Emmerich am Rhein
Mein Name ist Hildegard Hellriegel ich bin eine geborene Reinke, ich bin am 9.Januar 1926 in Emmerich am Rhein geboren, ich war das älteste Kind meiner Eltern. Ich bin in Emmerich zur Schule gegangen und hatte da so eine schöne Kindheit, bis dann der Krieg kam. Wir in Emmerich haben eigentlich die ersten Folgen des Krieges so schön mitgekriegt, weil wir eine Stadt sind, die direkt an Holland grenzt. Da ist direkt am ersten Tag haben die Bomber Bomben auf Emmerich geschmissen und zwar auf das Krankenhaus. Da ist eine Mutter Allgemein, deren Haus ist getroffen worden, zu der Kinder gerne hingingen, die hatte so Leckereien, da konnte man für wenig Geld Bonbons und so weiter bekommen.
Wir haben den Krieg richtig mitgekriegt, wir mussten bald jede Nacht in den Luftschutzkeller rennen und zwischendurch hat meine Mutter uns einmal liegen lassen und hat am Fenster geguckt, ob Flugzeuge kamen, und man sah ja schon ob die Licht anmachten. Im Grunde genommen war in Emmerich nicht viel kaputt zu machen. Das war eine kleine Stadt. Da die dann anschließend nach Holland flogen, haben die immer ihre letzten Bomben in Emmerich gelassen.
Ich bin dort zur höheren Schule gegangen. Ich hätte dort auch mein Abitur gemacht, Emmerich wurde dann auch ganz ausgebombt, ich habe dann nur den Reifevermerk gekriegt und habe dann im Herbst das Abitur gemacht. Es war eine unangenehme Zeit. Meine Mutter schickte mich dann schon einmal zum Einkaufen. Wenn ich dann das Geschäft erreichte, musste ich wieder zurück. Da waren auf den Straßen ausgehobene Stellen. Wenn dann Flieger kamen, dann schmissen wir uns auf den Boden, damit die uns nicht sahen, dass wir uns bewegten. Wir wohnten eigentlich in Emmering, mehr in der Stadt. Wir sind da ausgebombt worden und sind zu Bekannten, die ein Stückweiter nach Holland wohnten. Das waren Kollegen von meinem Vater. Da kam nachher der große Angriff, da war alles kaputt und die Amerikaner oder die Engländer kamen und wir wurden umquartiert.
Als der Luftangriff war, haben wir da wo wir wohnten auch Bomben abgekriegt. Dann hatten sie Busse und mit der Bahn sind wir weitergefahren und sind dann bis in die Gegend von Magdeburg gefahren. Nach dem Krieg wohnten wir da. Da mein Vater nach dem Krieg nach Hause kam, sind wir Zerbst gezogen und da hatte mein Vater dann wieder sein Baugeschäft. Aber wir haben eigentlich immer sehr hungern müssen und wir waren da in Zerbst ganz gut dran, weil da zu dem Baugeschäft ein Garten gehörte. Den haben wir beackert und so dass wir da ein bisschen mehr zu essen hatten. Aber sonst, wir waren ja immer die „Fremden“, die haben uns nicht gerne aufgenommen. Das waren zwar auch Deutsche, aber die sagten: „Was wollen die hier, wir müssen Zimmerabgeben und so was alles.“ Das haben die nicht gerne getan.
Ich habe dann in Zerbst mein Abitur gemacht. Dann habe ich in Köthen gewohnt, da war ein Lehrerseminar. Ich wollte Lehrerin werden und bin es auch geworden. Meine Eltern sind nachher über die Grenze in den Westen gezogen. Mich haben sie dann als Letzte dann auch noch geholt. Ich war zwei Jahre Lehrerin in Zerbst, aber ich bin dann schwarz auch über die Grenze gegangen. Da gab es so Menschen, die einen für Geld führten. Freunde meiner Eltern, die wohnten in Westdeutschland, ziemlich nahe an der Grenze, da fuhr ich dann hin. Die hatten für mich die Fahrkarte besorgt, meine Eltern hatten das bezahlt und so. Wir machten das denn immer und dann bin ich nach Krefeld gekommen. In Krefeld wohnten meine Großeltern väterlicherseits. Deswegen sind wir dann immer nach Krefeld gekommen. Da haben wir zuerst in einer sehr kleinen Wohnung gewohnt, wo es noch durchregnete. Wir haben alle im Schlafzimmer geschlafen und dazu hatten wir nur noch eine Küche.
