Safnem, Kanton Bern
Mein Name ist Wilhelm Friedrich Lauener. Mein Vater hieß ebenso, Wilhelm Friedrich Lauener, und meine Mutter Emma Bärtschi. Ich wurde am 29. Mai 1918 in Safnern geboren. Als ich fünf Jahre alt war, zogen wir nach Krattigen am Thunersee im Kanton Bern. Zwei Jahre später zogen wir nach Ufhusen im Kanton Luzern. Ich ging vorerst zwei Jahre in Ufhusen zur Schule und anschließend während sieben Jahren nach Huttwil, das im Kanton Bern liegt.
Weil wir Protestanten waren und Ufhusen katholisch ist, wurden wir oft geplagt, auch in der Schule, und deshalb gingen wir nach Huttwil zur Schule. Nach Abschluss der Sekundarschule kam ich als Lehrling nach Echallens im Kanton Waadt. Ich habe von 1934 bis 1937 eine Lehre als Mechaniker gemacht. Anschließend habe ich als Mechaniker in verschiedenen Firmen gearbeitet, und mich dann als Ingenieurstudent am Technikum in Burgdorf angemeldet. Dort begann ich 1941 mein Studium und habe 1944, noch während des Krieges, diplomiert.
Anschießend hatte ich als Ingenieur eine Stelle in Winterthur bei der Firma Gebrüder Sulzer. Dort war ich während vier Jahren tätig. Dann habe ich die Stelle gewechselt und in einem Ingenieurbüro in Zürich gearbeitet. Ich war Leiter des technischen Büros und viel im Ausland. Als ich für sechs Monate beruflich in Schweden war, hatte ich meine Frau und den ältesten Sohn mit mir in Stockholm. Nachher habe ich drei Monate in England gearbeitet, drei Monate in Frankreich und dann, Im Jahre 1952, haben wir, meine Frau und ich, uns der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angeschlossen und wurden getauft.
Ich war zu jener Zeit Student, als ich während des Krieges auch einrücken und Militärdienst leisten musste. Da habe ich oft Urlaub bekommen. Aber das Entschiedenste war die Rationierung der Lebensmittel. Wir waren in einer Familie mit sechs Personen, wir vier Kinder und die Eltern. Glücklicherweise lebten wir auf dem Land, und da waren ringsum Bauern. So konnten wir uns mit Lebensmitteln versorgen. Für alle Lebensmittel hatten wir Karten, das war alles. Jedes Mal, wenn man einkaufen ging, musste man die betreffende Karte vorweisen, die dann abgerissen wurde. Wenn die Karten aufgebraucht waren, blieb einem nichts mehr. Das war das größte Problem, das wir hatten. Da musste man von Anfang des Monats an richtig einteilen. Das hat meine Mutter gemacht. In dieser Zeit war ich Soldat. Während vier Jahren neun Wochen pro Jahr. Das galt für jeden diensttauglichen Mann.
Während des Krieges, 1942, habe ich meine Frau getroffen. Als Student bin ich mit einem Studienkollegen zu einem Skirennen gegangen, auf den Weissenstein, einem Berg nahe bei Solothurn. Auf dem Heimweg, wir waren zu Fuß, waren da auch eine Frau mit ihrer Tochter unterwegs nach Hause. Wir waren etwas schneller und haben sie eingeholt. Dann hat man über das Skirennen diskutiert. Sie war bald zu Hause, und wir hatten unsere Fahrräder in der Nähe, mit denen wir nach Recherswil fuhren. So haben wir diese junge Frau kennengelernt, die damals einundzwanzig Jahre alt war. Wir haben beide zusammen mit ihr ein Rendezvous, eine Zeit abgemacht an einem Sonntag zum Spaziergang. Wir waren du dritt, sie war in der Mitte, ich auf der linken Seite und mein Kollege auf der rechten Seite. Mein Studienkollege hatte sich ziemlich um diese Frau bemüht. Wir waren auf einem Feldweg und gingen auf eine große Pfütze mitten in der Straße zu, denn es hatte vorher geregnet. Ich habe mich gefragt, auf welche Seite unsere Begleiterin gehen würde, um an dieser Pfütze vorbei zu kommen. Sie ist auf meine Seite gekommen. Mein Kollege wurde zornig und ist weggegangen. Dann haben wir noch etwas diskutiert und sind nach Hause zurückgekehrt. Aber sie hat mir erklärt, wo sie arbeitet und was sie macht und so weiter. Sie arbeitete in einem Kaufhaus in Solothurn. Dort habe ich sie etwa zweimal besucht. Dann haben wir wieder einen Spaziergang gemacht, allein, und haben mehr über unsere Person gesprochen.
