Muggendorf, Oberfranken, Bayern

Mormon Deutsch Karl Eberhard HeinzMein Name ist Karl Eberhard Heinz. Ich bin am 9. Juli 1931 als erstes Kind meiner Eltern, Wilhelm Anton Heinz und seiner Frau Dorothea Würffel. geboren. Ich habe meine Kindheit in Muggendorf verbracht. Das ist ein kleiner Ort in der Fränkischen Schweiz, in Oberfranken, Bayern. Wir lebten in bescheidenen Verhältnissen, aber es war eine schöne Zeit. Mein Vater hatte ein kleines Geschäft. Ursprünglich war er als Cellist in Nürnberg tätig, hat das aber aufgeben müssen, weil man im Kino keine Begleitmusik mehr brauchte, es gab den Tonfilm. Dann hat er ein kleines Fotogeschäft in Muggendorf angefangen, hat Filme entwickelt und Hochzeiten fotografiert und hat Ansichtskarten von der Fränkischen Schweiz angefertigt und verkauft. Meine Mutter stammte aus einer Gastwirtschaft in Muggendorf. Sie sollte diesen armen Fotografen nicht heiraten. Ihre Eltern waren nicht dafür. Aber die Liebe hat gesiegt und später hat sich gezeigt, dass sie die Einzige von fünf Kindern war, die sich um ihre alten Eltern gekümmert hat.

Es war um Weihnachten 1940, als mein Vater mit 39 Jahren den Stellungsbefehl bekam und in die Wehrmacht einrücken musste. Da sind die Männer von jungen Vorgesetzten sehr hart und gemein gedrillt worden. Mein Vater hatte vorher hier in Ebermannstadt ein Fotogeschäft eröffnet und war damit recht erfolgreich. Das hat unsere wirtschaftliche Lage sehr verbessert. Als er zum Militär eingezogen wurde, hat er es schließen müssen und wir sind 1942 in diese Räume eingezogen. Seitdem wohnen wir in Ebermannstadt. Mein Vater wurde einer Flakeinheit in der Nähe von Wien zugeteilt und durfte da auch als Fotograf arbeiten. 1944 ist die Einheit nach Ostpreußen versetzt worden und er hat den kalten Winter dort gut überstanden. Nach russischer Gefangenschaft ist er teilweise zu Fuß von Ostpreußen bis nach Sonnenberg, hier an der bayrischen Grenze, gekommen. Er war nun nur noch etwa 100 Kilometer von der Heimat entfernt, aber wegen der Grenze der russischen und amerikanischen Besatzungszone konnte er nicht weiter gehen. Er war geschwächt und wurde krank und ist dort im Krankenhaus verstorben. Meine Mutter hat später die Urne aus Sonneberg abgeholt. Sie hat ihren Mann im Rucksack nach Hause getragen.

In den letzten Kriegsmonaten und nach Kriegsende hatten wir nicht genug zu essen. Wir hatten keine wertvollen Sachen, die wir bei den Bauern gegen Lebensmittel eintauschen konnten. Man nannte das „kompensieren“, aber wir konnten das leider nicht. Nach dem Krieg war Ebermannstadt für einige Zeit Sitz der amerikanischen Militärregierung und eine Militäreinheit war hier stationiert. Einer der Soldaten hat bei uns für seine Braut ein Zimmer gemietet. Er war Fahrer beim Roten Kreuz und hatte Beziehung zur Küche. So hat er uns oft gute Reste aus der Küche mitgebracht. Es gab Brot, Sliced Bacon, Eis, Kaffee, Bier und Zigaretten; das war eine große Hilfe für uns. Manchmal hat er Freunde eingeladen und auch Nachbarn aus dem Haus, sodass wir bald scherzhaft den Namen „Gasthaus zur Amibraut“ bekamen. Dabei ist auch immer etwas für uns abgefallen. Die amerikanischen Soldaten haben Zigaretten angeboten und dies war das erste Mal, dass ich eine Zigarette geraucht habe.

Das war die eine Segnung, die wir in Bezug auf Lebensmittel bekamen. Die andere war so: In den letzten Kriegstagen wurden die Schwester meiner Mutter und ihr Mann zum zweiten Male in Nürnberg ausgebombt. Sie wollten bei ihren Geschwistern, die in Muggendorf ein großes Haus hatten, Unterkunft finden. Als sie mit ihrer letzten Habe vor der Türe standen, hat man sie nicht aufgenommen. So kamen sie in der Nacht zu uns. Obwohl wir selbst wenig Platz hatten, hat meine Mutter sie aufgenommen Sie haben über das Kriegsende bei uns gewohnt. Der Onkel war Feinmechaniker und konnte Nähmaschinen reparieren. So ist er zu den Bauern hinausgegangen und hat deren Nähmaschinen repariert. Dafür hat er dann Lebensmittel bekommen. Brot, Milch, Fleisch oder Kartoffeln. Ich sehe das als einen Segen an, dass sie bei uns gewohnt haben und wir dadurch ein bisschen besser haben leben können.

1942, also noch während des Krieges, sollte ich auf die Oberschule (Gymnasium) in Forchheim gehen. Ich musste eine Aufnahmeprüfung machen. Meine Mutter wartete vor der Schule auf mich und kam dort mit einer Frau Hansen ins Gespräch, deren Sohn auch an der Prüfung teilnahm. Die Familie Hansen, die Mutter mit zwei Söhnen, waren Mitglieder der Kirche und kamen aus Kiel. Sie waren wegen des Luftkriegs nach Ebermannstadt geschickt, — evakuiert – worden, Sie bewohnten eine ganz kleine Wohnung und da hat die Mutter mit ihren Kindern Sonntagsschule abgehalten. Wir Kinder haben viel miteinander gespielt und ich fühlte mich mit den beiden Jungen gut, einfach weil sie anders waren als die Jungen aus dem Ort. Vermutlich erst nach dem Krieg haben sie mich und andere zur Sonntagsschule eingeladen und so habe ich auf diese Weise die Kirche erstmals kennengelernt.