Ich habe zwei Brüder. Der eine ist fünf Jahre jünger und der andere ist zehn Jahre jünger als ich. Da waren wir zusammen, meine Mutter war froh. Wir haben viel Glück gehabt. Aus meiner Familie direkt ist niemand im Krieg geblieben. Mein Vater war zwar im Krieg, aber der war bei der OT. Der war Bauingenieur und er wurde dann bei Bauprojekten eingesetzt. Er war beim Bau des Westwalles, er war in Norwegen an einem Bauprojekt. Er kam natürlich nur selten nach Hause. So hatten wir immer nur unsere Mutter. Ich fand das eigentlich sehr schön unsere Mutter allein für sich zu haben, ohne Vater. Er war im ersten Weltkrieg Soldat, im zweiten Weltkrieg war er Bauingenieur und wurde als solcher entlassen.
Ich war dann im BDM, aber da waren ja alle drin, andererseits war das auch schön und man hatte eine Gemeinschaft. Mir hat das ganz gut gefallen. Wo ich nicht so gerne war, war so viel Sport und ich war sportlich eine ziemliche Niete, das gefiel mir nicht so gut, aber sonst mochte ich das schon. Besonders als wir dann nachher, „Glaube und Schönheit“ waren, das war die Gruppe mit den Erwachseneren, da wurde vieles gelesen und besprochen, mir hat das gefallen. Ich habe jeden Abend gebetet, dass wir doch endlich den Krieg gewinnen möchten. Ich bin ja froh, dass das nicht erhört worden ist. Aber das war meine Meinung, dass wir den Krieg ja gewinnen müssten. Das kam erst in den letzten Jahren 1944/45, dass ich das Beten dran gegeben habe. Die Uniform war eine braune Kletterweste, eine Bluse und einen schwarzen Rock.
Ich brauchte nicht in den Arbeitsdienst. Meine Mutter, die hatte Geschwister, Brüder, die studiert hatten und meine Mutter hat gesagt, sie hat gewollt, dass ich nicht in den Arbeitsdienst brauchte, sondern, dass ich weiter zur Schule gehen konnte. Mein Vater war der Meinung, ein Mädchen, wenn die die mittlere Reife hat, dann hat die genug, die heiratet ja, was soll das. Mehrere. Da mein Vater nicht zu Hause war, hat meine Mutter sich durchgesetzt und hat mich weiter zur Schule geschickt, dass ich nachher Abitur machen konnte. Ich habe in Emmerich den Reifevermerk bekommen, dann war je Emmerich kaputt, da konnte kein Abitur gemacht werden. Wir haben uns alle getroffen und die in Emmerich geblieben sind, haben später das Abitur gemacht. Ich habe später in Zerbst das Abitur gemacht. Zerbst war in der DDR. Wir sind dann nach Magdeburg umquartiert worden. In Köthen war ich zwei Jahre Volksschullehrerin. Da war ich auch alleine und meine Eltern waren in Westdeutschland und meine Mutter wollte, dass ich zu ihnen stoße, damit wir wieder zusammen waren.
Ich bin dann über die grüne Grenze gegangen und habe Schreibmaschineschreiben gelernt. Dann war ich bei einer Farbenfabrik und war da Stenotypistin. Da war mein Mann auch als Hilfskraft beschäftigt und da habe ich meinen Mann Walter kennengelernt. Wir haben uns längere Zeit gekannt. Vorher ist meine Mutter an Krebs gestorben mit 49 Jahren. Ich war zwar nicht alleine, ich hatte ja meinen Vater und die beiden Brüder, für die ich kochen musste, aber ich war ja doch nicht so richtig glücklich damit. Dann haben wir uns entschlossen zu heiraten. Wir haben zuerst keine Wohnung bekommen. Nachher haben wir eine winzige Wohnung bekommen, mit zwei Zimmern, Wohnzimmer und Schlafzimmer zugleich und einer Küche.
