Greifswald, Vorpommern

Mormon Deutsch Helga ApelMein Name ist Helga Apel. Ich bin eine geborene Skibbe und am 22. Juli 1939 in Greifswald in Vorpommern zur Welt gekommen. Meine Eltern waren die ersten Mitglieder in Wolgast und weitem Umkreis. Vater wurde 1928 durch amerikanische Missionare auf die Kirche aufmerksam gemacht, indem er von ihnen ein Traktat erhielt, mit dem er sogleich zu arbeiten begann. Er sprach viele Menschen an, weil ihn die Botschaft überzeugt hatte, dass wir einem himmlischen Elternhaus entstammen. 1932 ließ er sich taufen. Jahrelang betete er darum, dass in Wolgast eine Gemeinde entstehen möchte. Dieser Wunsch sollte sich nach dem Krieg erfüllen. Missionar Walter Krause hatte daran großen Anteil. Er kam im September 1946 zu uns und begann die kleine Gruppe Untersucher zu belehren die in sich seit einem Jahr in unserem Heim, auf Einladung meiner Mutter Julianne traf.

Vater befand sich noch in französischer Gefangenschaft, in die er 1945 auf Umwege geraten war. 1941, mit dem Ausbruch des Krieges gegen Russland (Sowjetunion) in die Wehrmacht eingezogen, sprach mein Vater in seinen Gebeten immer wieder den Wunsch aus, er möge doch von der Halbinsel Krim in einen anderen Teil der Welt gelangen, damit er nie in die Situation gerät, auf Menschen schießen zu müssen. Kurze Zeit später erkrankte er an Gelbsucht. Nach seiner Genesung schickte ihn die Armee nach Norwegen. Dort diente er in Narvik ohne jemals in Kampfhandlungen verwickelt zu werden.

Mein Vater floh im September 1946 aus dem Bergwerk in das sie ihn gesteckt hatten und so traf er mit Walter Krause zusammen und stellte ihm sowohl eine Wohnmöglichkeit wie auch einen Raum für die Versammlungen zur Verfügung. „Wir beginnen mit der Sonntagschule. Bringt eure Freunde und Nachbarn mit“ sagte Bruder Krause zu denen die er bei uns daheim antraf. Aus alten Munitionskisten der Gelbkreuzbomben stellte er Sitzbänke her. Er war ein Mann der Tat und ein begeisterter Lehrer, der uns alle zu fesseln vermochte. Bald taufte er die vierköpfige Zanderfamilie und dann andere, die Webers, die Chust Familie und eine Reihe Alleinstehender. So wuchs eine wunderschöne Gemeinde mit mehr als 40 Anwesenden heran. Walter Krause präsidierte über uns, da mein Vater noch längere Zeit mit einer schweren Depression kämpfen musste. Sie war als Folge der Untertagearbeit aufgetreten. Dieses Leben als Kriegsgefangener, fernab seiner Familie, von der er annehmen musste, dass sie den Krieg nicht überlebt hatte, erschien ihm unerträglich. Jedenfalls ließen die letzten Nachrichten des deutschen Soldatensenders kaum einen anderen Schluss zu als den, Wolgast sei eine Trümmerwüste.

Er neigte immer dazu, wenn es ihn persönlich betraf eher das Negative zu glauben, auch dieser Lüge, nämlich, dass seine Heimatstadt vernichtet worden sei. Dennoch gab er niemals seinen Glauben an die Wahrheit des wiederhergestellten Evangeliums auf. Um alle aufzumuntern organisierte Walter Krause Ausflüge zur Ostsee. Denn die meisten Mitglieder unserer Gemeinde hatten mehr als nur ihre Heimat verloren. Die ersten Ausflüge waren wahre Pioniermärsche. Ich kann mich erinnern, dass ich damals als acht- oder neunjähriges Mädchen, dürre wie ich war, nicht die ganze zehn Kilometer lange Strecke laufen konnte. Deshalb durfte ich mich in einen Handwagen setzen, den die Jungs zogen. Jede Familie hatte irgendetwas für das Picknick vorbereitet, Kartoffeln gekocht oder gar einen Kartoffelsalat angerichtet. Im weißen Strandsand wurde Ballspiele gemacht. Das Zusammengehörigkeitsgefühl war großartig. Wir liebten Walter Krause. Wenn er zusprechen begann, rückten seine Hörer stets die Stühle zurecht um ihm umso aufmerksamer zu lauschen. Später organisierte er Zions-Zeltlager. Er war unser Koch, der sich eine so genannte ‚Gulaschkanone’ zugelegt hatte und unser Seelenhirte, im besten Sinne des Wortes. Aus weit entfernt liegenden Gemeinden kamen die Jugendlichen um sich wirklich zu erholen. Wir erfreuten uns gegenseitig, indem wir taten was Bruder Krause uns zu tun geraten hatte.

Mein Vater, Wilhelm Skibbe, wurde später der Zweigpräsident.