Wilhelmsburg, Ückermünde

mormon deutsch elfriede pawlowskiMein Name ist Elfriede Pawlowski, geborene Echelmeyer. Ich wurde am 15.Mai 1924 in Wilhelmsburg, Kreis Ückermünde geboren. Mein Vater, Karl Clemens Echelmeyer, geboren am 8. Juli 1898 in Westerkappeln, Westfalen, und meine Mutter, Johanna Hedwig Elisabeth geborene Schulz, stammen beide aus Bauernfamilien. Um 1900 kamen beide mit ihren Familien nach Prinzenau/Posen. Das waren deutsche Ostgebiete, die zeitweise deutsch und dann wieder polnisch wurden. Die Familie meines Vaters hatte 10 Kinder, von denen mein Vater der zweitjüngste war. Meine Mutter wurde erst am 18. April 1901 in Prinzenau geboren.

In diesem Gebiet von Posen gab es Land zu erwerben und auch Arbeit für die vielen Kinder. Großvater Echelmeyer hatte gut vorgesorgt und übernahm eine Gaststätte mit Kolonialwarenhandel und eine Bäckerei mit Landbesitz. So konnte ein großer Teil der Familie in die Arbeit mit einbezogen werden. Die älteren Kinder heirateten und machten sich selbständig. Meine Eltern wuchsen dort auf und verlebten auch dort ihre Jugend.

Am 1 August 1914 brach der Erste Weltkrieg aus und mein Vater musste als 18jähriger noch an die Westfront nach Frankreich. Er kam aber gesund wieder nach Hause. Der Krieg war von Deutschland ausgegangen und wurde auch von Deutschland verloren.

Das ganze Gebiet von Westpreußen musste wieder an Polen zurückgegeben werden Das war sehr hart für die vielen deutschen Familien, die sich in 20 Jahren eine neue Heimat aufgebaut hatten. Aber nun stand die Frage: hierzubleiben und für Polen zu optieren oder nach Deutschland zurück und wieder neu anzufangen. Aber sie waren zu Deutsch, um jetzt Polen zu werden. Also musste es wieder einen Neuanfang geben! Inzwischen waren alle Kinder erwachsen und hatten ihre eigene Existenz. Die meisten der Kinder gingen zurück nach Deutschland. Nur die älteste Tochter mit ihrer großen Familie blieb dort. Ihr Mann war ein Franzose und hatte einen eigenen Betrieb. Alle anderen verteilten sich über ganz Norddeutschland. In dieser Zeit des großen Aufbruchs, heirateten meine Eltern und kamen dann über einige Umwege nach Friedenau, Kreis Arnswalde und übernahmen dort einen Bauernhof. Ihnen wurden sechs Kinder geboren. Die ersten beiden Geburten, waren jeweils Zwillinge, vier Mädchen. Nach 12 Jahren wurde das fünfte Mädchen der Familie geboren, und als sechstes Kind ein Junge. Es war erneut eine schwere Zeit. Und wir größeren Mädchen mussten schon früh mithelfen. Trotzdem war unsere Jugend schön. Das Gebiet um Friedenau in Pommern war landschaftlich sehr schön. Wirtschaftlich ging es langsam wieder bergan. Aber Deutschland im Allgemeinen litt sehr unter der großen Arbeitslosigkeit, die der verlorene Krieg mit sich brachte. Dann kam am 30,Januar 1933 Adolph Hitler an die Regierung. Das war eine Zeitenwende. Hitler verstand es, das Volk aufzurütteln. Es wurden neue Organisationen gegründet, für die Jugend, für die Frauen und Männer. Die Menschen bekamen Arbeit und das Leben wurde lebendiger. Die Programme und die Veranstaltungen der neuen Organisationen rissen die Menschen mit. Sie wurden abgelenkt von Armut und Arbeitslosigkeit. Doch niemand ahnte, welchen Preis sie einmal dafür zahlen mussten.

Es wurden auch neue Fabriken aufgebaut und sie produzierten Teile, an denen niemand das Endprodukt erkennen konnte. Es wurde aufgerüstet für einen erneuten Krieg. Wenige dachten nach, denn Arbeit war das wichtigste, um die Familien zu ernähren. Eine starke Armee wurde aufgestellt, und wenige fragten – wofür. Straßen und Autobahnen entstanden neu. Und alles wurde politisch überwacht. Bis am 2. August 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Es war auf den Tag genau 25 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges. Das Volk in seiner Unwissenheit jubelte ihrem „Führer“ zu.

Meine Eltern hatten das erste Radio im Dorf, und viele Dorfbewohner kamen zu uns, wenn Adolph Hitler seine Propagandareden hielt, und das Volk für den Krieg begeisterte. Die laufenden Siegesmeldungen ließen die Menschen für die Wahrheit blind werden. Der „Endsieg“ war nicht mehr weit und Hitler würde de über großes Teile Europas regieren. Aber dann kamen die ersten Schreckensmeldungen: der Vater – der Sohn – der Bruder – der Verlobte, gefallen für Großdeutschland in treuer Pflichterfüllung. Mein Vater musste als Amtsvorsteher oft diese Meldungen an die betroffenen Familien weitergeben. Nun hofften alle, dass der Krieg bald zu Ende gehen würde, aber er dauerte immer länger. Es schien, als wolle Hitler die ganze Welt erobern.

