Litzmannstadt [Łódź] Polen

mormon deutsch helga lerchMein Name ist Helga Lerch, geborene Jeske. Meine Geschichte beginnt in Polen. Ich bin die Tochter des Wilhelm Jeske und der Lydia geboren Kinitz. Ich kam am Tag nach einem Bombardement, in dem meine Mutter mit meinem damals zehnjährigen Bruder in den Luftschutzkeller flüchten musste, zur Welt. Es war in der Mittagszeit am 11.Oktober 1943.

Meine Eltern flüchteten zu einem befreundeten Ehepaar am Rande der Stadt. Der Mann war Pole, die Frau eine Deutsche. Sie gewährten uns Unterschlupf, weil die Deutschen zu der Zeit sehr verfolgt wurden. Die Familie hieß Glucka. Sie hatten zwei Kinder, das Mädchen hieß Bascha, der Junge Kschischu. Die Kinder der Gluckas wurden meine einzigen Spielkameraden. Wir spielten oft auf dem Gehöft und im Garten ihrer Eltern, die ein großes Gut besaßen. Sie besaßen Ländereien und eine Fabrik, in der sie das Wild aus ihren Wäldern verarbeiteten und in die westlichen Länder verschickten. Die Familie Glucka war sehr lieb zu uns. Heute sehe ich den Segen des Herrn darin, denn es war sehr gefährlich für diese Familie uns zu verstecken. Sie mussten mit Lynchjustiz rechnen, wenn es entdeckt würde. Mein Vater und auch mein Bruder arbeiteten in der besagten Fabrik. Als ich sechs Jahre alt wurde, musste ich eingeschult werden. Da hatte ich die ersten schlimmen Erlebnisse mit den Polen. Zur Schule musste ich an einen Kindergarten vorbeigehen. Ich liebte schon immer kleine Kinder; so versuchte ich sie anzusprechen, denn ich konnte nur gebrochen polnisch sprechen. Da kam eine Betreuerin und jagte mich weg. Alle Kinder mussten sich am Zaun entlang der Straße aufstellen und rufen: „Njemze, Njemze“. Dabei spuckten sie mich an. Das war sehr schlimm für mich, denn ich verstand nicht, weshalb dies geschah. Ich wusste auch nicht, weshalb diese süßen Kinderchen plötzlich so böse zu mir waren, ich hatte doch nichts Böses getan.

Schon zur damaligen Zeit war Schlagen in Polen verboten aber ich war sozusagen „Freiwild“, denn alle Kinder durften mich schlagen und sogar die Lehrer bestraften mich so. Ich hatte die Polen nie gehasst, ich hatte nur nie verstanden, weshalb sie so böse zu uns waren. Wenn meine Mutter zum Einkaufen ging, musste sie immer uns Kinder mitnehmen, inzwischen war meine Schwester geboren, in jeder Hand eine schwere Einkaufstasche. Oft quengelten wir, da meine Eltern zu Hause nur deutsch sprachen, konnten wir kein polnisch. Die vorbeigehenden Passanten beschimpften uns dann, zogen uns Kindern an den Ohren, bespuckten uns und sagten: „Polnisches Brot fressen könnt ihr aber Polnisch sprechen wollt ihr nicht“!

