Steuberwitz, Oberschlesien

mormon deutsch kurt fritz ollenikMein Name ist Kurt Fritz Ollenik. Ich bin am 29. Dezember 1928 in Steuberwitz, Oberschlesien geboren. Meine Mutter hieß Marie, Ollenik. Als meine Eltern geheiratet haben, da kann ich mich daran erinnern, da war ich so klein, aber als ich 6 Jahre alt war, starb mein Vater und 3 Jahre später meine Mutter. Ich war praktisch ein Waisenkind. Geschwister hatte ich keine. Ich bin dann zu meinen Großeltern mütterlicherseits gekommen.

Es war für mich wirklich eine schwere Zeit, obwohl meine Großeltern sehr gut zu mir waren. Ich kann mich nicht beklagen. Aber mir hat meine Mutter so sehr gefehlt und auch mein Vater, dass ich das manchmal nicht begreifen konnte.

Ich bin evangelisch gewesen, meine Eltern auch beide evangelisch. Als wir zu Hause waren, meine Oma hat immer aus der Bibel vorgelesen, jeden Abend. Das war eine große Stütze, ein großer Halt für mich. Hätte ich das nicht gehabt, dann wüsste ich nicht, wo ich heute wäre. Aber ich bin dankbar für meine Großeltern, die sehr gut zu mir gewesen sind.

Ich bin froh, dass ich meine Großeltern hatte, denn während der ganzen Kindheit, bis ich aus der Schule kam, war ich bei meinen Großeltern mütterlicherseits.

Jetzt möchte ich zurückkommen auf die Zeit, als ich ein Kind war. Ich bin mit sechs Jahren in die Schule gekommen. Da war es schon ziemlich unruhig. Wir wohnten direkt an der tschechischen Grenze. Praktisch von drei Seiten waren wir von der Tschechei umgeben und nur von einer Seite von Deutschland. Wir waren wie eine Insel, unser Dorf. Als ich dann aus der Schule gekommen bin, kam meine Tante aus Dresden und hat mich abgeholt. Und zwar, sie hatten ein Geschäft gehabt, eine Sattlerei und Polsterei. Mein Onkel war selbständig. Da sie selber keine Kinder hatten, sollte ich das einmal später übernehmen. Während dieser Zeit, als ich in Dresden war, da war dieser große Luftangriff, wo alles kaputt gegangen ist, die ganze Stadt praktisch. Ich habe Menschen gesehen, als lebendige Leichen, die noch brannten. Die haben ja Phosphor geschmissen, die Amerikaner. Und das ist sehr schlimm, das brennt ja Stein und alles. Das habe ich immer nicht begreifen können, das war schlimm für mich. Das war 1945. Während des Angriffs war ich in Dresden mit meiner Tante. Mein Onkel wurde eingezogen in den Krieg, wie alle. Die haben nach jedem gegriffen, den sie noch haben konnten. Nach dem Angriff, als sich das alles wieder ein bisschen beruhigt hatte, habe ich weitergearbeitet, natürlich in einem anderen Betrieb, denn dieser Betrieb von meinem Onkel, der ist auch kaputt gegangen in Dresden. Er hatte eine Sattlerei und Polsterei und das ist auch alles kaputt gegangen. Damals war ich ungefähr 16 Jahre alt.

Als der Krieg dann zu Ende war, kam mein Onkel recht bald aus der Gefangenschaft – ich weiß nicht in welcher er war – zu uns zurück und er war sehr ethisch. Als er eingezogen wurde, hat er noch immer in der Kirche gearbeitet, solange wie es ging. Und er hat sich bemüht, wieder einen neuen Betrieb aufzubauen, und es ist ihm tatsächlich gelungen in der zerstören Stadt am Rande, wo die Pferderennbahn war, einen Betrieb, eine Werkstatt zu gründen. Denn für den Sport hatten sie ja etwas übrig gehabt. Und so habe ich bei ihm weitergearbeitet bis 1950.

In der Zwischenzeit bin ich auch ein Mitglied der Kirche geworden. Am 23. Oktober 1943 wurde ich getauft in der Elbe. 1950 wurde ich auf Mission berufen vom damaligen Missionspräsidenten Walter Stover. Meine erste Station war Nauenburg an der Saale. Dann wurde ich ein paar Mal versetzt. Nauenburg, die zweite war Weimar, die dritte war Pößnik, Thüringen, und Gera war die letzte. Übrigens war ich in Pößnik und in Gera Zweigpräsident als Missionar.

