeit. Das Grün-Gold-Freud-Echo dauerte mehrere Tage, Samstag, Sonntag und Montag. Es waren Mitglieder aus dem Osten. Die aus dem Westen bekamen ja nur 40 Mark umgetauscht. Deshalb konnten sie nicht kommen. Mein Mann konnte auch nicht kommen. Wir wollten uns auch in Berlin treffen. Aber jeder Teilnehmer hat 50 Mark bezahlt, auch die Berliner, die ja an Ort und Stelle wohnten. So war es für alle anderen etwas billiger. Hannover und Schleswig-Holstein gehörten zu dieser Zeit zur Ostdeutschen Mission. Das war unsere Mission, die ihren Sitz in Berlin hatte. Da viele Leute dachten, dass das irgendwie mit Russland und dem Kommunismus zusammenhängen könnte, weil es ostdeutsch war, hat man zwei Distrikte aus dem Westen, Hannover und Schleswig-Holstein, zusammengetan und man konnte sagen, dass Westdeutschland auch mit dazugehörte. Es gab Workshops in freier Rede, in Gesang. Das war früher jedes Jahr in der GFV. Es wurden Ansprachen gegeben. Der Missionspräsident war da. In freier Rede, musikalischer Darbietung, Gesang usw. wurden die Besten ausgesucht. Europas Missionspräsident, Ezra Taft Benson, sollte kommen. Er war in London. Aber das Flugzeug konnte wegen Nebel nicht starten.

Als Präsident Stover im Dezember 1945 ankam, sind wir auch nach Berlin gefahren. Die Versammlung wurde im Schöneberger Rathaus abgehalten. Das war heil, und es gab sonst kein Gebäude, wo man die Konferenz hätte abhalten können. Wir sind da auch hingefahren, haben uns auch wieder Marmelade gekocht. Wir hatten ja genug Obst im Garten. Die Fenster an dem Zug waren kaputt. Es war kalt in dem Zug. Im Abteil war es erträglich. Wir sind nach Berlin gefahren und das war schön. Wir haben bei einer Familie übernachtet, die waren Hausmeister in einer Villa und Mitglieder. Sie hatten eine Kellerwohnung und da war kein Putz mehr an den Wänden. Da waren die blanken Backsteine – durch den Krieg war alles kaputt. Dort haben wir in einem Zimmer geschlafen. Im Rathaus haben wir voller Erwartung gesessen und gewartet. Da kam Präsident Benson. Er brachte seinen Assistenten, Alma Sonne, mit und Präsident Stover. Das war eine Versammlung! Wir waren alle gespannt in freudiger Erwartung. Da spielten eine Schwester auf dem Flügel und eine Schwester auf der Violine. Sie spielten „Wir danken dir Herr für Propheten!“ Dann ging die Tür auf und Präsident Benson und die anderen Brüder kamen herein. Das war sehr beeindruckend und erhebend.

Bis zu dem Zeitpunkt war die Mission von deutschen Brüdern geführt worden, die sehr viel Verantwortung tragen mussten, denn es gab keinerlei Verbindung zum Hauptsitz der Kirche in Amerika.