Halberstadt, Sachsen-Anhalt
Ich bin Rosemarie Pawelke, geborene Kaiser. Das Licht der Welt erblickte ich am 8. Februar 1935 in Halberstadt. Mein Vater hieß Leo Kaiser, er war kein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Meine Mutter Auguste Kaiser, geborene Dettwieler genannt Jörger. Sie war ein Mitglied der Kirche. Sie wurde ca. 1930 von amerikanischen Missionaren belehrt und getauft, ebenso ihre Schwester (meine Tante) Therese. Wir haben zwei Kinder. Unser Sohn Lothar kam am 28. Dezember 1953 zur Welt, unsere Tochter Ute am 27. Juni 1967.
Da ich noch sehr jung war, sind meine Erinnerungen schwach oder eventuell unvollständig. Bis in die Nachkriegszeit hinein gab es in Halberstadt keine organisierte Gemeinde. Es gab nur einen Bruder, Anton Larisch, der versuchte, regelmäßig Versammlungen abzuhalten, wenn er einen geeigneten Ort dafür finden konnte. So hatten wir manchmal Versammlungen bei älteren Geschwistern, später in Schulen (wenn wir die Genehmigung bekamen) oder in einer Gaststätte (wenn sie frei war). Bruder Larisch, der in die Junkerwerke nach Halberstadt abkommandiert wurde, hielt die Gemeinde zusammen.
Der erste richtige Gemeindepräsident war Bruder Pöcker, der als erster Missionar nach dem Krieg nach Halberstadt kam. Er durfte auch seine Frau und Kinder nachholen. Zu diesem Zeitpunkt wurde also die Gemeinde Halberstadt ins Leben gerufen. Bruder Pöcker taufte mich am 28. Mai 1950. Da es kein Taufbecken oder ähnliches gab, wurde ich in einem kleinen Weiher bei Langenstein im Freien (etwa zwei km von Halberstadt entfernt) getauft.
Pöckers waren wunderbare Menschen. Schwester Pöcker kümmerte sich sehr liebevoll um die Geschwister, wie ihr Mann. Trotz der schlechten Zeiten war es eine schöne Gemeinde. Ich kann mich an ein großes Chorkonzert erinnern, wo der ganze Saal des Gemeindeheimes gefüllt war. Damals war ich ungefähr 15 Jahre alt und sollte im Chor mitsingen. Das war der Grundstein für meine Begeisterung und Liebe zur Kirchenmusik.
Kurz vor Kriegsende, am 8. April 1945, gab es einen großen Bombenangriff, wobei etwa 82% der Stadt zerstört wurden. Weil aber unser Haus ein wenig außerhalb der Stadt lag blieb es verschont. Viele suchten Zuflucht in unserem Haus, in dem mehrere Wohnungen waren. Alle, deren Häuser noch intakt waren, nahmen Verwandte oder Bekannte auf, deren Häuser zerstört waren. Selbst während des großen Angriffs war unser Luftschutzkeller so voll, dass wir kaum noch Luft bekamen. Während der ganzen Zeit durften wir nicht raus, wir Kinder wurden mit Decken zugedeckt, damit eventuell herabfallende Steine von der Decke uns nichts anhaben konnten.
Aus Erzählungen von Erwachsenen aus der Stadt erfuhren wir, dass es viele Tote gab und sie viele Menschen gesehen hatten, die von Brandbomben getroffen worden waren und als menschliche Fackeln durch die Stadt liefen. Wir Kinder haben das zum Glück nicht gesehen, da wir nicht in die Stadt durften (unsere Eltern wollten das nicht). Aus der Heimat brauchte ich nicht weg. Wir konnten glücklicherweise in unserem Mehrfamilienhaus in Halberstadt bleiben. Einmal sollten wir Platz machen für amerikanische Soldaten, die in unserer Stadt als Besatzung waren. Mein Vater hat aber so lange gebettelt, bis sie gesagt haben, dass wir bleiben dürfen.
