Pürsten, Neukieritzsch, bei Leipzig, Sachsen

mormon deutsch richard infried schmidtMein Name ist Richard Infried Schmidt. Ich wurde am 16. Nov 1927 in Pürsten, am Bahnhof Kieritzsch, heute Neukieritzsch, bei Leipzig geboren. Ich wurde als zweites Kind geboren. Ich hatte noch eine ältere Schwester. Meine Mutter hieß Emma Alma Schmidt geborene Wehefritz und mein Vater Franz Richard Wehefritz. Meine Eltern waren Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Mein Vater wurde im Dezember 1923 und meine Mutter im April 1924 getauft.

Zu ihrer Bekehrung ist zu sagen: Es kam oft ein Bruder Böhme aus Greitsch mit dem Fahrrad nach Bahnhof Kieritzsch zum Belehren, meine Eltern wurden daraufhin in Leipzig getauft. Ich wuchs in Pürsten auf und wurde dort eingeschult. Wir fuhren auch von dort aus mit dem Fahrrad zur Kirche nach Leipzig. Kurz nach meiner Einschulung zogen wir von Neukieritzsch nach Böhlen bei Leipzig. Ich selbst wurde am 26. Februar 1936 im Westbad (Schwimmbad) in Leipzig getauft.

Im Jahre 1933 kam Hitler an die Macht. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es in Böhlen ein Werk gab, in dem tausende Juden arbeiteten. Diese mussten damals schon den Judenstern tragen und sie haben mir schon als Kind Leid getan. Denn über die Kirche hatte ich erfahren, was die Hitlerleute trieben. Es kam auch vor, dass SA-Leute zu uns in unser Versammlungs-Haus kamen und „Heil Hitler“ schrieen. Ich erinnere mich auch, dass wir von der Gestapo, der Geheimpolizei Hitlers, beobachtet wurden.

Am 30. Juni 1939 verunglückte mein Vater tödlich auf dem Bahnhof Böhlen bei der Ausübung seines Berufes. Meine Mutter zog dann mit uns Kindern nach Leipzig.

Am 1.September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Was wir als Kinder davon in den folgenden Jahren mitbekamen, rief in uns große Angstgefühle hervor. Im Jahre 1943 wurde ich mit 15 Jahren in ein Wehrertüchtigungslager in Dahlen (Sachsen) zwangsverpflichtet. Während ich dort war, wurde Leipzig schwer bombardiert und große Teile Leipzigs wurden zerstört. Wir in Dahlen waren in großer Sorge, dass bei uns zu Hause etwas passiert sein könnte, denn zu der Zeit gab es keine Möglichkeit, etwas darüber zu erfahren. Doch als ich zurückkam, war das Haus, in dem wir wohnten, unbeschädigt.

Im Jahr 1944 wurde ich dann zum Reichsarbeitsdienst zwangsverpflichtet. In der Zeit, in der ich beim Reichsarbeitsdienst in Chemnitz war, wurden auch Luftangriffe auf die Stadt geflogen. Wir wurden dann zu Aufräumungsarbeiten eingeteilt, um die Schäden zu beseitigen, die bei den Angriffen auf die Stadt entstanden waren. Dabei haben wir sehr schlimme Dinge gesehen. Es gab viele Tote, große Zerstörungen und Berge von Trümmern.

Am 1.März 1945 wurde ich dann wieder zur Wehrmacht eingezogen. Ich kam in eine Kaserne in Leipzig zur 14. Ersatz- und Ausbildungskompanie. Abends spät bin ich dann manchmal über die hohe Einfassungsmauer geklettert und bin von dort aus zu meiner Mutter und Schwester gestürmt. Ich habe dann auch nicht in der Kaserne geschlafen. Zuhause habe ich dann nur Mehlsuppe gegessen, weil es einfach nicht mehr zum Essen gab. Morgens früh gegen vier Uhr musste ich dann wieder zurück, um ungesehen in die Kaserne, rechtzeitig zum Appell, zu kommen. Das ging über mehrere Wochen so. Eines Tages bekamen wir einen Marschbefehl, ohne dass uns das Ziel bekannt gegeben worden war. Wir wurden nach Dommitzsch bei Torgau/Elbe transportiert. Zu dem Zeitpunkt war die russische Armee schon weit nach Schlesien eingedrungen, ja bis zur heutigen Oder-Neiße-Grenze. Wir wurden in einem Gütertransport über Torgau nach Niesky transportiert. Von dort aus marschierten wir dann nach Uhsmannsdorf bei Rothenburg an der Neiße. Wir standen also den Russen direkt gegenüber. Wir wurden in dem Ort in einer Glasfabrik untergebracht. Doch zum Glück erlebten wir nur wenige Attacken der Russen. Dann und wann kamen sie mit Flugzeugen zu uns herüber und warfen einige Bomben ab. Vor allem der Bahnhof von Uhsmannsdorf wurde angegriffen.