Meine Mutter ging erst immer kurz vor Ladenschluss zum Einkaufen. Sie zeigte dann auf die Lebensmittel, die sie kaufen wollte und sagte: „ jachze to“, was bedeutete, ich möchte das. Da habe ich auch die Wut der Polen auf die Deutschen gespürt. Sie beschimpften meine Mutter auf Polnisch und zeigten Drohgebärden. Es war wie Spießrutenlaufen. Wir waren immer froh wieder zu Hause zu sein. Dort, im Schutze der Familie Glucka, fühlten wir uns sicher, bis das Unglaubliche geschah, es war zwei Jahre danach: Mein kleiner Bruder Max war geboren, an diesem Tag konnte meine Mutter meinen Bruder nicht mitnehmen, deshalb schob sie die Ehebetten ganz an die Wand des Zimmers vor das Fenster. Vor der freibleibenden Seite des Bettes stellte sie Stühle, davor den Tisch. Es war deshalb unmöglich für ein einige Wochen altes Baby aus diesem Bett zu fallen. Als wir vom Einkaufen zurückkamen, hörten wir schon von weitem das Geschrei des Babys. Es lag unter dem Ehebett. Bei der Untersuchung kam heraus, dass er einen Buckel bekommen hatte. Nach einigen Tagen sah man auch die Blutergüsse. Die Familie Glucka war wieder ein Segen für uns, denn sie schickte uns einen Bader, der meinem Bruder die Hilfe gab, die den Buckel wieder verschwinden ließ.

Ja, es gab auch nette, liebevolle Polen. In meiner Kindheit war ich sehr zart und hatte nach mehreren Lungenentzündungen Schwierigkeiten wieder zu Kräften zu kommen. Da gab es Menschen, die uns Lebens – und Heilmittel brachten. Auch die Angestellten der Familie Glucka waren freundlich zu uns. Die Kinder der Gluckas und wir Jeskes Kinder spielten gern in den Gärten, Höfen, Stallungen und den Geländen der ehemaligen Ziegelfabrik. Es war ein Paradies. Doch eines Tages geschah es, dass ich in den Baggersee fiel. Ich konnte nicht schwimmen – aber Bascha hielt mich an den Haaren fest und schrie um Hilfe. So hatte sie mein Leben gerettet. Ja, heute begreife ich, wie sehr mein Himmlischer Vater seine Hand segnend und schützend über uns gehalten hat.

Bei all dem Schrecklichen, das ich erlebte, geschahen auch Wunder. Mein Vater war einmal mit mir zum Zahnarzt. Da sahen wir eine große Menschenmenge auf einer Verkehrsinsel. Mein Vater sagte zu mir, dass ich an einem bestimmten Platz warten solle, aber ich war zu neugierig. Da ich ja klein war, konnte ich durch die Menge nach vorn gelangen. Plötzlich stand ich vor einer, sehr lädierten männlichen Leiche. Die Leute redeten alle sehr aufgeregt durcheinander. Was ich verstand, war, dass es ein Deutscher war. Man vermutete, dass er beim „Geschäfte verrichten“ auf dem Bahndamm von der Eisenbahn erfasst worden sei. Seltsam war nur, dass der Mann vollständig angezogen und von vorn so schrecklich zugerichtet war.

Ich weiß nicht mehr, wie ich nach Hause gekommen war. Jedenfalls hatte ich die Sprache verloren und nachts träumte ich davon, dass ich auf dem Bahndamm säße und eine Eisenbahn auf mich zukäme, immer näher und näher und ich könne nicht weglaufen. Wenn sie mich fast erreichte, wachte ich schreiend auf. Doch danach konnte ich wieder nicht reden. Dass ich meine Stimme wieder erlangte, ist für mich auch ein Wunder.

Ein zweiter Vorfall ereignete sich, als mein Bruder abends nicht nach Hause gekommen war. Wir hatten Angst um ihn, denn es passierten immer wieder solche „Unfälle“. Alle waren an der Suche nach meinem Bruder beteiligt; sogar der Herr Glucka selbst. Der Teich wurde in unserer Wohngegend abgesucht. Man zog einen jungen Mann aus dem Wasser. Er war ähnlich zugerichtet wie die Leiche vom Bahndamm. Ich lief zu ihm hin, denn ich glaubte meinen Bruder zu sehen und erlitt einen Schock. Der Mann sah aus wie mein Bruder Herbert. Aber er war es nicht. Am nächsten Tag kam er nach Hause. Er war verfolgt worden und hatte sich versteckt. Es war auch ein Wunder, dass er vor seinen Verfolgern fliehen konnte. Die Leute sagten, dass dieser junge Mann schon lange gesucht wurde und, dass man ihn umgebracht hätte.

