Zollerndorf, Ostpreußen
Ich heiße Traute Helga Balzer, geborene Czepluch. Ich bin am 11. Juni 1930 in Zollerndorf, Ostpreußen geboren, Mein Vater heißt Fritz Czepluch und meine Mutter Ida Czepluch, geborene Hartwich. Ich habe die Kirche kennengelernt durch meine Mutter, Ida Czepluch, die ist schon 1924 getauft, durch Missionare von Berlin. Wir waren weit von der Kirche entfernt. Da war nicht oft Gelegenheit zur Kirche zu gehen, aber wir gingen, wenn es möglich war. Ich habe im Buch Mormon gelesen, aber ich war nicht so richtig überzeugt. Ich kam richtig durch die wunderbaren Lieder zur Kirche. Wenn ich zu Fuß ging, zehn Kilometer nach Selbongen, das war 1946-47, musste ich durch einen Wald, der zwei Kilometer war. Wie Kinder so Angst haben vom Wald und von wilden Tieren, da habe ich immer laut gesungen. „Herr gib mit Weisheit“ und dann noch ein Lied. Da habe ich immer laut gesungen, auf einmal war ich schon zu Hause.
Nach dem Krieg am 10. November 1946 ließ ich mich taufen. Mein Vater war Protestant, er hatte nichts dagegen, aber wir waren auch von der Gemeinde wenig besucht. Da war in Masuren starker Frost und als wir zur Taufe gingen, in einem kleinen Wäldchen, schon auf der polnischen Zeit, da war schon so eine kleine Eisfläche im Wasser. Da waren wir sieben Täuflinge. Der Zweigpräsident Adolf Kruska, der ging ins Wasser und wir eines nach dem andern. Die Diakone, die haben Holz zusammen gesammelt vom Wald und haben ein kleines Feuer gemacht. Und als wir aus dem Wasser kamen haben uns die Mitglieder mit der Decke bedeckt und wir konnten uns am Lagerfeuer schnell anziehen. Dann gingen wir ins Gemeindehaus, die Frau vom Zweigpräsidenten hat Kaffee und Butterbrot mit Marmelade gemacht, trotzdem dass alles knapp war. Dann gingen wir in die Gemeinde und wir wurden konfirmiert. Seit der Zeit bin ich eifrig gegangen.
Ich musste damals schon arbeiten mit sechzehn Jahren, weil der Vater kam nicht vom Krieg zurück, ich hatte keinen Bruder und da war es schon schwer in die Kirche zu gehen. Wir sind mit einem Fahrrad nach Selbongen gefahren. Dann habe ich meinen Mann bei der Arbeit kennengelernt. Da war ich siebzehn, achtzehn Jahre alt. Da versuchten wir von der Heimat nach dem Westen zu fliehen. Aber da hat uns jemand verraten. Da kamen wir zur Polizeiwache. Dann wollten zur Schwester Herta nach Niederschlesien, aber das ist uns nicht gelungen. Aber nach einigen Jahren haben wir noch einmal versucht. Aber wir kamen nur bis zu seiner Schwester [in Schlesien] und weiter ging es nicht. Da habe ich geheiratet, dann kamen die Kinder. Aber mir gefiel es da nicht so, weil ich da die Kirche nicht hatte. Wir waren vier Jahre in Schlesien, dann kamen wir wieder zu meiner Mutter nach Nikolaiken, da in der Nähe von der Kirche in Selbongen.
Die Mutter war eine geborene Ida Hartwich, ihre Eltern waren Mitglieder: Christoph Hartwich und die Großmutter hieß Auguste Banik. Ich durfte als Kind immer zu den Großeltern zum Osterfest fahren. Da kann ich mich noch erinnern. Die Großmutter hat sich angezogen: „So und jetzt gehen wir beide zur Sonntagsschule nach Klein Jauer“. Meine Mutter ist von Groß Jauer und da ging sie über die Brücke nach Klein Jauer. Die hatten bei Mitgliedern Versammlung gehabt. Nach Selbongen gingen die alten Leute nicht. Da ging ich immer mit zu den Feiertagen. Da waren schon ein ganzes Teil Mitglieder. Der Opa, der kam da nicht mit. Aber die Oma und die Schwester. Acht oder zehn Leute können es gewesen sein. Ich weiß jemand hat Klavier gespielt.
