Oels, Schlesien

mormon deutsch martin karl theodor sedlatzekMein Name ist Martin Karl Theodor Sedlatzek. Geboren bin ich am 26. August 1929. Mein Vater hieß Josef Sedlatzek, meine Mutter Elisabeth, geborene Schlappa. Ich bin in Oels [jetzt Oleśnica], dreißig Kilometer östlich von Breslau, groß geworden, zur Schule gegangen und 1944 von Oels weg gegangen zu einer Ausbildung an ein Lehrerbildungsinstitut. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich nichts von der Kirche. Aber es gab eine Gruppe Heiligen der Letzten Tage, die in Oels existierte, und wahrscheinlich zur Gemeinde Breslau gehörte. Ein junger Bruder dieser Gruppe – Gustav Hirsch – ging ich mir gemeinsam in die Grundschule, aber ich wusste damals nicht, dass er ein Mitglied unserer Kirche war. Ich wusste also nichts von der Kirche zu diesem Zeitpunkt.

Die Kindheit war, wie es üblich war, im Reich des Adolf Hitler. Mit zehn Jahren das uniformierten Jungvolk, und ab 14 die Hitlerjugend. Ich war überall dabei. Ich war von meinen Eltern her Katholik. 1944 bin ich das letzte Mal im Dezember zu meiner Mutter nach Oels, in den Urlaub gefahren. Weihnachten 1944. Meine Eltern waren bereits seit 1937 geschieden. Ich hatte – nicht aus Gründen der Genealogie, sondern wie es damals üblich war, einen Nachweis der arischen Abstammung – einen Ahnenpass. Mit diesem Ahnenpass habe ich mich bemüht, an allen möglichen Stellen Urkunden einzuholen, Auskünfte von Standesämtern und von Kirchenämtern. 1944 zu Weihnachten waren die ersten Antworten da. Ich habe das übertragen in dieses Stammbuch und musste dann wieder zurück an meine Schule in Liebenthal [jetzt Lubomierz] Kreis Löwenberg.

Ich bekam dann Mitte, Januar eine Karte. Meine Mutter war bereits aus Oels vertrieben worden mit zwei Koffern in der Hand, das war alles. Ich hatte keine Geschwister, ich war der einzige Sohn aus dieser Ehe. Ich habe mich mit meinen Eltern sehr gut verstanden, mit beiden. Meine Mutter wurde später auch noch hier Mitglied der Kirche. Ich habe dann dort von Liebenthal aus einen Auftrag bekommen und sollte als Kurier nach Liegnitz an irgendeine Parteistelle eine zu Botschaft bringen. Das habe ich genutzt, um zu meiner Mutter zu gehen und nicht mehr an die Schule zurück zu kehren. Die war sowieso aufgelöst worden. Alle über sechzehn waren sofort als Soldaten eingezogen worden, die andern wurden nach Hause geschickt und ich konnte ja nicht mehr nach Hause, da waren die Russen schon. Ich bin also dann, im Februar muss das gewesen sein, nach Luftangriffen in Liegnitz, russische Angriffe, und bin von dort nach dem Böhmerwald evakuiert worden. Das heißt, ich durfte mich gar nicht blicken lassen, das war ein Transport mit alten Frauen, Kindern und Säuglingen. Das wurde transportiert im Februar 1945 auf offenen Güterwagen, mit denen Baumstämme transportiert wurden, damit wurden diese alten Menschen, jungen Menschen und Kleinkinder durch die Tschechoslowakei über Prag in den Böhmerwald transportiert.

Ich bin dort hingekommen, in ein ganz kleines Dorf und wurde dort sofort mit fünfzehn eineinhalb Jahren zu einer Musterung geholt. Alle Jungen wurden zur Musterung geholt, egal ob sie Flüchtlinge waren oder auch Einheimische. Dort wurden alle, die zu dieser Musterung erschienen waren, als sogenannt KV geschrieben, nach der Untersuchung, das hieß kriegsverwendungsfähig. Diese Musterungskommission bestand aus drei Ärzten und vier oder fünf SS Offizieren. Das Ende vom Lied bei der Musterung war jeder von diesen Jugendlichen war gesund, kriegsverwendungsfähig und zur Waffen SS nach Prag, am nächsten Tag. Nun hatte ich aber etwas getan, was in der Schule in Liebenthal dazu gehörte: wir wurden damals alle Kriegsfreiwillige und Offiziersbewerber.