Wie durch ein Wunder wurden nur wir jungen Leute wieder abgezogen und kamen nach Görlitz, Bautzen, Dresden, welches fast völlig zerstört war von englischen und amerikanischen Flugzeugen, zurück nach Leipzig. Doch wir waren gar nicht lange dort in der Kaserne, als wir wieder mit einem Transport in Richtung Eilenburg, Torgau abtransportiert wurden. Dort sollten wir wahrscheinlich die Truppen mit entlasten, die zur Verteidigung von Hitler, der sich in Berlin verbarrikadiert hatte, stationiert waren. Zu der Zeit, es war der 18. April 1945, marschierten die amerikanischen Truppen in Leipzig ein und zogen weiter in Richtung Torgau, wo sie letztlich mit den russischen Truppen zusammentrafen. Und wir waren dazwischen. Wir haben uns dort in den großen Wäldern versteckt gehalten. Doch zu dem Zeitpunkt waren in unserem Truppenteil alle schon sehr kopflos. Eines Tages hieß es: „Seht zu, wie ihr euch verdrückt oder nach Hause kommt!“ Wir haben uns dann durch die riesigen Wälder bei Colditz durchgeschlagen und von dort aus weiter durch die verschiednen Orte bis in ein riesiges Waldgebiet bei Zwenkau. Dort wurden wir ohne Kampf von der amerikanischen Armee gefangen genommen und auf LKWs nach Leipzig transportiert. Von dort wurden wir dann wieder weiter transportiert nach Halle an der Saale, in die Nähe von Eisleben, wo wir einige Tage blieben. Es ging dann weiter über mehrere Stationen in Richtung Hessen, bis wir auf ein riesiges Wiesengelände bei Fulda bei Bad Hersfeld kamen. Dort blieben wir etwas acht Tage. Dann ging es wieder weiter auf offenen Waggons Richtung Frankfurt am Main, Rüsselsheim. Wir fuhren dann über eine von den Amerikanern gebaute Notbrücke, da die regulären Brücken fast alle gesprengt waren, nach Mainz und von dort nach Bingen Büdesheim. Dort kamen wir in ein großes mit Stacheldraht eingezäuntes Lager. Ich war vielleicht acht Tage dort, dann ging es mit LKWs nach Langenlonsheim-Brezenheim. Dort war auch ein großes, eingezäuntes Gefangenenlager der Amerikaner. Dort habe ich es miterlebt, wie Hunderte gestorben sind. Ich war dort etwa vier bis fünf Wochen und wir lebten unter freiem Himmel. Zum Essen gab es nur ganz wenig: eine Hand voll roter Beete, ein wenig Milchpulver, ein paar Erbsen und ein Brot mussten für 30 bis 50 Personen reichen.

Danach mussten wir von dort zu Fuß zu einem Bahnhof in Gensingen-Horrweiler laufen. Dort wurden wir wieder auf offene Güterwaggons verfrachtet. Und es ging wieder über die verschiedenen Orte nach Metz in Frankreich, dann weiter über die verschiedenen Städte Frankreichs bis in die Nähe von Marseille. Dann ging es weiter zu Fuß, etwas acht Kilometer, in ein wüstenartiges Gelände, wo das Gefangenenlager PW404 war, in dem ich wieder sechs Wochen lang war. Doch dort hatten wir das erste Mal Zelte, in die wir uns legen konnten. Später mussten wir wieder zurück zum Bahnhof marschierten und es ging mit dem Zug nach Hyères in der Nähe von Toulon, wo wir dann erfuhren, dass wir von den Amerikanern an die Franzosen übergeben worden waren.

