Basel, die Schweiz
Mein Name ist Georg Julius Birsfelder, geboren am 12. Februar 1922 in Wuppertal Elberfeld in Deutschland. Aber ich habe die schweizerische Staatsangehörigkeit; denn mein Vater war Schweizer Bürger und zu der Zeit von seiner schweizerischen Firma nach Deutschland geschickt worden, um dort die verschiedenen Filialen der Firma zu leiten. Der Name meines Vaters ist Julius Birsfelder. Meine Mutter ist eine ehemalige Berlinerin mit den Namen Therese Wilhelmine Emma geborene Erdmann. Ich habe einen zwei Jahre jüngeren Bruder namens Hans. Wir wurden beide in Wuppertal Elberfeld geboren, sind dort aufgewachsen und auch dort in die Schule gegangen. Wir waren keine Mitglieder der Kirche Jesu Christi, sondern waren lutherisch reformiert.
Mein Vater ist gestorben, 4. Oktober 1934 in Elberfeld, als die beiden Söhne 12 beziehungsweise 10 Jahre alt waren. Meine Mutter hatte die schwere Aufgabe, schon während der langen Arbeitslosigkeit und Krankheit meines Vaters, durch waschen und bügeln von Herrenhemden für Bekannte und Freunde aus der Nachbarschaft, die Familie durchzubringen. Sie verstarb am 29. Februar 1964 in Muttenz, Baselland.
Trotz Schwierigkeiten ermöglichte es Mutter Birsfelder beiden Söhnen eine Lehre zu absolvieren. Ich lernte Verkäufer und Hans Sattler. Die Lehre von mir in der Firma Harrt Rennberg endete etwas früher als vorgesehen. Es war eine jüdische Firma und in der Nacht vom 8./.9. September 1938 war die sogenannte „Kristallnacht“ und alle jüdischen Synagogen, und fast alle jüdischen Geschäfte, wurden durch die Nazis zerstört. Das Geschäft wurde von einer anderen, arischen Firma, übernommen und ich beendete dort seine Lehrzeit am 28. Februar 1939.
Später kam ich dann nach Düsseldorf und konnte dort durch Vermittlung des Schweizer Konsulats bei einer Schweizer Firma arbeiten. Auf Anfrage und durch Vermittlung des Schweizerischen Konsuls in Düsseldorf begann ich am 1. April 1943 eine Anstellung als Expedient bei einer Schweizer Möbel-Transportfirma in Düsseldorf. Leider war diese Anstellung nur sehr kurz, denn bereits in der Nacht zum 9. Juni wurde fast die ganze Stadt Düsseldorf durch einen Bombenangriff zerstört. Das Haus, in dem ich wohnte, und das Geschäft, in dem ich arbeitete, wurden völlig zerstört. So ging ich zurück zu Mutter nach Wuppertal Elberfeld. Doch zwei Wochen später wurde auch diese Stadt bombardiert, 23 Juni 1943, und völlig zerstört.
Meine Mutter hatte einen Bruder in Blankenburg im Harz, zu dem wir dann gegangen sind. In Blankenburg gab es die Eisenbahn Halberstadt-Blankenburg, und die Leute, die diese Eisenbahnlinie betrieben, waren sehr glücklich über mein Kommen; denn als Schweizer Bürger musste ich nicht zum Militär. Und somit war ich eine gute Arbeitskraft. Sie hatten die Absicht, mich zum Bahnhofvorsteher auszubilden.
Mein Wunsch aber war es, in meine Heimat, die Schweiz, zu reisen. Am 30. April 1944 kam ich nach Basel, wo ich bei zwei Schwestern meines Vaters Aufnahme fand. Im Oktober des gleichen Jahres konnte meine Mutter nachfolgen und im März 1945 auch mein Bruder Hans mit seiner Frau Elisabeth – sie hatten am 26. Februar 1945 in Blankenburg Harz geheiratet. Zu meinem dreiundzwanzigsten Geburtstag musste ich in die Rekrutenschule einrücken. In der Schweiz ist es üblich, dass jeder junge Mann zum Militär einrücken muss. So war ich bei ihrer Ankunft gerade in der Infanterie-Rekrutenschule in Liestal, die ich vom 12. Februar – 9. Juni 1945 absolvierte
Am 21. September 1946 heiratete ich Rosmarie Neuenschwander. Sohn Peter Georg wurde am 3. August 1947 geboren. Die Ehe wurde jedoch am 5. Januar 1950 rechtsgültig geschieden.