Dann zogen die Amerikaner weiter in den Westen Deutschlands und Halberstadt wurde von den Russen besetzt. Viele hatten sehr, sehr viel Angst vor den Russen und haben die Stadt verlassen. Wir aber sind geblieben. Die Kirche hat uns viel Halt gegeben. Nach und nach kamen Flüchtlinge in Halberstadt an die auch Mitglieder waren. Es gab ein paar Taufen. Missionare waren wieder erlaubt, wie schon erwähnt war Bruder Pöcker der erste. Walter Kindt war unser Distriktspräsident. Walter Stover war unser Missionspräsident in Berlin (West). Als er einmal zu Besuch war bei Bruder Pöcker, haben die Nachbarn das der Polizei gemeldet. „Westbesuch“ war zu dieser Zeit verboten. So wurde Bruder Pöcker am nächsten Tag verhaftet und wurde durch die Stasi (Staatssicherheit) inhaftiert. Zuerst saß er im Keller eines Staatssicherheitsgebäudes (eine alte Villa), später im richtigen Gefängnis. Eine Verhandlung oder etwas Ähnliches gab es nicht. Wie er im Gefängnis saß, hatte er eine Außenzelle. Wir Mitglieder sind ab und zu dort vorbeigegangen und haben das Lied „Tu was ist recht“ gepfiffen. Er hat das gehört und zum Zeichen mit seinem weißen Taschentuch gewunken. Bruder Kindt, der eng mit Bruder Pöcker befreundet war, setzte sich bei den Behörden sehr dafür ein, dass er bald wieder das Gefängnis verlassen könne. Direkt nach seiner Entlassung verließ Bruder Pöcker Halberstadt und ging nach Westberlin. Seine Frau folgte ihm kurze Zeit später mit den Kindern.
Über die Mitgliederzahl kann ich nicht viel sagen. Ich kann mich aber daran erinnern, dass wir immer viel Besuch von Nichtmitgliedern hatten (vor allem von Kindern). Wir haben alle Versammlungen durchgeführt. Damals gab es Dienstag gegen Abend den GFV (Gemeinschaftlicher Fortbildungsverein) und donnerstags die FHV (Frauenhilfsvereinigung). Durch die Flüchtlinge und die vielen Besucher war die Gemeinde recht groß.
Anfangs durften wir deutsche Missionare in der Gemeinde haben, keine Amerikaner. In „tiefsten DDR-Zeiten“ war Missionarsarbeit jedoch verboten. Trotz aller Widrigkeiten mit den ostdeutschen Behörden (von meinem Mann ausführlich beschrieben) hat uns die Kirche viel Kraft gegeben.
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Halberstadt, Sachsen-Anhalt
Ich bin Rosemarie Pawelke, geborene Kaiser. Das Licht der Welt erblickte ich am 8. Februar 1935 in Halberstadt. Mein Vater hieß Leo Kaiser, er war kein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Meine Mutter Auguste Kaiser, geborene Dettwieler genannt Jörger. Sie war ein Mitglied der Kirche. Sie wurde ca. 1930 von amerikanischen Missionaren belehrt und getauft, ebenso ihre Schwester (meine Tante) Therese. Wir haben zwei Kinder. Unser Sohn Lothar kam am 28. Dezember 1953 zur Welt, unsere Tochter Ute am 27. Juni 1967.
Da ich noch sehr jung war, sind meine Erinnerungen schwach oder eventuell unvollständig. Bis in die Nachkriegszeit hinein gab es in Halberstadt keine organisierte Gemeinde. Es gab nur einen Bruder, Anton Larisch, der versuchte, regelmäßig Versammlungen abzuhalten, wenn er einen geeigneten Ort dafür finden konnte. So hatten wir manchmal Versammlungen bei älteren Geschwistern, später in Schulen (wenn wir die Genehmigung bekamen) oder in einer Gaststätte (wenn sie frei war). Bruder Larisch, der in die Junkerwerke nach Halberstadt abkommandiert wurde, hielt die Gemeinde zusammen.
Der erste richtige Gemeindepräsident war Bruder Pöcker, der als erster Missionar nach dem Krieg nach Halberstadt kam. Er durfte auch seine Frau und Kinder nachholen. Zu diesem Zeitpunkt wurde also die Gemeinde Halberstadt ins Leben gerufen. Bruder Pöcker taufte mich am 28. Mai 1950. Da es kein Taufbecken oder ähnliches gab, wurde ich in einem kleinen Weiher bei Langenstein im Freien (etwa zwei km von Halberstadt entfernt) getauft.
Pöckers waren wunderbare Menschen. Schwester Pöcker kümmerte sich sehr liebevoll um die Geschwister, wie ihr Mann. Trotz der schlechten Zeiten war es eine schöne Gemeinde. Ich kann mich an ein großes Chorkonzert erinnern, wo der ganze Saal des Gemeindeheimes gefüllt war. Damals war ich ungefähr 15 Jahre alt und sollte im Chor mitsingen. Das war der Grundstein für meine Begeisterung und Liebe zur Kirchenmusik.