Dass Essen und die Unterkunft waren bei den Franzosen sehr schlecht. Wir wurden in sogenannte Arbeitskommandos eingeteilt. Ich kam nach Toulon und habe dort eine Zeit lang bei der dortigen Müllabfuhr gearbeitet. So lernte ich, mich einigermaßen in Toulon auszukennen, was mir später noch hilfreich sein sollte. Nachts kam ich immer wieder in das Gefangenenlager. Ich hatte festgestellt, dass man eventuell unter der Einzäunung des Lagers hindurchkriechen könnte. Im Mai 1946 war es dann soweit, dass ich eines Abends so gegen 20 Uhr, während eines schweren Gewitters, unter den Zaun hindurch geflüchtet bin. Ich hatte eine Baskenmütze auf und war eigentlich auch sonst wie ein Franzose gekleidet. Als Richtungshilfe diente mir eine Schmalspurbahn, an der ich entlang ging. Nach eineinhalb Tagen erreichte ich dann Toulon. Um weiter nach Marseille zu kommen, habe ich insgesamt sechs Tage und sechs Nächte gebraucht. Ich war immer noch 18-jährig, völlig verzweifelt und total ausgehungert. Ich habe einmal unterwegs von einem Baum Kirschen abpflücken können. Das war alles. Ich habe vier Tage lang versucht, auf einem großen Güterverschiebebahnhof einen Zug nach Norden, vielleicht sogar nach Straßburg, zu finden. Dies gelang mir aber nicht. Ich marschierte dann zum Hauptbahnhof in Marseille und mir wurde ein Wunder zuteil.

Wie schon erwähnt, ich war ausgehungert und verzweifelt. Ich ging ein kleines Stück außerhalb des Bahnhofs und traf dort auf drei oder vier amerikanische Soldaten, die in Marseille stationiert waren, Diese Soldaten sprachen mich an. Wir konnten uns nur schwer verständigen, aber was verstanden wurde, war, dass ich Hunger hatte. Und mir schien es, dass sie mir vom lieben Gott geschickt worden waren, um mir zu helfen. Sie nahmen mich mit in eine der Bars. Sie wussten genau, was ich benötigte, und sie haben drei große Baguette mit Wurst und Käse drauf gekauft und mir geschenkt.

Ich bin dann Richtung Innenstadt gegangen. Und wieder geschah ein Wunder: Ich hörte deutsche Stimmen. Es waren Männer, dunkel gekleidet. Ich habe mich an sie gewendet und ihnen mein Leid geklagt. Sie sagten zu mir: „Komm Kleiner, wir helfen dir.“ Ich war ja nur ein kleiner Hänfling. Wie sich herausstellte, waren es deutsche Gefangene, die bei der amerikanischen Feuerwehr arbeiteten. Sie haben mich 14 Tage lang versteckt gehalten und haben mich mit Essen und Trinken versorgt. Sie wussten um mein Bedürfnis, nach Hause zu kommen, und sahen eine Möglichkeit, mir zu helfen. Von diesem amerikanischen Lager aus wurde ich in großen Kübeln auch Essen in die Außenbezirke gefahren. Das Fahrzeug war auch mit einem deutschen Fahrer besetzt. Mit dem Wissen des Fahrers hat man mich in einen leeren Essenskübel gesteckt und mich etwa fünf oder sechs Kilometer außerhalb Marseilles in ein anderes amerikanisches Gefangenenlager geschmuggelt. Dieses Gefangenenlager wurde unter der Aufsicht der Amerikaner von Deutschen geleitet. Ich kam also aus dem Kübel heraus und die deutsche Aufsicht hat mich dort im Lager miteingegliedert, in dem ich etwa sechs Wochen lang war. Ich war dort in einem Holzhaus untergebracht, in dem noch ein paar Deutsche waren, die ebenfalls von den Franzosen geflüchtet waren. Wir wurden täglich an das andere Ende von Marseilles in eine Reparaturwerkstatt, in der Panzer, Autos usw. repariert wurden, gefahren, um dort zu arbeiten. Zu und von dieser Werkstatt aus wurden mit riesigen Fahrzeugen Panzer und alles Mögliche andere transportiert und diese Fahrzeuge waren ebenfalls mit deutschen Fahrern besetzt. Mit einem der Fahrer war es abgesprochen, dass ich als Beifahrer mitfahren sollte. Wir sind in das Hafengebiet von Marseilles gefahren, welches sehr genau kontrolliert wurde. Doch der Fahrer hatte ja Ausweise und außerdem kannten sie sich auch schon. Ich hatte mich während der acht Tage, in denen ich dieser der Arbeit nachging, mit einem deutschen aus Hannover angefreundet.

