Erlau, Thüringen

mormon deutsch martha rosa schefflerMein Name ist Martha Rosa Scheffler geborene Sittig. Ich bin am 3. November 1921 in Erlau, Thüringen geboren. Mein Vater ist Emil Sittig, er war Glasmacher. Wir haben auch Felder und Wissen gehabt, zwei Kühe und Schweine. Meine Mutter ist Emilie Kummer, als sie auf die Welt gekommen ist, da war ihr Vater schon im Januar gestorben. Sie ist am 25. Mai 1888 geboren. Ihre Eltern hatten schon zwei Kinder, eine Emilie und eine Luise. Diese beiden Mädchen sind innerhalb eines viertel Jahres gestorben.

Als Luise eineinhalb Jahre war, war die Trauerfeier in der Kirche und die Orgel spielte das Lied „Was Gott tut, das ist wohl getan“. Meine Großmutter war darüber so aufgebracht: “Das sollte nun wohlgetan sein, wenn man seine beiden kleinen Mädchen innerhalb eines viertel Jahres hergeben muss?“ Dann hat sie noch drei Kinder bekommen, einen Hermann, eine Hedwig und als sie dann mit meiner Mutter in anderen Umständen war, ist ihr Mann gestorben. Der war Säbelschleifer. Nun war sie Witfrau. Damals hat es keine Witwenrente gegeben. Da ist sie auf die Bauerndörfer, in Thüringen – es ist ja immer bergauf und bergab – gegangen und hat Butter eingekauft. Dann ist sie nach Suhl, da musste sie auch bergauf und bergrunter. In Suhl, die nächst größte Stadt in unserer Heimat, dort hat sie die Butter verkauft. Im Sommer hat sie auf einem Gut in der Nähe als Tagelöhnerin gearbeitet. So hat sie ihre Kinder groß gebracht. Später, wenn sich die Frauen unterhalten haben und haben von ihren Sorgen gesprochen, da hat sie gesagt „Ich habe keine Sorgen, ich habe Kummer genug!“ Sie war eine geborene Wagner und eine verheiratete Kummer.

Meine Großmutter hat in zwei Tagen Geburtstag, am 14. Mai ist sie geboren. Früher bin ich dann immer auf den Friedhof gegangen und habe ihr Grab gegossen. Zu ihrem Geburtstag, im Mai, da blühen schon die Vergissmeinnicht auf der Wiese, unser Dorf ist wunderschön gewesen. Nach dem Norden zu, oberhalb des Dorfes waren wunderschöne Wiesen und am Ende des Dorfes waren auch wieder Wiesen. Erlau heißt der Ort, der Fluss Erle floss durch, das ist eine Erlenaue. Die Vergissmeinnicht habe ich immer gepflückt und wir hatten einen schönen Glasteller, da habe ich die Vergissmeinnicht mit einem Stein beschwert und Wasser darauf. Am nächsten Tag haben sie sich schön hochgestellt und so habe ich meiner Großmutter dieses Vergissmeinnicht an ihr Grab gebracht.

Mein Vater war Glasmacher, hatte Akkord gearbeitet von früh um sechs bis nachmittags um vier. Da wurde auch sonnabends noch gearbeitet. Dann wurde das Feld bestellt und die Wiesen. Wir waren fünf Kinder. Mein ältester Bruder Walter ist 1910 geboren, so wie Präsident Hinckley, mein ältester Bruder hat auch Humor gehabt. Da habe ich immer so gedacht. Mein Bruder Walter ist am 29 Mai 1910 geboren und Präsident Hinckley hatte am 23 Juni Geburtstag. Da habe ich gedacht, die müssen sich von der Präexistenz gekannt haben und beide haben Humor gehabt, wir lassen uns überraschen, wo wir hinkommen werden. Mein Bruder Walter war sechs Jahre alt, als der erste Weltkrieg ausgebrochen ist. Mein Großvater musste in den Krieg und der Sechsjährige hat mit meiner Mutter die ganze Arbeit getan. Nach fünf Jahren kam mein Bruder Albert und nach eineinhalb Jahren kam meine Schwester Gerda und nach fünf Jahren kam ich und nach drei Jahren kam mein jüngster Bruder Hermann. Hermann ist ein begeisterter Flieger gewesen. Der ist nach Meiningen mit dem Fahrrad zum Segelfliegen gefahren und ist dann kurz vor Kriegsende, er war auch eingezogen als Flieger, hat eine Messerschmidt geflogen und ist über Neuruppin abgestürzt, wo er beerdigt liegt. Mein Bruder Albert ist auch Flieger gewesen, der hat den Krieg überstanden, er war Fluglehrer in Prag und hat ausgebildet. Ostern 1927.