Da ich bei der Flieger-Hitler Jugend war, Segelflug geflogen, hatte ich einen Annahmeschein Offiziersbewerber Luftwaffe. Und bei dieser Musterungskommission saß ein Luftwaffenmajor und der hat mich an Hand dieser Bestätigung aus der SS Gruppe herausholen können und ich musste am nächsten Tag zu einer Fliegertauglichkeitsprüfung nach Flugplatz Mallersricht bei Weiden. Als ich wieder zurückkam, waren die andern natürlich alle weg. Dann wurden alle jungen Schlesier von der damaligen Hitlerjugend zurückgeholt. Ich musste also über die Hitlerjugend zurück nach Schlesien und wurde im Glatzer Kessel ausgebildet. Wir sollten die Heimat retten. Ich bin dort also mit fünfzehn ein halb Jahren in Habelschwerdt ausgebildet worden, vierzehn Tage oder drei Wochen, mit Maschinenpistole und Panzerfaust. Dann sollten wir als Werwolfgruppen untertauchen.

Dazu kam es aber nicht mehr, weil die Einheiten der Deutschen Wehrmacht den Glatzer Kessel (Gebiet des Riesengebirges) geräumt haben. Wir haben uns dem angeschlossen. Das heißt, wir, das war eine kleine Gruppe, gemeinsam fünf oder sechs Mann, wir waren an so einer Unterführerausbildung beteiligt, getrennt von dem großen Lager. Wir gehörten jetzt plötzlich zu einer Deutschen Wehrmachtseinheit. Wir sind dann dort über das Gebirge und in Nachod, der ersten tschechischen Stadt, habe ich einiges erlebt, über das ich nicht gern sprechen möchte. Sie müssen davon ausgehen, jeder Tscheche hatte damals zu diesem Zeitpunkt eine Waffe, wir mussten ja alles abgeben. Ein Jeder hatte eine Pistole oder ein Gewehr mit Munition dazu. Es wurde also in diese gefangene Kolonne von den Seitenstraßen manchmal hereingeschossen. Es wurde oft kontrolliert nach dem SS Zeichen. Wer zur SS gehörte, der hatte ja diese Kennzeichnung. Wenn sie da einen gefunden haben, den konnten wir gleich abschreiben. Danach wurden wir übernommen von einer Studentengruppe aus Prag mit ihren Professoren.

Die haben damals als tschechische Milizeinheiten und deutsche Gefangene weiter geführt bis ins Gefangenenlager und gegen ihre eigenen Leute vorgegangen. Sonst hätten sie uns unterwegs vielleicht einige Male gelyncht. Wir kamen dann jedenfalls in ein Gefangenenlager in Lumitz, das liegt zwischen Königgrätz und Prag. Warum das geschah? Das ist mein erstes Zeugnis. Damals wusste ich noch nichts von der Kirche. Eines Tages haben die Russen, nachdem sie ihren Vormarsch gegenüber den Amerikanern beendet hatten und die sich getroffen hatten, von Ost und West. Jeder wollte ja auf ihr Gebiet, haben die Russen diese Gebiet übernommen. Der Lagerkommandant war ein alter russischer Offizier, ein alter Zarewitsch, mit Zwiebelbart und allem, und diesem Mann habe ich zu verdanken, dass ich aus diesem Gefangenenlager heraus kam. Er hat eines Tages, uns fünf junge Männer und zwei ganz uralte, die kaum mehr krauchen konnten, bei einem neuen Appell aus dem Lager herausgenommen und hat uns mit in einen Wagen gesetzt, in einen Zug nach Sudetenland, nach Reichenbach. Übrigens die Verpflegung in diesem Gefangenenlager sah so aus: Frühmorgens gab es ein Stückchen Brot, in der Größe eines Tortenstückes und wenn sie Glück hatten, konnten sie bis neun Uhr einen Schluck Wasser kriegen, aber erst kamen die Kranken und alle die anderen dran.

