Arnau [Hostinné] Tschechei
Mein Name ist Hermann Tauchen. Ich bin am 10. Oktober 1939 in Arnau (heute die tschechische Stadt Hostinne) geboren. Mein Vater ist Richard Tauchen und meine Mutter Hermine Tauchen, geborene Göbel. Mein Vater ist im Krieg vermisst und seitdem nicht wieder nach Hause gekommen. Ich habe noch einen Bruder, der fünf Jahre älter ist als ich.
Zu Hause in meiner Heimat bin ich nur wenige Jahre aufgewachsen. Durch den Krieg kam es dazu, dass wir unsere Heimat verlassen mussten. Wir wurden ausgesiedelt und kamen über Eisenbahntransporte nach Sachsen-Anhalt in die Stadt Köthen. Dort waren wir in einem Lager untergebracht. Nachdem wir dort einige Monate waren, wurden wir in ein Dorf nahe der Stadt Köthen umgesiedelt. Auf einem Bauerngut wurde uns ein Wohnraum zugewiesen.
Wir waren damals noch keine Mitglieder der Kirche. Mit der Zeit stellte sich heraus, dass in diesem Dorf eine Schwester der Kirche wohnte, die Schwester Hansom. Sie kam irgendwie mit meiner Mutter in Verbindung.
Es wohnten nicht so viele in dem Dorf, da lernt man sich doch schnell, so war es auch mit meiner Mutter und dieser Schwester. So haben sie sich auch öfter über die Kirche unterhalten. Die Schwester sagte, dass sie Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist. Sie gehörte zur Gemeinde Köthen. Bis nach Köthen waren es circa zwölf Kilometer. Nach einiger Zeit hat uns die Schwester auch einmal eingeladen, mit in die Gemeinde zu den Versammlungen zu gehen. Es ist dann auch dazu gekommen, dass wir mal zur Gemeinde nach Köthen gefahren sind. Ich war ja zu dieser Zeit noch sehr jung aber meiner Mutter hat das, was gelehrt wurde und die Musik und die Lieder gleich sehr gefallen. Diese Kirche hat meiner Mutter mehr gegeben, als die Lehre der Kirche, zu der wir gehörten.
Mein Bruder hat dann nach der Schule eine Lehre in einem Betrieb in der Stadt Dessau begonnen. Die Entfernung von Köthen nach Dessau beträgt circa zwanzig Kilometer. Mein Bruder war ein sehr guter Lehrling. Aufgrund seiner guten Leistungen hat ihm sein Betrieb eine Wohnung für uns in Dessau besorgt. So zogen wir dann nach Dessau.
Schwester Hansum hatte uns gesagt, dass es in Dessau auch eine Gemeinde gibt. Wir sollten dort Verbindung aufnehmen und dorthin gehen. Schwester Hansum ließ den Gemeindevorsteher, wie es damals noch hieß, aus der Gemeinde Dessau informieren, dass er uns mal besucht und Verbindung zu uns aufnimmt. Was dann auch erfolgte. Der Gemeindevorsteher von Dessau hat bei seinen Besuchen vieles über die Kirche und das Evangelium berichtet und meine Mutter war sehr begeistert dafür. Wir sind eingeladen worden, in die Kirche zu kommen. Doch, wie es manchmal ist, zögert man erstmal etwas und schiebt einen Besuch der Gemeinde von einer Woche auf die andere. Nach einiger Zeit entschlossen wir uns doch, die Kirche zu besuchen.
Wir mussten ein Stück mit der Straßenbahn und dann noch ein Stück mit dem Bus fahren. Wir sind Sonntag früh losgegangen zur Straßenbahn und fuhren mit ihr Richtung Bushaltestelle. Als wir dort ankamen, stellten wir fest, dass der Bus schon abgefahren war. Was haben wir gemacht, wir sind wieder nach Hause gefahren. Wir haben gesagt: Wir können doch nicht das erste Mal gleich zu spät kommen. Bei dem nächsten Vorhaben, die Gemeinde zu besuchen, war meine Mutter plötzlich krank geworden. Wieder hat es sich verschoben. Heute möchte man sagen, der Böse wollte verhindern, dass wir zur Kirche kommen sollten.
Schließlich ist es doch dazu gekommen, dass wir die Gemeinde besucht haben und wir sind freundlich aufgenommen worden. Es war eine sehr kleine Gemeinde, ungefähr zwölf Personen. Nach drei Jahren haben wir uns dann entschlossen, uns taufen zu lassen. Wir sind am 22.August 1953 in Dessau in der Elbe getauft worden. Seitdem sind wir regelmäßig zu den Versammlungen gegangen und haben aktiv am Kirchenleben teilgenommen.
Von meiner Mutter habe ich einiges erfahren über unsere Familie und wo wir gewohnt haben. Wir wohnten in einem Häusel, das zur Bahn gehörte, weil mein Vater bei der Bahn beschäftigt war. Durch den Krieg wurde mein Vater zur Armee eingezogen und kam nur wenige Male zu Besuch nach Hause. So lernte ich ihn nur sehr wenig kennen.
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges kam es dazu, dass wir unsere Heimat verlassen mussten, wurden ausgesiedelt und durften fast nichts mitnehmen. In einem Nachbarort wurden alle Flüchtlinge gesammelt und noch einmal kontrolliert. Dann wurde man zum Bahnhof gebracht. Dort wurden wir mit dem wenigen Hab und Gut in Güterwaggons untergebracht, dabei wurden so viel wie möglich in einem Waggon untergebracht. Es waren schlimme Zustände. Keiner wusste, wohin es geht.
Durch die Umsiedlung wurden die Familien auseinander gerissen. Man verlor sich, keiner wusste, wer wohin gebracht wurde. Durch die Umsiedlung kamen wir schließlich nach Sachsen-Anhalt in die Stadt Köthen. Dort wurden wir in ein notdürftiges Lager gebracht. Hier versuchte man, zu erfahren, wo die anderen Verwandten hingebracht worden sind, das war alles sehr schwierig. Oft hat es sehr sehr lange gedauert, bis man eine Nachricht über einen Verwandten bekommen konnte. So hat man sich langsam wieder gefunden. Als ich noch zur Gemeinde Dessau gehörte, kamen öfters Geschwister aus den Gemeinden Köthen und Bernburg nach Dessau, um uns in der Gemeinde zu unterstützen, da wir nur wenige Mitglieder waren. Auch Missionare der Kirche kamen zu uns. Zwei Missionare kamen aus der Gemeinde Köthen und später kamen zwei Missionarinnen aus der Gemeinde Delitsch nach Dessau. Nach einer Änderung wurden die beiden Missionarinnen in Köthen untergebracht und betreuten von dort unsere Gemeinde. Eine dieser Missionarinnen ist, nachdem sie von ihrer Berufung entlassen war, meine Ehefrau geworden. Sie war aus der Gemeinde Annaberg-Buchholz und hieß Helga Krämer. Wir haben 1960 hier in Annaberg geheiratet und so bin ich hier nach Annaberg gekommen. 1962 haben wir eine Tochter bekommen und 1966 noch einmal eine Tochter. Beide sind auch Mitglied der Kirche. Eine Tochter ist weggezogen und gehört jetzt zur Gemeinde Karlsruhe. Meine liebe Ehefrau ist 1992 nach kurzer Krankheit verstorben.