Ich bin 1921 geboren, bin ich in Erlau eingeschult worden. Ich habe nur die Volksschule besucht. Wir haben alle keine höheren Schulen besucht. Ich habe in der Glasfabrik auch gearbeitet, in der Bildstube, habe im Büro mit geholfen, die Bücher auszuschreiben, wo der Meister seinen Eintrag gemacht hat. Dann hat man mich auf das Hauptwerk getan. Wir haben in meiner Heimat eine Glasfabrik, Adam Heinz, das ist ein wunderbarer Mann gewesen, der sehr für seine Arbeiter gesorgt hat. Der hat schon damals – in der Glashütte ist es sehr heiß und die Männer haben immer ihr Bier getrunken – und dieser Adam Heinz hat eine Teeküche eingerichtet und da wurde immer Tee ausgetragen, damit nicht immer Bier getrunken wurde.

Ich war BDM-Mädchen. Diese Hitlerjugend, das war gar nicht verkehrt. Wir haben viel Sport getrieben und haben Volkstänze gemacht und haben uns getroffen. Überall wurde denselben Volkstanz gelehrt. Ich habe Ziehharmonika gespielt und bin auf die umliegenden Dörfer gefahren und habe die Musik gemacht und habe den Volkstanz gelehrt. Später wurde Gaufest gemacht, da kamen die Mädchen alle zusammen und da wurde in großem Rahmen dieser Volkstanz getanzt. Da hatten wir bestimmte Kleider, das war richtig schön. Diese Hitlerjugend ist gut erzogen worden, auch die Jungs haben ihre Sachen gemacht. Die sind nicht auf dumme Gedanken gekommen. Da war mit der Jugend alles in Ordnung. Das war wirklich das Gute. Aber wir haben ja nicht gewusst, was Hitler damit im Sinne geführt hat, dass es auf den Krieg hin gezielt hat. Aber die Jugend gut, es hat nichts Böses gegeben.

Ich brauchte kein Dienstjahr zu machen, weil ich selber Landwirtschaft zu Hause hatte, nur die Stadtjugend hatte so ein Dienstjahr gemacht. Als der Krieg in Polen angefangen hat, wir waren begeistert. Es wurde uns gesagt, wir haben uns verteidigt. Später haben wir erfahren, dass die deutschen Truppen in Polen eingezogen sind. Mein Vater brauchte nicht in den Krieg. Aber Walter, mein Bruder, war schon über dreißig Jahre und wurde eingezogen, aber er hat nichts mit Kampf zu tun gehabt. Albert war Flieger, der hat nur Norwegen angeflogen und die Transportmaschinen, die Soldaten hingeflogen mit der JU 52. Weil er ein guter Flieger war hat er die Soldaten nach Norwegen geflogen, weil es sehr schwer war in die Fjorde zu landen. Aber er hat in Prag ausgebildet, er war Blindfluglehrer und hat keine Feinberührung gehabt und mein Bruder Walter auch nicht. Nur d, war erst in Frankreich und in Berlin. Am 2. Oktober kamen wir vom Feld, da kam eine Karte von Hermann, dass er in Berlin ist und dass er versetzt wird nach Neuruppin. Das war die letzte Nachricht von ihm. Hermann war auch noch in der Ausbildung. Er ist nach Neuruppin gekommen, da haben sie ihre Übung gemacht und da war eine Viererkette, die mussten im Sturzflug fliegen und immer einer nach dem andern. Die Viererkette, die vor ihm war, ist der letzte, der Vierte ist im Sturzflug umgekommen. Unser Hermann war gerade angekommen, da haben sie ihn als vierten Flieger genommen, weil er ein guter Flieger war. Es war sehr schwierig. Die sollten den Sturflug machen so schnell wie möglich hintereinander, da ist unser Hermann auch umgekommen. Die Schwanzspitze hat eine kleines bisschen den Boden berührt und da ist er aus der Maschine herausgeflogen und deshalb liegt er in Neuruppin beerdigt.

