Bern, Kanton Bern
Ich bin Schwester Emma Märki, geborene Althaus, und bin am 24. September 1914 in der Stadt Bern, Kanton Bern, in der Schweiz, geboren. Mein Vater war Gottfried Althaus und meine Mutter hieß Emma Jaggi. Mein Vater kam aus dem Emmental im Kanton Bern und meine Mutter wurde im Berner Oberland, in Frutigen, geboren.
Ich bin nur wenige Tage nach Ausbruch des ersten Weltkrieges zur Welt gekommen und kann mich nicht gut an die Kriegsjahre zwischen 1914 und 1918 erinnern. Aber ich weiß noch, dass ich als kleines Kind sehr traurig war, weil mein Vater oft an die Grenze musste. Er war ein Samariter und er musste als Sanitäts-Soldat oft Krankentransporte für einige Tage betreuen. Deswegen war mein Papa oft weg und ich war immer sehr traurig. Ich kann mich nur noch erinnern, dass es eine schwere Zeit für meine Eltern war. Wir waren ganz einfache Leute. Es bestand große Not in der Schweiz. Man hatte ganz wenig Lebensmittel, man hatte kein oder wenig Geld und man konnte fast nichts kaufen. Man war sehr arm. Aber man war doch glücklich. Leider ist dann in der Schweiz eine Grippe-Epidemie ausgebrochen und viele Menschen waren krank und viele sind gestorben. Ich weiß auch noch, dass mein Vater sehr traurig war. Er war Hilfsarbeiter und hat gesagt, dass es in Genf einen Generalstreik gebe. Die Arbeiter streiken, weil sie arm sind und kein Geld haben. Ich weiß nicht, wie lange dieser Streik gegangen ist. Ich weiß nur noch, dass die Polizei eingegriffen hat und dass es Tote gegeben hat.
Meine Eltern waren sehr erleichtert, als im Juni 1918 der Krieg zu Ende war und es einen Waffenstillstand gab. Wir wussten, dass die Deutschen und die Österreicher sehr unter dem Krieg gelitten haben. Wir hatten kurze Beziehungen zu einigen von ihnen.
Drei Jahre nach meiner Geburt wurde meine Schwester geboren, sie hieß Elisabeth, und im Jahre 1915 istmein Bruder Hans, geboren. Drei Jahre später ist noch eine Schwester namens Margrit dazu gekommen und erst vierzehn Jahre nach meiner Geburt noch unser jüngster Bruder, Kurt. Er lebt noch heute und ist jetzt achtzig Jahre alt geworden. Ich bin vierundneunzig Jahre alt. Ich bin die Älteste und er ist der Jüngste.
Wir hatten eine glückliche Kindheit. Obwohl wir sehr arm waren und ganz einfach gelebt haben, waren wir sehr zufrieden. Wir hatten einen großen Garten und haben uns Gemüse, Kartoffeln und alles selbst angepflanzt. Das war für uns eine große Hilfe, weil wir nicht viel Geld für Lebensmittel ausgeben konnten.
Wir hatten nicht so viele Spielsachen wie die Kinder heute. Wir haben ganz einfache Spielsachen gehabt. Wir hatten ein Springseil, Bälle und haben viele schöne Ballspiele gemacht. Alle Geschwister zusammen. Wir sind mit dem Seil gesprungen und hatten auch die Tiere sehr gerne. Wir hatten eine kleine Katze und haben viel mit ihr gespielt. Unsere Mutter hat uns kleine Puppen gestrickt. Das habe ich später auch gelernt und für meine Kinder gemacht. Wir haben auch allerlei mit dem Papier gebastelt. Im Wald haben wir kleine Tannenzapfen gesammelt und haben damit irgendein Spielzeug gebastelt.
Wir haben die gewöhnliche Schule, die Primarschule, besucht, später die Sekundarschule. Neun Jahre haben wir die öffentliche Schule besucht. Als Sechzehnjährige bin ich in die französische Schweiz zu einer Familie, die kleine Kinder und eine Bäckerei hatte, gegangen. Ich habe mich um die Kinder gekümmert und die Meisterin und der Meister haben das Geschäft geführt. Ich musste dort sehr viel arbeiten. Es war ganz oben in den Bergen, nahe der französischen Grenze, und es war sehr kalt. Im Winter habe ich sehr viel draußen gearbeitet und habe oft sehr gefroren. Das Dorf hieß L‘Abbaye im Kanton Waadt. Meine Arbeit draußen bestand aus Schneeschaufeln, weil es sehr viel Schnee gab, und die Wäsche am Dorfbrunnen waschen. Das war wahnsinnig kalt.
