Annaberg-Buchholz, Sachsen
Ich, Erhard Uhlig wohne in Echzell Hessen. Geboren bin ich in Annaberg-Buchholz/Sachsen und habe dort bis 1957 gelebt. 1957 haben meine Familie und ich die damalige Deutsche Demokratische Republik (DDR) verlassen und bin in Frankfurt am Main und seit 26 Jahren in Echzell/Hessen ansässig geworden.
Während der Kriegszeit 1943 wurde ich getauft. Meine Großeltern – väterlich wie auch mütterlicherseits – schlossen sich bereits 1914 beziehungsweise 1919 der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an. In dem Gebiet um Annaberg-Buchholz haben etwa ab 1910 Missionare das Evangelium unter schwierigen Bedingungen verkündet. Das Abhalten gottesdienstähnlicher Versammlungen war eingeschränkt, Verstöße wurden mit Haft- und Geldstrafen geahndet, trotzdem hat sich die Kirche in dieser Zeit und Region gut entwickelt.
Die Nazi- und die Kriegszeit erlebte ich als Kind. Einige Dinge sind mir in Erinnerung geblieben. Als Erstes hat mir mein Vater, Fritz Erich Uhlig, sehr gefehlt, er wurde 1939 einberufen und kam erst 1946 mit einer schweren Verwundung wieder zurück; zwei ältere Brüder von ihm sind im Krieg gefallen. Auch etliche Brüder aus der Gemeinde sind gefallen und die Nachricht löste immer großes Leid und Trauer aus.
1945 hatte das schreckliche Kriegsgeschehen auch Buchholz erreicht. An einem Mittwoch im Februar waren meine jüngere Schwester und ich allein zu Hause. Unsere Mutter war zur GFV und Chorstunde gegangen, dieses Mal kam sie früher heim als üblich. Kurz nach ihrer Ankunft kam auch der obligatorische Fliegeralarm wie an jedem Abend und es dauerte nicht lange, bis das Dröhnen der Flugzeuge zu hören war. Plötzlich fielen Bomben auf unsere kleine Stadt. Viele Häuser, Fabriken und die Stadtkirche brannten völlig aus. Auch meine Großmutter und eine Tante haben in dieser Nacht ihr Heim verloren. Das Wunderbare an dieser Geschichte ist aber, dass der Gemeindepräsident (Bischof) an diesem Abend die Versammlungen vorzeitig beendete und die Mitglieder aufforderte, nach Hause zu gehen. Später berichtete er darüber und sagte, dass der Geist ihm während der Versammlung eingab: „Schicke alle Anwesende nach Hause!“ Das hat er auch sofort getan. Wie gut ist es doch, auf die leise Stimme des Geistes zu hören.
Nach Kriegsende beherrschte Hunger das Land und es mangelte an allen lebensnotwendigen Dingen. Der „Schwarzmarkt” und „Hamsterfahrten“ gehörten zum Alltag. Auch in der Kirche gab es gemeinsame Aktionen, die zum Ziel hatten, die Lebenssituation der Mitglieder zu verbessern. Ich erinnere mich an einige Beispiele:
Jemand hatte mehrere Zentner Zuckerrüben organisiert. Mein Vater hatte den Auftrag, daraus in einem Waschkessel Rübensaft zu kochen. Das war eine zeitaufwendige Arbeit, bis daraus ein Sirup ähnlicher Saft, ein Nahrungsmittel, entstand, der dann an die Gemeindemitglieder zur Verteilung kam. In einem Klassenzimmer in den Gemeinderäumen wurde ein Suppenkessel installiert und für eine kurze Zeit lang gab es jeden Sonntagmittag eine warme Suppe nach der Sonntagsschule für die Kirchenbesucher. Es war eine außerordentliche Leistung einiger Brüder, zu der damaligen Zeit genügend Lebensmittel für eine solche Aktion zu beschaffen.
Eine Familie in der Gemeinde betrieb eine kleine Landwirtschaft, u. a. hatten sie einen großen und prächtigen Mastochsen. Er wurde geschlachtet und jede Familie in der Gemeinde bekam davon eine schöne Portion frisches Fleisch.