Mein Vater hatte dann auch eine Frau kennengelernt, die er geheiratet hat, so dass auch mein Vater versorgt war, denn eine Zeit lang war ich alleine der Verdiener und mein Vater war arbeitslos. Zu der Zeit ging es uns recht schlecht, aber so langsam wurde das besser. Mein Mann war dann bei dieser Firma weiter beschäftigt, er war von Beruf Seemann. Er ist in Mainz geboren. Er fuhr auch zur See im Krieg, zuerst auf Handelsschiffen, da ich er auch bombardiert worden, dann ist er auf ein Kriegsschiff gekommen. Er hatte keine entsprechende Stelle gehabt. Dann hat er vom Arbeitsamt her eine Umschulung gemacht, so dass er auch al Offizier arbeiten konnte. Zuerst ist er Matrose gewesen, dann musste er auf die Schule, da hat er seinen Offizier gemacht. Das hat er während unserer Ehe gemacht, da habe ich gearbeitet. Das war eine schlechte Zeit für uns, aber dann hat er die Prüfung bestanden und fuhr dann zur See. Von da an ging es uns dann etwas besser, aber ich habe dann nie eine rechte Ehe geführt, denn er war ja immer weg. Einmal im Jahr hatte er Urlaub. Da hatte er natürlich lange Urlaub, weil er ja die ganzen Sonntage immer als Urlaubstage bekamen. Die konnten ja nicht, wenn Sonntag war, sagen, jetzt machen wir Feiertag, da musste immer gearbeitet. So hatte er ziemlich lange Urlaub. Ich hatte nie lange Urlaub. Das war ja ganz schön. Ich bin kleine Strecken von Hamburg bis Bremen öfter mitgefahren. Ich musste meinen Mann ständig besuchen, wenn er europäische Häfen anlief. Das war so weit ganz schön, aber dann habe ich oft meine Stelle verloren. Dann haben die mich nicht weg gelassen und dann habe ich gesagt, dann muss ich kündigen und insofern habe ich oft die Stelle gewechselt. Das war meist zu meinem Vorteil, denn an der nächsten Stelle habe ich mehr verdient. Damals war das kein Problem als Stenotypistin.
Dann habe ich versucht, als Lehrerin zu arbeiten, im Westen, aber das ging nicht, denn die haben gedacht, ich würde aus den Kindern Kommunisten machen, deshalb ging das nicht. Der Lehrberuf, der war sinnlos, er wurde nicht anerkannt, wenn man grün über die Grenze kam. 1970/71 bin ich ein ganzes Jahr lang mit zur See gefahren. Es ist von der Reederei nur einmal erlaubt worden, nur ich durfte ein ganzes Jahr mitfahren und kriegte da auch noch ein bisschen bezahlt, weil ich dann Listen schreiben musste. Es war so, wenn man einen Hafen anläuft muss man Mannschaftslisten, Steuerlisten, was an Vorrat da war, wenn jemand zum Arzt musste. Das war das schönste Jahr meines Lebens. Ein ganze Jahr lang war ich mit meinem Mann zusammen. Sonst waren wir ehelich getrennt und ich habe sonst nie eine richtige Ehe geführt. Dann kam eines Tages die Zeit, wo die Reederei Schiffe mit Deutscher Besatzung aussortiert wurden. Die gab es nicht mehr.