Ja, es war schlimm, man war nirgendwo mehr sicher. Die Polizei war auch deutsch- feindlich eingestellt. Sie kamen in die Fabrik und suchten nach angeblichen Verbrechern. Meinen Vater verhörten sie auch aber sie erkannten ihn nicht als Deutschen, denn er sprach sehr gut polnisch. Diese ständige Vorsicht, diese Angst und die tätlichen Angriffe führten schließlich dazu, dass meine Eltern beschlossen ihr Heimatland zu verlassen. Ja, es war ihre Heimat, denn sie lebten schon seit ihrer Kindheit in Polen, obwohl sie Deutsche waren.

Meine Mutter erzählte mit oft von ihrer Kinderzeit und Jugend. Sie wohnte vor ihrer Heirat in Alexanderhof. Dort verkehrte sie mit Polen und Deutschen gleichermaßen. Es waren Freunde. Die Deutschen hatten auch ihre Läden, Restaurants, Werkstätten etc. sowie heute die Italiener, Chinesen, Türken etc. Alle lebten ohne Feindschaft neben und miteinander.

Doch dann kamen der Krieg und damit der Wahnsinn. Aus Freunde wurden Feinde. Deutsche Städte wurden bombardiert, denn da wohnten und lebten ja auch Polen. Hitler nahm Polen ein. Die deutsche Wehrmacht zog durch die Stadt, plündernd vergewaltigend und mordend. Andererseits mordeten die Polen die Deutschen, die Soldaten unterstützten. Ich erinnere mich an eine Geschichte, die meine Mutter erlebt hatte und uns Kindern später erzählte. Es war, nachdem die Stadt bombardiert war; die Polen verfolgten die Deutschen. Sie mussten sich verstecken. Dann hieß es, die deutschen Soldaten kommen. Viele liefen ihnen entgegen, der Gefahr trotzend, denn sie wollten den Männern zu trinken und Lebensmittel bringen. Als die Kolonne vorbeigezogen war, suchten die Mütter ihre Kinder, die Verwandten ihre Angehörigen und fanden sie – ermordet. Es war grauenhaft anzusehen, denn ihre Bäuche waren aufgeschlitzt, in Form eines Hakenkreuzes. Die Zunge war ihnen herausgeschnitten, dafür war ihr Mund mit Pferdemist gefüllt. Ja, viele Grausamkeiten passierten auf beiden Seiten.

Meine Mutter erzählte mir noch eine Geschichte, die mich besonders interessierte, denn darin spielte ich auch eine Rolle. Auch die Russen fielen in das Land ein um den Polen zu helfen, die Deutschen zu vernichten. So kamen auch einige Soldaten zur Wohnung meiner Mutter. Sie bestahlen sie. Ich lag im Kinderwagen und als ein Ring nicht gleich vom Finger meiner Mutter gleiten wollte, stieß ein Soldat vor Wut den Wagen mit dem Fuß weg, sodass er gegen die Wand stieß. Als ich zu schreien anfing, ging er fluchend auf den Kinderwagen zu. Meine Tante, die zu Besuch war, kniete sich hin und betete auf Russisch, Gott möge mich doch beschützen, wie er meine Tante in Russland beschützt hatte. Da wollte der Soldat alles über meine russische Tante Zurja wissen. Der andere Soldat, der meine Mutter auf das Bett geworfen hatte in der Absicht sie zu vergewaltigen, wurde davon abgehalten. So hatte die Tatsache, dass der Bruder meines Vaters eine Russin geheiratet hatte und meine Tante auf Russisch gebetet hatte uns wahrscheinlich das Leben gerettet. Sie sagte uns immer wieder, dass der Himmlische Vater die Hand über die Seinen hält, dass er die Macht hat, uns zu beschützen, wenn wir rechtschaffen leben und ihm vertrauen. Diese Soldaten kamen dann als Freunde zu uns und brachten Lebensmittel und andere Gebrauchsgüter.

