Prag, Tschechei

mormon deutsch gerhard franz rudolf wetscheraMein Name ist Gerhard Franz Rudolf Wetschera. Ich bin am 21. Mai 1935 in Prag in der Tschechei geboren. Mein Vater war deutscher Staatsangehöriger und hat dort am Gymnasium als Professor gearbeitet. Außerdem hatte er einen Doktortitel und war bayerischer Staatsangestellter.

Als ich zwei Jahre alt war, ist mein Vater in den Böhmerwald versetzt worden. Dort hat er am Gymnasium unterrichtet. Mein Vater ist im Erzgebirge geboren. Meine Mutter, Franziska, war eine Wienerin, eine geborene Thierry. Ihr Vater war Berufssoldat und hat im Ungarisch-Österreichischen Heer gedient. Er ist an einer Verwundung gestorben, kurz bevor er General geworden wäre. Er war der ganze Stolz meiner Mutter.

Mein Vater war in Russland beim Militär als Sanitäter tätig. Als der Umsturz war kamen die Amerikaner zu uns. Wir wohnten in einer Siedlung in einer Villa. Diese mussten wir innerhalb von vierundzwanzig Stunden verlassen. Mit Pferdefuhrwerken wurden die Möbel aus dem Haus transportiert und in einer Lagerhalle untergebracht. Wir haben dann bei einer Familie ein Zimmer bekommen in dem wir gewohnt haben. Meinem Vater, der als Professor bei der Partei war, wurde von seinen Freunden mitgeteilt, dass ihn die Tschechen suchten und einsperren wollten. So ist er mit einem amerikanischen Transport über die Grenze nach Bayern und nach Landshut gekommen. Wir sind dann ausgesiedelt worden. Jeder konnte 50 Kilogramm Gepäck mitnehmen. Meine Mutter, meine Schwester und ich sind dann vier Wochen in einem Lager gewesen. Von dort aus sind wir in einem Viehtransport nach Hessen evakuiert worden. Wir haben eine Wohnung bei einem Bauern bekommen. Den Transport konnten wir nicht vorher verlassen. Unser Vater hat uns dann geholt und wir sind dann auch nach Landshut gekommen.

Die Deutschen haben bei den Tschechen eine gelbe Armbinde tragen müssen, damit man sie erkannte. Ich habe diese Armbinde auch getragen, aber nicht immer. Das Lager, in dem wir vier Wochen verbrachten, war von Posten umstellt. Ich und ein Freund von mir haben eine Stelle gesucht an der der Drahtzaun locker war und sind als die Posten weiter weg waren, durch die lockere Stelle gestiegen und in die Stadt gelaufen. Abends sind wir wieder zurückgekommen. Meine Mutter hatte sich sehr große Sorgen gemacht.

Als ich nach Landshut kam, war ich elf Jahre alt. Meine Kindheit habe ich hier in Landshut verbracht. Mein Vater ist hier Mitglied geworden. Er hat hier eine deutsche Familie kennen gelernt. Familie Singer. Der Mann war deutscher Wissenschaftler. Die Amerikaner haben damals die Wissenschaftler alle mitgenommen, da sie ihr Wissen von den Deutschen bekommen haben. Er hat bei den Amerikanern gearbeitet. Seine Frau, die Tochter und der Sohn waren schon bei der Kirche. Durch diese Familie hat mein Vater die Kirche kennen gelernt. Aus Ostpreußen sind auch Familien nach Landshut gekommen. z.B. Familie Lawrenz. Dies waren zwei Brüder, Wilhelm und Franz, die auch schon bei der Kirche waren. Mein Vater war vorher Atheist und Vegetarier. Er hat die Kirche kennen gelernt und hat sich ihr angeschlossen.

Mein Vater war ein guter Mensch, der viele Freunde hatte. Meine Mutter auch. In der Tschechei hat es ja nichts gegeben. Meine Mutter hatte das Silberbesteck und andere Wertgegenstände verkauft, wofür wir dann Lebensmittel bekommen haben.

