Nordhausen, Thüringen

Mormon Deutsch Klaus Peter BackIch bin Klaus Peter Back, geboren am 14. Juni 1940 in Nordhausen, Thüringen. Mein Vater ist Willy Fritz Back, meine Mutter Irmgard Irene geborene Richter. Ich habe zwei Brüder, Jürgen, geboren 1936, er ist vor vielen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, und Hans, er wurde 1947 geboren. Meine Mutter erzählte, dass am Tage meiner Geburt der Chefarzt der Klinik strahlend ins Zimmer trat und sagte: „Frau Back, herzlichen Glückwunsch zur Geburt Ihres Sohnes, sie hätten sich keinen besseren Tag aussuchen können, heute sind deutsche Soldaten in Paris ein¬marschiert.“

Mutter war eine engagierte Sportlerin, sie war Krankenschwester und Arzthelferin. Vater war bei der Polizei, er boxte auch gerne und war später Soldat. Sie erlebten also die schwere Weltwirtschaftskrise, das Geld, das es morgens gab, reichte kaum noch zum Kauf eines Brotes am Mittag. Die große Arbeitslosigkeit und die völlig zersplitterte politische Situation waren bekanntlich auch unter anderem der Nährboden für die Entwicklung eines Mannes namens Adolf Hitler.

Zu Beginn des 2. Weltkrieges lief alles sehr gut für Deutschland – Siege an allen Fronten. Schon damals sagte meine Mutter – eine sehr kluge Frau – dass das alles kein gutes Ende nehmen könne. Vater war bei der Flugsicherung, unter anderem in Bremen. Die Familie konnte anfangs öfter mit dabei sein. Mutter erzählte, als sie mit mir schwanger war, dass sie sich überreden ließ, in ein Flugzeug zu steigen und der Pilot schaukelte sie durch die Luft mit Loopings und allem Drum und Dran, dass sie dem Pilot vor Angst an den Hals ging und ihn zur Landung zwang. Später erfuhr sie, dass mein Vater dem Piloten gesagt hatte, er solle sie ein wenig durchschütteln.

Im Laufe der folgenden Kriegsjahre wurde das Essen in Nordhausen immer knapper, wie in ganz Deutschland. Die Mütter wurden erfinderischer, etwas Essbares aufzutreiben. Sie fuhren auf die Dörfer und nahmen Wertgegenstände wie Schmuck, Porzellan, Wäsche usw. mit und tauschten es gegen Lebensmittel ein, man nannte das „Hamstern.“ Einmal kam Mutter nach einer solchen Tour zurück mit einem Kiloglas Marmelade, sie sagte, „ich muss noch einmal weg“. Mein Bruder und ich hatten Hunger und als unsere Mutter nach Stunden zurückkam, war die Marmelade aufgegessen von zwei hungrigen Brüdern. Dann fuhr sie mit einem alten, schlecht bremsenden Fahrrad durch die Dörfer. Auf einem abschüssigen Weg konnte sie das Fahrrad nicht bremsen und fuhr im hohen Bogen auf einen weichen, dampfenden Misthaufen, sehr zum Gelächter der Bauern. Zum Teil fuhren noch die Eisenbahnen. Von einer solchen Eintauschtour kam Mutter zurück; die Züge waren so überfüllt, dass die Menschen auf dem Dach lagen. Mutter hatte einen Rucksack voller Kirschen, hielt sich mit beiden Händen an den Puffern des Waggons am hinteren Ende des Zuges fest. Als der Zug in Nordhausen ankam, war der Rucksack leer, die Leute hinter ihr hatten auch Hunger und Mutter musste sich ja mit den Händen festhalten, damit sie nicht runterfiel und da war es vorbei mit den Kirschen für die Kinder.

Vater war als Kompaniechef mit den Soldaten unterwegs, Mutter war. wie viele Frauen, allein zuhause. An einem Tag war mein Bruder Jürgen mit einigen Soldaten aus der Kompanie meines Vaters zum Fliegerhorst gefahren. Er war ja schon sieben oder acht Jahre alt. Alles war friedlich, der Lagebericht verhieß nichts Schlimmes. Dann auf einmal Fliegeralarm. Wir drei gingen runter in den Keller. Wir standen, etwas geschützt unter einer Wolldecke, als Schutz gegen Splitter, und hörten die schrecklichen Einschläge und Detonationen der Bomben. Und meine Eltern wussten nicht, wie es meinem Bruder geht! Nach der Entwarnung mussten wir durch die Kellertür nach hinten raus, weil vor dem Haus ein riesiger Blindgänger lag, der erst entschärft wer¬den musste. Mit meinem Bruder war alles in Ordnung. Vater erklärte, dass weitere Angriffe folgen würden und sagte uns, dass wir die Stadt unbedingt verlassen müssten – „Ich muss zu meiner Kompanie“, sagte er.

Kurze Zeit später, wurde ein weiterer Angriff angekündigt. Man empfahl uns, einen nahegelegenen Hügel aufzusuchen, dort seid Ihr sicher, auf die Bevölkerung wird auch nicht geschossen. Wir drei gingen schnell dorthin, schon auf dem Wege zu dem Hügel, der auch mit Büschen und Bäumen bewachsen war, kamen die ersten Bomber und griffen schonungslos an. Mutter sagte später, man konnte die Gesichtszüge der Flugzeugpiloten sehen und sie warfen ihre Bomben und schossen auf alles, was sich bewegte und etliche wurden getroffen. Was machte ich? Ich pflückte Blumen, auf den Knien, so, als ob es keinen Krieg gäbe, keinen Angriff, keine Bomben.

Nordhausen war zu über 90 Prozent zerstört worden. Am Abend ging Mutter mit uns zur Wohnung, die in recht gutem Zustand war, nur die Fensterscheiben waren alle zersplittert, durch die Zugluft bewegten sich die Gardinen, es war schaurig anzusehen. Sie sammelte einige wichtige Sachen und dann flohen wir Nordhausen. Ein Zug von Menschen, die nur raus wollten aus der Feuerhölle, raus aus dem brennenden Nordhausen ins Dunkel der Nacht, zog auf den Straßen nach auswärts. Ich weiß es noch wie heute – es war ein schweigender Zug von Menschen mit ihren wenigen Habseligkeiten, auf alten Fahrrädern, auf klapprigen Bollerwagen oder Kinderwagen verteilt. In den Straßen der Stadt loderten die Flammen und knisterten die brennenden Dächer. Es war ein schweigsamer Zug von Flüchtenden.

Inzwischen war es kurz vor Ende des Krieges. Mein Vater hatte seine Leute aus der Kompanie entlassen und jedem geraten, sich irgendwie durchzuschlagen. Er selbst kam in Gefangenschaft. Mutter sagte prophetisch voraus, „wo der Russe einmal ist, da geht er nicht wieder weg.“ Nie vergessen ist der Moment, als die Russen Nordhausen besetzten, LKW s mit Soldaten, die schreiend und grölend durch die Stadt fuhren – die „Befreier!“ Sie hatten auf den Fahrzeugen Obstbäume, die sie vorher entwurzelt hatten und aßen das Obst. Als der Krieg endgültig vorüber war, gab es zur Befreiung ein riesiges Feuerwerk. Mutter erzählte, dass besonders ich geweint und geschrien habe aus Angst, dass es wieder losgeht.

Wir hatten nach der Rückkehr nach Nordhausen eine andere Wohnung, weil die bisherige nicht mehr bewohnbar war, nach diesen vielen Angriffen. Wie damals üblich, richteten die Russen „Kommandanturen“ ein. Das waren größere, villenähnliche Häuser und von dort aus wurde regiert. Viele russische Soldaten wurden bei den deutschen Familien zwangseingewiesen und so musste Mutter auch zwei russische Offiziere aufnehmen. Sie erzählte, dass diese beiden Soldaten sehr gebildet, gut erzogen und immer sehr höflich gewesen sind. Sie erzählte von Gesprächen über eine große Traurigkeit bei dem russischen Volk über diesen Krieg zwischen Deutschland und Russland, sie konnten das gar nicht verstehen, weil sich das deutsche und russische Volk doch immer gut verstanden haben.