Als mein Vater zur polnischen Armee ging, beschwor er meine Mutter zu Hause zu bleiben und auf ihn zu warten, komme was wolle! Viele konnten dem Druck nicht standhalten und flüchteten nämlich. Meine Mutter war glücklich, auf meinen Vater gehört zu haben, denn die Flüchtenden wurden von polnischen Tieffliegern niedergemäht. Mein Vater desertierte als das Lager, in dem er gefangen war, bombardiert wurde. Er holte meine Mutter und sie flüchteten zu dieser besagten Familie. Als mein jüngster Bruder geboren war, im November 1950, bot die polnische Regierung den dagebliebenen Deutschen die Staatsbürgerschaft an. Aber meine Mutter wollte nicht. Sie wollte, dass ihre Kinder in Deutschland aufwachsen, nicht in einem Grenzland, das mal deutsch, mal polnisch sei. So wurde meine Familie ausgewiesen. Im Frühjahr des folgenden Jahres packten wir unsere paar Habseligkeiten und wurden mit einem Güterzug bis zur Grenze gebracht. Wir waren wirklich „Rucksackdeutsche“, wie man uns später nannte, denn wir hatten all unser Gut in ein paar Rucksäcken verstaut. In meiner kleinen Umhängetasche hatte ich einen Nachttopf, von dem ich mich nicht trennen wollte. Für ihn hatte ich mich entschieden, als ich zwischen einem Teddy, meiner Puppe und diesem Nachtgeschirr wählen musste. Wir durften nur das mitnehmen, was wir tragen konnten.

Ich erinnere mich noch genau, wie schrecklich kalt es war, als eine Menschenmenge, wir mittendrin, in einen offenen Viehwaggon getrieben wurden. Wir konnten nur stehen, so voll war es. Die Erwachsenen standen Rücken an Rücken um sich zu wärmen. Wenn der Zug anfuhr oder anhielt fielen wir ineinander. Auf der langen Fahrt musste der eine oder andere auch mal seine Notdurft verrichten. Dafür musste derjenige sich in eine Ecke kauern, während die Übrigen noch dichter aneinander rückten. Es kam auch vor, dass man in dem Gedränge in die Fäkalien trat. Der Zug fuhr nur nachts. Alle hatten Hunger. Immer wieder kletterten Männer aus dem Waggon und stahlen von den Feldern irgendetwas Essbares. Wenn Bauern auf dem Feld waren, schossen sie auf die Diebe. Aber die Soldaten, die den Zug bewachten, erschossen hier und da einen Mann. Auch mein Bruder Herbert, der inzwischen siebzehn Jahre alt war, ging auf Diebestour. Wir hatten solche Angst um ihn! Es gab auch immer wieder Vorfälle, dass der Zug beschossen wurde. Wenn ein Mann getroffen wurde, durfte ihn keiner holen. Er blieb einfach liegen. Die rebellierenden Frauen wurden mit Gewehrkolben zurückgestoßen. Das Schreien und Weinen werde ich nie vergessen.

Als wir an die Grenze zu Deutschland kamen, gab es viel Unruhe. Bewaffnete Grenzer trieben alle Reisenden in einen Raum. Alle mussten den Zug verlassen. Ich hörte, dass man jeden erschoss, der etwas aus Polen mitgenommen hatte, das von Wert gewesen wäre. Meine Mutter hatte ein Fotoalbum unserer Familien mitgenommen; da ich wusste, dass meine Mutter dort einen Zloty eingesteckt hatte, rannte ich zurück zum Zug. Unser Abteil war noch nicht untersucht worden. Alles lag noch so da, wie wir es verlassen hatten. Schnell holte ich den Geldschein und rannte wieder nach draußen. Alle Ausreisenden mussten sich einer Leibesvisitation unterziehen. Ich starb bald vor Angst; meine Eltern wahrscheinlich auch, weil sie mich vermissten, denn ich hielt mich fern von ihnen auf, damit mein Vater nicht für den einen Zloty sterben musste. Bis sie mich meinen Eltern zuordnen konnten, waren meine Lieben durchsucht worden und durften ins Abteil zurückkehren. Mich hatten sie nicht überprüft. Sehr erleichtert lief ich zu meiner Mutter, in meiner Faust hatte ich immer noch den Geldschein fest umklammert.