Abgesehen davon, dass ich – nicht nur wegen des Krieges – immer in die Schweiz wollte, war für mich ein weiterer Grund, festzustellen, wieso die Familie Birsfelder heißt und woher der Name kam. Schon in der Woche nach meiner Einreise in die Schweiz fand ich aus, dass mein Urgroßvater am 30. November 1811 in einem „Feld an der Birs“ als ausgesetztes Kind gefunden wurde. Man gab ihm den Namen Andreas Birsfelder. Birsfelder wegen dem Fundort und Andreas, weil der Tag, an welchem er gefunden wurde, der Todestag des Apostels Andreas – dem Bruder von Petrus – war.
Später habe ich die verschiedensten Anstellungen gehabt. Beim Staat war ich Sekretär im Konkurs- und Pfändungsamt. Zu der Zeit wohnte ich in Arlesheim in Basel-Land. Dienstags bin ich immer zu meiner Mutter gefahren, die in Binningen wohnte. Dort gab es ein Mädchen, Annarösli Dettwiler, das immer vom Aeschenplatz bis nach Arlesheim fuhr. Wir waren immer in demselben Wagen, und eines Tages habe ich es gewagt, sie anzusprechen. Wir haben dann festgestellt, dass wir direkt einander gegenüber wohnten. Während des Gesprächs hat es sich ergeben, dass wir eine Verabredung miteinander trafen. Was mich vor allem sehr beeindruckt hatte war, dass sie, bevor wir uns verabschiedeten, darum bat, noch ein Gebet sprechen zu dürfen. Sie hat dann ein Gebet gesprochen. Sie war ein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, und durch sie bin ich dann auch ein Mitglied der Kirche geworden. Wir haben später dann geheiratet. Am 12. August 1950 heirateten wir und am 6. Mai 1951 wurde ich getauft.
Während dieser Zeit wurde mir klar, was der Hauptzweck war, der mich in die Schweiz, zu Annarösli und in die Kirche führte. Es war bestimmt der Einfluss meiner und Annarösli’s Vorfahren, laut den Worten des Propheten Maleachi im letzten Kapitel des Alten Testaments, „dass Elija das Herz der Väter wieder den Söhnen und das Herz der Söhne den Vätern zuwenden werde“, die mich veranlassten, genealogische Forschungen zu machen. Denn, das Findelkind, Andreas Birsfelder hat eine Veronika Dettwiler geheiratet. Durch Erforschung der Dettwiler-Linie stellten wir fest, dass Annarösli’s siebter und mein achter Urgroßvater in der Dettwiler-Linie die gleiche Person war.
Als bekannt wurde, dass die Kirche in der Schweiz einen Tempel bauen wollte, wurde mir klar, dass und warum der Herr mich in die Schweiz geführt hat. Der Tempel wurde am 11. September 1955 geweiht. Ich und Annarösli erhielten am 16. September 1955 unsere eigene Begabung und wurden gleichentags für Zeit und alle Ewigkeit gesiegelt. (Kathrin, geboren am 23. Februar 1953, wurde am 18. Januar 1956 an uns gesiegelt und die beiden anderen Kinder — Beatrice, geboren am 13. März 1956 und Christian Julius, geboren am 21. Dezember 1957 – wurden im Bunde geboren. Tochter Kathrin ist seit 1. März 1975 mit René K. Bader verheiratet. Sie haben sieben Kinder: drei Söhne und vier Töchter. Beatrice ist seit 6. Januar 1992 mit Karlheinz Strohmeier verheiratet: sie haben eine Tochter und einen Sohn. Sohn Christian ist zur Zeit immer noch ledig, doch als gelernter Florist glücklicher Besitzer eines eigenen Blumen-Geschäfts.)
Vorher, als der Bau des Tempels bekannt gemacht wurde, hatte ich den Wunsch, dort als Sekretär zu dienen. Aber ich sprach mit niemanden darüber, doch betete ich täglich zu Gott, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Und der Wunsch wurde erfüllt. Am Sonntagabend, dem 25. September 1955, wurde ich berufen, als Tempelrecorder bei Präsident Samuel E. Bringhurst zu dienen. Am 1. Dezember 1955, begann ich meinen Dienst im Tempel. Ich diente in diesem Amt bis zu meiner Entlassung am 19. Oktober 1984. Am 29.September 1969 erhielt ich die Siegelungs-Vollmacht und ab 11. Oktober 1969 bis zum 19. Oktober 1984, das heißt während 15 Jahren, diente ich, gleichzeitig zu meiner Berufung als Recorder, vier Tempelpräsidenten als Ratgeber.