Es gab natürlich noch wenig zu essen, weil einfach nichts mehr da war. Mutter fragte die beiden Offiziere, ob sie nicht Fleisch, Brot und Butter hätten. Sie antworteten „nein“ und sie hätten selbst nichts. Als die beiden „Gäste“ einmal weg waren öffnete meine Mutter ein verschlossenes Schränk¬chen in deren Zimmer und – dort gab es jede Menge Butter. So nahm meine sie einige Stücke Butter, öffnete die Verpackung und schnitt mit dem Messer vorsichtig an den Seiten etwas Butter ab und packte es wieder ein. Wir hatten plötzlich Butter! Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn die beiden zurückgekommen wären oder etwas gemerkt hätten – jede Strafe von Verschickung in ein Zwangslager in Sibirien oder Gefängnis, ja, sogar der Tod hätte als Bestrafung die Folge sein können.

Nach Beendigung des Krieges hatte Mutter nur einen Gedanken, „raus aus Nordhausen, raus aus dem Osten Deutschlands, in den Westteil, wo der Amerikaner ist“. Es war ihr klar, dass eine Zeit bald kommen würde, wo eine Flucht nicht mehr möglich ist. Sie verkaufte den Ledermantel Meines Vaters an einen Russen für 5000 Reichsmark. Das war ein Superpreis, aber der „Kunde“ wollte einen Tag später das Geld wiederhaben, weil ihm der Mantel überhaupt nicht passte. Mutters Kommentar, „Geschäft ist Geschäft in Deutschland“ und damit war die Sache erledigt und sie hatte Geld für die Flucht. Man fragt sich so ganz nebenbei, woher hatte ein einfacher russischer Soldat wenige Tage nach Beendigung des Krieges so viel Geld?

Mutter plante mit einem Bauern die gesamte Wohnungseinrichtung mitzunehmen. Es durfte niemand wissen, was sie vorhatte, denn es war strengstens verboten, Nordhausen zu verlassen. An einem Tag, als die bei uns einquartierten Soldaten schon weg waren, brachte sie alle Möbel raus. Sie erzählte den Nachbarn, dass sie innerhalb Nordhausens umziehen wollte. Dann kam etwas dazwischen und sie musste bis zum Abend alle Möbel wieder in der Wohnung haben! Termin verschoben, und dann klappte es. Es gab damals so kurz nach dem Krieg die „grüne Grenze“ zum Westen Es wurden nicht alle Wege und Straßen bewacht und so gab es auch etliche Grenzgänger, die gegen Geld Menschen bei der Flucht halfen. Aber – besonders später – erfuhr man, dass auf diese Weise viele Menschen ihr Hab und Gut verloren, weil diese Fluchthelfer die Flüchtlinge betrogen haben. Manche wurden sogar umgebracht.

Für Mutter verlief alles nach Plan. Der Bauer kam mit seinem Pferdewagen, die Sachen wurden aufgeladen, es ging „ab nach drüben“, wie man das so nannte. Unterwegs keinerlei Schwierigkeiten bis auf ein großes Loch auf dem Fahrweg, Umleitung unmöglich, also wurde das Loch mit Sträuchern, Erde, Steinen so zugeschüttet, dass die Fahrt weiter gehen konnte. Das vorläufige Ziel war ein Waldstück auf dem Gebiet des Westens, wo Mutter alle Sachen einfach auf die Wiese stellte und der Bauer zurück. fuhr. Mutter holte ihre beiden Söhne, Jürgen und mich. Sie ermahnte uns sehr eindringlich, jetzt ganz ruhig zu sein, wenn wir alle drei endgültig über die Grenze gehen. Es könnte auch geschossen werden! Wir waren vorher bei Nachbarn untergebracht, es hätte ja bei Mutters „Umzug“ einiges passieren können und sie hätte uns nie wiedergesehen. Mutter hatte ein sehr starkes Gottvertrauen. Sie betete und vertraute auf Ihn. Das habe ich schon als Kind immer wieder erlebt. So auch jetzt, es ging alles gut. Als Mutter dann sagte, jetzt sind wir in Sicherheit, da waren wir Kinder etwas enttäuscht, dass alles so ruhig geblieben war.

Mutter war im Westen, ich glaube der Ort hieß Ellrich. Sie wollte aber weiter. Sie ahnte, dass Vater nicht lange in amerikanischer Kriegsgefangenschaft sein würde. So ging es weiter nach Diekholzen, dicht bei Hildesheim. Und alles lief gut. Vater kam zurück, fand Arbeit bei der Firma Blaupunkt (Radio, Fernsehen usw.). Wir kamen bei einem Bauern unter in einer kleinen Dachwohnung, aber wir waren zusammen und glücklich.

Am ersten Weihnachten hatte Mutter die Matratzen auf die Erde im „Wohnzimmer“ gelegt, ein kleines Tannenbäumchen besorgt und irgendwoher einige kleine Kerzenstummel organisiert. Das Feuer im Ofen wärmte, die Heizklappe – wo man Holz und Kohle in den Ofen schiebt – wurde geöffnet, weil es dann gemütlicher war und so haben wir Weihnachten gefeiert…

Wir gingen beide zur Volksschule, ab der 5.Klasse kam Jürgen aufs Gymnasium in Hildesheim. Damals musste man noch eine Aufnahmeprüfung dafür bestehen und die Schulbü-cher hatten die Eltern zu zahlen. 1950 ging auch ich auf die höhere Schule. Wir fuhren die acht Km im Winter mit dem Bus und im Sommer mit dem Fahrrad. Irgendwann stellte Mutter dann fest, wir brauchen eine neue Wohnung in Hildesheim, direkt in der Stadt. Sie ging in eine Straße, klingelte im Haus und sagte, ich habe gehört, hier wird eine Wohnung frei — und so war es. Wir zogen in den Stadtteil „Hildesheimer Wald“.

Für Vater waren das nur noch 15 Minuten zur Arbeit. Später arbeitete Mutter auch dort als Prüferin in Schichtarbeit! Wir wohnten mit sechs Familien nicht komfortabel, aber praktisch, jede in einer Baracke und es war ein herrliches Gemeinschaftsleben, bis auf den Winter. Ich meine es war 1947/48! Der war unglaublich kalt, mit wohl über 30 Grad minus. Jürgen ging noch in Diekholzen zur Schule, so 6 bis 7 Kilometer mit dem Bus zu fahren. An einem Tag kam er nicht heim. Die Eltern hatten natürlich Angst. Man stellte fest, dass aufgrund des enormen Schneefalls der Bus nicht gefahren war. Und Jürgen hatte sich dann zu Fuß auf den langen, weiten Weg gemacht. Es waren Schneeverwehungen von fast einem Meter und er war noch nicht mal so groß! Durch Zufall fanden ihn meine Eltern, er war kurz vor dem Erfrieren. Ja, wir lebten wie die „Wilden“. Barfuß bei fast jedem Wetter, der Wald war unsere Heimat, wir kannten jedes Tier, jede Pflanze, jeden Baum. Einmal haben Jürgen und ich eine mittelgroße Eiche regelrecht gefällt, denn wir brauchten Brennholz. Und wir waren stolz und die Eltern hatten Angst vor einer Anzeige wegen „Walddiebstahls.“

Bruder Hans wurde 1947 geboren; Mutter hatte eine sehr beschwerliche Schwangerschaft gehabt. Der Arzt sagte, sie solle sich ausruhen. Inzwischen wohnte auch mein Großvater, also Mutters Vater, bei uns. Mutter musste jede Woche mehrfach Blut trinken, um sich zu stärken, es gab zu wenig Medikamente. 1948 kam die Währungsreform! Schlagartig gab es in den Geschäften alles zu kaufen, von dem es vorher hieß, das gibt es noch nicht wieder.

Jürgen und ich schlossen das Gymnasium mit der 10. Klasse ab, man nannte das „mittlere Reife“. Jürgen lernte Autokaufmann bei dem VW-Händler in Hildesheim, ich machte das Gleiche, nur entsprechend später. Wir waren Mitglieder in einem Schwimmverein, was uns viel Spaß machte. Außerdem spielten wir Tennis, das Geld dafür verdienten wir uns mit Ball- auflesen im Club. Schläger hatten wir aus der DDR bekommen, Darmbespannung, die sich bei Feuchtigkeit auflöste.