Ich war protestantisch und ging während meiner Schulzeit jeden Sonntag in die Kirche, als ich in Echallens war etwa alle zwei Wochen. Meine Mutter hatte immer gesagt, heirate nie ein katholisches Mädchen, denn wir waren in einer katholischen Gegend. Während wir zusammen auf diesem Spaziergang waren, habe ich sie gefragt: “Bist du protestantisch oder katholisch?” Und sie sagte: “Eigentlich bin ich katholisch.” Worauf ich meinte: “Dann hat es eigentlich keinen Sinn, dass wir uns weiter treffen. Ich werde nie eine Katholikin heiraten.” Sie sagte: “Ja, ich war in Lausanne und habe dort Französisch gelernt, zwei Jahre lang. Das war bei einer protestantischen Familie und die hatten eine Bibel. Wir zu Hause hatten keine Bibel. Wir gingen auch jeden Sonntag in die Kirche zur Messe, aber ich hatte nie eine Bibel in der Hand.” Dort hatte sie in der Bibel gelesen und war zu der Meinung gelangt, dass der Katholizismus nicht in allem wahr sei. Sie sagte: “In der Bibel habe ich gelesen, dass Christus auch Geschwister hatte. Wir wurden belehrt, dass Maria als Jungfrau lebte und Christus der einzige Sohn war! ”Worauf sie hinzufügte: “Etwas stimmt da nicht!” Sie hat dann mit einem protestantischen Pfarrer Kontakt aufgenommen, um ihn zu fragen. Dieser bestätigte, dass es laut der Bibel auch noch Geschwister gab. Sie sagte dann: “Ich möchte mehr über die protestantische Kirche wissen.” Sie hat dann den Unterricht für Protestanten, die Katholiken waren, besucht. Ich sagte zu ihr: “Das hört sich sehr gut an. Wann wirst du in die protestantische Kirche getauft?” „Ich muss zuerst diesen Kurs fertig machen.” Mittlerweile hatte ich das Studium beendet und meine Arbeit in Winterthur aufgenommen. Sie kam dann auch nach Winterthur und hat dort in einem Kaufhaus gearbeitet. Den erwähnten Kurs hat sie bei einem anderen Pfarrer beendet und ist in Winterthur in die reformierte Kirche übergetreten. Das war 1944. Dann sind wir miteinander ausgegangen und 1946 haben wir in der protestantischen Kirche in Äschi, am Thunersee, in der Nähe von Krattigen, meinem Heimatort, geheiratet. In der Folgezeit waren wir in der protestantischen Kirche ziemlich aktiv. Wenn immer möglich haben wir am Sonntag die Kirche besucht.
Ein Jahr später, 1947, kam unser erster Sohn auf die Welt, der auch in der protestantischen Kirche getauft wurde. Nach weiteren zwei Jahren, 1949, wurde unser zweiter Sohn geboren und 1952 der Dritte. 1951 wurden wir von den Missionaren besucht, und es kam die Zeit, da ich nach Schweden musste. So lebten meine Frau, unser ältester Sohn und ich in Stockholm an den Banatisvägen. Unser zweiter Sohn war während dieser Zeit bei meiner Mutter, da er noch zu klein war, um mitzukommen. Wir waren noch vor unserem Aufenthalt in Schweden von den Missionaren besucht worden. Ich habe viel gelesen. In Stockholm gingen wir oft im Park spazieren. Da sind wir an einem Abend – die Tage sind im Sommer sehr lang – draußen gewesen und haben eine Straßenversammlung gesehen und uns gefragt, um was es da geht? Wir sind hingegangen. Ich habe verstanden, dass es Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage waren. Ansonsten haben wir nicht viel verstanden, weil es in Schwedisch war. Als die Versammlung zu Ende war, ging ich zu einem der Missionare, der Amerikaner war. So konnte ich mich mit ihm auf Englisch verständigen, und ich habe ihm gesagt, dass wir Untersucher seien, in der Schweiz, und ich hatte auch einige Fragen. So habe ich immer mehr Interesse bekommen.
Das war der Wendepunkt, an dem wir uns in Stockholm entschlossen haben, uns der Kirche anzuschließen. Ich hatte das Buch Mormon bei mir und habe dann begonnen, dieses Buch zu lesen. Vorher hatte ich das Buch Mormon nicht gelesen, nur die Zeitschrift „Der Stern“. Ich hatte das Buch Mormon mit nach Schweden genommen und habe dort begonnen, es zu lesen.
Seit 1942 war ich aktiv in der Fliegerei. Zuerst war ich Segelflieger, dann wurde ich Fluglehrer, war oft am Sonntagnachmittag auf dem Flugplatz und habe dort viel Zeit verbracht. Dann, als ich nach Hause kam, habe ich mich entschlossen, nicht mehr in die protestantische Kirche zu gehen. Von da an haben wir in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage die Sonntagschule und die Abendmahlsversammlung besucht.