Es gibt jetzt auch kaum noch Schiffe mit deutscher Besatzung. Die wurden alle entlassen und man fuhr dann mit Filipinos, weil das billiger war. Da wurde mein Mann vorzeitig pensioniert. Wir haben uns zwar dann auch noch, ich musste bis 65 Jahren arbeiten. Aber mein Mann hat sich dann eine Freundin gesucht und wollte schieden werden. Ich habe immer darum gebetet, dass er doch wieder kommen sollte. Aber ich bin der Überzeugung, ich wäre nie zur Kirche gekommen, wenn ich nicht geschieden worden wäre. Ich glaube nicht dass mein Mann, wenn er zu Hause geblieben wäre, er das geduldet hätte. Das hätte er nicht gewollt. Ich meine zuerst sieht man das natürlich nicht so. Man denkt: Warum, wenn du betest, dass er zurückkommen soll, warum kommt er nicht zurück. Ich hätte ihm das ja verziehen, wenn er eine Freundin gehabt hätte. Ganz abgesehen davon, dass ich ja damit rechnen musste, dass mein Mann so wie so, wenn er ein ganzes Jahr weg ist, dass er irgendwie eine Freundin hat. Das hatten die ja alle. In dem Jahr, als ich da mitfuhr, da hatten ja alle Offiziere irgendwie. Ich weiß, dass sie oft gesagt haben: “Sagen sie das doch nicht meiner Frau“. Aber das war ja für mich selbstverständlich, dass ich nicht darüber rede und eine Ehe kaputt mache. Aber zu Hause habe ich gedacht, mein Mann wäre da anders, aber er sah das nicht anders. Das war eine Freundin von mir, die er kennengelernt hatte und mit der er schon eine ganze Zeit zusammen gewesen war und die er dann geheiratet hatte und mit der er nach Kiel gezogen ist. Ich bin wirklich davon überzeugt, wenn er zu Hause geblieben wäre, ich glaube nicht, dass er das erlaubt hätte, oder die Missionare kommen. Bei meiner Bekehrung ist das so gewesen. Ich kannte die Frau Dreschmann; sie lebt auch nicht mehr. Wir waren beide in der Fachhochschule beschäftigt, als mein Mann nun dann wegging, da war ich richtig deprimiert. Da hat sie sich so ein bisschen um mich gekümmert und hat mich einmal eingeladen zu sich, ohne dass ich etwas ahnte. Da hatte sie auch Missionare eingeladen. Wir hatten damals in Krefeld keine Missionare, die kamen aus Düsseldorf. Die Missionare fingen dann von der Kirche an. Ich wusste nicht, dass sie das wollte. Das war so weit ganz nett. Als sie dann gingen, haben die gefragt: “Können wir sie denn noch einmal besuchen?“ Und dann habe ich gesagt: „In meine Wohnung kommt kein Mann“. Das kam durch die Scheidung, nicht weil ich etwas gegen die Missionare hatte. Damit haben sie sich zufrieden gegeben. Kurze Zeit später, kamen nach Krefeld Missionarinnen, die sind direkt gekommen, haben geklingelt und die habe ich natürlich herein gelassen. Mit denen habe ich mich sehr gut verstanden. Später gab es natürlich auch Missionare. Das ging ziemlich lange, ehe ich mich entschlossen habe, mich taufen zu lassen. Ich ging dann schon immer mit in die Kirche, aber ich habe da niemand gefunden, der sich so ein bisschen um mich gekümmert hätte, außer der Frau Dreschmann natürlich
Der Reeder hat meinem Mann erlaubt, dass ich ein ganzes Jahr mitfahren durfte. Ich war in anderen Umständen und das Kind ist bei der Geburt gestorben. Das war ein großes Entgegenkommen, die haben Mitleid mit mir gehabt und haben gesagt: „Lassen wir sie mitfahren“ die Besatzung. Das war ein großes Entgegenkommen von dem Reeder, dass ich mit konnte, die ganze Strecke. Ich bin immer von Südamerika nach Nordamerika gefahren. Dadurch bin auch sehr gut darüber hinweg gekommen. Das war natürlich schlimm, weil ich ja alleine war. Er hatte den ersten Brief in Kapstadt in Südafrika bekommen. Dann liest er, dass ich das beerdigt habe und so was alles, da musste er sich bis zum ersten Brief durchlesen, wo ich dann geschrieben habe, was passiert war. Insofern hatte ich zwar ein Kind, oder hätte das kriegen können, aber. .