Krems an der Donau, Niederösterreich

mormon deutsch margaretta russoMein Name ist Margaretta Russo. Ich bin am 1. Dezember 1921 in Krems an der Donau, Niederösterreich geboren. Meine Eltern sind Franz Picha und Katharina Picha, geborene Amon. Meine Mutter hatte vierzehn Kinder geboren, hat ein Kind dann noch angenommen, die alleine war, die keine Eltern mehr gehabt hat. Sie hat fünfzehn Kinder groß gezogen. Ich war in der Mitte, das sechste. Wir hatten eine wirklich gute, glückliche Kindheit.

Mein Vater war in der technischen Pionierwerkstatt, Schlossermeister und er war nie arbeitslos. Er hat immer eine gute Arbeit gehabt und er hat extra noch zwei große Gemüsegärten, einen mit Obst und Gemüse und einen großen Acker, wo er Kartoffeln und Gemüse angebaut hat. Er hat sich zwei Schweine gefüttert und zwei Ziegen und Hühner und das hat er alles neben seiner Arbeit gemacht. Er ist im Sommer oft um vier Uhr früh in den Garten gefahren und hat gearbeitet und nach der Arbeit hat er noch im Garten gearbeitet und er hat für uns Kinder sehr viel Zeit trotzdem aufgebracht. Er hat uns für Weihnachten ein schönes Puppenhaus gebaut und Puppenmöbeln und einen Lebensmittelladen mit großen Möbeln darin. Wir hatten gute Spielsachen, die der Vater selber für uns gebastelt hat und ich mir schon als Kind gedacht habe, wo nimmt der Vater die viele Zeit her, dass er uns noch das neben seiner Arbeit macht. Es war gut, weil die älteren Kinder den jüngeren immer haben helfen können in der Schule und in allem. Es war wirklich eine glückliche Kindheit. Wir waren zufriedener damals. Wenn meine Mutter auf den Markt gegangen ist, hat sie uns eine Orange gebracht und wir waren glücklich. Heute wollen die Kinder das gar nicht mehr. Wir waren bescheidener, wir hatten nicht so viel und waren glücklich dabei. Das hat viel ausgemacht.

Dann habe ich mit zwanzig Jahren am 28. November 1942 geheiratet und bin dann von Wien weg, wie die Bomben gekommen sind, dort haben sie alles zusammengeschlagen bei uns. Wir mussten weg und sind nach Linz herauf und haben aber zwei Jahre in einer Baracke gewohnt, bis wir die Wohnung bekommen haben, und da lebe ich jetzt seit Jänner 1949. Mein Mann hieß Wilhelm Russo.

Als Hitler nach Österreich kam, waren es schwere Zeiten. Wir sind auf Felder gegangen, wo de Bauern, wenn sie ihr Getreide nach Hause gebracht haben, sind wir aufs Feld und haben die Ähren zusammengetragen, die noch liegen geblieben sind. Mein Vater hat selbst eine Maschine gebaut, mit der wir die Körner mahlen konnten und wir Mehl bekommen haben. Ich war beim BDM, Bund Deutscher Mädchen. Es war eine Gemeinschaft von Jugendlichen. Wir haben nicht so weit gedacht. Dann waren die Russen in Linz.

Wir sind auf die Äcker und zu den Bauern gegangen und meine ältere Tochter, sie war damals noch ein Baby. Wir wollten Milch kaufen und hatten Geld, aber sie hatten uns nichts gegeben. Wir geben nur etwas für Schmuck, Geld haben wir selber genug. Dann sind wir abends, wenn es dunkel war, auf die Felder und haben uns Kraut oder Kohl vom Feld geholt, damit wir etwas zu essen hatten.

Mein Mann war Kontrolleur bei der VOEST. Er war eingerückt, ist in Polen verwundet worden und kam wieder zurück nach Hause und ist dann zum Schluss des Krieges noch einmal zum Volkssturm eingezogen worden. Er hat den Krieg überlebt.

Nach dem Krieg kamen die Russen nach Krems. Die haben alles besetzt und wir konnten nicht in unser Haus, bis wir die Wohnung hier in Linz bekommen haben. Mein Mann ist vom Volkssturm zu uns gekommen und hat gesagt, wir müssen hier weg, die Russen sind schon in St. Pölten, die kommen schon, wir müssen weg. Dann sind wir zu Fuß von Krems bis Waldhausen in Oberösterreich drei Tage zu Fuß gegangen und haben bei den Bauern im Heu geschlafen und sind dann für drei Tage auf einem Schloss gelandet in Oberösterreich, dort wurden wir in einem großen Saal einquartiert, in der Schlossküche haben wir kochen können, wenn man etwas dazu gehabt hat. Wie wir zurück gefahren sind und der erste Erschossene gefunden wurde, hat alle Angst bekommen, weil die Russen dort waren. Jetzt sollten wir wieder nach Hause zurückgehen. Dann sind wir mit einem Lastzug nach Krems gefahren und unser Vater war im selben Lastzug. Und wir mussten über die Donau nach Mautern hinüber, da war die Brücke gesprengt, da sind wir mit Zillen (flache Booten) über die Donau gesetzt. Drüben waren die Russen und alle haben Angst gehabt. Aber die Russen haben den Kindern, ich hatte damals zwei, einen Laib Brot gegeben und ein Sackerl Würfelzucker und ein paar Eier. Die haben den Kindern alles gegeben, also hatten wir keine Angst haben müssen.