Wir sind nicht weit gekommen mit diesem Zug, da hatten uns die Partisanen wieder kassiert und am nächsten Morgen fanden wir uns wieder in diesem Gefangenenlager. Dort gab es natürlich einen tüchtigen Aufruhr zwischen diesen Häuptling von diesen Partisanen und dem Lagerkommandanten. Darauf hin hat er uns dann mit einer Gruppe russischer Soldaten, mit einem Sergeant noch einmal in den Zug gesetzt und die haben in Reichenbach, im Vogtland, gesagt: “Dawei, haut ab“. Da bin ich noch gemeinsam mit einem anderen dann das ganze Sudetenland, den ganzen Erzgebirgskamm bis in diesen Ort In Böhmerwald. Dort habe ich gerade noch meine Mutter angetroffen. Am nächsten Tag wurden die Reichsdeutschen alle aus diesem Gebiet herausgeworfen. Die Sudetendeutschen folgten erst ein Jahr später. Ich habe dann mit meiner Mutter versucht, nach Schlesien zurück zu kommen. Wir haben den Zug über Bayern genommen, woran ich eine schlechte Erinnerung habe. Zum Teil Bayerische Leute. Wir hatten ja nicht zu essen. Die Frauen sind betteln gegangen. Wir wurden von Ort zu Ort weiter gereicht. Die waren froh, wenn sie so eine Flüchtlingsgruppe wieder los hatten. Dann haben die Frauen versucht, was zu essen. Es gab bayerische Leute, die gut waren. Es gab solche, die gesagt haben: „Ihr Preissen, Saupreissen geht zu euerm Hitler“.

Wir sind dann über Bayreuth, dort lagen wir eine Zeit, auch in Hof lagen wir eine Zeit nach Thüringen gekommen und dann nach Sachsen gekommen. In eine große Scheune, dort haben wir gelagert, gehaust. Dort mussten die Frauen täglich am Bürgermeisteramt Lebensmittelkarten abholen immer nur für einen Tag. Dort habe ich die erste Bekanntschaft mit einem Amerikaner gehabt, im Egertal auf meiner Flucht vom Gefangenenlager her, die war nicht besonders gut. Ich habe damals etwas Englisch gelernt im Unterricht, in der Lehrerbildungsanstalt. Ich habe keine gute Erinnerung an den ersten amerikanischen Soldaten, den ich da sah, der an einer Wegekrümmung lehnte und sein Kaugummi gekaut hat. Er hat uns zurück geschickt, ist überhaupt nicht auf uns eingegangen. Auf der Gegenseite des Egers lagen Flüchtlingstrecks, Leute mit Wagen, mit Handkarren, mit allem, was so war. Und da sind wir zurück. Wir zwei sind dann über den Gebirgskamm oben doch in den Bereich der Amerikaner gekommen. Zu dem Zeitpunkt, als ich dann hier war, in Sachsen in Thüringen, waren die Amerikanischen Truppen hier noch Besatzer. Wir kamen von dort, weil uns gesagt wurde, es hat keinen Zweck weiter nach Osten zu gehen. In Görlitz ist die Grenze gesperrt, es kommt kein Deutscher mehr nach Polen hinein. Daraufhin haben wir dann, von dort ins Vogtland in ein Auffanglager gekommen nach Ellefeld. Dort das Gleiche, ein riesen Tanzsaal, Stroh, Massenquartiere. Dort haben wir bis Anfang Oktober 1945 gehaust, möchte ich sagen.