Am Ende des Krieges war ich in Thüringen. Wir haben in meiner Heimat nichts vom Krieg mitgekriegt. Wir hatten nur immer abends Angst, wir hörten die Motoren, ich hörte, wie das summte, es war ein wunderbarer Klang, das war hoch oben, da wussten wir, jetzt fliegen die Maschinen nach Berlin. Wir brauchten nicht in den Keller gehen. Ich hatte während des Krieges geheiratet, mein Mann kam aus Berlin, der heißt Heinz Felix Scheffler, der war auch im Krieg, der war in Russland. Als der Krieg zu Ende war, war er erst in meiner Heimat in Erlau und in Berlin war sehr viel bombardiert. Er war Schriftsetzer von Beruf, er wollte natürlich nach Berlin.

Da konnten wir Wohnorten tauschen. Berliner sind nach Thüringen gezogen und wir hatten eine kleine Wohnung, die wir tauschen konnten. So sind wir nach Berlin hinein gekommen .Da waren keine Scheiben in den Fenstern, da haben wir aus Bildern und die kleinen Scheibchen Ersatzfenster gemacht – mein Mann war sehr talentiert – die hat er dann in den Fensterrahmen eingesetzt. Das war im Mai 1947. In der Firma, wo ich gearbeitet habe, die haben ihr Glas zum Görlitzer Bahnhof geschafft, nach Berlin, einen ganzen Waggon. Da kam ein Angestellter und sagte: “Frau Scheffler; „, da ist ein Waggon leer, Sie können den benutzen.“ Da war vorher war ein sehr großer Sturm in Erlau und da waren viele schöne Buchen umgeknickt, wie Streichhölzer. Da konnten wir uns alle Holz nehmen. Da haben wir den halben Waggon mit Holz beladen können und den halben Waggon mit Kisten bekommen, da haben wir was zu essen, was wir auf dem Dorf hatten. So sind wir nach Berlin gekommen und da hatten wir es gut. Da habe ich vielen Bekannten denen habe ich zu Weihnachten einen Koffer voll Holz geschenkt, so dass sie ihren Ofen heizen konnten. Das war ein großer Segen.

Ich muss sagen, ich bin in meinem Leben immer gesegnet worden. Ich habe an einen Gott geglaubt. Meine Mutter hatte ein großes Problem, Ich schlief im Schlafzimmer mit meinen Eltern. Ich habe sie immer beten gehört. Was sie gebetet hat, das habe ich nicht verstanden. Zum Schluss hat sie immer gesagt: „Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ Sie hatte ein großes Problem mit unserer Nachbarin. Das war sehr schlimm. Und da hat sie immer darum gebetet. Das ist für mich so wunderbar gewesen. Sie waren gute Menschen.

Am Gründonnerstag, als Christus das Abendmahl eingesetzt hat, war ein schöner Brauch in meiner Heimat. Da war abends ein Gottesdienst und da sind meine Eltern, ich sehe meinen Vater noch, wie er schön angezogen war, mit Zylinder am Kopf und meine Mutter im Kirchenmantel angezogen. So sind sie am Gründonnerstag in die Kirche gegangen. Das vermisse ich so ein bisschen in unserer Kirche. Das ist ein wunderbarer Brauch, wie Jesus im Garten Getsemani gebetet hat, aber nicht wie ich will, sondern Dein Wille geschehe. Mit meinen Kindern habe ich immer gebetet und ich habe für mich auch gebetet. Es war am Karfreitag, da habe ich einmal ganz intensiv an Jesus gedacht. Wenn Jesus wirklich der Sohn Gottes war und er hat gelebt und ist am Kreuz gestorben und ist auferstanden. Und da habe ich gedacht, wenn wir nun alle auferstehen, da lohnt es sich zu leben. Ich muss voraussetzten.