Der Zug blieb auf der Seite der polnischen Grenze stehen. Alle Menschen mussten zu Fuß über die Grenze bis zu einem Lager. Dort gab es eine Übergabe. Wieder ordneten bewaffnete Männer die Reisenden. Wir kamen mitten in der Nacht an und mussten stundenlang in der Kälte warten, bis wir aufgerufen und registriert waren, dann durften wir in einen Saal mit vielen Etagenbetten, aber wir durften noch nicht ins Bett. Auch hier wurden die Familien aufgerufen und dann gab es pro Familie ein Stück Seife und ein Handtuch. Nach der Körperwäsche in einem großen Raum mit vielen Waschbecken bekamen wir, wieder nach Aufrufung, eine Decke pro Erwachsenen und eine Decke für alle Kinder der Familie. Die Betten waren nummeriert und erst, nachdem wir ein Bett zugewiesen bekamen, durften wir uns endlich hinlegen. Die Nacht war schon sehr früh zu Ende, denn wir wurden mit Trillerpfeifen geweckt. Wieder mussten wir uns aufstellen und Familie um Familie erhielt dann eine Ration Essen. Danach wurden wir wieder in einen Zug verfrachtet, diesmal in einem geschlossenen Abteil.

Bis wir endlich in dem Dorf angelangt waren, das unsere neue Heimat werden sollte, wurden wir durch sieben Lager geschleust. Aber wir wurden feindlich empfangen. Man nannte uns Pollacken und Zigeuner. Aber das ist eine andere Geschichte. Nur soviel sei hier gesagt, dass ich in den neun Jahren, in denen wir uns bemühten Anschluss zu den Nachbarn zu bekommen, nur eine Freundin gewann. Aber sie war ein Schatz. Sie hielt immer zu mir. Die Bauern grenzten uns aus; sogar dann noch, nachdem meine Mutter tätige Nachbarschaftshilfe leistete und wir Kinder auf den Feldern mitarbeiteten. Meine Schwester hatte eine Freundin im Nachbardorf gefunden, meine Brüder hatten keine Freunde.

Als ich ein Kätzchen geschenkt bekam (aus einem Nachbardorf natürlich) wurde es vergiftet. Auch mein Hündchen. Er war noch ein Welpe und musste schreckliche Schmerzen erleiden, bis mein Vater ihn mitnahm und der Jäger ihn erlöste. Ja, wir fanden Briefe (anonym) in denen wir beschuldigt wurden, von ihren Geldern zu leben. Dabei musste mein Vater alles abbezahlen, was man uns gegeben hatte: einen Tisch, vier Stühle, drei Betten und einen Schrank. Die Bauern drohten uns sogar, auch mit uns so zu verfahren wie mit unsern „Viechern“. Nein, es war keine schöne Zeit. In der Schule ging es auch grausam zu. Zum einen war die Prügelstrafe noch nicht abgeschafft, zum anderen wurden die „Flüchtlinge“ zum „Freiwild“ erklärt.

Aber es gab auch schöne Momente. Mein Vater arbeitete bei den Amerikanern als Heizer in ihren Kasernen. Er plünderte ihre Mülltonnen, in denen wahre Schätze verborgen waren: Kleider, Schuhe, Taschen, Lebensmittel, Comic- Heftchen etc. Zu Weihnachten waren Süßigkeiten und Festbraten fein verpackt oben auf manchen Mülleimer gelegt. Wir erkannten, dass mein Vater wohl beobachtet worden sein musste und diese Geschenke an den fleißigen Arbeiter sein sollten.