Aus dem Hafengebiet fuhren wir wieder zurück ins Gefangenenlager. Die ganze Aktion dauerte etwa zehn Tage. Danach hatten der Mitgefangene, mit dem ich mich angefreundet hatte, und ich beschlossen, bei der nächsten Fahrt im Hafengebiet zu bleiben. Wir haben uns unbemerkt auf ein im Hafen liegendes Schiff begeben, ohne zu wissen, wo es hinfahren würde, und uns im Inneren des Schiffes versteckt. Nachts hörten wir dann das Geräusch der Schiffsschrauben und wussten, dass unsere Reise ins Ungewisse begonnen hatte. Ich habe wahrgenommen, dass wir durch die Meerenge von Gibraltar fuhren. Eines Tages, als mein Mitgefangener sich nach oben geschlichen hatte, um sich einmal umzusehen, kam er nicht mehr zu mir zurück. So ganz alleine habe ich Angst bekommen. Zwei Tage später habe ich mich auch nach oben an Deck geschlichen und am Achterdeck deutsche Stimmen gehört. Es stellte sich heraus, dass diese ebenfalls deutsche Gefangene waren, die sich auch an Bord geschlichen hatten, die man aber bereits entdeckt hatte. Diese empfahlen mir, mich beim Kapitän freiwillig zu stellen, was ich auch am darauffolgendem Tag tat. Ich habe in der Gegenwart eines Dolmetschers dem Kapitän meinen bisherigen Lebenslauf geschildert. Daraufhin wurde ich zu den anderen Gefangenen, etwa fünfzehn Deutschen, die auch schon der Militärpolizei gemeldet waren, gebracht. Und unsere Fahrt ging weiter durch den Ärmelkanal. Wir konnten uns auf dem Schiff völlig frei bewegen und bekamen auch ein hervorragendes Essen. Nach einiger Zeit erreichten wir die Wesermündung. Wir wurden vorne im Ankerkettenraum eingesperrt.

Als wir in Nordenham angekommen waren und man uns aus dem Raum herausholte, war die Militärpolizei bereits an Bord. Wir wurden unter der Aufsicht der Militärpolizei von Bord gebracht und in der gleichen Nacht nach Bremen in eine Schule eingewiesen und dort untergebracht. Dort waren noch andere Gefangene, die irgendwie enger mit dem Naziregime verbunden waren. Aber wir wurden nicht mit ihnen zusammengebracht. Nach etwa vier Wochen wurden wir, die von Bord dieses Schiffes gekommen waren, zum Hauptbahnhof geführt und in richtige Personenwaggons verfrachtet.

Es ging los, natürlich unter Bewachung, in Richtung Hannover. Der Zug musste sich ganz langsam fortbewegen, da Deutschland ja ziemlich zerstört war und die Brücken natürlich auch. Wir fuhren durch Hannover, dann die Leine entlang über Alfeld, Göttingen und immer wieder langsam über Brücken, die stark beschädigt waren, über Kassel nach Frankfurt am Main und nach Sachsenhausen. Dort wurden wir in Lkws weiter durch die ziemlich zerstörte Stadt Frankfurt zum Hauptbahnhof transportiert. Von dort aus ging es ein paar Stunden später mit einem Personenzug durch die verschiedenen Orte nach Babenhausen, wo ein großes Lager der Amerikaner war. Dort war ich in einigen Pferdeställen untergebracht und bekam Verpflegung von den Amerikanern. Nach einem Ausbruchsversuch, den ich unternommen hatte, wurde ich wieder eingefangen. Doch eigenartigerweise erfolgte darauf keine Strafe, sondern ich wurde wieder zu meiner Unterkunft geführt. Vierzehn Tage später wurden wir in geschlossene Güterwaggons geladen und über viele verschiedene Orte in Deutschland nach Garmisch- Patenkirchen transportiert.