Ich bin am Ende der Missionszeit krank geworden, habe aber meine Mission weiter gemacht. Und zwar hatte ich ein Loch in der Lunge. Am 1. September 1952, wurde ich von der Mission entlassen, 2 Jahre und 4 Monate war ich auf Mission. Dann bin ich zurück. Mein Onkel wollte immer schon in den Westen. Das hat aber nie geklappt. Da hat er immer mich vorgeschickt. Ich habe zwei Mal den Versuch gemacht, jedes Mal bin ich geschnappt worden von den Grenzpolizisten. Aber da ich noch jung war, da haben die vielleicht beide Augen zugedrückt, vielleicht auch noch die Hühneraugen und haben uns bloß vielleicht so eine Woche dort behalten und dann wieder heim geschickt. Nur eine Woche.

Beim letzten Mal habe ich es geschickter gemacht. Da bin ich nicht über die Grenze gegangen, da habe ich mir eine Fahrkarte nach Berlin gekauft, so dass ich in Berlin aussteigen konnte. Damals ging das noch irgendwie, im Osten, Westen konnte man aussteigen irgendwie. Und ich bin rüber nach den Westen. Ich bin bis Westberlin mit de Bahn gefahren. Dann bin ich in Berlin zu den deutschen Grenzern hin gegangen, die haben mich dann ausgeflogen.

Bevor ich aus der Mission entlassen wurde war ich krank. Da habe ich noch nicht gewusst, dass ich so krank war. Ich habe mich ganz schlapp gefühlt und deswegen habe ich dann um meine Entlassung gebeten. Der Henry Burkhardt war unser Beauftragter, der hat mich dann entlassen. Wir haben uns gekannt.

Dann bin ich wieder über die Grenze gegangen nach Berlin, dann mit dem Flugzeug nach Hamburg, glaube ich, und von dorrt mit der Eisenbahn weiter. Weil ich noch Jugendlicher war, haben sie uns geholfen und uns überall zu den Bauern gegeben, dass wir uns nicht sorgen mussten, im Winter über. Da habe ich beim Bauer gearbeitet. Da ich ja vom Dorfe kam, war ich das gewöhnt. Ich wusste, was eine Kuh, ein Pferd und das alles ist und wie man die behandelt.

Als ich hier im Westen war, in Bühl, Baden, bin ich zum Arzt gegangen und der hat mich untersucht, und sagte: „O jäh, sie sind ja krank, sie haben ein Loch in der Lunge. Sie müssen wir sofort in eine Heilstätte schicken.“ Da hat man mich in eine Heilstätte geschickt, in der Nähe von Bühl, Ottäsweiher-Lungenheilstätte. Von April bis zum Februar des Jahres. Sie wollten mich operieren, ich habe es abgelehnt. Ich bin jeden Abend raus gegangen, weil wir da so am Waldrand waren, und habe mich hingekniet und habe gebetet. Jeden Abend. Der Chefarzt hat mich dann auch untersucht und hat mir gesagt: „Wenn sie jetzt nicht zustimmen, dass sie operiert werden, dann müssen wir sie entlassen, rausschmeißen, und wo wollen sie wohnen, sie sind ja ansteckend.“ Wissen Sie, es gab Schichtaufnahmen von der Lunge und alle 4 bis auf 2 hat man das Loch gesehen, also bis ganz durch. Sie nimmt ja keiner mehr auf. Ich gebe ihnen noch einen Tag Zeit.“ Ich musste dann am nächsten Tag wieder zur Aufnahme und er selber hat mich geröntgt. Da schüttelte er den Kopf und sagt: „Sie haben kein Loch! Sie sind gesund!“ Das kam durch das viele Beten. Für mich was das natürlich ein großes Zeugnis. Als ich in Ottäsweiher in der Heilstätte war, bin ich jeden Sonntag in die Kirche gelaufen. Ich bin frühzeitig weggegangen, dass ich zur rechten Zeit zur Kirche kam. Das waren 4/5 Kilometer. Das bin ich jeden Sonntag gelaufen und in der Zwischenzeit ist das Loch zugegangen. Ich habe kein Loch mehr gehabt.