Eine bedeutende Berufung, welche ich zusammen mit meiner Frau Annarösli bereits am 25. Dezember 1985 erhielt, war die als Missionare in der ehemalige DDR. Wir mussten 19 Monate auf das Visum warten, bis wir am 22.Juli 1987 diese Mission in der Information auf dem Tempelplatz in Freiberg/Sachsen antreten konnten. Gleichzeitig erteilte mir der Prophet die Siegelungs-Vollmacht auch für den Freiberg Tempel. Während unserer 20 Monate dauernden Mission kamen 42’000 Menschen aus allen Teilen der DDR und anderen Ost-Blockstaaten, auch aus westlichen Staaten, um Auskunft über die Kirche zu erhalten. Am 20. März 1989 kehrten wir glücklich über die wirklich vom Herrn reich gesegnete Mission nach Hause zurück.
Etwa ein Jahr später – am 27. April 1990 – gab es für uns beide eine weitere Missions-Berufung. Diesmal als Ratgeber und als Assistent Matron im Frankfurt Tempel in Friedrichsdorf. Leider musste diese Mission frühzeitig abgebrochen werden, da Annarösli am 26. Februar 1991 einen schweren Unfall erlitt. Sie war, mit Unterbrechungen, mehrere Monate in Spitälern. Präsident Gordon B. Hinckley entließ uns am 5. Juli 1991 mit großem Bedauern der Ersten Präsidentschaft, doch ehrenvoll und mit Dank für den geleisteten Dienst.
Eine besondere Überraschung gab es am 13. Mai 1996. Am Telefon meldete sich Präsident Thomas S. Monson. Erst erkundigte er sich nach Annarösli’s Gesundheit und auch sonst wollte er wissen, wie es uns geht. Und dann: Im Namen der Ersten Präsidentschaft berief er uns beide als Präsident und Matron für den Schweizer Tempel. Die Berufung gelte ab 1. September 1996 und sei für die Dauer von 3 Jahren. Nach einem kurzen Seminar für 18 neue Tempel-Präsidenten und deren Gattinnen Ende August in Salt Lake City, traten wir unseren Dienst am 31. August 1996 im Schweizer Tempel an. Wir waren das zehnte Präsidenten-Paar und erfreuten uns jeden Tag an diesem besonderen Dienst. Am 1. November 1999 wurden wir durch Präsident und Schwester Gary L. Schwendimann abgelöst. Für mich und Präsident Schwendimann von besonderer Bedeutung war, dass Elder Schwendimann als junger Missionar mich am 6. Mai 1951 konfirmierte, nachdem ich durch dessen Mitarbeiter, Ralph Klemm, getauft war.
Wir hatten uns nach unserer Entlassung vorgenommen, verschiedene Besuche in unsere ehemaligen Missions-Gebiete zu unternehmen. Für Mai 2000 war bereits ein Besuch in Freiberg geplant, wo unsere Freunde – Magnus und Inge Meiser – als Tempelpräsident und Matron dienten. Auch Friedrichsdorf sollte besucht werden, wo ebenfalls langjährige Freunde – Karl und Hanna Borcherding – als Tempelpräsident und Matron dienten. Leider wurde daraus nichts, denn Ende März 2000 wurde Annarösli ernsthaft krank. Man wusste nicht, was es war. Möglicherweise eine Folge ihres damaligen Unfalls im Februar 1991. Ihr Zustand verschlechterte sich mehr und mehr und sie verstarb – nach 6 Monaten Spital-Aufenthalt – am 27. September 2000. Für mich einerseits ein sehr schwerer Schlag, andererseits aber war ich dankbar, dass Annarösli nicht mehr leiden musste und der Vater im Himmel sie zu sich heim gerufen hat. Ich versah weiter meinen Dienst im Tempel als Arbeiter und Siegler zweimal wöchentlich und wann immer ich sonst gebraucht wurde.
Am 1. Juli 2001 zog ich – auf Empfehlung von Kathrin – nach Sissach. Ich sollte mich in der Nähe meiner Familie wohlfühlen. Ich bin sehr dankbar für diesen Vorschlag. Dadurch wurde ich auch Mitglied in der Gemeinde Pratteln, in welcher ich mich ebenfalls sehr wohl fühle. Am 5. Mai 2005 aber gab ich meine Wohnung in der Hauptstraße auf und zog zu Kathrin, in den Himmelrainweg. Ich war dankbar und glücklich über diesen Umzug und freute mich jeden Tag über die Liebe und Betreuung von René und Kathrin.
Weil mein Herz immer schwächer wird und das Gehen mühsamer, zog ich am 20. März 2009 ins Altersheim Mülimatt in Sissach. Obwohl ich nun nicht mehr bei meinen Lieben wohne, fühle ich mich dort wohl und bin dankbar für die Fürsorge und Hilfe des Pflegepersonals.