Eine weitere Gemeinschaftsaktion der Gemeinde war die Beschaffung von Brennholz. Die behördliche Zuteilung mit Braunkohlen zum Beheizen der Gemeinderäume reichte in der Regel nicht aus. Was lag näher als das fehlende Heizmaterial im Wald zu beschaffen? Aber Bäume fällen wäre viel zu einfach gewesen. Es wurde uns genehmigt, auf den Kahlschlägen die Wurzeln der gefällten Bäume auszugraben und zu Feuerholz zu verarbeiten, eine ganz harte und körperlich schwere Arbeit. Ein Teil dieses zubereiteten Brennholzes wurde noch an alte Geschwister und Witwen verteilt. Diese gegenseitige Hilfe in einer Notlage hat auf mich jungen Menschen einen starken Eindruck hinterlassen. Es war eine schwere Zeit, aber für die dabei gewonnenen Lebenserfahrungen bin ich dankbar.
Ab 1947 wurden Spenden wie Weizenschrot, Obst- und Gemüsekonserven, Fett und auch Kleidung aus dem Wohlfahrtsplan der Kirche in den ostdeutschen Gemeinden verteilt, dadurch entspannte sich die Ernährungslage deutlich und es war ein großer Segen für die Mitglieder.
Missionarisch gesehen war dieses eine sehr aktive Zeit. Es gab eine große Anzahl örtlicher Gemeindemissionare, die bei Untersuchern und in benachbarten Orten in angemieteten Räumen regelmäßig Versammlungen durchführten. Die Arbeit war erfolgreich und viele Untersucher schlossen sich der Kirche an, obwohl auch einige darunter waren, die es nur der „Büchsen“ (Wohlfahrtsspenden) wegen taten und daher „Büchsenmormonen“ genannt wurden. Diese entfernten sich später wieder von der Kirche.
Anfang 1955 bekam ich den Ruf, auf Mission zu gehen. Die Berufung kam überraschend für mich und meine kleine Familie. Ich war verheiratet und wir hatten einen kleinen Sohn. Unser Leben musste auf diese Situation neu ausgerichtet werden. Für meine Frau bedeutete das, dass sie eine Arbeit brauchte, um sich und unseren Sohn zu ernähren. Eine solche geeignete Heimarbeit hat sie gefunden und dabei einige glaubensstärkende Erfahrungen gemacht. Für mich sorgten zum Teil meine Eltern und ein Priestertumskollegium, die einen Beitrag für meinen Unterhalt leisteten. circa. 80-100.- Mark (DDR-Währung) reichten damals für den Lebensunterhalt aus. Die Nahrungsmittel waren nicht sehr teuer, aber es gab wenig zu kaufen. Wie im Krieg gab es immer noch Lebensmittelkarten.
Trotz aller Bedenken und sozialer Unsicherheiten, die eventuell aufkommen könnten, waren wir, meine Frau und ich, uns einig, die Missionsberufung zu erfüllen. Wir vertrauten dem Herrn. Dafür verdient besonders meine Frau großes Lob, Dank und Anerkennung.
Mein Missionsfeld waren die Gemeinden in Gera, Naumburg, Bautzen, Gotha und Bernburg. In den beiden Letztgenannten war ich auch gleichzeitig Gemeindepräsident. Missionsarbeit war in der DDR nicht grundsätzlich verboten, aber es wurde in jeder Stadt anders gehandhabt. In einigen Städten hat es die örtliche Polizei untersagt zu missionieren, das haben wir auch so befolgt. Wo es nicht ausdrücklich verboten war, sind wir von Tür zu Tür gegangen. Wenn sich jemand bei der Behörde beschwerte, wurde uns das Missionieren in der Regel untersagt. Wir haben schon damals versucht, auf Empfehlung der Mitglieder Untersucher zu finden und mit ihnen zu arbeiten. Häufig war das unsere einzige Möglichkeit zu missionieren. Unsere Tätigkeit aus der politischen Sicht des kommunistischen Regimes der DDR wurde nicht gern gesehen, sie haben uns geduldet. Es gab für uns Tätigkeiten, die der heutige Missionar nicht mehr kennt, die aber damals für die Gemeinden und Mitglieder wichtig waren. Einige möchte ich nachfolgend anführen: In manchen Städten mussten die Art der Versammlungen und die Versammlungszeiten bei der Behörde (Polizei) angemeldet werden. Im Sommer mussten wir uns um die Beschaffung des Heizmaterials/Braunkohlen kümmern, das wir brauchten, um im Winter die Gemeinderäume beheizen zu können. Kohlen gab es nur auf Berechtigungsschein und nur in begrenzter Menge.
Handbücher und Leitfäden etc. durften nicht gedruckt werden. Sie offiziell aus dem Westen einzuführen war ebenfalls nicht erlaubt. Was blieb zu tun? Von Bernburg aus gab es eine günstige Zugverbindung von und nach Berlin, die ich und mein Mitarbeiter mehrmals genutzt haben, um Kirchenliteratur vom Missionsbüro in Berlin-Dahlem in die DDR zu bringen. Diese Zugverbindung, ein Bummelzug, war deshalb günstig, weil er Berufsverkehr beförderte und früh und abends meistens überfüllt und bekannt war, dass wenig oder gar nicht kontrolliert wurde.