Vater wurde als Beamter von der Stadt Hildesheim eingestellt. Er bearbeitete den sogenannten „Lastenausgleich”, das sind Ansprüche jener Menschen, die im Krieg ihren Besitz verloren hatten und nun beim Staat einen Ausgleich dafür anmelden durften. Das brachte ihm viel Erfüllung, weil er vielen Menschen helfen konnte. Mutter arbeitete im Krankenhaus als Krankenschwester. Außerdem engagierte sie sich als eines der ersten weiblichen Mitglieder der „Christlich Demokratischen Union“ (CDU), Sie verehrte Dr. Konrad Adenauer und erzählte gern von einer Schulung, wo sie dem Bundeskanzler mal so richtig die Meinung gesagt hat. Er solle nicht nur vor der Wahl Versprechen machen, sondern diese dann auch halten Sie arbeitete aber auch als Ratsherrin und war für etliche Jahre Schöffin am Gericht. Eines Tages wurde ein Schwerverbrecher verurteilt und sie war mit für das Urteil verantwortlich. Daraufhin bekam sie Drohbriefe aus dem Gefängnis, Der Mensch schwor, meine Mutter nach Verbüßung der Strafe umzubringen. Da griff mein Vater ein und aus war es mit der Schöffin Irmgard Back.

Mit 19 Jahren habe ich dann meine Ausbildung als Großhandelskaufmann (Autokaufmann) bei einem VW-Großhändler abgeschlossen. Ich blieb noch einige Monate in Hildesheim. Jürgen arbeitete bei einem VW-Betrieb in Hannover. Ich bewarb mich bei einem Versicherungsmakler in Hamburg und bekam die Stelle. Im Juni 1960 begann ich meine Arbeit dort. Ich hatte den Bereich als Sachbearbeiter speziell im Sektor Kfz. – und Sachversicherungen und konnte sehr bald recht eigenständig arbeiten. Für kurze Zeit wohnte ich an der Außenalster in einem sehr hübschen Zimmer und ich fühlte mich wohl in Hamburg.

Irgendwann im Laufe meiner Arbeit dort wurde eine neue Sekretärin eingestellt. Sie war auch für die Abteilung eingeteilt, in der ich tätig war. Sie nahm meine Diktate entgegen und schrieb für mich. Und da begann ein völlig neuer Abschnitt in meinem Leben; ich verliebte mich in diese Dame und zwar unsterblich! Ich bin knapp sieben Jahre jünger als meine Frau und aus ihrer ersten Ehe hatte sie einen damals fünf jährigen Sohn mitgebracht. Ich war fest entschlossen sie zu heiraten! Meine Eltern, denen ich das erzählt hatte, kamen nach Hamburg und wollten in Ruhe mit uns darüber reden. Sie haben sich großartig verhalten! Sehr verständnisvoll, sehr besorgt. Wir hatten eine wirkliche liebevolle, wunderschöne Zeit miteinander. Sie schlugen vor, dass ich wieder nach Hildesheim kommen sollte, man könnte ja gemeinsam eine Wohnung suchen, was immerhin zu der Zeit auch noch nicht einfach war. Eva und ich brachten Vater und Mutter zum Busbahnhof; nie werde ich meiner Mutters nachdenklichen, noch immer erstaunten, leicht besorgten Gesichtsausdruck vergessen, in diesem Moment liebte ich beide ganz besonders. Ich habe ihnen nie übel genommen, dass sie dachten, wenn ich erst einmal wieder in Hildesheim bin, würde sich das „Problem“ von selbst lösen.

Ich kündigte meine Arbeit, ging zurück nach Hildesheim und – erstaunlicherweise – zeigte sich bald die Chance auf eine eigene Wohnung und zwar hatte Mutter sie gefunden! Eva wollte nicht sofort heiraten, sie hatte einfach Angst vor einer zweiten Bindung. Im Juli 1962 starb mein Großvater – dennoch haben wir dann am 21. August 1962 geheiratet.

In dieser Zeit arbeitete ich für eine Büromaschinenfabrik und verkaufte unter anderem die allerersten Computer und natürlich. Schreib- und Rechenmaschinen. In Deutschland gab es damals einen Verkaufsboom von Volkswagen (Käfer), Lieferzeiten von über einem Jahr! Auch in den USA lief der „Robbe“ und es kamen Händler mit einem Koffer voller Geld nach Deutschland, um wenig gebrauchte VWs auch zu kaufen.

Auch ich versuchte, zunächst mit meinem Bruder und danach allein, auf eigene Rechnung Autos zu kaufen und zu verkaufen und es lief gut. An einem Morgen wollte ich gerade los, um ein Auto abzuholen, da klingelte es und an der Tür waren zwei junge Männer, sauber und korrekt gekleidet und wollten etwas über Gott erzählen. Ich hatte wirklich keine Zeit und sagte nur: „Für Religion ist meine Frau zuständig.“ Das war der Beginn einer ganz neuen Phase unseres Lebens.

Wir hatten die Missionare der Kirche Jesu Christi häufig bei uns, sprachen und diskutiertem. Damals hatten die Brüder noch eine Schautafel aus Samt und damit demonstrierten sie sehr anschaulich den Aufbau der Kirche wie sie zu Zeiten Jesu Christi war. Und genauso war sie wieder organisiert worden! Das leuchtete uns alles ein. Mir schien es viel zu einfach, warum gibt es nicht mehr Mitglieder, wo doch alles so klar ist, Meine Frau war seinerzeit in Eppendorf getauft worden und sie hatte mir gesagt, dass sie eines Tages im Tempel heiraten möchte Ich wusste nicht viel von den Mormonen, außer der Vielehe und dass die Kirche in Utah beheimatet ist. Ich nahm die Lehren der Kirche gut auf. Nebenher hatten wir Kontakt mit Zeugen Jehovas. Wir waren beeindruckt von der Ehrlichkeit und vom Engagement dieser Menschen. Auch an den Bibelstunden nahmen wir teil und in Hildesheim war ein großer Kongress und es kamen mehr als zehntausend Zeugen Jehovas und wir hatten auch einige bei uns als Schlafgäste. Und wieder gab es viele Gespräche.

Wir gingen in die Theaterstraße in Hildesheim, dort hatten die Mormonen ihre Versammlungen. Dort lernten wir unter anderem die Familie Jensen kennen. Im Laufe der Zeit war ich überzeugt von der Wahrheit, aber ich war nicht zur Taufe bereit. Der Kontakt besonders zu den Missionaren blieb, sie halfen mir bei der Gartenarbeit, waren einfach an unserer Seite Im Jahr 1964 hatte ich einen schweren Unfall mit der Eisenbahn und war etwa ein Jahr krank. Eva wurde schwanger und ebenfalls sehr krank. 1965 im November kam Oliver auf die Welt, wir waren sehr glücklich, hieß es doch vorher, dass meine Frau keine Kinder mehr bekommen könne. Weihnachten 1965 war eine sehr kritische Zeit. Eva war schwach, hatte Lungen-Entzündung, Rippenfellentzündung und das Herz war betroffen. Wir waren sehr in Sorge! Ich betete viel. Der Arzt, der Eva im Krankenhaus behandelte, war ein junger Spanier. Ende 1965 ging er auf Urlaub nach Spanien, als er wiederkam, sagte er, er hätte nicht gedacht, meine Frau lebend wiederzusehen…

Mutter arbeitete zu dieser Zeit im gleichen Krankenhaus, in dem wir waren. Sie gab ihre Arbeit auf und kümmerte sich rührend um das Baby Oliver. Langsam wurde Eva wieder gesund und das Leben nahm den normalen Lauf. Meine Frau ist Hamburgerin und liebt diese Stadt. Immer, wenn wir nach Hamburg fuhren, schlief sie unterwegs, aber in dem Moment, als wir die Elbbrücken passierten, wachte sie auf und strahlte – mein Hamburg!“

Sie hatte eine Freundin, die mit einem Immobilienmakler befreundet war und so bekamen wir im Frühjahr eine herrliche Wohnung in der Flemingstraße in Winterhude angeboten. Altbau, 4 1/2 Zimmer, aber renovierungsbedürftig. So kam es, dass wir eine Zeitlang am Wochenende in Hamburg waren, um die Wohnung fertig zu stellen. Hier gingen wir zum ersten Mal in die Gemeinde Eppendorf, etwa 15 Minuten von uns entfernt. Mitten in der Woche klingelten wir,

Im Frühjahr des Jahres gab es eine kleine Episode, die mir klar machte, jetzt, im Nachhinein, wie Recht Präsident Hinckley hatte, als er sagte, ein Neugetaufter braucht drei Dinge – einen Freund, geistige Erlebnisse und eine Berufung. So im April oder Mai hatten wir die jährliche Gemeindekonferenz. Zu diesem Anlass waren am Tag vorher viele Beamte des Pfahles gekommen und es gab eine Schulung; alle waren dabei, nur Klaus Back nicht, denn Er hatte keine Berufung. So durfte ich die kleinen Kinder im Garten „hüten“ und war innerlich sehr traurig, weil ich nicht dazugehörte. Meine Frau hatte inzwischen schon eine Berufung als Ratgeber in der FHV zu Schwester Lieselotte Schrader – damals. eine ganze liebe, prächtige Schwester so ende fünfzig. Auch heute, wo ich in der Gemeinde nicht mehr allzu viel zu sagen habe, denke ich, es ist eine der wichtigsten Grundlagen, eine Berufung in der Kirche zu haben, denn nur dadurch kann man lernen, den Geist wirklich zu spüren und dadurch fällt es einem leichter, in der Kirche des Herrn heimisch zu werden.