Dann sind wir nach Linz gekommen. Es war keine Arbeit zu finden, darum ist mein Mann nach Linz und hat dort Arbeit gefunden und wir sind dann nachgekommen. Wir leben seit 1949 in dieser Wohnung.

Im Februar 1950 sind am Abend zwei Männer zur Tür gekommen. Mein Mann ist gerade in die Nachtschicht gefahren, die Kinder haben schon geschlafen und ich habe mir gedacht, ich kann doch jetzt keine fremden Männer hereinlassen. Sie haben einige Zeit an der Türe mit mir gesprochen und ich sagte, sie sollten morgen am Nachmittag wieder kommen, zu dieser Zeit wäre mein Mann da. Da sind sie am nächsten Tag wirklich wieder gekommen. Das war der Bruder Kerkmann, der war schon 58 Jahre alt und der andere war der Bruder Hirschi, das war ein junger Missionar. Die sind am nächsten Tag gekommen. Mein Mann wollte aber nicht, denn er hat geraucht, aber er hat nicht getrunken. Zu meiner Taufe hat er nur gesagt, wenn du willst. Es hat dann bis August gedauert, bis ich sagte, ich möchte mich gern taufen lassen. Ich hätte am 20. August getauft werden sollen im Mühlbach, aber gerade an diesem Tag ist mein Vater gestorben, so wurde ich am 25. August 1950, als erstes Mitglied nach dem Krieg in Linz getauft. Dann hat mein Mann noch eineinhalb Jahre gebraucht, bis er getauft wurde. Er sagte aber: „So lange ich rauche, kann ich mich nicht taufen lassen. Und ich muss mir zuerst das Rauchen abgewöhnen”. Aber ich sagte: „Du hast es dir schon hundert Mal abgewöhnt und hast immer wieder angefangen zu rauchen“. Doch einmal hat er gesagt: „Das ist heute die letzte Zigarette, die ich rauch“. Und er hat seit dem Tag keine Zigarette mehr angerührt, obwohl sie in der Arbeit dann ihn schon verführt hätten, doch er hat abgelehnt. Dann ist er im Oktober 1951 getauft worden.

Nach dem Krieg war ich die erste, die in Linz getauft wurde. Damals waren wir acht Personen. Wir haben uns bei Schwestern im Haus getroffen, dann wurden wir zwölf, dann fünfzehn, dann haben wir in einem Vereinshaus einen Saal gemietet gehabt, dann in der Fadingerschule. Dann war ein amerikanisches Ehepaar Lindström, in deren Wohnung haben wir Versammlungen abgehalten und wie die Amerikaner da waren haben sie zwei Wohnungen zusammengelegt und dort haben wir unsere Versammlungen gehabt. Bis in der Zelkingerstraße die Kirche gebaut haben. Da war ich noch jung, als wir haben die Fensterrahmen gestrichen haben, in der alten Schlosserei, die umgebaut wurde. Vorne war die Kirche und rückwärts war im Garten ein großer Schuppen, wo wir später auch Klassen abgehalten haben. Das waren schöne Zeiten. Dort waren wir, bis es auch dort zu klein wurde.

Meinen Mann habe ich in Wien bei meiner Schwester kennengelernt. Dort war eine Veranstaltung und ich habe ihn beim Tanzen kennengelernt. Er hat mich immer wieder zum Tanz geholt und nach einem Jahr haben wir geheiratet. Ich wohnte zu der Zeit in Krems. Mein Mann ist nach Krems gekommen und später bin ich nach Wien gegangen. Ich habe vier Kinder geboren. Die älteste Tochter war Stewardess, die im Jahr 1970 mit dem Flugzeug abgestürzt ist, die ganze Besatzung war tot; sie war siebenundzwanzig Jahre alt. Dann habe ich Zwillinge, die leben beide im Amerika. Die eine Tochter wohnt in Maryland in der Nähe von Washington DC, und die andere in Idaho in Rigby, und die jüngste, Irene, die arbeitete seit zwölf Jahren in einem Meinungsinstitut in Linz. Jetzt hat ihr die größte Bank aus Zürich ein Angebot gemacht, das sie nicht ausschlagen konnte, denn so ein Angebot kriegt man nur einmal im Leben. Im November wird es ein Jahr, dass Irene in Zürich lebt. Sie hat erst mit neununddreißig Jahren geheiratet. Ihren Mann hat sie im Tempel kennengelernt und er ist aus Hannover. Auch er hat jetzt in Zürich eine Arbeit bekommen. Der Pfahlpräsident von Zürich hat ein großes Haus gekauft, das vorher ein Hort war, das er umgebaut hat. Und jetzt haben Irene und Jörg dort eine schöne Wohnung mit einer Riesenterrasse und einen schönen Garten. Aber Irene braucht jetzt jemanden, der ihr hilft, weil sie für die Firma viel unterwegs sein muss. Im Sommer war ich dort.