Ich habe gerne Französisch gelernt und habe die Sprache sehr gern gehabt. Dann habe ich ein Jahr eine Handelsschule besucht und später in der Stadt Bern eine kaufmännische Lehre absolviert. Da habe ich die französische Sprache sehr viel gebraucht.
Dann kam die Zeit, von der man nicht wusste, ob es wieder einen Krieg geben würde. Ich musste mir eine Stelle suchen. Das war ziemlich schwer, aber ich habe eine sehr gute Stelle gefunden. Ich habe ein Jahr in einem Spital als Telefonistin und Sekretärin gearbeitet. Später habe ich bei einer großen Import-Gesellschaft, einer Kohlehandlung, die die Kohlen aus Deutschland bezogen hat, gearbeitet. Dort war ich zwölf Jahre, bis zu meiner Heirat.
Mein Mann hieß Paul Märki. Er war in einer ganz frommen Familie aufgewachsen. Sie gehörten zu der evangelischen Gemeinschaft. Als junges Mädchen habe ich überall versucht, eine religiöse Gemeinschaft zu finden, gute Leute zu finden. Ich habe gebetet und auch an Gott geglaubt, aber ich wusste nicht, wo der Weg war. Durch meinen Mann habe ich viel aus der Bibel gelernt und habe sie dann sehr gut gekannt. Im November 1947 haben wir in der Zionskapelle der evangelischen Gemeinschaft in Bern geheiratet. Es war ein wunderschöner Sonnentag. Mein Mann war ein junger Witwer. Seine Frau war nach einjähriger Ehe gestorben. Er hatte einen kleinen Sohn. Wir haben uns durch diese religiöse Gemeinschaft kennen gelernt und er hat diesen dreijährigen Sohn mit in unsere Ehe gebracht. Dann haben wir noch fünf Kinder gehabt.
Ich habe einem Enkelsohn und einer jungen Schwester aus der Gemeinde geholfen, ihre Abschlussarbeit über den zweiten Weltkrieg zu machen. Dann habe ich ihnen erzählt, wie wir in der Schweiz unter diesem Krieg sehr gelitten haben. Nachts kamen oft die Flieger über die Schweiz. Es war alles verdunkelt und auch am Tag mussten zum Teil die Lichter gelöscht werden, damit die Flieger sich nicht genau orientieren konnten. Wir konnten auch keine Lebensmittel mehr ohne Marken einkaufen. Es gab vielleicht ein wenig Zucker, ein wenig Mehl, ein wenig Butter und Brot. Ich habe meine Marken gespart für ein wenig Schokolade. Alle meine Geschwister wussten, dass ich immer noch Marken für Schokolade hatte. Auch meine Kolleginnen im Büro fragten: „Hast Du noch Schokoladen-Marken?“ Das war so eine kleine Freude. Ich selbst liebe Schokolade nicht so, aber ich verschenke sie gerne.
Wir hatten keine Möglichkeit mit dem Auto oder mit der Straßenbahn oder mit dem Zug zu fahren, das war für uns zu teuer und alles war beschränkt. Ich bin jeden Tag morgens eine halbe Stunde, mittags eine halbe Stunde und abends eine halbe Stunde zu Fuß zur Arbeit gegangen.