Aber die erste ,,richtige“ Berufung kam. GFV (Gemeinschaftliche Fortbildungsvereinigung) hieß es damals noch und betraf die jungen Menschen im Alter der heutigen JAE’s. Wir hatten einen Abend in der Woche und es gab Themen über alles, was junge Leute interessiert oder interessieren sollte… Literatur, Opernbesprechungen, Abende mit Lieblingsschriftstellen, Theaterstücke wurden geprobt, man lud Mitglieder aus anderen Glaubensgemeinschaften ein, Kochen und, und, und, wofür ich als Leiter berufen wurde. Na – das war eine Überraschung für mich – wahrscheinlich für viele andere auch.

Was uns zu Beginn sehr geholfen hat, war die Zuwendung von etlichen Geschwistern. Es ist ja doch ein großer Unterschied zum Leben vor der Taufe. Einmal ist man schon durch den Besuch der Gemeinde an vielen Tagen in gewisser Weise eingespannt. Und der andere Lebensstil – Wort der Weisheit, am Sonntag früh aufstehen, in den Schriften lesen, Heim- und Besuchslehren, Schulungen. Wir hatten vier Pfahlkonferenzen im Jahr und freie Samstage waren nicht so häufig, weil wir im Pfahl oft Besuch von Führern der Kirche hatten. Das war gut so und wir lernten sehr viel. Aber es bedeutete eben auch eine Änderung der Lebensweise. Als meine Mutter von meiner Taufe erfuhr, erzählte sie, dass sie früher auch bei den Mormonen gewesen ist. Sie konnte Klavier spielen und war dort als Organistin tätig. Als man sie auf eine mögliche Taufe ansprach, ging sie nicht mehr hin.

Nach vielleicht anderthalb Jahren wurde ich in den Pfahl gebeten und hatte ein Interview mit dem Pfahlpräsidenten, Michael Panitsch. Ach, im Laufe der Jahre lernte ich ihn mehr und mehr kennen und mehr und mehr lieben. Er sagte mir im Laufe des Gesprächs, dass ich Ältester werden sollte im Melchisedekischen Priestertum. Nun, ich freute mich riesig, mir war auch irgendwie klar, dass das mal kommen würde. Aber das war noch nicht alles. In der Gemeinde hatte es vor nicht langer Zeit einen Bischofswechsel gegeben, Dieter Beredt hatte sich beruflich nach Berlin verändert und Dieter Menssen war neuer Bischof Und nun sagte mir Präsident Panitsch, dass ich als 2. Ratgeber berufen sei. 0h, du meine Güte, das war eigentlich mehr als ich ertragen konnte. Ich fühlte mich zu jung, zu wenig vorbereitet, zu schwach, aber natürlich nahm ich die Berufung an. Der andere Ratgeber war Bruder Reinhard Eggers und gerade zu ihm und seiner Frau entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Nicht selten luden uns die beiden ein, sonntags, nach der Versammlung, eine Kleinigkeit essen und viel erzählen. Das war gut für uns und das nahmen wir so dankbar an. Leider trennten sich die beiden guten Menschen später und Reinhard hat die Kirche sogar verlassen. Er sah zu wenig greifbaren Fortschritt in der Kirche, sagte er später. Er ist Mitglied in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und da auch tätig. Und wenn wir beschließen, dort einen Kinderspielplatz zu bauen, dann geschieht das auch, aber hier in der Kirche geht es nicht vorwärts. Ach, Reinhard, das tut mir heute noch weh, dass Du weg bist. Es ist eine Sache, Häuser, Spielplätze, Brücken zu bauen, aber es ist nicht vergleichbar damit, sich gemeinsam auf die Ewigkeit, auf ein Leben bei unserem Schöpfer, beim Vater im Himmel vorzubereiten. Glücklicherweise ist Marianne Eggers heute noch fest in der Kirche verankert und verwurzelt!

Nach vier, fünf Jahren kam Bruder Peter Berkhahn in die Gemeinde Eppendorf. Er war auf Mission in Irland gewesen und löste Bruder Menssen als Bischof ab. Man sagte uns, dass wir etwas früher in die Gemeinde kommen sollten, weil es Veränderungen geben würde. Ich brachte meine Unterlagen und Handbücher mit, gab sie Bruder Richard Fock von der Pfahlpräsidentschaft, mit dem ich ein Interview hatte. Eva und ich hatten schon Pläne gemacht, doch einmal in andere Gemeinden des Pfahles zu fahren, um die Kirche dort kennenzulernen. Ich war gerade so halbwegs dabei, mich von Bruder Fock zu verabschieden, da berief er mich als Ratgeber zu Bischof Berkhahn. Die Zeit mit Dieter Menssen war schön, die Zeit mit Peter Berkhahn war schön. Ich lernte eine Menge von beiden. Noch heute sind sie mit anderen unsere besten Freunde. Nicht lange danach machte sich Peter Berkhahn auf, nach Frankfurt zu gehen in die Verwaltung, das war wohl immer sein Ziel gewesen. 1975, am 26. Oktober wurde ich von Präsident Dietmar Matern in der Gemeinde Eppendorf zum Bischof ordiniert, der später einer meiner wenigen Freunde wurde. Gerd Amelong wurde mein Ratgeber, auch er ging später in die Verwaltung nach Frankfurt, nur Bruder Volker Diener ist noch heute in Hamburg. Das war eine große Zeit des Erlebens, es gab viel Freude, auch Kummer und Sorge, weil mich als Bischof die Verantwortung für die Menschen nie verlassen hat. Auch ist es eine Berufung, in der man am direktesten mit dem einzelnen Menschen zu tun hat, die Möglichkeit hat, durch den Herrn geführt zu werden und durch Zuhören und Gespräche inspirierte Hilfe geben kann.

In dieser Zeit gab es auch große Entwicklungen innerhalb der Kirche. Das Seminarprogramm wurde auf den Weg gebracht, zunächst nur auf Englisch, Lehrerin Ruth Menssen, eine großartige Schwester und Lehrerin. Wir hatten immer Mangel an guten Lehrern und fragten uns, was können wir tun. Da wurde der Lehrergrundkurs angeboten mit Dingen wie Klassenvorbereitung, Apperzeptionspyramide, aufzeigen, zusammenfassen, anwenden. Nie werde ich meine erste Klasse vergessen, die man mir nach wenigen Jahren übertrug. Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15, der „Schrecken jeden Lehrers“. Eine ausgebildete Lehrerin hatte das Handtuch geworfen, weinend war sie aus der Klasse gerannt und sagte: Nein, das mach ich nicht mehr mit!“ Und nun war ich der Lehrer! Einen Leitfaden in die Hand und ab in die Klasse! Die „Kinder“ saßen unter dem Tisch, auf dem Tisch, standen am Fenster, redeten durcheinander; ich hatte das Gefühl, die hören gar nicht zu! Und wenn die Klassenzeit vorüber war, da war ich froh. Aber wie sehr habe ich mich gefreut, wenn in einem Gespräch oder in einem Zeugnis der Jugendlichen Worte kamen wie, „darüber haben wir mit unserm Lehrer, Bruder Back gesprochen. Oder Bruder Back hat uns dieses oder jenes gesagt, dann wurde mir das Herz warm und ich dankte dem Vater im Himmel, dass ich durch¬gehalten hatte und er mich geführt hatte.