In der Hitlerzeit ist nichts weiter passiert. Unter dem Krieg sind die Tiefflieger gekommen. Wir haben einen Kilometer entfernt vom Bahnhof gewohnt als die Amerikaner den Bahnhof angegriffen haben. Das Flugzeug ist so niedrig geflogen, dass man den Piloten in der Maschine sitzen sehen konnte. Die Hülsen des Maschinengewehrs sind bei uns im Garten gelegen. Diese habe ich aufgehoben während meine Mutter schimpfte: „Diese Schweine schließen alles kaputt!“

Das erste Mal als ich in der Kirche war, war bei einem Unterhaltungsabend. Meine Mutter und meine Schwester waren auch dabei. Der Unterhaltungsabend, der in der Altstadt in einem Nebenzimmer des Gasthofs Einmiller stattgefunden hatte, das hat uns gefallen. Reinhard Lawrenz und Harald Singer haben den Einakter „Die Schusterbuben“ aufgeführt. Das hat uns gefallen und so sind wir schließlich zur Kirche gegangen. Wir sind nicht in einem Taufbecken getauft wurden ‚sondern in einem Nebenfluss der Isar, der Amper. Meine Mutter, meine Schwester und ich. Das war schön. Der Distriktspräsident Bruder Taler hat uns dann im Juni 1947 getauft.

Die Amerikaner haben uns einen Raum in der Militärregierung in der Stetheimerstraße gegeben. In diesem Gebäude ist jetzt ein Gericht. Sie haben uns einen großen Raum für Gottesdienste zur Verfügung gestellt. Später waren wir dann einige Zeit lang bei den Siebentagadventisten, die ihre Gottesdienste am Samstag und wir am Sonntag abhielten. Sogar hier bei uns zu Hause haben wir schon Gottesdienste abgehalten. Hier waren ein kleiner Tisch und eine Eckbank. Im Zimmer waren ungefähr 30 oder 35 Personen anwesend.

Bevor wir ausgesiedelt wurden, als wir noch in Prachatitz lebten, sind meine Schwester und ich zu den amerikanischen Soldaten gegangen, welche den Kindern Essen, welches übriggeblieben war, gegeben haben. Wir hatten beide ein Blechgefäß dabei gehabt. Für die Frauen war der Kaffeesatz fair den Kaffee sehr wichtig. Diesen haben sie uns gegeben und meine Mutter hat ihn aufgekocht. Sie waren sehr nett zu uns.

Damals in den 50er Jahren hat die Kirche in den Vereinigten Staaten eine Auffrischung gebraucht. Familie Singer und Familie Lawrenz sind nach Amerika ausgewandert. Pirnkes sind nach Australien gegangen und noch einige andere sind ausgewandert.

Ich sollte auf Mission gehen. Da wir damals jedoch nicht so viel Geld hatten, hätte mir eine ältere amerikanische Familie, die kinderlos war, die Mission finanziert. Aber zu dieser Zeit lernte ich meine erste Frau kennen. Sie war aus der DDR nach Landshut gekommen, da sie hier Verwandte hatte. Ihr Name war Erna Klessa. Ich habe aus meiner ersten Ehe fünf Kinder, drei Jungen und zwei Mädchen. Einer davon war auf Mission in England. Ich war achtundzwanzig Jahre mit meiner ersten Frau zusammen. Zwei Jahre nachdem meine erste Frau gestorben war, habe ich meine zweite Frau geheiratet. Ihr Name ist Maria Aparecida Nunes Aquino Bond Milward Wetschera. Sie kommt aus Brasilien, wo sie auf Mission war. Ihr Onkel wurde erst vor kurzem zum ersten Heiligen Brasiliens gesprochen. Mit ihr habe ich einen Sohn, Sascha. Er studiert.