Meine Kindheit verlief nicht besonders. Es war Kriegszeit. Vater ging zur Wehrmacht 1939, da war ich schon eingeschult. Mein Vater kam 1943/44 nicht zurück. Mutter hat ihn gesucht. Da bekam die Mutter von Berlin die Anzeige, dass er vermisst ist. Und 1945 mussten wir flüchten. Von der Flucht sollten wir zu dem großen Schiff, zu der Gustloff. Da war Stopp, denn da wurde schon bombardiert. Wir waren untergekommen in einer Aula in Korschen. Da ging es nicht mehr weiter. Wir wollten zu Fuß gehen, mit dem Handschlitten. Meine Mutter packte jemand an der Schulter: „Ida wohin wollt Ihr“. Das war der Bruder Fritz Stank als Soldat: „Wohin wollt ihr mit den kleinen Kindern gehen. Geht zurück in ein Haus, der Russe wird euch auch nichts machen, Ihr müsst das machen“.
Drei Tage 1945, wie der Russe nach Ostpreußen kam, da hatten sie einen Befehl, drei Tage werden sie alles erschießen. Und sie haben auch erschossen. Nur von unserem Dorf, die Jungen sind alle geflüchtet nur die Älteren blieben zurück , alle haben sie erschossen, bis sie zu dem Punkt kamen, wo die Familien mit Kindern waren, da haben sie stopp gemacht. Ich nehme das den Russen gar nicht übel, die haben ja so Schlimmes auch erlebt, wenn sie jetzt zurück geschlagen haben.
Die Herrin von dem Haus wo meine Mutter war, eine Deutsche, die hatte eine Roten-Kreuz Uniform mit der Binde Hakenkreuz. Meine Mutter hat gesagt: „Liebe Frau ziehen Sie sich aus, wir haben Schwierigkeiten, der Russe ist ja schon hier“! „Ach, lassen Sie diese Sachen, ich werde Sie vor das Kriegsgericht bringen und dies und das“. Die Tür reißen sie auf und drei Russen in Weiß getarnt mit großen Kerzen. Die haben von der nahen Kirche die Kerzen von der Kirche und das kleine Mädchen die ging einfach zu den Russen und sagte Soldat und Soldat. Das waren die ersten Russen. Die zweiten Russen, die kamen, die haben uns alle hinaus an die Wand gestellt, um uns zu erschießen. Aber die Russen sind kinderfreundlich. Die haben so viel Kinder gesehen und dahaben sie gesagt, es sollen alle wieder hineingehen. Die Frau in der Uniform, die haben sie zuerst erschossen. Und bei den Nachbarn, ein Ehepaar, das haben sie auch erschossen. Wenn man die Zimmer abgeschlossen hat oder so, die haben sie erschossen.