Welche eine Veränderung brachte das Kompaktprogramm! Waren wir vorher eingezwängt in das wöchentliche Versammlungskorsett – wir hatten gar keine Zeit zum Sündigen – wurde uns nun die Verantwortung übertragen, selbst zu handeln, selbst zu entscheiden. Jeder für sich und für die eigene Familie. Rückwirkend kann man sich das gar nicht mehr vorstellen, schließlich gingen wir sonntags am Vormittag und am Abend in die Gemeinde Diese Ver¬änderung ist ein großer Segen, weil wir auch Zeit für andere wichtige Dinge haben. Sicher ist die Ablenkung heute viel größer als vor 30 Jahren. Hunderte von Fernsehprogrammen Computer und Internet beschäftigen die Menschen mehr als ihnen gut tut. Aber auf die anderen Seiten haben wir doch die Fülle des Evangeliums, nicht nur Propheten und Tempel, sondern Zugang zu allem, was die Leiter uns vermitteln wollen. War die Übertragung einer Generalkonferenz oft nur ein „stehendes Bild“ und eine mehr als dürftige Übersetzung, können wir dank profihafter Direktübertragung wirklich unmittelbar dabei sein, und das gedruckte Wort steht uns nur wenige Wochen danach zur Verfügung. Weltweite Schulungen von kompetenter Stelle ergänzen das, wir müssen nur zuhören und es auch tun!

Noch ein Wort zum Seminarprogramm. Es wurde nach wenigen Jahren vom Sonntag weggenommen, weil die Jugend gerade in der Woche die Unterweisung braucht. Welch ein Segen für diese Generation, wenn sie die Chance am Morgenstudium nutzt. Dank fähiger Lehrerinnen und Lehrer, die sich stundenlang vorbereiten, kann die Jugend hier einen Schutzwall gegen das Böse aufbauen, der hilft, sich in dieser schwierigen Zeit rein zu halten.

Im Herbst 1950 zur Konferenz des Pfahles wurde Präsident Dietmar Matern entlassen, der neue Pfahlpräsident wurde Detlev Stüfke aus Lübeck. Sein erster Ratgeber wurde ich. Oh, das war anfangs sehr schwierig für mich. Ich liebte meine Berufung als Bischof und hatte noch so viel vor, und dann diese jähe Veränderung. Der 2. Ratgeber war Rolf Maichel aus der Gemeinde Pinneberg. Wir arbeiteten sehr gut zusammen und es war eine völlig neue Erfahrung für mich. Der Pfahl war für mich immer etwas weit Entferntes, einfach eine andere Ebene und das ist es ja nun auch. Nach einem Jahr war Präsident Süfke an Krebs erkrankt, er starb wenige Monate später, und es kam die Nachricht, dass es eine Teilung des Pfahles Hamburg geben würde und damit natürlich auch eine neue Pfahlpräsidentschaft.

Elder Robert D. Hales kam nach Hamburg und mit ihm Elder F. Enzio Busche von den Siebzigern. Beide waren in Hamburg gut bekannt, besonders Elder Busche war häufig hier gewesen. Es war eine große Spannung am Sonnabend vor der Konferenz; dann wurden die führenden Brüder aus Gemeinde und Pfahl zu Gesprächen eingeladen. Man wird gefragt, fühlen Sie sich würdig? Sind Sie bereit, jede Berufung anzunehmen? Was denken Sie, wer ein neuer Pfahlpräsident sein könnte? Die besuchenden Autoritäten wollen sich einen Überblick verschaffen, um dann inspiriert eine Entscheidung zu fällen. Elder Busche fragte mich, was ich zur neuen Aufteilung der beiden Pfähle zu sagen hätte! Im Norden das Zentrum mit Neumünster mit den Gemeinden Lübeck, Pinneberg, Rahlstedt und Langenhorn aus dem alten Hamburger Pfahl. Mein geliebtes Langenhorn! Hier hatten wir das Grundstück gesucht und das Gemeindehaus gebaut, da war schon ein Stück Herzblut drin. Und zu Hamburg kommen die Distriktsgemeinden Bremen, Bremerhaven, Oldenburg, Leer und Wilhelmshaven. Meine Güte, mir wurde wieder klar, wie groß Deutschland ist. Von Hamburg nach Leer oder Wilhelmshaven sind es fast 300 Kilometer. Ich fragte Bruder Busche ganz brav, ist denn die Aufteilung beschlossen? Und er sagte ja! Darauf erwiderte ich: „Der arme Pfahlpräsident von Hamburg, der tut mir jetzt schon leid.

Am Samstagnachmittag wurde ich gegen 14.00 Uhr zum einem weiteren Interview hereingebeten und man berief mich als Pfahlpräsident für den Pfahl Hamburg. Da war ich sprachlos! Man bat mich, bis gegen 17.00 Uhr die Namen meiner Ratgeber und der 12 Hohenräte aufzugeben, damit die Brüder die Gespräche führen könnten, denn am nächsten Tag musste alles klar sein. Ich sprach mit meiner Frau und eine Minute lang sagte keiner ein Wort am Telefon. Ich habe ein wenig geweint. Dann ging ich im Garten des Pfahlhauses auf und ab, dachte darüber nach, wen mir der Herr zur Seite stellen sollte. Ich kam mir sehr, sehr einsam vor und wusste, dass sich mein Leben und das Leben meiner Familie sehr ändern würden, Angst hatte ich keine, aber mir war klar, dass ich einen sehr hohen Berg vor mir haben würde. Aber mir war auch klar, dass ich nicht allein war. Ich habe eine liebe, treue Gefährtin und ich habe den Vater im Himmel – was kann da schon geschehen?

Es war eine riesengroße Menschenmenge. Aus beiden Distrikten kamen sie. Es waren mehr als 1350 Menschen anwesend. Wir hatten eine Übertragunganlage im Keller und ich durfte die Versammlung leiten. Als die Namen der Pfahlpräsidenten zur Bestätigung vorgelegt wurden – Präsident Karl-Heinz Danklefsen wurde Präsident des Pfahles Neumünster – war absolut still, dann ging ein Raunen durch die Reihen. Meine beiden Ratgeber waren Präsident Dietrich Behl aus Bremen und Uwe Drews aus Hamburg, ein junger Mann von etwa 30 Jahren aus Lüneburg. Ich hatte so erfahrene Brüder wie Werner Rutz, Rolf Glück oder Günter Metzig als Hohenräte gewählt. Die Einsetzung nach der Versammlung war recht kurz und dennoch feierlich In meinem Segen sagte Elder Hales, dass der Satan versuchen würde, meinen Namen in ein schlechtes Licht zu rücken, das beängstigte mich dann doch ein klein wenig. Aber mir war auch immer wieder klar, mit dem Herrn an meiner Seite bin ich dem Satan haushoch überlegen!

Ich hatte mir Bruder Michael Panitsch als Führungssekretär ausgewählt, weil ich seine Hilfe und Erfahrung brauchte. Rührend war es, als die beiden Brüder, Elder Hales und Elder Busche sich verabschiedeten. Aus vielen eigenen Erfahrungen und durch Umorganisation in etlichen anderen Pfählen der Welt wissen sie um die Schwere eines solchen Amtes, aber auch, dass man dem Herrn sehr nahe ist in einer solchen Aufgabe. Ich werde das Bild nie vergessen, als sie den Hohenratsraum durch die Tür zum Pfahlpräsidentenzimmer verließen, sie winkten uns kurz zu, ich wollte sie am liebsten zurückhalten, aber natürlich geht das nicht. Von nun an war ich verantwortlich für die Mitglieder von Hamburg bis Lüneburg und bis zur holländi¬schen Grenze und im Norden bis an die Nordsee.

Meine Zeit als Verantwortlicher dieses Gebietes dauerte ungefähr achteinhalb Jahre. Ich bin viel gereist in dieser Zeit, an manchen Wochenenden war ich sogar in zwei Gemeinden, weil das aufgrund der großen Entfernung von Hamburg durch den Besuch zweier entfernter Gemeinden mir auch Zeit ersparte. Wie viele gute und treue Heilige habe ich kennenlernen dürfen. Oft war meine Frau mit und sie sprach mit den Schwestern und so hatte ich ein gutes Echo, wie die Stimmung in den einzelnen Gemeinden war. Über eine so lange Zeit sieht man, wie aus PV-Kindern, Junge-Damen und Junge-Männer werden, oder aus diesen Älteste, Missionare, Ehemänner- und Ehefrauen. Wir hatten großartige Fahrten mit den JAE’s in Schweden mit dem Paddelboot, die meisten der Teilnehmer gingen später auf Mission. Noch heute, wenn man einen Ehemaligen wieder trifft, scheint ein besonderes Erinnern aufzukeimen, man denkt an das, was man gemeinsam erlebt hat. Große geistige Erlebnisse waren für mich immer die Einsetzungen im Rahmen von Berufungen. Das sich auf den Geist konzentrieren fordert viel Kraft ab und die Einsetzung ist schließlich der Beginn einer neuen Zeit für jeden, der berufen wird. Darum ist es immer etwas Einmaliges für diesen Menschen Das gilt besonders für die Brüder, wenn das Priestertum übertragen wird, aber auch für die Schwestern.