Wir Kinder wurden erwachsen und waren im „Bund deutscher Mädchen“ organisiert. Meine Mutter war im „Frauenverein“ und ein Vater im „Reitersturm“. Das war alles so normal. Alle hatten ihre Veranstaltungen. Sportwettkämpfe, Volkstanz – und Theaterfinnen brachten Begeisterung unter die Menschen und so wurden sie vom Kriegsgeschehen abgelenkt.

Ich selbst kam im Alter von 16 Jahren als Kindermädchen zu einer Familie von Frankenberg und Proschlitz nach Neumünster. Das Familienoberhaupt war ein hoher Offizier an der Front. Das war für mich eine sehr schöne Zeit, weil ich die Familie auch auf all ihren Reisen begleiten durfte. Meine Geschwister lebten an verschiedenen Orten.

Der Krieg forderte immer mehr Menschenleben und die großen deutschen Städte wurden durch Bomben zerstört. Die Menschen begannen jetzt, immer mehr nachzudenken. Die Wahrheit über den Krieg. zu sagen. war nicht nur unerwünscht, sondern gefährlich. Diese Gefährlichkeit war daran zu erkennen, dass viele Menschen verschwanden, von denen dann gesagt wurde, sie seien verstorben.

Meine Zwillingsschwester hatte geheiratet, und ihr Mann fiel, nachdem ihr Sohn geboren war. Auch mein Verlobter fiel in Frankreich. Der Krieg war für Deutschland längst verloren, aber nach dem Größenwahn von Hitler sollte bis zum «letzten Mann“ gekämpft werden.

Die deutschen Truppen gingen im Osten mehr und mehr zurück und der Feind zerstörte das Land. Meine Eltern mussten zum zweiten Mal ihre Heimat verlassen und gingen auf die Flucht. Die Bewohner ganzer Dörfer zogen gemeinsam vor dem Feind her, bis sie von den Truppen überrollt wurden. Auf ihren Planwagen hatten sie das Möglichste geladen und die Eltern landeten bei Verwandten in Vorpommern. Meine Zwillingsschwester lebte bei ihren Schwiegereltern in Gadebusch im Land Mecklenburg. Gadebusch wurde dann auch der ausgemachte Sammelpunkt für die ganze Familie. Als schon alle auf der Flucht waren, wurde mein Vater noch als Soldat eingezogen. So musste meine Mutter mit meinen anderen vier Geschwistern und meinem alten Großvater allein weiterziehen.

Auch ein polnischer Kriegsgefangener, der auf dem Bauernhof der Eltern bis zuletzt gearbeitet hatte, war mit ihnen zusammen auf die Flucht gegangen, weil er vor den Russen Angst hatte. Er war meiner Familie daher eine sehr große Hilfe. Später, als er sich auf den Weg in sein Heimatland machte, schenkte ihm meine Mutter ein Pferd, damit er damit nach Hause kommen konnte.

Ich selbst lebte die letzten Kriegsjahre in Guben/Niederlausitz, wo auch mein Sohn Alexander Wolf-Diedrich am 7. November 1943 geboren worden war. Und die Flucht führte uns von dort über Berlin, wo ich mich etwa ein halbes Jahr aufhielt. Dort erlebten wir die Bombenangriffe über der deutschen Hauptstadt. Das waren oft Schreckensstunden.

Am 8. Mai 1945 ging der Zweite Weltkrieg durch die Kapitulation Deutschlands zu Ende. Hitler war tot. Mein Vater kam aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft zurück und meldete sich bei meiner Schwester in Gadebusch.

Einige Gebiete schickten eigenmächtig die Ostflüchtlinge in ihre alte Heimat zurück, was unverantwortlich war. So musste auch meine Mutter noch nach Kriegsende mit den vier Kindern und dem Großvater die ganze Strecke wieder zurückfahren. Dort wieder angekommen, stellten sie fest, dass ihr Bauernhof ausgeplündert und die Tiere tot waren. Mein Großvater und ein Mädchen des zweiten Zwillingspaares sind in dieser Zeit an Typhus gestorben. Ihre Gräber befinden sich irgendwo.

Meine Eltern konnten sich erst im Sommer 1946 wiedersehen. Die Familie traf sich im Dorf Krembz bei Gadebusch im Land Mecklenburg, wo mein Vater einen alten großen Bauernhof gepachtet hatte. Leider verstarb er schon ein Jahr später. Meine Mutter musste wieder neu beginnen. Es war schwer, Arbeit zu finden, da die Orte voller Flüchtlinge waren. Aber es musste irgendwie weiter gehen – und es ging weiter.

Meine Mutter war eine sehr gläubige Frau und hatte uns schon früh das Beten gelehrt. Meine Eltern gehörten dem evangelischen Glauben an und haben versucht. danach zu leben. In all den Gefahren dieser Zeit, wusste meine Mutter immer, an wen sie sich wenden konnte. Sie war sich immer bewusst, dass alle Hilfe von Gott komm Der Herr hat ihr in all ihren Lebensjahren gezeigt, dass er seine schützende Hand über sie hielt und sie bis ans Lebensende begleitet. Die letzten 10 Jahre ihres Lebens verbrachte sie im Haus ihres einzigen Sohnes Karlheinz und wurde dort im Alter von 84 Jahren vom Herrn heimgeholt.

Etwa 1948 kam ich nach Schwerin und konnte hier Arbeit finden. was mir wie ein Wunder erschien. Heute weiß ich, dass es der Wille des Herrn war. In dieser Zeit lernte ich die Kirche Jesus Christi der Heiligen der Letzten Tage kennen und habe mich am 22. Oktober 1953 taufen lassen. Wo immer ich vorher auch gelebt habe, nie hatten wir etwas von dieser Kirche gehört.