Mein Bruder Herbert heiratete. Sie bekamen eine süße Tochter. Sie war unser Sonnenschein. Da kamen schon einige Bauersfrauen und begutachteten dieses Baby. Als mein Bruder mit seiner Familie wegzog, wurde es wieder finster. Aber er hatte eine gute Stellung in Saarbrücken bekommen, wo er als Einschaler arbeitete. Als ich meine Lehre begann, überlegten sich meine Eltern näher an die Stadt heranzuziehen. So verließen wir diesen ungeliebten Ort. Aber auch in diesem größerem Dorf fanden wir Mädchen keinen Anschluss. So wurden wir uns gegenseitig beste Freundin. Dann zogen in dieses Reihenhaus, in dem wir eine Wohnung gemietet hatten, drei Familien, die auch Mädchen hatten. Wir hatten zu ihnen lockere Verbindung. Besonders den Kontakt zu Maria sah meine Mutter nicht gern. Maria bekam schon mit sechzehn Jahren ein Kind, ohne Vater. Meine Mutter sprach von „Schande“. Diese wollte ich ihr nicht antun; als ich schwanger wurde heiratete ich den Jungen, mit dem ich Sex ausprobiert hatte.

Noch in der Hochzeitsnacht zog ich zu ihm in sein Zimmer. Diese Ehe war grauenvoll. Schläge und Vergewaltigungen waren an der Tagesordnung; ebenso Hunger, (wegen Arbeitslosigkeit durch die Trunksucht meines Mannes ) Streit wegen Untreue und Schwänzen der Arbeit, wobei ich immer meinen Mann wegen Krankheit entschuldigen sollte. Ich hatte immer Arbeit, aber über meinen Verdienst konnte ich nicht verfügen. Entweder musste ich meinen Lohn meiner Schwiegermutter aushändigen, die immer für uns einkaufte, wenn kein Geld mehr da war, oder mein Mann nahm es mir gewaltsam ab um zu Huren zu gehen, wenn ich ihm nicht geben, konnte was er wollte z.B. in den sehr schweren Schwangerschaften und nach den Geburten meiner beiden Söhne. Die Ehe wurde 1972 geschieden. Noch fünf Jahre lang feierte ich diesen „Befreiungstag“. Dann lernte ich meinen jetzigen Mann, der auch ein Mitglied der Kirche Jesu Christi, der Heiligen der Letzten war, kennen. Ja, dass ich Mitglied in dieser Kirche wurde und zwei Söhnen das Leben schenken konnte, das war das Einzige, was ich meinem ersten Mann verdanke.

Heute bin ich glücklich. Mein Mann und ich lieben, achten und ehren uns. Wir sind aktive Mitglieder der wahren Kirche. Mein Mann trägt das Priestertum Gottes, erfüllt seine Berufung als Gemeindesekretär gern und ist mit Hingabe Heimlehrer; und ich diene ebenso gern als Lehrerin in der Sonntagschule und als Besuchslehrerin. Zurückblickend sehe ich, dass ich all dieses erleben musste, damit ich meinem Nächsten besser dienen kann. Nun habe ich diese Liebe und das Verständnis für alle Menschen. Der Herr musste mich durch den Feuerofen der Prüfungen schicken, damit er das Gold in mir läutern konnte. Ich weiß, dass der Herr nichts zulässt, was uns nicht stärker, besser und fähiger machen kann. Meine Liebe zu meinen Ahnen ist auch intensiver geworden. Ich bin so glücklich, dass ich an meine Eltern gesiegelt werden konnte und auch mein, schon in jungen Jahren, verstorbener Bruder Max an unsere Eltern gesiegelt ist. Im April 2008 ist mein Bruder Herbert verstorben. Auch für ihn will ich die stellvertretenden heiligen Handlungen vollziehen lassen. Zu meiner Schwester, die in Amerika lebt, will ich nun reisen und von August bis Oktober bei ihr leben.