Bei uns im Dorf, das war ein schönes Dorf, ein langes, großes Dorf, bei einem Bauernhof, da waren sechzehn Leichen. Die Russen waren weg und da mussten unsere Leute die alle begraben. Sechzehn in einem Raum. Familien mit Kindern haben sie nicht erschossen. Wenn Polen, die dort gearbeitet haben schlecht behandelt wurden, die wurden erschossen. Da waren drei Familien mit drei und vier Kindern, die haben sie nicht erschossen. Nebenan haben sie doch die Menschen erschossen
Da waren wir unter russischer Besatzung: die haben viele erschossen. 1945 Anfang Februar haben die Sowjetsoldaten alle arbeitsfähigen Männer und Frauen gesammelt zum Transport nach Sibirien. Die Schwester von meinem Mann blieb auch fünf Jahre in Sibirien. Da blieb ich mit meiner Schwester alleine unter fremden Menschen. Ich war damals noch gar nicht fünfzehn Jahre alt. Meine Mutter hatte das Glück kam nach fünf, sechs Monaten aus der Gefangenschaft. Meine Mutter war in der Nähstube bei den Russen in Ostpreußen. Sie hat auch für die russischen Offiziere gewaschen. Ich war damals vierzehn Jahre, im fünfzehnten Jahr, da kam ein russischer Offizier und zeigt mir einen Bergweiße Teile vom Kragen und sagt mir ich soll waschen. Ich sage, ich kann nicht waschen. Da nahm er die Mütze und schlug mir ins Gesicht und sagt: „Du wirst waschen“. Eine andere deutsche Frau sagte: „Sag nichts, er ist wütend, sonst greift er an die Pistole .Tu das“. Es war ja noch Krieg. Das war im Februar, im Mai war erst die Kapitulation. „Gut“ sag ich „ich wasche“ mit einem Stück Riegelseife. Ich habe Blasen an den Händen bekommen, aber die anderen haben mir geholfen. Ja und in dieser Zeit waren wir unter fremden Menschen mit meiner Schwester. Dann haben sich 1945 im Juni mehrere Familien zusammengesetzt und haben gesagt: „Wir gehen nach Hause“.
Damals waren wir in Korschen. Und dann gingen wir zurück nach Zollerndorf, da bin ich geboren. Dann wieder arbeiten. Dann kamen wir nach unserem Haus, es war alles zusammengestellt. Aber von was leben? Und da war nur eine Landwirtschaft. Ich fing mit sechzehn Jahren an in der Landwirtschaft zu arbeiten. Ich habe mich bei den Polen gemeldet. Da habe ich mit vier Pferden gearbeitet, auf dem Lande. Bis wir von Ostpreußen, von Zollerndorf gegangen sind, haben uns die Polen ausgesiedelt auf die Landwirtschaft, auf die Güter mit allen, mit meiner Mutter und so. Wir versuchten einmal beide, von da drüben wegzukommen. Und die haben uns geschnappt. Da haben wir auf der Polizeiwache. Mein Mann musste Holz machen und ich musste Polizeirevier putzen. Das war, wie wir uns kennenlernten. Ich war damals siebzehn Jahre im achtzehnten. Dann versuchten sie uns auf ein Gut Wensen auch Ostpreußen, denn die waren nicht sicher, dass wir wieder einmal versuchen auszurücken. Da haben sie uns rausgefahren nach Goldap an der russischen Grenze- Und da versuchte ich mit meinem Mann raus, nach Schlesien zu seiner Schwester.
Da haben wir in Schlesien geheiratet. Da kamen die zwei Kinder in der katholischen Gegend. Die Kinder bekamen keine Segnung. Da war ich neunzehn, zwanzig .Von Schlesien, Niederschlesien, da versuchte ich zu meiner Mutter nach Ostpreußen, nach Selbongen zu kommen. Da wurden die Kinder gesegnet, getauft und so weiter. Da wohnten wir in Nikolaiken vierzehn Jahre. Wir haben jedes Jahr versucht Papiere einzureichen, um nach dem Westen zu kommen. Leider haben sie uns immer zurückgehalten. Mein Mann war ein guter Arbeiter. Der älteste Sohn war schon gemustert zum polnischen Heer. Wenn die Deutschen beim polnischen Heer waren, durften sie zwei Jahre keinen Einreiseantrag stellen nach dem Westen. Wenn der älteste zurückkommt, dann musste schon der Zweite gehen. Dann wäre das wieder eine lange Zeit. Da haben wir gefunden, dass wir illegal für schweres Geld hinterlegt, dass wir herauskamen. Da hat uns jemand geholfen und wir kamen nach dem Westen. Die Kinder gingen zur Schule. Wir hatten Rechte.