Kurz vor Kriegsende, am 8. April 1945, gab es einen großen Bombenangriff, wobei etwa 82% der Stadt zerstört wurden. Weil aber unser Haus ein wenig außerhalb der Stadt lag blieb es verschont. Viele suchten Zuflucht in unserem Haus, in dem mehrere Wohnungen waren. Alle, deren Häuser noch intakt waren, nahmen Verwandte oder Bekannte auf, deren Häuser zerstört waren. Selbst während des großen Angriffs war unser Luftschutzkeller so voll, dass wir kaum noch Luft bekamen. Während der ganzen Zeit durften wir nicht raus, wir Kinder wurden mit Decken zugedeckt, damit eventuell herabfallende Steine von der Decke uns nichts anhaben konnten.
Aus Erzählungen von Erwachsenen aus der Stadt erfuhren wir, dass es viele Tote gab und sie viele Menschen gesehen hatten, die von Brandbomben getroffen worden waren und als menschliche Fackeln durch die Stadt liefen. Wir Kinder haben das zum Glück nicht gesehen, da wir nicht in die Stadt durften (unsere Eltern wollten das nicht). Aus der Heimat brauchte ich nicht weg. Wir konnten glücklicherweise in unserem Mehrfamilienhaus in Halberstadt bleiben. Einmal sollten wir Platz machen für amerikanische Soldaten, die in unserer Stadt als Besatzung waren. Mein Vater hat aber so lange gebettelt, bis sie gesagt haben, dass wir bleiben dürfen.
Dann zogen die Amerikaner weiter in den Westen Deutschlands und Halberstadt wurde von den Russen besetzt. Viele hatten sehr, sehr viel Angst vor den Russen und haben die Stadt verlassen. Wir aber sind geblieben. Die Kirche hat uns viel Halt gegeben. Nach und nach kamen Flüchtlinge in Halberstadt an die auch Mitglieder waren. Es gab ein paar Taufen. Missionare waren wieder erlaubt, wie schon erwähnt war Bruder Pöcker der erste. Walter Kindt war unser Distriktspräsident. Walter Stover war unser Missionspräsident in Berlin (West). Als er einmal zu Besuch war bei Bruder Pöcker, haben die Nachbarn das der Polizei gemeldet. „Westbesuch“ war zu dieser Zeit verboten. So wurde Bruder Pöcker am nächsten Tag verhaftet und wurde durch die Stasi (Staatssicherheit) inhaftiert. Zuerst saß er im Keller eines Staatssicherheitsgebäudes (eine alte Villa), später im richtigen Gefängnis. Eine Verhandlung oder etwas Ähnliches gab es nicht. Wie er im Gefängnis saß, hatte er eine Außenzelle. Wir Mitglieder sind ab und zu dort vorbeigegangen und haben das Lied „Tu was ist recht“ gepfiffen. Er hat das gehört und zum Zeichen mit seinem weißen Taschentuch gewunken. Bruder Kindt, der eng mit Bruder Pöcker befreundet war, setzte sich bei den Behörden sehr dafür ein, dass er bald wieder das Gefängnis verlassen könne. Direkt nach seiner Entlassung verließ Bruder Pöcker Halberstadt und ging nach Westberlin. Seine Frau folgte ihm kurze Zeit später mit den Kindern.
Über die Mitgliederzahl kann ich nicht viel sagen. Ich kann mich aber daran erinnern, dass wir immer viel Besuch von Nichtmitgliedern hatten (vor allem von Kindern). Wir haben alle Versammlungen durchgeführt. Damals gab es Dienstag gegen Abend den GFV (Gemeinschaftlicher Fortbildungsverein) und donnerstags die FHV (Frauenhilfsvereinigung). Durch die Flüchtlinge und die vielen Besucher war die Gemeinde recht groß.
Anfangs durften wir deutsche Missionare in der Gemeinde haben, keine Amerikaner. In „tiefsten DDR-Zeiten“ war Missionarsarbeit jedoch verboten. Trotz aller Widrigkeiten mit den ostdeutschen Behörden (von meinem Mann ausführlich beschrieben) hat uns die Kirche viel Kraft gegeben.