Dann wurde dieses Lager aufgelöst. Wir wurden mit Güterwagen der Deutschen Reichsbahn, damals, nach Kreis Eisenach geschafft, ins Rhöngebirge. Dort wurden wir aufgeteilt, auf die einzelnen Gehöfte. Meine Mutter und ich, wir kamen auch in ein solches Gehöft. Dort wurden wir dann als Junge auch die jungen Leute der Gemeinde, nicht nur die Flüchtlinge, verpflichtet, als Reparationsleistung für die Russen maschinen abzubauen im damals modernsten Flugmotorenwerk in Trenkelhof bei Eisenach. Dort mussten wir die ganzen modernen Maschinen abbauen, die für den Flugmotorenbedarf gebraucht wurden und die wurden von dort nach Russland abtransportiert. Da hieß es, es geht weiter nach Osten Betriebe abbauen. Da gab es nur eine Möglichkeit, du hattest eine Lehrstelle oder etwas. Jedes Mal, wenn wir dann zurück kamen mit dem Auto, Holzgaser LKW offen im Winter, mit Holzgas betrieben, da war ein Elektrogeschäft in diesem Ort. Da bin ich eines Tages hinein und habe gefragt, ob er einen Lehrling braucht. Und er hat mich angenommen. Damit war ich von dieser Gruppe weg, obwohl das dann nicht so weiter ging. Die kamen alle wieder nach Hause. Damit lernte ich Elektriker und habe nach drei Jahren meinen Gesellenbrief gemacht, hatte Glück, habe mit sehr gut abgeschlossen. Mein Meister hat geguckt, als ich zeitiger kam, wie geplant, er hat gedacht, ich wäre durchgefallen, Meine ganze Verwandtschaft war in Westdeutschland. Die haben geschrieben, nachdem sie unsere Adresse hatten, kommt doch zu uns, am besten ihr habt einen Grund, zum Beispiel Wismut, Erzbergbau.

Ich kam dann darauf hin hier nach Eger-Aslau, um bei dem Wismut im Bereich Aue im Erzgebirge unter Tage zu arbeiten. Ich wohnte in dem Haus gegenüber und in diesem Haus wohnte meine Frau, damals knapp siebzehn Jahre alt. Ich wollte ein halbes Jahr hier bleiben und dann mit meiner Mutter nach dem Westen. Ich bin heute noch hier. Denn dieses junge Mädchen hier habe ich kennengelernt und sie hat mich zur Kirche gebracht. Und das andere, das ich am Anfang gesagt hatte, dass ich also nicht zu dieser Waffen SS gezogen wurde, war später mein erstes Zeugnis. Meine Eltern hatten gesagt: “Wie kannst du nur, Kriegsverweigerer und alles, was dazu gehört“. Und das war meine Rettung gewesen, denn diese von der SS, werden nicht viele durchgekommen sein. Ich bin dann von hier aus mit meiner Frau verheiratet. Wir haben hier geheiratet am 22. Dezember 1951 und meine Frau Jutta Sedlatzek, geborene Damm war Mitglied der Kirche. Sie war als Kind in die Kirche geboren. Ich hatte meine Originalurkunde hat meine Mutter zu Hause gelassen, die hat sie nicht in den Koffer getan. Sie hatte also das Stammbuch mitgenommen, in das ich schon übertragen hatte. Mit diesem Stammbuch, war noch nicht bestätigt durch eine amtliche Stelle, bin ich dann hier, nachdem ich meine Ehewahl mit meiner Frau bin ich auf das Standesamt, da wollten die von mir eine Geburtsurkunde. Ich konnte sagen hier das habe ich persönlich abgeschrieben, ich kann dafür eine eidesstattlich Erklärung abgeben. Das hat nichts genützt. Ich musste das polnische Konsulat oder die polnische Botschaft in Berlin anschreiben, dorthin einen Brief schicken, in dem ich darum bitte, dass das gesucht wird und 30 damalige Ostmark als Gebühr hinschicken.

Ich habe etwas ganz anderes gemacht. Ich habe die dreißig Mark dahin geschickt, auf der Post und mit diesem Abschnitt der Post, der Bestätigung des Geldes, bin ich dann vierzehn Tage später mit meiner Frau auf das Standesamt und habe gesagt: „Ich habe das Geld abgeschickt, ich kann aber nicht warten, bis irgendwann, in drei Jahren vielleicht ein Bescheid der Polen kommt“. Dann wurde ich auf Grund eines Postabschnittes über dreißig Ostmark getraut und dann bekam ich Stammbuch mit meiner Frau. Da kamen meine ganzen Daten auch ordentlich hinein. Bestätigt bekommen habe ich das kurz vor meiner Tempel-Mission. Da waren wir einmal kurz in meinem Heimatort, da sind wir in die katholische Kirche und sind dort in das Kirchenamt der Katholiken. Da hat man mich dann gefunden in einem Taufbuch der katholischen Kirche Jahrgang 1929. Von da weg habe ich wieder eine Identität. Ich habe nämlich jetzt eine polnische und lateinische geschriebene Urkunde mit meiner Taufe, mit Angabe meines Geburtsdatums. Aber das nur am Rande.