In der Gemeinde der evangelischen Gemeinschaft waren wir Sonntagsschullehrer. Unsere Kinder wurden dort auch noch getauft, das heißt besprengt. Drei Jahre nach unserer Hochzeit kam ein Missionar in den fünften Stock des Hochhauses, in dem wir gewohnt hatten. Mein Mann war Hauswart. Neben seiner Arbeit machte er die Hausbesorgungen. Ich weiß nur noch, dass dieser Missionar Bruder Borcht hieß. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört. Er hat uns einen kleinen Prospekt über das Buch Mormon und Joseph Smith gegeben. Den habe ich heute noch. Obwohl ich keine Ahnung hatte, was Mormonismus ist, was Joseph Smith und das Buch Mormon bedeuten, habe ich ihn gelesen. Ich wollte eigentlich schon mehr wissen. Zu meinem Prediger in der evangelischen Gemeinschaft habe ich dann gesagt, dass zu uns Missionare aus Amerika kommen und dass sie uns von Joseph Smith erzählen und vom Buch Mormon. Er sagte: „Nein, das ist gar nichts für Sie! Das ist nur für ganz reiche Leute! Sie haben keine Bibel, sie haben eine eigene Bibel und die heißt das Buch Mormon!“ Da war ich sehr erschrocken. Die Missionare kamen noch ein paar Mal aber danach sahen wir Bruder Borcht nie wieder. Ich dachte, was ist jetzt geschehen. Es dauerte viele Wochen, bis zwei neue Missionare kamen. Einer war Bruder Neumann, er andere war Bruder Hill. Bruder Neumann war ein Deutscher aus Berlin, der als Junge mit seinen Eltern nach Amerika ausgewandert war. Er konnte natürlich sehr gut deutsch sprechen. Bruder Hill war ein Amerikaner, er war schon ein älterer Missionar, ich glaube dreißig oder mehr Jahre alt. Aber er war ein wunderbarer Missionar. Bruder Neumann und Bruder Hill haben dann mit uns Unterricht gehabt. Mein Mann war noch im Militärdienst und hat noch geraucht. Er ist dann immer in der Küche geblieben, wenn die Missionare da waren, und hat dort seine Zigarette geraucht. Er wollte nichts wissen. Die Missionare haben mir dann vom Wort der Weisheit erzählt und von Joseph Smith und dem Buch Mormon. Am Abend, wenn wir im Bett waren, hat mein Mann dann immer gefragt: „Was haben die Missionare erzählt?“ Ich habe ihm gesagt: „Etwas ganz Wichtiges haben sie heute erzählt, über die Taufe.“ Wir sind nicht richtig getauft worden. Die Taufe bedeutet etwas ganz anderes, als wir bis jetzt gewusst haben. Die Missionare haben uns von der Vollmacht erzählt, und dass man durch einen bevollmächtigten Priestertumsträger getauft wird und dass man auch konfirmiert werden muss. Das war für uns etwas ganz Neues. Aber wir haben es verstanden. Mein Mann hat dann langsam auch mitgeholfen mit den Missionaren zu arbeiten. Der Geist hat uns soweit geführt, dass wir doch zur Taufe bereit waren.
Am 3. Juni 1951 wurden wir getauft. Kurz nach meiner Taufe gab es nicht mehr viele Mitglieder, weil viele nach Amerika ausgewandert waren. Es gab auch keine Primarvereinigung (PV) mehr. Die Missionare haben gesagt, dass wir einen Primarverein gründen müssen, weil es viele Kinder gebe, unsere Kinder und einige von den anderen Mitgliedern. So wurde ich die erste PV-Leiterin in der Gemeinde Bern, in der wiederhergestellten PV. Mein Mann wurde als Sonntagsschullehrer berufen. Ich wurde dann Lehrerin im Frauenhilfsverein (FHV) und auch in der GFV. Damals gab es noch die GFV, das war eine sehr schöne Zeit. Ich habe auch viele Jahre als Sekretärin in der PV, in der Gemeinde und im Distrikt gearbeitet. Ich war auch viele Jahre Sekretärin in der FHV.
Als ich nach sechsundachtzig Jahren von Bern nach Burgdorf gekommen bin, wurde ich Hilfslehrerin in der Sonntagsschule in Burgdorf. Das war vor etwa sechs Jahren. Jetzt bin ich ab und zu eine Besuchslehrerin. Jeden Monat gehen wir besuchslehren. Sonst habe ich keine besondere Berufung.
Mein Mann war anfangs Sonntagsschullehrer, später war er zweiter Ratgeber in der Gemeinde-Präsidentschaft und er war immer Heimlehrer. Im Sommer, nachdem der Tempel eingeweiht worden war, waren wir dort. 1956 wurden wir im Tempel gesiegelt mit unseren drei Kindern, die wir damals hatten. Später kam noch ein Kind, das im Bund geboren wurde, dazu. Mein Mann ist vor zwei Jahren gestorben. Er war neunundachtzig Jahre alt.
Die Kirche bedeutet mir alles. Ich habe ein ganz besonderes Zeugnis davon, dass die wahre Kirche wiederhergestellt wurde durch den Propheten Joseph Smith, dass er die Berufung bekommen hat, die wahre Kirche wiederherzustellen. Ich habe ein festes Zeugnis vom Priestertum. Es hat so viele wunderbare Taten und Werke getan, die mich sehr davon überzeugt haben, dass es eine große Kraft Gottes ist. Ich habe ein starkes Zeugnis,ich weiß, dass Jesus Christus unser Erlöser ist und dass Gott lebt. Ich weiß, dass Gott eine Persönlichkeit ist und dass Jesus Christus eine Persönlichkeit ist. Ich bin dankbar für die Führung des Heiligen Geistes.