Kühberg, Erzgebirge, Sachsen
Mein Name ist Marianne Charlotte Bastian, geborene Beyer. Ich bin am 1. September 1921 in einem kleinen Dorf (Kühberg) geboren. Meine Mutter sagte mir, es war ein schöner sonniger Tag. Die Bauern ernteten ihr Getreide. Meine Kindheit verlief sorgenfrei. Wir wohnten damals mit im Haus meiner Großeltern. Sie hatten einen Posamenten Betrieb, wo mein Vater und auch zwei seiner Brüder mithalfen. Als ich zehn Jahre alt war, bekam ich eine Schwester. Sie hieß Inge.
In der Schule lernte ich fleißig. Wir hatten eine Schule mit zwei Räumen. Das eine Zimmer von der 1-4., das andere bis zur 8. Klasse. Es gab keinen Streit und auch kein lautes Geschrei. Zu Beginn des Unterrichts beteten wir: „Mit Gott fang an mit Gott hör auf, das ist der beste Lebenslauf“‘. Dieser Spruch hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. In jedem Jahr wurde Schulfest gefeiert da wurden Märchen dargestellt und Wagen angeputzt. Einmal war ich das Dornröschen ein anderes Mal das Schneewittchen. Wir bekamen da immer schöne Preise.
Wir wohnten gleich am Wald. Ich ging oft mit meiner Mutter in den Wald, wo die Waldarbeiter Bäume fällten. Dort sammelten wir für den Winter die liegen gebliebenen Äste und Zweige. Mit meinem Vater ging ich gerne Pilze und Heidelbeeren sammeln. Meine Freizeit und die Schulferien verbrachte ich immer auf einen großen Bauernhof. Dort erntete ich die Kartoffeln mit, wendete das Heu, auch auf die Kühe musste ich aufpassen, wenn sie auf die Weide gebracht wurden. Ich bekam immer gut zu essen. Die Leute hatten mich gern. Im Herbst bekam ich einen großen Sack Kartoffeln. Meine Mutter holte von dort am Wochenende immer Milch, Butter und Sauerkraut. Das war meine schöne Schulzeit, die ich mit guten Noten beendete.
Mein Onkel Kurt hatte in Buchholz einen Posamenten Betrieb, dort lernte ich für drei Jahre als Posamentiererin. Sechs Uhr morgens fuhr ich mit dem Zug zur Arbeit und abends 19.00 Uhr war ich wieder zu Hause. Während dieser Zeit lernte ich meinen zukünftigen Mann kennen, der in der Nähe meiner Arbeitsstelle seine Ausbildung hatte. Er brachte mich oft zum Bahnhof Als meine Großeltern starben, sind wir dann auch nach Buchholz gezogen. . Er erzählte mir von der Kirche und ich bin mit ihm mitgegangen. Die vielen Lieder haben mir sehr gefallen. Ich habe gerne gesungen. Auch mit meiner Mutter habe ich viel gesungen Damals gab es keine Missionare, ich bin auch nicht belehrt worden. In Chemnitz gab es damals immer Konferenzen, einmal fuhren wir gemeinsam dorthin Nach der Vormittagsversammlung sagte ich, wir könnten am Nachmittag spazieren gehen oder zum Schloßteich gondeln fahren, mein Freund Alfred sagte:“ Nein, Nachmittag ist auch Kirche, um 14.00Uhr. Wenn du spazieren gehen willst, musst du alleine gehen, ich gehe in die Kirche. Ich habe es mir doch überlegt und bin mit zur Kirche gegangen.
Dann kam der Krieg. Mein Freund arbeitete damals in den Junkerswerken. Deshalb meldete er sich zur Luftwaffe, als Bordmechaniker. Ich hatte mich zu dieser Zeit taufen lassen. Er wusste es gar nicht. Als ich bei meinem Onkel als Posamentiererin ausgelernt hatte, habe ich mich auf eine Anzeige in der Zeitung gemeldet, um auf die Insel Fehmarn auf ein Rittergut zu gehen, mit Familien Anschluss. Dort lernte ich vieles was zu einer großen Wirtschaft auf einem Landgut gehört. Dieses Wissen konnte ich meinen Kindern weitergeben. Ich war drei Jahre dort, bis wir dann 1944( es war eine Kriegsheirat. Drei Tage Sonderurlaub).