Dort wurde ich in einer Kaserne der ehemaligen Bergjäger einquartiert. Wir wurden täglich, etwa drei Wochen lang, mit Lkws an die österreichische Grenze gefahren, um dort mit Kettensägen Bäume zu fällen. Doch eines Tages habe ich wieder einen Ausbruch unternommen, da die Möglichkeiten, durch Unterholz und Büsche geschützt, sehr günstig waren, um unbemerkt an den amerikanischen Bewachern vorbei zu kommen. Das gelang mir. Ich bin bis Krün gekommen, wo ich in einem Heuschober geschlafen habe. Am folgenden Tag bin ich quer durchs Hochgebirge bis nach Eschenlohe gekommen. Dort traf ich eine freundliche Familie, die ich fragte, wie ich am besten weiter kommen würde.

Sie rieten mir, zum Bahnhof nach Ohlstadt zu gehen, und wiesen mir auch den Weg. Aber sie warnten mich auch, dass amerikanische Panzer mitunter die Züge stoppen würden, um sie zu kontrollieren. Doch das Glück war mir hold. Der Zug, mit dem ich fuhr, wurde nicht kontrolliert und ich kam über Murnau und Weilheim nach München. Auf dem Münchener Bahnhof war ich mit dem Gedanken beschäftigt, wie ich jetzt weiter Richtung Leipzig komme. Da traf ich auf eine große Kinderschar, etwa zwanzig Kinder mit zwei Begleiterinnen. Denen habe ich mich anvertraut und erfuhr, dass sie nach Görlitz wollten. Diese Gruppe hat mich als Kind in ihre Reihen aufgenommen. So bin ich mit ihnen gefahren. Wir sind die ganze Nacht durchgefahren bis nach Hof an der Saale. Im Zug war es mir dann aber nicht mehr sicher genug, denn wir wären an die russische Grenzstation gekommen. Dort wären die Kontrollen sicherlich sehr streng gewesen.

Ich habe den Zug verlassen und bin zu einem Mitgefangenen vom Schiff, der in Hof wohnte, gegangen. Dieser war schon entlassen worden, weil er nicht in der sowjetisch besetzten Zone wohnte. Er hat mich zu Fuß nach Feilitsch gebracht. Von dort, sagte er mir, müsse ich alleine weiter gehen, da hier das Niemandsland, also das Grenzgebiet zwischen Amerikanern und Russen, beginnen würde und dass auch er eventuell von den Russen oder Amerikanern aufgegriffen würde. So bin ich dann alleine weiter. Auch hier war mein Schutzengel wieder mit mir. Ich traf weder auf Amerikaner noch auf Russen und marschierte weiter durch Wald und Feld. In diesem Gebiet traf ich auf einen Streckenposten, der die Aufgabe hatte, Zugsignale zwischen den Bahnhöfen zu stellen. Dieser warnte mich und hat mir erklärt, wie ich am besten in das sowjetische Gebiet hinein komme. Jedoch kurz vor Gutenfürst hörte ich russische Stimmen und bin wieder zurück in den Wald gelaufen und dann auf Umwegen nach Schwand, wo ich in einer Gastwirtschaft auf dem Heuboden übernachtet habe. Dann bin ich weiter etwa sechzig Kilometer bis nach Plauen im Vogtland gelaufen. In Plauen habe ich dann vom Deutschen Roten Kreuz eine Fahrkarte von Plauen nach Leipzig ausgestellt bekommen. Ich bin mit einem Personenzug nach Leipzig gefahren, wo ich abends spät eintraf. Von dort aus bin ich mit der Straßenbahn, die in Leipzig noch fuhr, nach Hause gefahren.

Die Überraschung war natürlich sehr groß, da wir die ganze Zeit weder Brief- noch sonst irgendwelchen Kontakt hatten. Nachdem also die Tür geöffnet war, lagen wir uns in den Armen und waren restlos glücklich. Aber nun gab es mit der Ernährung ein Problem. Lebensmittel gab es nur auf Lebensmittelkarten und die bekam man nur, wenn man auch im Melderegister der Stadt eingetragen war. Also um Lebensmittel zu bekommen, musste ich in ein Quarantänelager der Russen. Dieses war in der Kaserne, in der ich eingezogen worden war. Dort war ich vom 11. bis zum 24. Oktober 1946. Dann bekam ich die Bescheinigung, um mich eintragen zu lassen, damit ich Lebensmittelkarten bekommen konnte.

Von dem Zeitpunkt an war ich wieder zu Hause. Ich habe mich dann bei meiner alten Dienststelle, der Reichsbahn, gemeldet und sie haben mich auch wieder eingestellt.