Als der Vater aus französischer Kriegsgefangenschaft heimkam, hat er sich bald missionarisch betätigt. Er hat meine Mutter und mich zu Versammlungen in ihr Heim eingeladen. Als der Interessentenkreis größer wurde, wurde in einem benachbarten Ort Streitberg ein Lokal angemietet und Versammlungen abgehalten. Es gab da ein Flüchtlingslager und einige Leute, die an Religion und an Hilfsgütern der Kirche interessiert waren. Etliche wurden getauft und ihre Nachkommen sind heute in der Kirche aktiv. Obwohl ich an vielen Versammlungen der Kirche teilgenommen habe, wurde ich selbst nicht getauft. 1954 ist die Familie Hansen nach USA ausgewandert. Ich war mit den Söhnen noch für eine Zeit in Verbindung. Wir haben Briefe geschrieben, aber ich hatte keinen Kontakt mehr mit der Kirche.

Nach dem Krieg musste ich aus wirtschaftlichen Überlegungen die Oberschule verlassen und habe im wieder eröffneten Fotogeschäft meiner Mutter gearbeitet. Dadurch kam ich mit einem Mädchen in Kontakt das streng evangelisch erzogen war. Wir haben auch über Religion gesprochen und uns geschrieben. So bin ich durch dieses Mädchen wieder zur Religion gekommen. Sie versuchte mir zu erklären dass Seligkeit nur durch die Gnade zu erlangen sei, nicht durch Werke. Da dachte ich an die Mormonen, von denen ich das anders in Erinnerung hatte. Ich habe Uwe, einem der Hansen Söhne, der zu der Zeit auf Mission in Finnland war, geschrieben und ihm diese Frage vorgelegt.

Er hat mir einen ausführlichen Brief geschrieben und an einem schönen Beispiel erklärt, wie Gnade und Werke wirklich zusammenwirken. Das war mir einleuchtend. Später hat er mir gesagt, dass dies der längste Brief gewesen sei, den er je geschrieben habe.

Nun hat mich Religion, die Kirche, wieder interessiert und ich wollte jetzt mehr über die Mormonen wissen. Mit diesem Hintergrund bin ich für zwei Jahre nach Köln auf eine höhere Fachschule für Fotografie gegangen. Ich suchte dort in einem Reisebüro nach der Adresse der Kirche. Ich habe sie gefunden und als ich mich vor der Türe umschaute habe ich festgestellt dass die Kirche gleich im Haus nebenan war. So habe ich dann die Kirche in Köln besucht und an allen Aktivitäten teilgenommen. Nach eineinhalb Jahren, am 1. November 1959 bin ich in Köln in einem kleinen Bach getauft worden. Ich war damals 28 Jahre alt.

Meine Frau stammt aus Schweden, ich habe sie im Tempel in der Schweiz kennengelernt. Sie hat dort als Sekretärin gearbeitet. Wenn wir als Gruppe zum Tempel kamen, saß sie an der Schreibmaschine und hat die Namen derer aufgeschrieben, die zum Endowment gingen. Man bekam einen kleinen Zettel mit dem eigenen Namen und dem Namen des Verstorbenen. Wir sind in Kontakt gekommen und haben Interesse aneinander gefunden. Das war 1964. Im Herbst, wenn es im Geschäft ruhiger wurde, bin ich immer für eine Woche zum Tempel gefahren. Da haben wir einander besser kennengelernt. Wir haben einander geschrieben und telefoniert und uns schließlich verliebt. Am 4. September 1965 haben wir im Tempel in der Schweiz geheiratet. Bruder Trauffer, der Tempelpräsident, hat uns gesiegelt. Wir haben drei Kinder, die ihrerseits alle auf Mission waren und im Tempel geheiratet haben.

Meine Frau hat schon als Mädchen eine Mission in Schweden erfüllt und war als PV-Leiterin und Übersetzerin mit dem Missionspräsidenten in ganz Schweden unterwegs. Unsere erste gemeinsame Mission haben wir 1997/98 im Stockholm Tempel erfüllt. Präsident Wennerlund, der Tempelpräsident, suchte Verwalter für das Gästehaus des Tempels und hatte deshalb in allen Gemeinden ein Poster aushängen lassen „Wanted ….“ Unsere Schwiegertochter in Stockholm hat es gesehen und uns gefragt, ob das nicht eine Gelegenheit für uns wäre. Wir haben uns dafür entschieden!

So haben wir als erstes Missionarsehepaar das Gästehaus verwaltet. Wir haben auch im Tempel helfen dürfen, waren aber nicht als Tempelarbeiter eingeteilt. Das war eine sehr interessante Tätigkeit und wir hatten eine sehr schöne Zeit, an die wir gerne zurückdenken und für die wir sehr dankbar sind.

1999 habe ich von Apostel Thomas S. Monson Siegelungsvollmacht für den Frankfurt Tempel bekommen. 2003/2004 waren wir dann ein zweites Mal auf Tempelmission in Stockholm. Diesmal haben wir als Tempelarbeiter mit all den anderen Missionaren aus USA und anderen Ländern gedient. Meine Siegelungsvollmacht wurde auf den Stockholm Tempel übertragen und ich durfte dort als Siegler arbeiten und war auch für alle Siegler des Tempels verantwortlich. Das war eine gute Zeit. So habe ich etwas Schwedisch gelernt. Derzeit diene ich als Hoher Rat im Pfahl Nürnberg.