Die Erlebnisse in diesem Zeitraum aufzuschreiben, sprengt den Rahmen dieser Aufzeichnung. Gleich zu Anfang hatten wir ein großes Chorkonzert in der Hamburger Musikhalle geplant. Mir kam der Gedanke den großen Saal zu mieten, der bald 2000 Zuhörer fasst. Es wurde geplant, geworben, geübt, die Teilnehmer kamen aus allen Gemeinden und Sänger auch aus dem Pfahl Düsseldorf Es war ein Riesenerfolg, unglaublich, überwältigend. zu dieser ganz außergewöhnlichen Veranstaltung kamen auch viele Nichtmitglieder und so war die Freude bei allen groß, bei den Künstlern und auch bei den Zuhörern. Wenn man sich überlegt, dass die Sängerinnen und Sänger zu den Proben aus fast allen Gemeinden nach Hamburg gereist sind, staunt man über die Bereitschaft und Einigkeit, etwas Großes zustande zu bringen.

Wie erwähnt, ist die Fläche des damaligen Pfahles Hamburg beträchtlich gewesen. Und viele der Mitglieder kannten sich untereinander nicht; wer war schon aus Leer in der Gemeinde Hamburg gewesen und aus der Gemeinde Altona, sicher niemand in Wilhelmshaven. Aus diesem Grunde sorgte ich dafür, dass wir eine Zeitung ins Leben gerufen haben – den „Pfahlmonat“. Hier wurden geistige Gedanken vermittelt, Botschaften von Konferenzen, viele Mitglieder „steckbrieflich“ aus allen Gemeinden vorgestellt, auch kleine lustige Geschichten und „Mormonenwitze“ gab es und alle Vollzeitmissionare/innen wurden erwähnt. Diese Zeitung machte eine Menge Arbeit, Computer hatten wir leider noch nicht und der größte Luxus war eine elektrische Schreibmaschine. Und so haben wir bei uns zuhause in stundenlanger Arbeit geschrieben, geklebt, korrigiert bis das Werk mit Hilfe vieler treuer, fleißiger Geschwister zum Ende eines jeden Monats fertig war und gedruckt werden konnte. Anschließend kamen die Exemplare in alle Gemeinden und wurden dort verteilt. Noch heute macht es mir Freude und bringt Erinnerungen hoch, wenn ich die alten „Pfahlmonate“ einmal durchblättere!

Im Jahr 1985 war für die Pfähle Berlin, Hamburg, Hannover und Neumünster eine Regionskonferenz geplant und der Regionalrepresentant Elder Klaus F. Hasse übertrug unserem Pfahl die gesamte Planung, also war ich verantwortlich. Wir fanden mit der Alsterdorfer Sporthalle einen sehr guten Ort für eine solch besondere Veranstaltung. Es wurde viel nachgedacht, diskutiert, wir besorgten die 12 roten Sessel der Senatoren aus dem Hamburger Rathaus, Flügel, Orgel, Blumenschmuck , Organisation der Parkplätze, Platzanweiser/innen, die Unter¬bringung vieler auswärtiger Besucher, es war viel zu tun.

Für den Eröffnungsteil hatten wir ein Rahmenprogramm mit Musik, literarischen Darbietungen und Unterhaltung zusammenge¬stellt, das sich wirklich sehen lassen konnte. Bei dieser Gelegenheit habe ich eine Erfahrung gemacht, die mich seitdem begleitet. Die beiden Besucher Elder Joseph B. Wirthlin und Elder Thomas S. Monson waren in einem Hotel untergebracht, herrlich, mit Blick auf die Außenalster. Dann war ein Essen geplant für die Pfahlpräsidenten mit ihren Frauen und die Generalautoritäten. Meine Frau und ich ließen ein Essen zusammenstellen, das für Hamburg typisch war und wir wollten das probieren. Also gingen wir in das Hotel, wo auch die Zimmer reserviert waren, und trugen unsere Absicht vor. Wir erwähnten auch, dass wir Speisen und Getränke ohne Alkohol haben wollten. So weit, so gut. Die Vorsuppe kam, Krabbensuppe, sehr lecker, das Hauptgericht mit Fisch und einer ganz ausgezeichneten Soße und zum Abschluss die weltbekannte Hamburger „Rote Grütze“, auch gut, nein, sehr gut. Die Sache hatte nur einen Haken, auf Nachfrage beim Oberkellner gaben sie zu, dass alle Gerichte mit Alkohol verfeinert waren, was wir auch mehr oder weniger deutlich geschmeckt hatten. Ich wage mir auch heute noch nicht vorzustellen, was Elder Monson wohl gedacht oder gesagt hätte über den Pfahlpräsidenten aus Hamburg, der das Essen mit Cognac und Rum verfeinern -lässt. Die Lehre für mich – „ probieren geht über studieren“, ein altes deutsches Sprichwort, Vertrauen ist (oft) gut, aber Kontrolle ist besser. Die Konferenz war wunderbar. Es waren um die 2500 Menschen da. Nach der Konferenz hatten wir eine Auswertung mit den beiden Generalautoritäten. Es war alles gut verlaufen, Elder Monson war sehr zufrieden. Nach dem Gespräch ordnete ich meine Papiere auf dein Tisch, Da lag ein kleiner Notizzettel, den ich nicht mehr brauchte, ich knüllte ihn zusammen und beförderte ihn in den vielleicht zwei Meter entfernt stehenden Papierkorb und traf auch. Das sah Elder Monson, tat das Gleiche, aber er traf nicht. Ich nahm den nächsten Zettel und traf – er traf wieder nicht und nach dem dritten Fehlversuch, da gab er auf und wir mussten alle lachen!

Mehr als zehn Jahre später, ich war mit meiner Frau bei der Weihung des Gemeindehauses in Görlitz, war Präsident Thomas S. Monson als Besucher dort, denn wir wissen, dass er immer ein Herz für die Heiligen im Osten hatte. Er hatte natürlich die Schlussansprache und nahm die heilige Handlung vor. Danach gab es ein kleines Zusammensein mit den örtlichen Führern, auch Elder Dieter F. Uchtdorf war dabei. Präsident Monson schaute mich etwas länger an, dann sagte er, „You were the driver!“ Recht hatte er, damals hatte ich für die Fahrten mit den Generalautoritäten bei der 1985er Konferenz einen Mercedes besorgt und er hat sich daran erinnert. Ich erinnere mich daran, dass ich beim Empfang der Brüder einen Blumenstrauß besorgt hatte, weil ich der Meinung war, dass Sister Monson mitkommen würde. Also gab ich Elder Monson die Blumen, er stutzte, lachte und sagte, noch nie habe ich Blumen bekommen in meinem Leben, nahm den Strauß und beförderte ihn auf die Ablage des Autos. Dann versuchte er, im Mercedes hinten Platz zu nehmen, die Knie waren fast unter dem Kinn und ich dachte: „Hättest du doch nur einen etwas bequemeren Wagen genommen…“

Wir hatten viele großartige Pfahlkonferenzen mit Elder George P. Lee von den Siebzigern, Elder Ringger nannte ihn den „Indianer“, mit Elder William Grant Bangartner. Apostel Neal A. Maxwell war zweimal zu Gast und gab Firesides. Durch Zusammensein mit den Führern der Kirche konnten wir alle viel lernen. Für mich war es immer wieder so wohltuend zu erleben, wie demütig und liebevoll diese Männer sind. Nie hatte man das Gefühl, dass sie unzufrieden waren mit unserem Einsatz als Diener des Herrn, immer hatten sie ein gutes Wort oder ein Lob für unsere Arbeit, obwohl ich selbst wusste, dass ich bei allem Einsatz sicher hätte mehr tun können. Ich liebe die Brüder, die uns helfen und die dem Herrn an ganz besonderer Stelle dienen. Jedes Jahr flog ich zur Generalkonferenz nach Salt Lake, etliche Male war meine Frau dabei. Und immer war es ein großes Erlebnis.