In Bühl war eine kleine Gemeinde, das ist hier bei Baden-Baden. Da bin ich immer hingegangen. Dieses Ehepaar, das die Gemeinde geleitet hat, ist nach Amerika ausgewandert, im März 1955, der Name war Fetsch, er war Gemeindepräsident. Und er ist weg und ich bin am Sonntag zuvor als neuer Zweigpräsident – früher hat man gesagt Gemeindepräsident – eingesetzt worden. Das habe ich ziemlich lange gemacht, September 1958. Ich möchte noch etwas erwähnen: Ich habe gesagt, dass ich schon eine Woche später als Zweigpräsident eingesetzt wurde in Bühl. Das Ehepaar ist praktisch 8 Tage später ins Flugzeug nach Amerika gegangen. Das war eine ganz kleine Gemeinde, so 20 Mitglieder. Da war auch ein Ehepaar aus Dresden, das auch rüber gegangen ist. Den habe ich damals in Dresden getauft. Und zwar war das Anfang März. Da ging ein kleiner Bach durch den Ort und der war zugefroren. Da haben wir Eis aufgehackt und dann haben wir zwei getauft. Wir haben 6 Taufen gehabt, jeder hat 2 getauft. Wir waren 3 Täufer. Wir haben uns eine Stelle gesucht, die ziemlich tief war, wenigstens bis hier hin. Das hatte noch zu Dresden gehört, zur Dresdner Neustadt. Keiner ist krank geworden! Die Brüder haben Decken um uns gehalten und wir mussten die nassen Sachen schnell ausziehen, weil sie sonst gefroren wären.

Wann haben Sie sich kennen gelernt? Kennen gelernt haben wir uns als ich in Weimar auf Mission war. Geheiratet haben wir in Bühl. Und zwar habe ich an meine Braut geschrieben: „Du musst sofort nach Bühl kommen, wir müssen heiraten, sonst bekomme ich die Wohnung nicht.“ Die Kirche hat das Haus, wo die Fetsch gewohnt haben, gekauft. Und ich habe den Missionspräsidenten Burton (?) angerufen, ob ich die Wohnung bekommen kann. Das war ja damals schwer, eine Wohnung zu finden. Er hat gesagt: „Ja, aber nur, wenn sie verheiratet sind.“ Da habe ich ihr geschrieben: „Wir müssen heiraten, sonst bekomme ich die Wohnung nicht.“ Verstehen Sie das jetzt, ja? Nicht weil ich Dich liebe, sondern weil ich Dich brauchte. Sie ist natürlich gekommen und wir haben geheiratet.

Was hatten Sie als Beruf? Ich hatte Sattler gelernt, weil ich das von meinem Onkel übernehmen sollte. Obwohl ich das nicht gerne gemacht habe. Aber was blieb mir anderes übrig. Er hat mir so geholfen. Da musste ich mich ja als dankbar erweisen.

Nur noch eine Frage, wenn wir zurückgreifen in die Zeit von Dresden, wo die Russen reingekommen sind. Haben Sie irgendwelche Schwierigkeiten mit denen gehabt? Eigentlich nicht. Wir haben so ein bisschen am Berg entlang gewohnt, Dresden hoch oben, und als die Russen rein kamen, habe ich mit einem Handwagen, da waren die schon geplündert, die Deutschen, und wir auch. Und als die mich gesehen haben, sagten sie: „O weg, weg.“ Ich habe also praktisch bevor ich wieder zu Hause war an dem Tag, erst mal mit den Russen Verbindung aufgenommen gehabt. Also, vom Sehen. Da war der Krieg schon aus. Die haben alles geklaut, was sie klauen konnten. Mir war es egal. Die Hauptsache war, sie haben mir nichts getan. Es waren keine Kriegshandlungen mehr, die sind so einmarschiert und was da so alles passierte. Wer aufgepasst hat, dem ging es nicht so schlecht.

Wir sind in die Tschechei gewandert mit dem Wagen von meinem Onkel, und Pferdewagen. Auf diesem Weg mussten sie dann wieder zurückgekommen sein. Mein Großvater starb, da war ich – ich konnte ja auch nicht rüber, das war ja jetzt polnisch -. Die Oma ist mit der Tochter. Doch, es war auch eine Tante, von meiner Mutter eine Schwester. In Weinsberg habe ich sie dann gesehen mit meinem Cousin, der das alles gemacht hat. Also, gesehen habe ich wenigstens meine Tante, meinen Cousin, meinen Onkel. Meinen Opa, den habe ich nicht wieder gesehen. Der ist ja gestorben in der Zwischenzeit. Der ist 1870 geboren.