Ich hatte nun meine Frau inzwischen kennengelernt und hatte Geburtstag 1950. Ich hatte von der Wismuth Essenmarken und habe einiges hier gelassen und damals wollte meine Freundin mich überraschen und hatte beim Bäcker eine Torte backen lassen. Und ich hatte zweite Schicht von 14 – bis 22 Uhr. Und meine Freundin wollte mich, drüben, in meiner Wohnung in meinem Zimmer dort im Nachbarhaus mit zwei Torten überraschen, nachdem ich von der Arbeit kam. Zu dem Nachbar geht es dort in dem Hof drei Stufen runter. Meine Frau ist mit den zwei Torten dort hinüber, die Stufen runter und die Torten sind ihr weggerutscht. Da lagen die Torten unten in dem Hof. Da kam sie weinend zurück hier ins Haus. Das haben ihre Brüder gehört, die hier waren, jeder nahm einen Löffel und rüber, die haben das aus dem Hof aufgelöffelt -Hunger- und so etwas gab es ja kaum- Torte. Ich hatte nichts gehabt, aber egal, es hat wieder zwei anderen weiter geholfen. In dem Hof war Schotter, kein Asphalt oder irgendwas, die haben Dreck mitgegessen, auf deutsch gesagt.

Jedenfalls haben wir dann geheiratet hier. Wir haben insgesamt vier Töchter geboren. Wir haben heute zweiundzwanzig Enkel und gestern [den 29. Juni 2008] ist der einundzwanzigste Urenkel geboren worden. Wir haben eine sehr, sehr große Familie. Der nächste Urenkel, der Zweiundzwanzigste, wird auch noch diesen Monat geboren. Ich habe, bin aber nicht gleich Mitglied der Kirche geworden. Ich bin zwar mit in die Kirche gegangen. Meine Frau hat darauf bestanden, dass der Zehnte bezahlt wird, die Kinder gehen in die Kirche, die werden in der Kirche erzogen – so habe ich das nicht gesagt – sinngemäß war das schon so, und ich habe dem natürlich auch zugestimmt, schon aus Liebe zu meiner Frau. Ich bin jeden Sonntag dann mit in die Kirche. Es wurde ja damals auch noch am Sonnabend gearbeitet. Ich habe dann noch ein fünfjähriges Abendstudium angefangen neben meiner Tätigkeit im Bergbau unter Tage, ich habe also noch den Elektroingeneurabschluss gemacht. Ich hatte gar keine Zeit für die Kirche. Die Kinder, die waren da, die Kirche war da. Am Sonntag bin ich mit hin. Aber mich mit allem zu beschäftigen, das war damals noch gar nicht möglich. Und darauf hin, habe ich dann nach Abschluss meines Studiums mich auch einmal mit der Kirche beschäftigt. 1973 wurde ich getauft mit meiner dritten Tochter gemeinsam in Annaberg. Und meine vierte Tochter durfte ich dann selbst taufen. So ist dann die Familie gewachsen. Es gab damals ja mehrere Gemeinden in diesem Bereich. Es gab eine Gemeinde hier in Wilkau-Haßlau, es gab eine in Planitz, es gab eine in Meran und es gab eine in Zwickau. Zwickau war fast entblößt von allen Mitgliedern der Kirche, die sind all nach dem Westen. Aus der Familie meiner Frau ist auch nur ihre älteste Schwester, sie und ich hier geblieben. Alle andern sind auch nach dem Westen. Zwei ihrer Brüder wohnen in Utah. Da waren damals Missionare in den fünfziger Jahren und sind dann mit deutschen Frauen nach USA.