Einmal gingen Präsident Danklefsen vom Pfahl Neumünster und ich in das Büro von Präsident Ezra Taft Benson – wir wollten unseren Präsidenten sehen. Vorbei an der Sekretärin betraten wir sein Zimmer. Er blickte auf und strahlte uns an. Er war dennoch etwas ungehalten. Er las gerade in einer Zeitung aus Salt Lake und die Überschrift lautete „Präsident Benson ist gegen das Jagen“ „Das stimmt nicht“, sagte er, „ich bin nur gegen das unnötige Töten von Tieren als Sport“. Dann hatten wir ein kleines Gespräch und seine Sekretärin machte ein Foto, Präsident Benson in der Mitte, links und rechts die beiden Pfahlpräsidenten aus dem Norden Deutschlands. Wir erzählten von Bruder Panitsch, da strahlte er wieder.

Ein außergewöhnliches Erlebnis war die Einsetzung von Michael Panitsch zum Patriarchen des Pfahles Hamburg. Schon etliche Jahre vorher war Mary, seine gute, liebevolle Gefährtin in die andere Welt gegangen und Bruder Panitsch vermisste sie so sehr. Die besuchende Autorität gab mir die Möglichkeit, Bruder Panitsch die Hände aufzulegen und uns beiden schien es, als ob seine Frau unter uns war. Sie blickte mit Freude auf das, was hier geschah. Viele Jahre diente dieser gute Freund und Bruder. Er sagte bei meiner Einsetzung als Präsident des Pfahles Hamburg: „Jetzt hast du viele Freunde, wer nach deiner Entlassung noch dein Freund ist, das ist ein wahrer Freund.“

Es war wohl 1990 im Februar, meine spätere Schwiegertochter Ann Christin Wendt flog nach Salt Lake City, um sich auf ihre Vollzeitmission vorzubereiten. Es war sehr stürmisch und ich hatte das Gefühl, bleib zuhause. Dann, kurz vor 7.00 Uhr, kam ein Anruf von Präsident Ringger, Gebietspräsident, also mein Chef „Aha“, dachte ich „gut, dass ich da bin, wahrscheinlich hat er einige Anweisungen für die im Mai bevorstehende Pfahlkonferenz.“ Nach einigen persönlichen Worten sagte er: „Präsident Back, ich habe die Erlaubnis der Ersten Präsidentschaft und berufe Sie hiermit zum Regionalrepräsentanten! Sind Sie bereit?“ Natürlich war ich bereit und er teilte mir weiter mit, dass die Pfahlkonferenz um sechs Wochen vorverlegt wird und ich solle alles vorbereiten. Nun wusste ich auch, warum ich nicht mit zum Flughafen gefahren war.

Zunächst war ich zuständig für die Pfähle Dortmund, Düsseldorf; Frankfurt und Mannheim. Ich war etwas beunruhigt, gerade Frankfurt, wo so viele besondere Brüder sind, wo ich aber auch viele kenne. Bei meinem ersten Besuch anlässlich einer Priestertumsversammlung sah ich Bruder Immo Luschin, den ich gern mochte und noch gut in Erinnerung hatte, als er Tempelpräsident in der Schweiz war. Er war in dieser Berufung so engagiert und hatte den Auftrag von der Ersten Präsidentschaft, den Tempel zu einem Haus der Belehrung zu machen. Und wir haben in dieser Zeit so unendlich viel über den Tempel gelernt. Er war immer sehr eifrig und wir hatten mittags kaum Zeit, unsere Malzeit zu genießen, besonders das Schweizer Brot und einen speziellen Tee, dann stand er schon in der Tür und bat zur Arbeit. Einmal, da rannte er die Treppe etwas zu schnell nach oben hoch, und verletzte sich an der Achillesverse. Ich stand ihm gerade im Weg und er griff nach mir, zusammen mit Präsident Simond, seinem Ratgeber, bat er um einen Krankensegen. Ich war völlig nervös, hatte noch nie einen Krankensegen gegeben, wusste auch gar nicht, wie ich ihn ansprechen sollte. Das spürte er wohl und ermunterte mich, einfach Bruder Immo Luschin zu sagen und das tat ich dann, das war wohl 1971, schon lange her, aber unvergessen. Seine Verletzung erklärte er damit, dass der Herr ihn zu etwas weniger Eile ermahnt habe. Dieser Bruder Luschin kam auf mich zu, drückte mir fest die Hand und sagte: Elder Back, ich bin froh, dass Sie unser Regionalrepräsentant sind!“ Von diesem Moment an war ich nicht mehr beunruhigt.

In dieser Zeit bin ich viel gereist, geflogen, mit der Bahn, mit dem Auto. Es war teilweise sehr anstrengend. Manchmal ging es schon freitags los und ich kam erst am späten Sonntag-abend zurück, aber es war eine wunderbare Zeit. Viele Zusammenkünfte mit den führenden Brüdern aus ganz Europa – Schulungen, Konferenzen. Einmal hatten wir eine Schulung mit Elder Dallin H. Oaks vom Rat der Zwölf. Nach Ende der offiziellen Zeit saßen wir noch zusammen, er hatte einen leichten Pullover angezogen und erzählte viel. Ich hatte meine Heimreise vorbereitet und betrat nochmals den Raum, um mich zu verabschieden. Von weitem hörte ich ihn schon lachen, er konnte so herrlich fröhlich sein. Ich kündigte meine Abreise an, da sprang er auf, drückte mich und war so herzlich, dabei aber völlig ernst und dankte für meine Arbeit, dass ich richtig gerührt war. So sind Sie, unsere Apostel!

Es gab Pfahlumorganisationen; in Frankfurt fanden am Freitag ab 15.00 Uhr Gespräche mit den Bischöfen und Hohen Räten statt, um eine neue Pfahlpräsidentschaft zu berufen. Wir hatten ungefähr 40 Interviews, Präsident Ringger, sein Ratgeber Präsident Neuenschwander und ich. Das ist schwere geistige Arbeit, als alle Gespräche vorüber waren, es war sicher schon nach 20,00 Uhr, sagte Präsident Ringger: „So, jetzt gehen wir heim. Denken Sie nach und beten Sie, wir treffen uns morgen gegen 10.00 Uhr, dann sprechen wir über die neue Pfahlpräsidentschaft!“ So geschah es, wir kamen zusammen, beteten noch einmal und dann gab jeder die drei Namen bekannt – wir alle hatten das Gleiche aufgeschrieben, Pfahlpräsident Dieter Sperling. 1. Ratgeber Bruder von Selchow, 2. Ratgeber, den habe ich vergessen, aber ich sehe ihn noch heute vor mir. So waren wir alle drei in gleicherweise inspiriert – so arbeitet der Herr. Als in Mannheim ein neuer Pfahlpräsident berufen wurde, war Präsident Dennis B. Neuenschwander sehr aufgeregt, weil es seine erste Amtshandlung dieser Art war. Aber ich machte ihm Mut, weil ich das ja alles schon selbst erlebt hatte. Im Verlaufe meiner Aufgaben war ich auch eine kurze Zeit für die deutschsprachige Schweiz zuständig. Als ich bei meinem ersten Besuch mit dem Flugzeug über Zürich war, dachte ich an unsere Verantwortung für alle Menschen, die dort unter mir leben. Der Missionspräsident holte mich ab, den Namen habe ich auch vergessen. Wir sprachen über seine Arbeit, über unsere Verantwortung dem Herrn gegenüber. Er fuhr den Wagen rechts an die Seite und erzählte mir, dass es bis zu diesem Zeitpunkt — es war April — noch keine Taufe gegeben hat. „Elder Back“, sagte er mit Tränen in den Augen, was soll ich meinen Missionaren denn bloß sagen?“… Ich war erschüttert und tief berührt. Später wurde Bruder Neuenschwander Gebietspräsident. Ich bekam als Aufgabe noch die Betreuung der Pfadfinderabeit dazu. Dann, es muss 1994 gewesen, gab es eine Regierungskonferenz für meine Region. Ich hatte die Aufgabe, das zu planen. In Hanau war schon die Halle gemietet, aber dann fing die Arbeit natürlich wieder an. Ich hatte den Vorteil, durch die Hamburger Konferenz gelernt zu haben. Nun suchte ich mir etliche Brüder aus der Region und bildete ein Komitee und konnte so alles delegieren, was natürlich von Hamburg aus schwierig war, also musste ich oft in die Region fahren und dort meine Arbeit Vorort tun. Und natürlich kam wieder der Grundsatz der Kontrolle zur Anwendung, denn schließlich hatte ich die Verantwortung für diese Konferenz und musste der Gebietspräsidentschaft Bericht erstatten. Es gibt wie für vieles in der Kirche Handbücher, auch für die Planung und Durchführung von Regionalkonferenzen. Da gibt es Bereiche wie Sicherheit und Betreuung der besuchenden Generalautoritäten. Na ja, das bringt mich noch heute zum Schmunzeln. Habe ich in Hamburg persönlich für Obst, Getränke, Blumen und für ein Erinnerungsgeschenk gesorgt und habe das selbst aufs Zimmer gebracht. Im 5-Sterne-Hotel in Frankfurt ¬durfte ich die Suite nicht einmal betreten.