Anschließend, im Februar 1952, wurden wir, meine Frau und ich, getauft. Die Kinder waren noch zu jung. So haben wir dann wirklich jeden Sonntag die Versammlungen besucht, bis 1955. In diesem Jahr gingen wir in die USA, nach Kalifornien, wo es eine Firma gab, die mich eingeladen hatte, dort zu arbeiten, da ich auf ein besonderes Fachgebiet spezialisiert war. Vor unserer Abreise war noch ein Brief von David O. McKay vorgelesen worden, in dem es hieß, dass die Mitglieder nicht mehr in die USA kommen sondern in der Schweiz die Kirche aufbauen sollten. Gut, das war die Aufforderung.
Als wir uns der Kirche angeschlossen haben, hatte ich Probleme mit meinem Chef, denn ich musste oft Kunden betreuen und sie zum Essen ausführen. Mein Chef legte großen Wert darauf, dass diese Leute gut bedient wurden. Beispielsweise war 1952 auch in Schweden der Alkohol rationiert. Wenn die Schweden in die Schweiz kamen, wo der Alkohol nicht rationiert war, da haben die sich wirklich bedient. Ich habe dem Chef gesagt, dass ich das nicht mehr tun könnte, da ich keinen Alkohol, Kaffee und Tee mehr tränke. Der Chef sagte, dann müssten wir uns trennen. Ich hatte aber einen Arbeitsvertrag für drei Jahre, der es mir untersagte, auf meinem Spezialgebiet in ganz Europa, inklusive Russland, konkurrierend tätig zu sein. Ich war jedoch frei in Kanada und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Mein Chef dachte, das komme für mich sowieso nicht in Frage. Aufgrund meiner Tätigkeit kannte ich aber eine leitende Persönlichkeit bei der Firma Alcoa, und ich habe beim Vizepräsidenten angefragt, ob er mir eine Stelle in Kanada anbieten könnte. Ich habe ihm die ganze Situation erklärt, und er sagte mir, dass er gerade von einer Reise aus Kanada und Amerika zurückkomme. Er habe mit einer Firma gesprochen, die auf dem gleichen Gebiet tätig sei wie ich in der Schweiz, und sie hätte wahrscheinlich Interesse an meiner Arbeit. „Wenn Sie wollen“, sagte er, „werde ich die Verbindung wieder aufnehmen und Ihre Situation erklären.“ Meine Antwort war, dass ich sehr dankbar wäre, wenn er das für mich tun würde.
Zwei Wochen später hatte ich bereits einen Brief von dieser Firma: Hunter Engineering in Riverside, Kalifornien. Ich könnte dort eine Arbeitsstelle annehmen. In der Folge habe ich mit dem Missionspräsidenten gesprochen, und er sagte: Sie haben gehört, was Präsident McKay geschrieben hat. Worauf ich ihn fragte, was ich tun sollte. Im Rahmen meiner gegenwärtigen Anstellung könne ich nicht mehr arbeiten. Ich hätte jetzt lange Erfahrung auf diesem Gebiet. Es ging um die Weiterverarbeitung von Aluminium, insbesondere um die Herstellung von Getränkedosen. Das habe ich dem Missionspräsidenten gesagt, und seine Antwort war: „Gut, Bruder Lauener, ich gebe Ihnen die Bewilligung unter der Voraussetzung, dass sie wieder in die Schweiz zurückkommen. Wir brauchen Sie in der Schweiz.“ Dazu habe ich eingewilligt, und wir sind nach Riverside gezogen, wo ich in jener Firma dann für vier Jahre tätig war. Nach vier Jahren kamen wir wieder zurück in die Schweiz, in die Gemeinde Winterthur. Seither sind wir immer Teil der Kirche hier in der Schweiz gewesen.
Ich habe fünf Kinder. Vier Knaben und eine Tochter. Die Tochter ist die Frau von Bruder Louis Weidmann, sie ist die jüngste und ist 1957 in Amerika geboren. 1959 kehrten wir in die Schweiz zurück. In Amerika, das heißt in Riverside, Kalifornien, war ich für zwei Jahre Präsident des Ältestenkollegiums, dann wurde ich dort von Präsident Hinckley zum Siebziger ordiniert. Sechs Monate später kamen wir zurück in die Schweiz. 1961 wurde ein Distrikt gegründet, und da wurde ich als Distriktspräsident berufen. Ein Jahr später wurde der Pfahl Zürich gegründet, und ich wurde als Pfahlpräsident berufen. Meine Amtszeit betrug zehn Jahre. Zum Pfahl gehörten acht Gemeinden. Nachher war ich in verschiedenen Ämtern tätig und jetzt bin ich neunzig Jahre alt. In den achtziger Jahren wurde ich noch als Zweigpräsident in Burgdorf berufen. Seit ich ein Jahr lang krank war, habe ich kein Amt mehr. Meine Frau ist vor zweieinhalb Jahren gestorben, und ich wohne allein hier – mit meiner Katze.