Auf diese Art und Weise wurde ich dann 1973 Mitglied der Kirche. Ich war mit den Zwölfjährigen zusammen gesessen, um das Aaronische Priestertum der Reihe nach zu machen. Das war ja auch gut. Dann, wo ich Ältester war, dann habe ich sofort alle möglichen Berufungen im Distrikt erhalten. Ich war jahrelang unterwegs und meine Frau war sonntags immer mit den Kindern allein. Das war meine Aufgabe als Priestertumsträger der Kirche, als Ratgeber eines Distriktspräsidenten jahrelang. Dann habe ich elfe Jahre eine Gemeinde geleitet, hier am Ort in Wilkau-Haßlau. Damals gab es zum Teil noch diese Anmeldungen bei der Polizei. Nicht mehr wöchentlich, damals war nur noch vierteljährlich anzumelden und nicht mehr jedes Thema. Ich bin dann vom Bruder Apel, den kennen Sie ja sehr gut – ich wurde dann Ratgeber beim ersten Bischof in Zwickau, als Zwickau Bischofsgemeinde wurde. Da wurden die ganzen Gemeinden, alles zusammen gelegt um die Größe zu bekommen, damit wir ein Haus gebaut bekommen. Ich weiß nicht, ob Sie unser Gemeindehaus kennen. Es ist ein sehr schönes Gebäude. Es wurde zeitgleich gebaut mit Freiberg und 1986 eingeweiht. Dann war ich bei Bruder Apel im Hohen Rat. Später bei Bruder Schütze, als die Pfähle verändert wurden und dann bei Bruder Schmidt. Ich habe elf Jahre im Hohen Rat gearbeitet und durfte für elf Jahre lang BGG machen – Beauftragter für Grundstücke und Gebäude. Das hat viel meiner Urlaubszeit in Anspruch genommen, denn ich musste ja einmal im Jahr sämtliche Gemeinden zur Inspektion abfahren. Dann kam der Moment, wo mir angetragen wurde Tempelmissionar zu werden mit meiner Frau in Freiberg. Daraufhin bin ich aus dem Hohen Rat nach zehneinhalb Jahren entbunden worden. Anschließend haben wir eine Mission gemacht in Gotha. Haben die Gemeinde in Gotha unterstützt und anschließend sind wir dann in den Tempel.

Alle die Schwierigkeiten, die zwischenzeitlich aufgetreten waren, auf der Flucht. Der Koffer meiner Mutter, das erste, was dann hier verkündet wurde, was ich gehört habe, da hatten wir zwei deutschen Soldaten in dieser Gruppe, Flüchtlingsgruppe, mit, die hatten noch Uniformen der Deutschen Wehrmacht an. Da wurde von dem Ort verkündet: „Die Amerikanische Besatzungsmacht nimmt alle Deutschen, die noch mit Wehrmachtsuniform oder Teile vorgefunden werden als Kriegsgefangene.“ Daraufhin wollten die Zwei, was sollten sie machen, da hat sie jeden von beiden einen Anzug gegeben, denn meine Mutter hatte drei Anzüge mitgeschleppt im Koffer und jedem einen Anzug gegeben, damit sie am nächsten Tag Zivilisten waren und nicht mehr Wehrmachtsangehörige. Das war nur so eine Episode am Rande, was sich so alles abgespielt hat. Wir haben also zu tun gehabt, um uns erst einmal zu ernähren und die anderen Sachen gleich nach dem Kriege, das haben wir alle hier erlebt, wie schwer es war Nahrung zu haben, Marken zu haben. Ich hatte allerdings den großen Vorteil, dass ich als Wismutangehöriger unter Tage vielleicht eine dreifache Verpflegung mindestens beziehen durfte, wie der Normalarbeiter hier. Das war für mich ein Vorteil gewesen.

Auf jeden Fall war es schwer erst einmal für uns während der ganzen Flucht immer wieder weiter gereicht zu werden und zum Teil eben als asozial behandelt zu werden von den anderen. Meine Mutter hat uns hier besucht und wenn sie hierher kam, haben wir sie auch mit in die Kirche genommen. Dann wurde sie krank und wir haben sie hierher geholt. Wir haben ihr hier eine kleine Wohnung beschafft und haben sie jeden Sonntag mit in die Kirche genommen. Und eines Tages, wo se immer gesagt hat, ich brauch das nicht, meine ganzen Vorfahren und alle, meine ganze Familie sind immer Katholiken gewesen, ich brauch das nicht. Wir haben ihr die Bücher und alles gegeben. Eines Tages sagte sie: „Martin, ich möchte getauft werden“. Gut, sie wurde getauft, sie ging nach einem Jahr zum Tempel hat also auch das alles noch tun können und dann ist sie verstorben.