Nun, wir sind hier im Norden wohl doch etwas cooler. Es gibt da wirklich viel zu tun. Für die Ehefrauen gab es eine Sight¬seeing-Tour. Dann kam der Moment, dass Präsident Gordon B. Hinckley erwartet wurde. Er wurde von den Sicherheitsbeamten aus Amerika vom Flughafen ins Versammlungshaus gebracht. Alles war vorbereitet, leckeres Essen, Obst, Getränke, Kuchen. Die Schwestern der FHV hatten ganze Arbeit geleistet! Dann war er da; ich ging Präsident Hinckley entgegen, er sah müde aus, erschöpft und ich fragte mit der ganzen Begeisterung eines Regionalrepräsentanten, der bereit ist, für einen der Propheten wirklich alles tun; „Präsident Hinckley, herzlich willkommen, ich freue mich, dass Sie da sind und was kann ich für Sie tun?“ Na, und was sagte er? „Elder Back, ich möchte ein Glas Wasser!“ Ich flitzte los und holte es ihm und er trank es in einem Zug leer. Die Konferenz verlief reibungslos, es war einfach gut. Ich hatte Junge Damen berufen, die einen farbigen Schal um den Hals hatten und beauftragt waren, die Mitglieder auf ihre Plätze zu führen und bereit zu sein, wenn immer jemand Hilfe benötigt. Mit jeder dieser Mädels hatte ich persönlich gesprochen und sie waren bereit zu tun, was erwartet wurde und sie waren prima. Ich saß vorn direkt neben Präsident Hinckley, neben mir meine Frau. Vorher war die Beleuchtung nochmals geprüft worden, die Mikrofonanlage, ich hatte die Chormitglieder noch einmal ermuntert, den Ordnungsdienst außerhalb der Halle, Erste-Hilfe-Raum, es fehlte an nichts – die Versammlung konnte beginnen.

Fabian, den Namen habe ich vergessen, ging auf Mission. Das ist immer gerade für eine kleine Gemeinde ein Höhepunkt! Wenngleich durch seinen Weggang auch zwei Hände weniger da sind, die sonst fleißig angepackt haben. Im Sommer hatten wir anlässlich der 150-Jahrfeier einen Marsch durch die Stadt Rendsburg organisiert mit Pferd und Planwagen, das machte allen Freude, war sehr vorbereitungsintensiv, aber kam auch bei der Bevölkerung gut an. In der Gemeinde gab es einen Bruder, der selbst schon lange in der Kirche ist, seine beiden Kinder auch, aber die Frau war recht widerstandfähig gegen jahrelange Belehrungen. Ich führte ein langes Gespräch mit ihr und hatte das Gefühl, ihr sagen zu müssen, Sie sollte endlich getauft werden._ Wir waren beide über diese Aussage erstaunt, aber so arbeitet der Geist. Nicht viel später wurde sie getauft und ist heute noch dabei.

Danach war ich einige Monate als Hoherrat im Pfahl Neumünster berufen, bis wir aufgrund des Neubaus wieder zurück nach Hamburg zogen. Unser zweiter Sohn Oliver hatte ein Grundstück im Stadtteil Stellingen gefunden und so bauten wir jeder eine Doppelhaushälfte. Knapp fünf Jahre hatten wir bei den Kindern in Nahe gelebt, nun gefiel es uns wieder zurück in Hamburg zu sein. Der Weg täglich von Nahe zur Arbeit in die Firma, eine Stunde hin, eine Stunde zurück, das konnte ich nicht mehr bringen. Und so konnten wir Ann Christins und Olivers vier Kinder mit aufwachsen sehen.

Noch einmal war ich für vier Jahre Bischof in der Gemeinde Hamburg. Bischof zu sein, das ist immer eine großartige Aufgabe mit den vielen Gesprächen, Erlebnissen und auch Herausforderungen. Problematisch war die Situation, weil wir wenig Priestertum hatten. So musste ich eine Zeit mit einem Ratgeber auskommen, bis Elder Wolfgang Paul aus Frank¬furt das bemerkte. In dieser Zeit durfte ich Dagmar Appelt auf Mission berufen; sie diente so wie viele deutsche Mädchen lange auf dem Tempelplatz. Auch hier war die Berufung ein geistiges Erlebnis für uns beide. Heute ist sie verheiratet, mit einem ehemaligen Missionar und gerade ist das erste Kind geboren worden.

Gleich zu Beginn meiner Bischofsberufung wurde ich sehr krank. Am 21. Dezember 99 fühlte ich mich schlapp, müde, erschöpft, schob es auf die Vorbereitungen für die Weih-nachtszeit, aber als ich Schmerzen im Bauch bekam, fuhr ich mit fast letzter Kraft vom Einkaufen mit meiner Frau ins Krankenhaus. Und man stellte einen Hinterwandinfarkt fest! Ich konnte es nicht glauben. Intensivstation! Nachts schlug ich die Augen auf, wo war ich? Gedämpftes Licht, Apparate summten und zwei Gestalten in grüner Kleidung schienen zu schweben; also habe ich es doch nicht mehr geschafft, war mein erster Gedanke. So ist das also in der anderen Welt. Dann hörte ich Stimmen, mein Sohn Oliver und der Pfahlpräsident Michael Warncke waren gekommen, um mir einen Segen zu geben.

Nach Ende der Bischofszeit wurde ich GML (Gemeinde-Missions-Leiter), eine der schönsten Aufgaben, Gespräche mit Untersuchern, Klassenzeiten, in denen man die Neugier und das Interesse der Freunde der Kirche stillen kann. Und auch taufen!

Im Pfahl Hamburg wurde das Outreach-Center aufgebaut. Elder Carl Webb und seine Frau machten die ersten Planungen und dann wurde ich mit meiner Frau als Leitungsehepaar berufen. Es ist immer besonders erfreulich, wenn man zusammen mit dem Ehepartner arbeiten kann. Der offizielle Titel „Institutsdirektor“, so etwas hatten wir auch noch nicht. Der Gedanke dieser Einrichtung mit wöchentlichen Klassen über religiöse Themen, Missions- und Ehevorbereitungsseminaren ist, dass die JAE‘ s besser für die Zukunft ausgerüstet werden und das Dienen lernen! So war es unsere Aufgabe, den geistigen Rahmen zu schaffen, man sprach auch von einer neuen geistigen Heimat für die jungen Menschen. Warum es allerdings „Outreach-Center“ heißt, konnte uns bisher niemand verständlich erklären, so ist und bleibt es für meine Frau und mich immer das Religions-Institut des Pfahles Hamburg.

Nun bin ich seit längerer Zeit Gruppenleiter der Hohenpriester. Meine Frau und ich sind jetzt schon sehr lange in der Kirche des Herrn und wir sind dankbar für die vielen Erlebnisse, Erfahrungen und alles, was das Zusammenleben mit den Heiligen so bringt. Noch einmal möchte ich betonen, wie liebevoll, einfühlsam und vorbildlich die Führer sich verhalten. Die Begegnungen mit Präsident Hinckley, mit Apostel Russell M Nelson sind eingebrannt in unser Herz. Als Pfahlpräsident hatte ich so treue Mitarbeiter und spürte die Unterstützung, besonders der Schwestern. Ein besonderes Treffen im Tem¬pel von Friedrichsdorf mit Präsident Monson in meiner Zeit als Regionalrepräsentant wird unvergessen bleiben, hat unser Zeugnis „zementiert“. Und die Berührungen durch den Heiligen Geist, das Wissen von der Existenz Gottes und seines Sohnes, das sind Grund¬lagen, die auch die Gegensätze des Lebens leichter ertragen lassen. Traurigkeit, Enttäuschung, Krankheit – das gehört mit dazu. Wir sind dankbar für beide Söhne, für die Enkel, für die Schwiegertöchter – so wird die Familie größer und wir haben die Hoffnung, mit allen zusammen eines Tages beim Vater zu sein.