In Berlin ging es mir lange Zeit gar nicht gut. Da habe ich gebetet und habe mich durchgekämpft und bin mit meinem kleinen dreijährigen Jungen um sechs Uhr aus dem Haus gegangen, habe ihn in den Kindergarten gebracht und ich bin zur Arbeit. Die Arbeit wollte man mir auf dem Arbeitsamt gar nicht geben. Aber da war ich inzwischen geschieden. Ich habe mich durchgebissen. Ich habe dann gute Arbeit gekommen und brauchte nur eine viertel Stunde zu laufen und dann war alles gut. Als es mir gut ging, da habe ich mir gesagt, was soll denn nun das ganze Leben? Wenn du auf der Welt bist zu arbeiten, zu essen und trinken und schlafen, soll das der ganze Sinn des Lebens sein? Das kann nicht der Sinn des Lebens sein! Da habe ich mir dann gewünscht ich möchte glauben, dass Jesus wirklich der Sohn Gottes ist und dass er wirklich auferstanden ist. Wenn wir alle auferstehen, da lohnt es sich zu leben! Da habe ich mir gewünscht, ich möchte wirklich an Christus glauben, dass er wirklich der Sohn Gottes ist. Das hat fünf Jahre gedauert, ehe ich wirklich glauben konnte. Und zwar bin ich bei den Baptisten gewesen, da war ich und da hat einer nur von Christus gesprochen, da konnte ich wirklich an Christus glauben. Das war wunderbar, das werde ich nie vergessen.

Da bin ich dann bei den Baptisten am 6.Juni.1960 getauft worden. Ich habe da sehr viel gelernt. Jede Woche war eine Versammlung und da habe ich vieles vom alten Testament gelernt. Da war ein alter, weiser Mann, der die Bibelstunde abgehalten hat, die haben zum Heiland gebetet, nicht zu Gott Vater. Da habe ich ihn einmal gefragt: „Wie stelle ich mir Jesus vor?“. Wenn ich zu ihm bete, habe ich eine Vorstellung. Er ist gekreuzigt, gestorben und begraben , niedergefahren zur Hölle, am dritten Tag wieder auferstanden von den Toten, das ist im christlichen Glaubensbekenntnis, ist aufgefahren gen Himmel, sitzt zur rechten Hand Gottes, von dannen er kommen wird zu richten die Lebendigen und die Toten. Wie stelle ich ihn mir nun vor? Wir wissen er ist auferstanden, er ist bei den Jüngern gewesen. Thomas hat gesagt: „Ja, aber wenn ich ihn nicht anfassen kann, das glaube ich nicht“. Dann war Thomas dann auch bei den Jüngern, als Jesus zu ihnen kam und Jesus sagte: „Fass mich an!“ Nun glaubst Du, dass ich bin, aber selig sind die, die nicht sehen, und doch glauben. Dann ist er mit den Jüngern nach Emmaus gelaufen.

Wie soll ich mir Jesus nun vorstellen?“. Er ist aufgefahren gen Himmel. Soll ich ihn mir als Geist vorstellen. Der Mann, der eine so hohe Erkenntnis hat vom Evangelium, der konnte mir darauf keine Antwort geben. Er konnte nichts darauf antworten. Ich habe ihm die Worte in den Mund gelegt, aber er konnte mir darauf keine Antwort geben. Für mich war es klar, Jesus musste es sein. Nach zwei Jahren am 8.Juni 1962 da kamen die Missionare zu mir an die Tür. Ich sage ja, ich habe eine wunderbare Kirche, es ist alles ok. Bruder Nabrotzki, ein wunderbarer Missionar, sagte, alle Kirchen haben etwas von der Wahrheit, aber wir haben die ganze Wahrheit! Das kam mir etwas verblüffend vor. Als er mir die Geschichte von Joseph Smith erzählte, das war die Antwort auf meine Frage. Da habe ich mich innerhalb von vierzehn Tagen in unserer Kirche taufen lassen. Und alle Missionare, denen ich meine Geschichte erzählte, so etwas möchten sie auch erleben. Aber für mich war es so klar!