Wir hatten einen polnischen Ausweis, wir konnten überall hingehen und etwas holen. Einmal Kohlendeputat holen, da sagten sie, wir sollten polnisch lernen und dann kommen. Die Kinder hatten es schwer. Am Elternabend haben sie immer gesagt, wir sollen zu Hause polnisch reden, weil die Kinder in den Schulen schlechter sind. Und in der Gemeinde Selbongen da waren viele Veranstaltungen zur PV, da haben wir alle deutsch gesprochen. Nur durften wir immer nur deutsch sprechen, wenn da kein Pole war. Aber wir waren immer bespitzelt. Da haben wir uns angestrengt in Polnisch zu sprechen. Das war schwer, Lieder zu singen oder so. Da hatten wir eine Konferenz, da war der Zweigpräsident, der sagte polnisch soll ich sprechen über die Taufe. Mit meinem ältesten Sohn haben wir uns beide hingesetzt. Ich werde in Deutsch sagen und du wirst die Ansprache in Polnisch aufschreiben. Die Kinder lernten ab der fünften Klasse schon russisch dazu.
Wie wir die Ausreise bekamen, haben wir uns riesig gefreut. Mit drei großen Kindern, mein Mann ein guter Arbeiter. Der hat auch gearbeitet, wenn auch nur stundenweise. Da habe ich mich nur gemeldet, wo in der Nähe die Kirche ist. In Deutschland war so ein Übergangslager für Aussiedler. Da haben meine Söhne im Lager herumgeschaut, Flüchtlinge aus Ostpreußen, aus Polen, aus Russland und da haben sie den Bruder Hohmann getroffen, die sind ein Jahr früher heraus. Dann sind wir zu Weihnachten zum ersten Mal nach Unna in die Gemeinde gegangen mit den Kindern. Da wollten sie haben, dass wir nach Dortmund in die Gemeinde kommen sollten. Aber meine Verwandten und die Verwandten meiner Mutter waren in Rheinhausen und so.
Dann haben wir uns nach Krefeld gemeldet. Jetzt sind wir in Krefeld schon vierzig Jahre lang. Gehen fleißig jeden Sonntag in die Kirche, die Kinder auch. Wir hatten auch viele Berufungen. 1968 war ich FHV Leiterin und dann erste Ratgeberin, in der FHV Zweite Ratgeberin, in der Sonntagsschule war ich Sonntagsschullehrerin, Besuchslehrerin und hatte Heimgestaltung. Habe viel gearbeitet. Früher war die FHV immer nachmittags. Trotzdem, die kamen ja nur mit dem Koffer und da musste ständig an die Arbeit. Trotzdem war ich immer treu der Kirche und meinem Zeugnis. Ich habe nie Zweifel gehabt. Und mein Mann, wie er getauft war, von Präsident Mabey und Apostel Hunter. Es war so, der Bruder Konietz kam uns besuchen und sagte: „Die Geschwister von Amerika, Brüder Hunter und Brüder Marvin Ashton, die wollen uns besuchen“. Die haben jede Familie besucht zu Hause. Da haben sie das erste Mal mit meinem Mann gesprochen. So eine nette Familie und so. Jetzt bin ich hier in der Gemeinde Krefeld. Ich bin dankbar dem Vater im Himmel, mein Zeugnis, das ich noch immer habe, auch viele Krankheiten, aber wir gehen jeden Sonntag hier in die Gemeinde.
Ich bin dankbar dem Vater im Himmel, mein Zeugnis, das ich noch immer habe, trotz vieler Krankheiten. Wir fahren 2-3 Mal im Jahr mein meinem Mann mit dem Auto zum Tempel Friedrichsdorf (Frankfurt). Dadurch empfangen wir viele Segnungen. Ich glaube an Gott und an seinen Sohn, Jesus Christus, und an das Wiederhergestellte Evangelium, das durch Joseph Smith auf Geheiß des Herrn hergestellt wurde.