Am 14.Februar 1945 hatte ich durch einen Fliegerangriff alles verloren. Beim zweiten Fliegeralarm hatte ich so fest geschlafen, dass ich nicht bemerkte, dass die Bomben auf das Haus fielen. Die Hausbewohner haben es noch rechtzeitig gemerkt und mich aus der Wohnung mit meiner Tochter, die ein Jahr alt war gerettet. All meine Andenken, die ich in einem Koffer immer bereit gelegt hatte, alles ist verbrannt. So bin ich mit meiner Tochter in der Nacht zu meinen Eltern gelaufen. Sie haben in der Nähe gewohnt. Da konnte ich auch nicht bleiben, da brannte daneben eine Fabrik. Die Flammen kamen auch in die elterliche Wohnung. So bin ich mit dem Kinderwagen nachts nach Annaberg zu meinen Schwiegereltern gelaufen. Von da aus sah man, wie es in Buchholz brannte. Ich war drei tag da. dann bin ich wieder zu meinen Eltern bis alles wieder aufgeräumt war. Ich bekam ein kleines Zimmer wo ich bleiben konnte mit meiner kleinen Tochter. Es waren noch 4 der 5 Familien die alles verloren hatten von der Kirche. Es war eine traurige Zeit. Mein Mann wusste nichts davon er war im Krieg. Die Post von ihm kam wochenlang nicht, dann endlich kam die Meldung, der Krieg ist zu Ende. Nun liefen auch viele Soldaten auf den Straßen. Ich schaute auch oft zum Fenster hinaus und hoffte, vielleicht ist auch mein Mann mal dabei. Da kam plötzlich ein Mann der Straße hoch, ganz zerlumpt er guckte zum Fenster hoch es war mein Alfred. Er war viele Male gefangen genommen worden. So hat er es unter großen Entbehrungen von Hamburg bis nach Hause zu laufen geschafft.
Zu dieser Zeit suchten sie in der Fröbelschule einen Hausmeister. Mein Mann hatte sich auch gemeldet. Er bekam die Zusage, nun konnten wir gemeinsam in die Hausmeisterwohnung einziehen Zu dieser Zeit waren dort viele Flüchtlinge untergebracht. Es gab viel Arbeit es und auch zu Essen. Deshalb konnten wir sehr vielen Geschwistern helfen, manchmal waren es Kohlen ein anderes Mal war es Essen. Langsam normalisierte sich das Leben wieder und der Schulunterricht begann. In der dazugehörigen Schulküche kochte ich mit weiteren Frauen das Mittagessen für die Schüler.
Nun wurde meine zweite Tochter, Monika geboren. Unser toleranter Schuldirektor erlaubte uns ein Zimmer für die Lagerung von Büchsen, und Kleidung die aus Amerika für die Menschen gespendet wurden, zu benutzen. Viele Menschen ließen sich während dieser Zeit taufen, weil sie dadurch die Möglichkeit hatten von diesen Spenden Gebrauch zu machen. Nachdem die Spendenaktion beendet war, verloren wir wieder viele Mitglieder. Wir bezeichneten sie als Büchsenheilige. Während dieser Zeit wurde unsere dritte Tochter Claudia geboren.
1951 zogen wir in eine andere Wohnung. Hier wurden noch zwei weitere Kinder geboren. Christine geboren am 10.Januar 1944, Monika am 10.Januar 1946, Claudia am 9.Januar 1950, Petra am 6.Januar 1956 und unser Sohn Dietmar am 9.Juni 1957. Eine große Hilfe in meiner Familie war mir meine liebe Mutter. In unserem Garten am Haus bauten wir viel Gemüse und Obst an. Hühner, Schweine, Hasen, Truthühner und Schafe alle die Tiere versorgten unsere große Familie mit Essen. Auch unsere Nachbarschaft hatte Freude an dem frischen Obst und Gemüse, was ich gerne teilte. Um für die Kinder sorgen zu können, arbeitete ich viele Jahre als Heimarbeiterin zu Hause, kochte das Mittagessen, machte die Hausaufgaben mit und sang viele Heimatlieder mit den Kindern.. Meinen Mann unterstütze ich in seinen Berufungen in der Kirche, indem ich ihn alles vorbereitet habe, bevor er zur Kirche ging.
Ein beeindruckendes Erlebnis ist mir noch in Erinnerung. Bei einem Besuch in einem Freibad in Salt Lake City trafen wir Bruder Monson mit seiner Frau und zwei Enkelkindern. Unsere Tochter hat uns vorgestellt und wir unterhielten uns über Annaberg. Bruder Monson zeigte Interesse an der Fliegerei während des Krieges, darüber konnte mein Mann viel berichten. Nachdem viele Menschen das Bad besuchten, verlies Bruder Monson und seine Familie diesen Ort.
Die Kinder heirateten alle. Die drei älteren Töchter zogen weiter fort. Christine nach Halle, Claudia nach Schwerin und Monika lebt heute in Salt Lake City. Viel Freude habe ich an der großen Zahl unserer Nachkommen, fünf Kinder und 16 Enkel. Leider konnte mein lieber Alfred die Geburt vieler seiner Urenkel nicht mehr miterleben. Die Zahl vermehrt. sich ständig. Im Moment sind es 21 Urenkel. fünf weitere sind unterwegs. Ich bin dankbar, dass ich in dieser Zeit leben darf und miterleben kann, wie unsere große Familie wächst. Der himmlische Vater hat mich in all diesen Jahren nie alleine gelassen.