Ein andermal hatten mein Mitarbeiter und ich den Auftrag Wohlfahrtsgut, Kleidung, Medikamente etc. von Berlin nach Leipzig zu bringen. Ein PKW des Missionsbüros brachte uns zum Berliner Ostbahnhof. Hier stellten wir fest, dass wir zu viele Gepäckstücke hatten, wie wir zu zweit auf einmal hätten tragen können. Uns fehlte eine Person, die auf die restlichen Gepäckstücke aufpasste, bis einer von uns zurückkam. Es war bereits spätabends und die Bahnhofshalle fast menschenleer. Es war schwierig, jemanden dafür zu finden, lediglich ein Polizist kam auf uns zu. Durch die Polizei hatte ich in meiner bisherigen Tätigkeit als Missionar wenig Unterstützung erfahren, aber diesmal hatte ich das gute Gefühl, dass das der richtige Mann in dieser Situation ist. Er erklärte sich tatsächlich bereit aufzupassen, während wir unser Gepäck zum Bahnsteig brachten, bis einer von uns zurückkam und das restliche Gepäck übernahm. Der schwierigste Teil der Reise mit dem viele Gepäck lag noch vor uns, Gepäckkontrollen in den Reisezügen aus Berlin heraus waren obligatorisch. Wir belegten ein ganzes Abteil, der kontrollierende Polizist zeigte auf jedes Gepäckstück und fragte:“ Wem gehört das?“ Jedes Mal hörte er von uns die gleiche Antwort: „Das gehört uns.“ Uns war dabei ziemlich bange, was wohl am Ende dieser dummen Fragen herauskommen würde. Nun geschah etwas, was wir für unmöglich gehalten haben und sicherlich hatte dabei der himmlische Vater ein wenig seine Hand im Spiel. Nachdem der Polizist das letzte Gepäckstück abgefragt hatte, wünschte er uns eine gute Reise und ging seines Weges.
Im Juni 1957 nach 28 Monaten wurde ich von der Mission entlassen. Meine Frau und Sohn waren inzwischen im gleichen Haus ein Stockwerk tiefer gezogen. Die neue Wohnung war etwas größer und schöner. Wir alle waren in dieser Zeit sehr gesegnet. Die Mission war unter den erschwerten Bedingungen eines kommunistischen Landes mit eingeschränkten Freiheiten trotzdem eine gute Zeit. Wir haben Menschen angetroffen, die aufgeschlossen dem Evangelium gegenüber waren und unsere Botschaft angehört haben. Die Anzahl der Bekehrten war jedoch gering. Für mich persönlich war die Mission eine Zeit, in der mein Vertrauen zu Gott stark geworden und mein Zeugnis von dem wiederhergestellten Evangelium gewachsen ist.
Ursprünglich lag es nicht in unserer Absicht die DDR für immer zu verlassen. Wir wollten einige Verwandte, die in der Bundesrepublik wohnten, besuchen. Diese Erlaubnis wurde uns ohne Begründung verweigert, obwohl zu dieser Zeit viele Westreisen genehmigt wurden. Drei Monate später hat ein Bruder meiner Frau uns ein fingiertes Telegramm über eine angebliche Familienangelegenheit zugeschickt. Daraufhin haben wir von der Behörde eine Reisegenehmigung in die Bundesrepublik erhalten. Von dieser Reise sind wir nicht mehr in die DDR zurückgekehrt.
Guten Tag, ich bin Gordon Richter ein Enkel von Traude Richter aus Schönebeck/Elbe. Ich soll mal versuchen mit ihnen Kontakt aufzunehmen mein Vater: Bernd Richter lässt grüßen.
Hallo Erhardt, ich höre von Euch garnichts. Wie geht es Luzie.
Es wäre schön, wenn Du Dich telefonisch bei mir meldest.
Gruss Traudel
ps. geschrieben von Tochter Christina
Hallo Opa. Ich habe dich ganz zufällig im Internet gefunden. Ich wollte deine Adresse heraus finden und bin dabei auf deine Webseite gekommen. Das foto von dir ist sehr gelungen. Was mich besonders freut, im Foto ist hinter deinem Kopf unser Familienbild zu sehen. Deine Anschrift habe ich immer noch nicht gefunden,wohnst versteckt! Ich glaube jedoch, dass du in der horloffstrasse 12 wohnst. Liebe Grüße annika